Kapitel 25
-Kian, 7. Oktober, 53 nach Gründung-
Wie immer kommt sie so früh an, als wäre sie nach der Arbeit hier her gesprintet. Ich zwinge mich zu einem Lächeln und öffne die Türe. Sie strahlt mich kurz an, dann tritt sie schnell ein.
,,Es wird immer kälter draußen", meint sie und legt ihre Jacke ab. Wie jedes Mal reicht sie sie mir, damit ich sie aufhängen kann. Sie dreht sich zu mir um, sie wirkt ziemlich entspannt. ,,Wie war deine Arbeit? Meine war furchtbar, wenn ich ehrlich sein will. Einer von den Kleinen hat mich einfach angespuckt und ein anderer hat fast die gesamte Schicht über durchgeschrien. Nichtmal Isabella hat es geschafft ihn zu beruhigen. Und außerdem...", sie unterbricht sich selbst und sieht mich stumm an. Ich frage mich, ob mein Gesichtsausdruck ihr irgendeinen Anlass dazu gegeben hat sich selbst zu unterbrechen. Denn wenn ich ehrlich bin sind die täglichen Trainingseinheiten im Moment die besten Augenblicke des Tages. ,,Tut mir leid, ich habe mich heute kaum mit Erwachsenen unterhalten", sagt sie und sieht mich entschuldigend an.
Ein wenig zu schnell schüttle ich den Kopf. ,,Nein, rede weiter", bitte ich sie und sehe sie an, während sie sich scheinbar unbewusst auf die Lippe beißt. Leise flucht sie auf und presst ihren Ärmel auf die blutende Stelle. Instinktiv hebe ich den Arm, doch ich lasse ihn wieder sinken, bevor sie es überhaupt bemerkt.
,,Ich war eigentlich schon fertig", meint sie. Ich nicke langsam, auch wenn sie es auf jeden Fall nicht war und zeige auf die Treppe.
,,Lass uns gehen"
Eilig folgt sie mir die Treppe hinunter, ihre Schritte sind so laut, dass sie mir in den Ohren dröhnen. Vielleicht sollten wir auch daran arbeiten, doch ehrlicherweise ist es mir wichtiger, dass sie sich gegen irgendjemanden wehren kann, als dass ihre laute Gangart mir noch den letzten Nerv raubt.
,,Was werden wir heute machen, Kian?", fragt sie fröhlich. Auch wenn ich sie nicht so gut kannte wie andere, erkenne ich dass sie das nur vortäuscht. Ich bin mir sicher, dass sie im Hintergrund an viele Dinge gleichzeitig denkt. Hin und wieder driftet ihr Blick ab und die Besorgnis steht ihr dann förmlich ins Gesicht geschrieben. Ich schiebe ihr einen Stuhl zu und zeige ihr sich darauf zu setzen. Fragend sieht sie mich an, doch nicht mal eine kleine Beschwerde kommt über ihre Lippen. Stattdessen setzt sie sich und sieht zu mir hoch. ,,Kian?", fragt sie, als ich mich von ihr wegdrehe. ,,Bitte sag mir, dass es nicht noch weitere Entspannungsübungen gibt. Die mache ich bereits zu Hause und ja sie sind Hilfreich aber ich..."
,,Linea", seufze ich leise und trete an die Stühle heran, auf welchen ich wieder einmal etwas zu essen stehen habe. Ich weiß von Isabella, dass Linea ihr Essen mit en Jungen teilt. Was einerseits beeindruckend ist, andererseits dämlich. Doch mir wurde damals das Essen so oft von den größeren und stärkeren Jungen abgeknöpft, dass ich über jemanden wie Linea froh war. Sie ist bemerkenswert, kein Wunder, dass Isabella sie schon jetzt liebt.
Als ich sie wieder ansehe sieht sie mich beinahe schuldbewusst an. Sie nimmt mir den Teller dankbar ab, als ih ihn ihr reiche und beginnt langsam zu essen. Wortlos reicht sie mir ein Stück Brot, was ich nur annehme, damit sei ebenfalls isst. Schweigend essen wir zu Ende, wobei ihre Gesichtsfarbe ein wenig rosiger wird. ,,Rede weiter", fordere ich sie auf. Sie schluckt den letzten Bissen herunter und sieht mich unschlüssig an.
