Kapitel 18
-Linea, 20. September, 53 nach Gründung-
Die Versammlung neigt sich schon dem Ende zu, es wird noch später als bei meinem ersten Treffen letzte Woche. Es werden nur noch ein paar organisatorische Dinge besprochen, die die Anführer eher untereinander klären. Soweit ich es verstanden habe, geht es hauptsächlich um eine andere Mission, die in ein paar Tagen stattfinden sollte, jetzt aber verschoben werden musste. Ich bin etwas überrascht, dass ich davon noch nichts gehört habe, weder heute noch beim letzten Mal. Ich wusste nicht einmal, was geplant war. Aber ich werde sowieso nicht mitkommen können, er war schon nicht glücklich, dass ich bei der nächsten Mission dabei sein durfte. Obwohl er derjenige war, der mich überprüft hatte, wie ich beim letzten Treffen erfuhr.
Ich selbst habe davon nichts mitbekommen. Auch wenn es irgendwie unheimlich ist, verstehe ich, warum man das macht. Einen Verräter in den eigenen Reihen konnte man absolut nicht gebrauchen. Trotzdem frage ich mich, was er mitbekommen hat. Ich meine, natürlich hatte ich nichts Schlimmes gemacht. Aber wie hat er mich beobachtet? Bei der Arbeit kann er nicht gewesen sein. In meinem Zimmer auch nicht. Und draußen bin ich auch nicht oft gewesen. Wann hätte er das also tun sollen? Ob er mich belauscht hat? Der Gedanke lässt mich schaudern. Ob er es immer noch tut?
Aus den Augenwinkeln nehme ich wieder Jaron neben mir wahr. Er ist gerade aufgestanden, wieder einmal war ich so in Gedanken versunken, dass ich alles um mich herum nicht wahrgenommen habe.
Die Versammlung scheint beendet zu sein, nur Tyra, Kian und Eleonora sind noch immer in ihr Gespräch vertieft und beachten niemanden um sich herum. Nicht, dass ich mich von ihnen verabschieden wollte.
„Komm, lass uns nach Hause gehen", sagt Jaron und greift wieder nach meiner Hand. Nur zu gerne gebe ich sie ihm, zu gut kenne ich noch das Gefühl, das seine Berührung in mir ausgelöst hat. Wieder umgibt mich sofort Wärme, als sich seine Hand mit meiner verschränkt. Er schenkt mir sein umwerfendes Lächeln, dann zieht er mich mit sich. Obwohl es nicht nötig gewesen wäre, ich wäre auch freiwillig mit ihm gegangen. Ich drehe mich noch einmal um, will sehen, ob Isabella schon gegangen ist. Ich wusste nämlich nicht, wie sie nach Hause kommt. Das letzte Mal habe ich nicht auf sie geachtet. Ob sie allein gegangen ist oder ob sie jemand nach Hause gebracht hat?
Ich spüre, wie sein Blick auf mir brennt, noch bevor ich zu ihm schaue. Kian. Sein Blick ist gleichgültig, aber er zieht erstaunt eine Augenbraue hoch, als er sieht, wie Jaron demonstrativ seine freie Hand auf meine Hüfte legt. Verächtlich schüttelt er den Kopf und wendet den Blick ab. Ich schiebe Jarons Hand weg, was soll das? Das hat er bestimmt noch nie gemacht und ich wollte auch nicht, dass er es wieder tut. Und dass Kian es gesehen hatte, machte mich ungewohnt nervös. Nicht, dass es mich interessierte, was er dachte. Aber irgendwie schon.
„Ich möchte dir etwas zeigen", sagte er geheimnisvoll. Sofort hat er meine Aufmerksamkeit. Fragend lege ich den Kopf schief.
„Und was?"
„Das wirst du schon sehen", sagt er und zwinkert mir zu.
„Ich muss morgen früh arbeiten", sage ich seufzend.
„Liegt auf dem Weg, versprochen. Jetzt komm schon", sagt er seufzend. Ich hasse Überraschungen, aber er ist so aufgeregt, dass ich es ihm nicht verdenken kann.
