Kapitel 31

-Linea, 25. Oktober, 53 nach Gründung-


Wie ich von Jaron erfahren habe, sollte die Mission heute stattfinden. Obwohl ich offensichtlich nicht dabei bin, bin ich sehr nervös. Leider kann ich nicht leugnen, dass Kian der Grund für meine Nervosität ist. Ich mache mir Sorgen um ihn gemacht, ich vermisse ihn und kann eigentlich kaum an etwas anderes denken als an die wenigen Momente, die wir zusammen verbracht haben. Obwohl ich genau weiß, dass es immer schlimmer wird. Aber meine Gedanken lassen sich beim besten Willen nicht abschalten, ich habe sogar das Gefühl, dass ich mehr daran denke, wenn ich versuche, genau das Gegenteil zu tun. Wir hatten zwar beim Training Anstand gehalten, doch seine bloße Anwesenheit hatte mir ausgereicht.  

Mein Blick fällt immer wieder auf die Uhr, ich weiß nicht genau, wann der Einsatz stattfindet, aber es müsste relativ früh am Morgen losgehen. Wahrscheinlich werde ich erst nach meiner Schicht erfahren, ob alles gut gegangen ist. Ich zittere vor Aufregung. Und das überträgt sich auch auf die Kinder, wie ich feststelle. Kaum nehme ich einen der Jungs auf den Arm, um ihm eine frische Windel anzuziehen oder ihn zum Spielen auf den Boden zu setzen, fängt er jämmerlich an zu weinen. Meine Nerven liegen blank, ich bin heute anscheinend zu nichts zu gebrauchen.

„Du musst dich beruhigen, die Kleinen spüren, dass mit dir etwas nicht stimmt", eine knochige Hand legt sich auf meine Schulter.

Ich knurre leicht. „Das weiß ich", fahre ich Isabella genervt an, was ich im nächsten Moment schon wieder bereue. Schließlich kann sie nichts dafür. Sie zuckt nur zusammen und lächelt wissend.

„Keine Sorge, ich bin auch immer nervös, wenn ich nicht weiß, was passiert. Aber das wird schon wieder", flüstert sie beruhigend und streichelt mir über die Wange. Sie weiß es wirklich nicht. Gut, im Grunde hat sie Recht, aber sie weiß nicht, wie groß meine Sorge ist. Und auch nicht, dass meine Sorge vor allem einer Person gilt. Ich atme tief durch und schenke ihr ein Lächeln, das sie nie erkennen wird.

„Es tut mir leid", sage ich bedauernd und lege ihr eine Hand auf die Schulter.

„Das muss es nicht, mein Kind. Ich sage dir Bescheid, sobald ich etwas weiß." Überrascht sehe ich sie an.

„Aber wie..." Sie unterbricht mich mit einer wegwerfenden Handbewegung.

„Ach, ich habe da meine Quellen und jetzt zurück an die Arbeit, die Windeln wechseln sich leider noch nicht von alleine", seufzt sie und schreitet sicher zum nächsten Bettchen.

Ich staune immer wieder, wie zielsicher sie läuft, obwohl sie blind ist. Und dass sie wirklich alles kann. Sie nutzt ihre Blindheit nicht einmal aus, um unliebsame Aufgaben an andere abzugeben. Vielleicht liegt es daran, dass sie noch sehen konnte, als sie hier angefangen hat. Wahrscheinlich hat sie sich alles gut eingeprägt, als sie merkte, dass ihr Augenlicht nachließ. Ich kann es mir jedenfalls nicht anders erklären. Vielleicht frage ich sie eines Tages.

„Wie ist es mit Jaron?", fragt sie. Ich bin dankbar für die Ablenkung, auch wenn die Frage noch mehr Nervosität in mir auslöst. Denn ich kann sie unmöglich ehrlich beantworten. Ich weiß es selbst nicht genau. Wir haben uns zwar wieder vertragen und er hat mir gesagt, dass er es versteht. Aber er ist natürlich nicht glücklich darüber, dass ich nicht weiß, was zwischen uns ist. Aber ich habe ihm nichts von Kian erzählt. Was zugegebenermaßen ziemlich scheiße ist, aber ich habe es einfach nicht übers Herz gebracht. Vielleicht bin ich einfach zu feige, aber vielleicht hat es auch keinen Sinn. Jedenfalls wird nie wieder etwas zwischen uns sein und ich mag Jaron wirklich. Ich bin gerne mit ihm zusammen. Es ist vielleicht nicht so wie mit Kian, aber vielleicht ist es auch besser so.