,,Über was soll ich sprechen?", fragt sie, schiebt sich eine verirrte Strähne aus dem Gesicht. Doch nur etwa einen Atemzug später fällt sie ihr wieder ins Gesicht.
,,Egal was. Ich will wissen wie dein Tag war"
,,Das habe ich doch bereits gesagt", meint sie überrascht und so nervös, als würde sie in einem Verhör sitzen. Es fällt vielen Rebellinnen schwer in meiner Gegenwart zu sein, immerhin haben sie Soldaten jahrelang als ihre Feinde angesehen, es muss bestimmt seltsam sein auf einer Seite zu stehen.
,,Wie geht es dir?", frage ich, auch wenn ich mich selbst mindestens genauso nervös mache, wie sie.
Sie lacht leise auf und erhebt sich. ,,Warum willst du das alles wissen, Kian? Willst du nicht trainieren?", fragt sie neugierig. Ich zucke mit den Schultern und sehe sie unschlüssig an.
,,Ich weiß es nicht, sag es mir doch einfach"
,,Willst du mich verunsichern? Ist das irgendein Test?", fragt sie und kneift die Augen zusammen, ihr Blick ist misstrauisch. Was auch immer ich so testen sollte.
,,Nicht alles, was ich tue ist ein Test", sage ich, woraufhin sie spöttisch lacht. Mit durchbohrendem Blick starrt sie mich für ein paar Sekunden an, dann zuckt sie mit den Schultern und seufzt ergeben.
,,Wie gesagt, es war anstrengend. Es war laut. Ein paar Sachen haben gefehlt, das war ziemlich nervig. Eine Kinderfrau aus unserer Schicht war krank, deshalb mussten wir uns um mehr kümmern und Isabella war eigentlich die gesamte Zeit über mit dem schreienden Kind beschäftigt"
,,Was war aus?", frage ich besorgt, eigentlich achtete man besonders darauf, dass im Kinderhaus nichts fehlte. Normalerweise wurde überall sonst so viel eingespart, dass die Jungen angemessen versorgt werden konnten.
,,Milchpulver", meint sie und wendet den Blick ab, presst die Lippen zusammen. Sie macht sich eindeutig Sorgen, was ich verstehen kann, wahrscheinlich war alles andere was fehlen könnte nicht so dramatisch, aber die Nahrung für die schwächsten war nicht verhandelbar. Doch wenn die Jungen schon nicht mehr ausreichend versorgt wurden, was war dann mit den Mädchen in den Zonen? Sicherlich sind diese nicht die Priorität. Doch Linea sieht nicht gerade so aus, als würde sie es ertragen das zu hören, wenn sie es sich nicht schon selbst gedacht hatte.
,,Oh", sage ich stattdessen überrascht. Das war sicherlich nicht gut. Ganz und gar nicht. Ich hatte nicht erwartet, dass Lebensmittel mittlerweile so knapp waren. Gerade für Kinder. Auch wenn ich nicht viel Ahnung von dem Anbau und der Verarbeitung der Lebensmittel wusste, schien es unlogisch. Würde man nicht vorher weniger Milchprodukte herausgeben? Doch ich bekam noch immer gleich viel wie noch die Wochen zuvor und sicherlich war ich keine Ausnahme.
,,Ja, aber sie meinten, dass es morgen wieder besser wird", meint sie Hoffnungsvoll, auch wenn ich ihr da nicht zustimmen würde.
,,Ich hoffe. Was habt ihr dann deswegen heute gemacht?"
,,Wir haben ihnen normale Milch gegeben, davon gab es zum Glück heute Mittag genug. Aber heute Nacht kann es schwierig werden. Die Leiterin meinte jedoch, dass die Milch für heute noch reicht, aber ich...ich befürchte sie will nur Panik verhindern.", meint sie unglücklich. Ich nicke langsam und überlege, dann lächle ich verkniffen, ich habe eine Idee. Wenn auch ein besonders bescheuerte.
,,Bist du bereit für deine erste Mission?"
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