„Na gut. Ich komme mit", ergebe ich mich und lasse mich von ihm führen. Es ist stockdunkel, nur an einigen Ecken brennt noch Licht, dort stehen meist Soldaten Wache. Wir weichen in Seitenstraßen aus. Insgesamt ist es recht einfach, nicht erwischt zu werden. Wahrscheinlich rechnen sie nicht mit Leuten, die herumschleichen. Warum auch, schließlich weiß jeder, dass man einen sehr guten Grund haben muss, um diese Zeit noch draußen zu sein. Alles wird kontrolliert, und wenn man keinen Grund hat, kann das schlimme Folgen haben. Auch deshalb bringen sich die Rebellen ständig in Gefahr.
„Warum hast du dich eigentlich freiwillig gemeldet?", fragt er irgendwann, nachdem wir die ganze Zeit schweigend nebeneinander hergelaufen sind, die Hände ineinander verschränkt. Seine Stimme klingt angespannt, ein Blick auf sein Seitenprofil zeigt, dass auch sein Kiefer ungewöhnlich angespannt ist, als würde er die Zähne zusammenbeißen. Stirnrunzelnd sehe ich ihn an, was ist mit ihm los? Sonst ist er doch immer so entspannt.
„Warum denn nicht? Ich wollte doch nur mitmachen. Warum wolltest du nicht mit?", frage ich ruhig. Er bleibt stehen, ich muss auch stehen bleiben, weil ich seine Hand nicht loslassen will.
„Warum sollte ich denn? Dieser Clark ist ein schlechter Mensch, weißt du noch, wie er dich fertig gemacht hat?" Plötzlich lässt er meine Hand los. Verwirrt schaue ich ihm in die Augen. Sicher habe ich Kian auch provoziert und Jaron weiß auch nicht, was ich über ihn weiß. Außerdem war er vor dem Treffen gar nicht so schlecht auf ihn zu sprechen.
„Du hast doch vorhin gesagt, dass er seine Sache gut macht, was ist denn los?", frage ich zögernd.
„Höchstens mittelmäßig gut. Eigentlich ist er ein ziemliches Arschloch, findest du nicht?", seine Augen funkeln wütend. Obwohl ich weiß, dass es nicht an mir liegt, trete ich einen Schritt zurück. So kenne ich ihn nicht, auch wenn ich ihn im Allgemeinen noch nicht so gut kenne. Wir haben erst seit ein paar Wochen viel Zeit miteinander verbracht, es ist unmöglich, alles übereinander zu wissen. Vor allem, weil wir uns hauptsächlich über das System und die Pläne der Gruppe unterhalten haben. Ich zucke mit den Schultern.
„Er ist mir eigentlich ziemlich egal, warum verschwendest du deine Zeit damit, über ihn nachzudenken? Du wolltest mir doch etwas zeigen", sage ich und versuche wieder nach seiner Hand zu greifen, aber er lässt mich nicht. Enttäuscht sehe ich in seine Augen. Sie sind wieder weicher, aber seine Anspannung ist nicht zu übersehen.
„Du... du kennst ihn doch, oder?", fragt er. Endlich nicke ich und seufze. Zögernd erzähle ich ihm von Kian, dem anderen Soldaten und natürlich von Adriana. Dass er eigentlich anders heißt, lasse ich aber weg, das wollte ich selbst herausfinden. Außerdem würde es ihn sicher noch mehr gegen ihn aufbringen. Lieber will ich erst einmal wissen, warum er einen falschen Namen benutzt, vielleicht gibt es ja einen vernünftigen Grund dafür. Auch wenn mir spontan keiner einfällt.
Nach meiner Erzählung wirkt Jaron deutlich entspannter, obwohl es seinen Feind in ein schlechteres Licht rückt als zuvor. Aber er scheint damit zufrieden zu sein.
„Naja, ich dachte du... naja, er sieht gut aus und es ist irgendwie genetisch bedingt, dass sich Menschen anziehen, zumindest war das früher wichtig, bevor es andere Methoden gab", sagt er nervös.
„Jaron, wovon redest du eigentlich?", frage ich verwirrt, er redet sonst ständig von Dingen, die ich nicht so ganz verstehe, aber er erklärt sich eigentlich nie.