„Es läuft gut", antworte ich schließlich. Nicht zufrieden, wie ich an ihrem verzogenen Mund sehe

„Er ist ein wirklich netter Mann, aber du solltest wissen, dass du ihm nichts schuldig bist. Ich habe nicht das Gefühl, dass deine Gefühle über Freundschaft hinausgehen", sagt die alte Frau langsam und bedächtig. Es nervt mich, dass sich scheinbar jeder in unsere Angelegenheiten einmischen will, obwohl ich bei Isabella eher glaube, dass sie nur das Beste für mich will. Kian will Jaron natürlich schlecht machen.

„Vielleicht hast du Recht Isabella, schließlich ist das alles neu für mich. Aber ich will es versuchen. Er ist nett und ich bin gerne mit ihm zusammen. Warum sollte es nicht klappen?", frage ich entschlossen. Ich sollte wohl besser auf meine eigenen Worte hören und mich zu 100 Prozent darauf einlassen. Auch wenn es sich im Moment nicht so anfühlt. Zumal ich mehr an Kian als an Jaron denke. Ein Seufzen entweicht ihren Lippen.

„Tu, was du glaubst, tun zu müssen. Ich war auch mal jung und habe meine Fehler gemacht, wie soll ich dir da etwas vorschreiben?", sagt sie lächelnd und legt mir eine Hand auf den Arm. „Aber du kannst immer zu mir kommen, wenn du meine Hilfe brauchst. Ich mag zwar alt sein, aber ich kenne mich hier besser aus als die meisten anderen", sagt sie und zwinkert mir mit einem Auge zu.

Mir steigt die Röte ins Gesicht. Natürlich würde ich keine alte Frau um Beziehungstipps bitten. Aber ich bin froh, dass ich mich auf jemanden verlassen kann. Und es tut gut zu wissen, dass jemand ein offenes Ohr für mich hat. Vorsichtig lege ich erst den einen, dann den anderen Arm um sie und drücke sie an mich. Lächelnd erwidert sie meine Umarmung und drückt mir einen Kuss auf die Stirn.

„Ich bin sehr stolz darauf, wie gut du dich geschlagen hast, nicht jeder meldet sich freiwillig bei der nächstmöglichen Mission. Ich bin mir sicher, dass du auch bei deinem Einsatz eine Bereicherung sein wirst", sagt sie. Ich lächle. Ich frage mich, ob Kian mit ihr darüber gesprochen hat, was passiert ist. Wahrscheinlich hat er mit niemandem darüber geredet, genausowenig wie ich.

Natürlich mache ich mir Gedanken darüber, wie zukünftige Einsätze ablaufen werden. Ich bin noch nicht bereit zu sterben, ich weiß nicht, ob ich es jemals sein werde. Natürlich ist mir die Sache verdammt wichtig, aber mir fehlt wahrscheinlich der Mut. Ich bin nicht wie Rosalie, die ohne zu zögern dazu bereit war. Vielleicht brauche ich einfach noch etwas Zeit. Oder ich bin egoistischer als sie.

„Sind alle so wie Rosalie? Sie hat sich einfach gemeldet, ohne darüber nachzudenken", frage ich Isabella vorsichtig. Ich will vor ihr nicht als Feigling dastehen, aber ich glaube, ich kann mit ihr wirklich über alles reden. Außer über Kian.

„Ich hoffe nicht. Rosalie hat viel durchgemacht in ihrem Leben. Ich bin mir sicher, dass sie nur zu gern damit Schluss machen würde. Auch wenn das bedeutet, dass sie das Ende nicht mehr erleben kann. Aber andere kämpfen lieber, als sich zu opfern. Beides ist wichtig, es ist egal, was man dafür tut, solange man etwas dafür tut" Irgendwie findet sie immer die richtigen Worte.

„Und was musste Rosalie erdulden?", frage ich vorsichtig.

„Du bist wirklich sehr neugierig", sagt Isabella lächelnd und zieht die Decke über die Beine des Jungen. Ich bin so abgelenkt von unserem Gespräch, dass ich gar nicht mitbekommen habe, dass sie dem Jungen nebenbei eine frische Windel gemacht hat.

„Ist das etwas Schlimmes?", frage ich, man hatte mir zwar schon öfter gesagt, dass ich neugierig sei, aber meistens war es eher kritisch gemeint. Bei ihr hört es sich nicht so an.

„Ganz im Gegenteil", sagt Isabella und bahnt sich ihren Weg zum nächsten Bett. „Rosalie war früher Mutter. Aber bei ihr war es nicht so einfach. Sie hat nicht das geschafft, was andere Mütter geschafft haben. Das sind nicht meine Worte, sondern die des damaligen Oberbefehlshabers", sagt sie und sieht mich unglücklich an. Ich ahne, dass das nicht alles war. Isabella scheint sich zu sammeln, bevor sie fortfährt.

„Als sie zum dritten Mal hintereinander nicht schwanger wurde, hat man sehr schlimme Untersuchungen an ihr durchgeführt. Man könnte es auch Experimente nennen, denn so etwas war in all den Jahren, seit es das System gibt, noch nie passiert. Die Ärzte waren verzweifelt, denn sie begannen an ihren Fähigkeiten zu zweifeln. Also entschied ein Arzt, dass man ausprobieren sollte, ob es in ihrem Fall nicht besser wäre, die Befruchtung nicht künstlich zu machen. Weißt du, was das bedeutet?", fragt sie mich. Durch die Tränen klingt ihre Stimme etwas gebrochen.

„Ich weiß es nicht wirklich", gebe ich zu. Isabella nickt nur und es entsteht eine kurze Pause. Ich denke schon, sie will nicht mehr weiterreden, doch dann wischt sie sich die Tränen am Ärmel ab und fährt fort: „Früher hat man künstliche Befruchtungen nur gemacht, wenn die Frauen es wollten, wenn sie anders nicht schwanger werden konnten. Das war nicht ungewöhnlich, denn früher konnte jede Frau Kinder bekommen, wenn sie wollte. Im Gegensatz zu unseren Müttern haben sie entschieden, ob sie Kinder haben wollen oder nicht. Diese Entscheidung haben die Mütter nicht, sie wird ihnen abgenommen", wiederholt sie, als hätte sie zu viel Angst, das auszusprechen, was ich von ihr verlange.

„Du musst es mir nicht sagen, wenn du nicht willst", versuche ich sie zu beruhigen, doch sie schüttelt entschieden den Kopf.

„Nein, tut mir leid, ich will dir alles erzählen, was ich weiß. Und dazu gehören auch die unangenehmen Dinge. Die künstliche Befruchtung kennst du ja. Aber es gibt auch andere, natürlichere Wege, ein Kind zu bekommen. Wie bei Eleonora, wenn eine Frau und ein Mann einvernehmlich miteinander schlafen. Aber bei Rosalie war das nicht so. Sie wurde dazu gezwungen, mit Gewalt, mit Drogen, im Schlaf. Immer und immer wieder. Erst von den Ärzten, dann von anderen Männern. Dutzende Male, nur um zu testen, ob sie ein Kind bekommen kann. Es war eine Strafe dafür, dass es nicht geklappt hat, obwohl es ganz normal ist, dass es manchmal nicht funktioniert. Sie hat sich nicht mehr getraut, ins Bett zu gehen. Sie hat sich nicht mehr getraut, etwas zu essen, sich zu bewegen. Das ging jahrelang so. Wie du weißt, ist es verboten, dass Frauen und Männer Körperkontakt haben. Aber sie haben sich über das Gesetz hinweggesetzt. Eigentlich tun sie es ständig, denn viele Frauen werden dazu gezwungen."

Zitternd stützt sich die alte Frau auf dem Bett ab, ihr Atem geht so flach, dass ich Angst habe, sie würde ohnmächtig werden. Auch mir laufen die Tränen über die Wangen. Sicher habe ich eine neue Angst entwickelt, aber es war wichtig, dass sie es mir gesagt hat. Dafür bin ich ihr dankbar. Allein das hätte mir gereicht, mich gegen das System zu entscheiden. Wie würde ich mich gefühlt, wenn mir dasselbe passiert wäre? Wie konnte ich vermeiden, dass mir dasselbe passierte? Ich kann mir das ganze nicht so wirklich vorstellen. Oberbefehlshaber, die ihre eigenen Gesetze brechen. Und die Bevölkerung glaubt immer noch an die Regeln.

Ich traue mich kaum zu fragen, aber ich frage sie noch einmal: „Und wie hat es mit Rosalie aufgehört?"

„Sie wurde schwanger und brachte einen Jungen zur Welt. Aber ihr Körper war so geschädigt, dass man entschied, sie sei als Mutter nicht mehr geeignet. Also steckten sie sie ins Krankenhaus, damit sie dort putzen konnte. Aber diese Jahre haben ihre Spuren hinterlassen.", seufzt Isabella.