„Ach so, ich habe ganz vergessen, dass du das nie gelernt hast. Der Grund, warum die Menschheit und alle anderen Lebewesen überhaupt existieren können, außer den Einzellern natürlich, die..." Ich unterbreche ihn schnell, er schweift immer zu weit ab, wenn er etwas weiß, was ich nicht wissen kann.
„Jaron, komm bitte zum Punkt", sage ich seufzend, lächle ihn aber an.
„Okay, tut mir leid, ich meinte. Nun, ich weiß nicht, wie ich es sagen soll", gibt er zu, lächelt aber auch.
„Einfache Worte, bitte", sage ich lachend. Er nickt und scheint nachzudenken.
„Ich zeige es dir einfach, wenn das okay ist." Ich weiß nicht, was er wieder meint, aber vielleicht verstehe ich es dann auch ohne medizinisches Fachwissen.
„Ja, mach das." Er nickt.
„Okay", aber er zögert immer noch. Fast will ich ihn ärgerlich fragen, was sein Problem ist, als er plötzlich näher kommt und seine Hand auf mein Gesicht legt. Das verwirrt mich nur noch mehr, ich weiß nicht, was er mir damit zeigen will. Gerade will ich ihn fragen, da atmet er noch einmal merklich ein und legt sanft seine Lippen auf meine.
Verwirrt starre ich ihn an, doch er hat die Augen geschlossen. Was soll ich tun? Ich weiß nicht, was das soll und auch nicht, was das bedeutet, obwohl es sich irgendwie gut anfühlt. Als er sich wieder von meinen Lippen löst, strahlt er.
„Das war unglaublich", sagt er. Ich nicke nur, ich habe keine Ahnung, wovon er spricht. Ich habe überhaupt nichts gemerkt.
„Genau das meine ich. Diese Anziehungskraft, die es manchmal zwischen Menschen gibt. Das hält normalerweise zusammen. Eleonora hat deshalb ein Kind bekommen, verstehst du?", fragt er aufgeregt. Panik steigt in mir auf, ich will kein Kind bekommen. Diese Gefängnisstrafe hätte ich mir gerne erspart.
„Was?", frage ich und versuche, meine Stimme leise zu halten. Wobei ich mich sehr anstrengen muss, denn ich bin ziemlich aufgewühlt.
„Keine Sorge, so einfach ist das nicht. Ich meinte... man muss schon weiter gehen", beruhigt er mich.
„Weiter?"
„Ja, dass...egal. Ist nicht wichtig. Ich wollte nur sagen, dass...ich dich sehr gern habe. Auch schon nach so kurzer Zeit", ich lächle beruhigt, komme langsam wieder zu mir.
„Ich mag dich auch sehr", sage ich, obwohl ich mich frage, was dieser Kuss damit zu tun hat. Meine Mutter hat mich natürlich auch oft geküsst, aber nie auf den Mund, und Adriana auch nicht. Komisch, dass ein Mann so etwas tut. Sicher mehr als verboten, aber das kann mich ja nicht stören. Aber ihm scheint es zu gefallen.
Sanft streicht er mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht, hinters Ohr. Wieder legt er seine Lippen auf meine und seine Hand auf meinen Rücken. Ich versuche mich zu entspannen, schließe sogar die Augen. Tatsächlich fühle ich mich ein bisschen besser, auch wenn ich immer noch nicht ganz verstehe, warum er das tut. Auch die sanfte Berührung auf meinem Rücken fühlt sich gut an. Ich spüre, wie meine Haut unter seiner Berührung kribbelt, aber es ist nicht unangenehm. Als er sich löst, bin ich fast enttäuscht. Ich will weitermachen, mein Körper zittert ein wenig. Ich spüre so vieles gleichzeitig. Auch wenn ich nicht genau weiß, was es ist. Ist es diese Anziehung? Schließlich kann ich nicht leugnen, dass er attraktiv ist und dass ich ihn mag.
„Ich weiß nicht, ob das so richtig war, tut mir leid", sagt er vorsichtig. Ich lächle nur.
„Es macht nichts, wenn es nicht richtig war."