Sie wirkt nicht so, als hätte sie Rosalies Entscheidung kritisiert, eher so, als hätte sie sie voll und ganz Verständnis dafür. Und ich verstehe es, wahrscheinlich hat Rosalie oft genug daran gedacht, nicht mehr mit ihren Erinnerungen leben zu müssen. Mir wäre es jedenfalls so gegangen. Jetzt bewundere ich sie nur noch mehr. Sie ist nicht nur mutig, sie ist außergewöhnlich stark. Niemand sollte gezwungen sein, so stark sein zu müssen. Es macht mich wütend, dass sie es so weit haben kommen lassen. Ich will Rache. An allen. Ich verziehe wütend das Gesicht und gehe auf Isabella zu.

„Ich verspreche dir, ich werde alles tun, damit sie gerächt werden."


Die Stunden vergehen, meine Schicht ist längst vorbei. Noch immer haben wir nichts vom Ausgang des Einsatzes gehört. Isabella wartet unten im Aufenthaltsraum, sie ist viel zu nervös, um sich auszuruhen. Stattdessen läuft sie in dem großen Raum auf und ab. Ich bin nur kurz in mein Zimmer gegangen, um zu duschen und mir frische Kleidung anzuziehen. Es waren nur ein paar Minuten, aber ich hoffe, dass sie in dieser Zeit etwas erfahren hatte. Aufgeregt komme ich ins Zimmer zurück, aber sie schüttelt nur den Kopf. Während sie immer noch herumläuft, sitze ich auf meinem Stuhl und starre an die Wand gegenüber. Irgendetwas muss passiert sein. Aber ich hoffe, dass sie nur mehr Zeit gebraucht haben.

Endlich werden wir erlöst. Es klopft an der Hintertür. Als Isabella sie ungeduldig aufreißt, schlüpft zu meinem Erstaunen Eleonora hinein.

„Isabella", ihre Stimme ist voller Bedauern. Entsetzt starre ich sie an. Ihre Stimme ist leise, aber voller Mitgefühl. Meine Fingernägel krallen sich in das Polster des Stuhls, an den ich mich lehne. Für einen Moment halte ich die Luft an, nur um dann panisch nach Luft zu schnappen. Die Gedanken rauschen in meinem Kopf umher. Bitte nicht er. Doch ich weiß auch ganz genau, dass sie nicht wegen jemand anderem zu Isabella kommen würde.

„Nein, nein", flüstere ich vor mich hin. Eleonoras Blick wandert zu mir und fixiert mich. Ihre Augen werden groß, für einen Moment mustert sie mich so eindringlich, als hätte sie mich noch nie gesehen. Dann wendet sie sich wieder Isabella zu. Auch sie scheint überrascht zu sein, dass Eleonora diejenige ist, die uns erzählt, was passiert ist. Ich fange den Blick der Anführerin wieder auf. Sie wirkt müde, gestresst, als würde sie neben sich stehen. Sie wird der Frau, die Kian am meisten geliebt hat, die Todesnachricht überbringen. Und ich habe nichts Besseres zu tun, als es ihr noch schwerer zu machen. Ich senke den Blick und kämpfe mit den Tränen. Das kann nicht sein. Wie konnte das passieren? Schließlich war er ohne Zweifel der Beste, den wir haben. Ich wende mich wieder Eleonora zu und warte ungeduldig darauf, dass sie Isabella erzählt, was passiert ist. Auch wenn es keine Rolle spielt. Genau genommen will ich es überhaupt nicht wissen.

Unglücklich fährt sie fort. „Isabella, Clark wurde angeschossen. Benedikt und Jaron kümmern sich um ihn, es sieht gut aus, aber er ist schwer verletzt. Ich war gerade bei ihm, er ist noch nicht bei Bewusstsein", sagt die Anführerin und greift nach Isabellas Hand, um sie sanft zu streicheln. Ich schaue überrascht auf.

„Er... er ist nicht tot?", frage ich erstaunt und erleichtert zugleich. Beide drehen mir den Kopf zu. Eleonora schüttelt ihren.

„Nein, warum sollte er das sein?", fragt sie erstaunt. Ich senke den Blick.

„Es hat sich so angehört", flüstere ich. Sie wirft mir ein zögerndes Lächeln zu.

„Alles wird gut, er ist in guten Händen", sagt sie hoffnungsvoll. Ich schlucke schwer. Natürlich sollte es mir nicht so nahe gehen, schließlich kenne ich ihn nicht besonders gut. Aber es fühlt sich schrecklich an, auch wenn er nur verletzt und nicht tot ist. Mein Magen spielt verrückt. Ich muss mich zusammenreißen, um nicht aus dem Zimmer zu rennen. Ich schlucke die bittere Galle hinunter, die in mir aufsteigt. Eleonoras Blick durchbohrt mich. Ich wende den Blick ab und starre auf meine Füße.

„Wie konnte das nur passieren?", fragt Isabella schniefend. Sie setzt sich sogar freiwillig auf einen der Stühle. Ich weiß, wie nahe sie und Kian sich stehen. Er ist wie der Sohn, den sie nie hatte.

„Er hat jemanden beschützt, hat sie zu Boden geworfen und ist selbst getroffen worden", sagt Eleonora ruhig. Ich spüre immer noch, wie ihr Blick auf mir brennt. Sie setzt sich neben Isabella.

Ich stehe nur da und kämpfe mit meinen Gefühlen. Er hat jemanden beschützt? Ob es ein Unfall war? Er wirkt nicht wie jemand, der so etwas tut. Aber sie wirkt auch nicht überrascht, dass er es getan hat. Es zeigt nur wieder einmal, dass ich ihn wirklich nicht kenne.

„Er hat jemanden beschützt?", frage ich und beiße mir sofort auf die Zunge, als ich merke, wie überrascht das klingt. Doch die beiden Frauen scheinen so mit ihren eigenen Emotionen beschäftigt zu sein, dass sie es nicht bemerken. Eleonora nickt.

„Ja, er hat Tyra beschützt, sie ist mitgekommen, weil es eine einfache Mission werden sollte. Sie wollte mehr in das Geschehen einbezogen werden, deshalb hat sie ihn überredet, sie mitzunehmen. Aber ich weiß nicht genau, was passiert ist. Ich war ja nicht dabei", sagt sie und legt einen Arm um Isabella. Ich habe ein schlechtes Gewissen. Vielleicht habe ich ihn doch falsch eingeschätzt. Schließlich war es sehr selbstlos von ihm, sich quasi zu opfern. Er hätte ja auch sterben können. Und bis jetzt weiß man anscheinend noch nicht, ob er einen Schaden davongetragen hat. Und sein Überleben ist auch nicht gesichert. In mir wächst der Drang, sofort zu ihm zu gehen, aber ich weiß nicht, wo er ist. Und ob ich zu ihm gehen darf. Oder soll. Schließlich hat er mich gebeten, nicht mehr in seine Nähe zu kommen. Aber das ist jetzt eine andere Situation, oder?

„Ich will ihn sehen", sagt Isabella leise. Eleonora nickt.

„Natürlich, ich bringe dich zu ihm, sobald er aufgewacht ist." Doch damit gibt sich Isabella nicht zufrieden. Das habe ich auch nicht erwartet.

„Ich will jetzt gehen, egal, ob er schon mit mir reden kann oder nicht. Ich will einfach nur bei ihm sein. Das habe ich schließlich seiner Mutter versprochen", sagt sie eindringlich.

Eleonora antwortet mit einem Seufzen, als hätte sie es schon geahnt, aber ihre Stimme klingt herzlich, als sie fortfährt: „Na gut, dann gehen wir eben, du störrische alte Frau". Sie sagt es mit einem kleinen Lächeln im Gesicht und klopft ihr liebevoll auf die Schulter.

„Ich... ich würde auch gerne mitkommen, wenn das in Ordnung ist", sage ich zögernd. Sofort sind beide Augenpaare auf mich gerichtet. Eleonora runzelt die Stirn.

„Du willst mitkommen?", fragt sie ungläubig. Ich halte ihrem Blick stand und nicke energisch. „Aber Jaron wird nicht da sein, er muss wieder zur Arbeit", gibt sie zu bedenken.

Ich schnappe nach Luft, es ist offensichtlich, dass sie nicht will, dass ich mitkomme. Und vielleicht hat es auch keinen Sinn, sich der Anführerin zu widersetzen. Aber ich habe das Gefühl, ich sollte mitkommen. Und ich will mich vergewissern, dass er überlebt.

„Ach, lass sie doch mitkommen, es schadet doch nichts", sagt Isabella, ihre Stimme ist wieder viel klarer. Sie schaut mich mit ihren trüben grauen Augen an und ein kleines Lächeln umspielt ihre Lippen. Ich werde nervös. Sie sieht aus, als wüsste sie alles. Aber das tut sie bestimmt nicht, Kian hat ihr bestimmt nichts erzählt. Genauso wenig wie ich. Schließlich gibt es auch nichts zu sagen, jedenfalls nichts, was wir sagen sollten. Eleonora zuckte die Schultern.

„Na gut, meinetwegen", ihre Ablehnung ist so deutlich, dass ich meine Entscheidung für einen Moment bereue.

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