„Gut. Wir sollten gehen, es ist schon spät. Wenn die Sonne aufgeht, wird hier mehr los sein", sagt er und lächelt wieder. Ich nicke.
„Was wolltest du mir noch zeigen?", frage ich.
„Eigentlich nur das", antwortet er grinsend. Ich schnäuze leicht.
„Daraus hast du aber ein ziemliches Geheimnis gemacht", sage ich kopfschüttelnd. Er zuckt nur mit den Schultern.
„Ich wusste nicht, ob ich es mache."
„Warum nicht?", frage ich überrascht.
„Weil ich nicht wusste, wie du reagieren würdest. Du bist nicht besonders ... man sieht dir nicht an, was du fühlst. Ich wollte es nicht ruinieren", sagt er entschuldigend.
„Ruinieren?"
„Ich meinte unsere Freundschaft. Ich meinte, dass es für uns beide neu ist, dass wir all die Dinge, die früher normal waren, nicht kennen oder vielleicht noch nicht kennen. Früher war das normal, aber jetzt kennt man das gar nicht mehr. Ich wünschte, wir hätten uns in einer anderen Zeit kennen gelernt."
Ich verstehe, was er meint, auch wenn ich nicht alles verstehe, was er sagt. Ich dachte immer, ich wüsste vieles. Aber in den letzten Tagen ist mir klar geworden, dass ich nichts weiß. Jedenfalls nichts über das Leben, das ich hätte führen können. Und das wollte ich ändern, für alle Menschen. Ich hoffe, dass die Gruppe der richtige Weg ist. Vielleicht war es die einzige Chance. Alles in mir sehnt sich danach, mehr über die Vergangenheit zu erfahren. In allen Lebenslagen.
„Woher weißt du das alles? Woher weißt du so viel?", frage ich.
„Von verschiedenen Leuten, vor allem natürlich aus der Gruppe, viele Mütter haben ihr Wissen an ihre Töchter weitergegeben und diese an ihre Töchter. Dabei ist natürlich viel Wissen verloren gegangen, manche Töchter waren regierungstreuer als ihre Mütter."
„Meine Mutter hat mir nie Wissen weitergegeben", sage ich enttäuscht.
„Vielleicht nicht, vielleicht hast du es nur nicht bemerkt", ich sehe ihn verwirrt an.
„Nicht bemerkt? Wie kann sie mir Wissen vermitteln, wenn ich es nicht einmal bemerkt habe?"
„Vielleicht hast du nicht richtig zugehört. Aber das macht nichts, irgendwann wissen wir alles" Ich überlege kurz, aber mir fällt beim besten Willen nichts ein, was sie mir hätte sagen wollen. Aber meine Mutter ist auch sehr mit dem System verbunden, ich bezweifle, dass sie etwas dagegen unternehmen würde. Und das trotz allem, was ihr angetan wurde. Mir hätte dasselbe passieren können, und bis vor ein paar Wochen hätte ich es fast als Ehre angesehen. Na ja, Ehre wäre vielleicht übertrieben gewesen.
Die Nacht ist weniger gut, ich schlafe kaum, und wenn, dann habe ich schlechte Träume. Wieder sitze ich am Fenster, zum dritten Mal in dieser Nacht, und starre in die Ferne. Natürlich sehe ich nicht viel, nur ein paar Sterne. Aber ich nehme sie gar nicht richtig wahr. Viel zu sehr bin ich in Gedanken versunken. An alles Mögliche natürlich, aber am meisten an Jarons Lippen. Ich weiß nicht, ob das für uns beide dasselbe bedeutet. Natürlich wusste ich das alles bis heute nicht, aber Jaron war so überzeugt davon, dass ich es in dem Moment selbst geglaubt habe. Es fühlte sich gut an, aber nicht wie etwas, das ich unbedingt tun wollte.
Außerdem verstehe ich immer noch nicht, was das für eine Anziehungskraft war. Ob es wie ein Magnet ist oder ob es eher ein Gefühl ist, das weiß ich nicht. Außerdem ist es verboten, bzw. nicht vorgesehen, weil es gar nicht passieren sollte. Die Folgen für Eleonora schienen mir zu schlimm. Aber es war auch ganz neu für mich, ich würde mich sicher daran gewöhnen, es schien nicht schwer zu sein. Außerdem mochte ich Jaron sehr, es war bestimmt so, wie er es beschrieben hatte. Ich kann mir nichts anderes vorstellen. Und wenn er diese Anziehungskraft spürt, dann muss es bei mir auch so sein.
Seufzend lasse ich den Kopf auf mein linkes Knie sinken und sehe mich in meinem Zimmer um. Es sieht immer noch so aus wie am Anfang, natürlich hat sich nichts verändert, schließlich habe ich nichts, womit ich es gemütlicher machen könnte. Aber vielleicht sollte ich es tun. Eigentlich bin ich die meiste Zeit hier, außer bei der Arbeit. Und es nervt mich die ganze Zeit, auf kahle, weiße Wände zu schauen. Aber ich weiß auch nicht, ob man etwas verändern darf, in den Häusern, in die die Mütter eingezogen sind, durfte man auch nichts verändern. Andererseits scheine ich sowieso gegen die Regeln zu verstoßen, warum also nicht auch hier?
Und da fällt mir ein, warum ich nicht gleich darauf gekommen bin, weiß ich selbst nicht. Wahrscheinlich war es einfach normal. Meine Mutter hat oft die Wände in unseren Zimmern bemalt. Nicht so toll, weil sie Naturmaterialien benutzt hat. Sie hat Blätter an der Wand gerieben, damit sie ihre grüne Farbe abgeben, oder mit dem Saft von Beeren gemalt. Sie hat sich also dem System widersetzt. Nicht wesentlich, aber immerhin. Vielleicht war sie in den Augen der Gründer nicht perfekt, wie ich immer dachte.
Vielleicht hat es ihr auch nur gefallen, dass die Wände nicht ganz weiß waren. Aber ich bin mir ganz sicher, dass auch sie wusste, dass man das nicht machen durfte. Ich muss leicht lächeln. Wie gerne wäre ich jetzt bei ihr gewesen. Ich habe mich nie gefragt, was in ihr vorging, was sie dachte, was sie fühlte. Vielleicht habe ich auch gedacht, dass sie gar nichts fühlt. Oft war sie kalt gewesen, unnahbar.
Aber manchmal kam eine ganz andere Seite von ihr zum Vorschein. Dann spielte sie mit uns auf dem Feld. Sprang lachend mit den Kleinsten auf dem Arm durch die Pfützen. Oder tanzte singend durch die Küche. Ich spüre wieder, wie mir die Tränen in die Augen schießen. Erst jetzt merke ich, wie sehr ich sie vermisse. Vorher wusste ich, dass es mit meinem 17. Geburtstag einfach so kommen musste. Aber jetzt kommt es mir unwirklich vor. Vielleicht sehe ich sie nie wieder. Auch meine Geschwister nicht, oder wenn, dann nur meine Brüder. Und das wäre auch nicht unbedingt etwas sehr Verbindendes.
Ich frage mich, was aus ihnen allen geworden ist oder werden wird. Vielleicht würde ich irgendwann an die Akten kommen, dann könnte ich nachschauen. Oder ich würde sie wirklich wiedersehen. Aber was wäre dann? Dann würde sich überhaupt nichts ändern. Wenn sie nicht auf meiner Seite waren, dann waren sie meine Feinde und dann wäre es noch schwerer für mich.
Mein Kopf explodiert fast vor lauter Gedanken, ich muss dringend schlafen, meine Schicht beginnt bald wieder. Seufzend schiebe ich mich vom Fenstersims und lege mich auf mein Bett, starre an die weiße Decke. Aber es hilft nicht. Natürlich nicht. Ich mache das Licht aus und kurz darauf wieder an, weil ich Angst bekomme. Auch das ist etwas, was ich vor ein paar Tagen im Dunkeln noch nicht empfunden habe. Seufzend wälze ich mich im Bett hin und her, versuche verschiedene Dinge, die Augen zu schließen und mich nicht zu bewegen scheint mir am meisten zu helfen. Auch wenn es eine Weile dauert, irgendwann ist es soweit. Meine Augen sind so schwer, dass ich endlich schlafen kann.
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