DAY 7 /3

Mein Herz stolpert, es überschlägt sich beinahe, als ich die Bedeutung seiner Worte realisiere. Ich spüre die Ernsthaftigkeit darin, die Tiefe seiner Gefühle. "Was meinst du damit?", frage ich leise, obwohl ich die Antwort bereits erahnen kann.

"Wir sind nicht mehr die gleichen Menschen wie damals, wir sind klüger und reifer. Wir haben beide viel aus dieser gescheiterten Beziehung gelernt. Und trotzdem lässt sich nicht verleugnen, dass da immer noch was zwischen uns ist. Aber selbst, wenn du uns keine zweite Chance als Paar geben willst, würde ich mir trotzdem wünschen, dass du wieder ein Teil meines Lebens wirst."

Seine Worte bringen meine Welt ins Wanken. Die Vorstellung, dass wir es noch einmal miteinander versuchen könnten, lässt mein Herz schneller schlagen, aber auch Zweifel in mir aufkommen. "Vito, ich.. ich weiß nicht, ob das eine gute Idee ist. Was, wenn wir uns nur wieder verletzen? Du weißt doch, wir sind Feuer und Benzin."

Er greift nach meiner Hand und sieht mir direkt in die Augen, während er bestimmt den Kopf schüttelt. "Wir haben uns verändert, Yuna. Und wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Ich wäre bereit, das Risiko einzugehen, auch auf die Gefahr hin, dass wir scheitern."

Ich schweige, während seine Worte in mir widerhallen. Die Sonne senkt sich langsam und taucht den Balkon in ein warmes, goldenes Licht. Es fühlt sich an, als stünde die Zeit still, als würden wir beide an einem Scheideweg stehen.

Fragend blicke ich in seine Augen, suche nach einem Zeichen, einem Hinweis. In diesem Moment sehe ich nicht nur den Mann vor mir, der mich verletzt hat, sondern auch den, der mich besser kennt als jeder andere, der mich zum Lachen bringt und mich auffängt, wenn ich falle. Dass er sich wirklich geändert hat, hat er mir in den letzten Tagen oft genug bewiesen.

"Du musst dich nicht jetzt entscheiden. Ich wollte nur mit offenen Karten spielen. Wir haben noch drei Tage. Überlege dir einfach, was du willst. Wenn wir wieder in Deutschland gelandet sind, hebe ich deinen Koffer vom Gepäckband und wenn ich ihn dir gebe, sagst du mir, ob wir uns wiedersehen können, oder du hast wieder deine Ruhe vor mir."

Ein Lächeln schleicht sich auf meine Mundwinkel. Vito kann wirklich süß sein. "Okay", flüstere ich schließlich, meine Stimme kaum mehr als ein Hauch. "Ich werde darüber nachdenken."

Vito löst sich von mir, drückt mir noch einen letzten schnellen Kuss auf die Schläfe und streckt sich ausgiebig. Seine Muskeln werden vom orangegoldenen Licht der untergehenden Sonne weichgezeichnet, als er aufsteht.

"Wir müssen uns langsam fertig machen, oder? Ich habe keine Ahnung wie spät es ist", raunt er und lässt seinen Blick über den türkisen Pool unter uns schweifen.

Ich werfe einen Blick auf mein Handy. "Wir haben schon 18:30 Uhr. In einer Stunde wollen wir los." Überrascht fährt er zu mir herum. "Haben wir so lange gequatscht oder habe ich einfach so lange gepennt?"

Mit einem schiefen Lächeln auf den Lippen stehe auch ich von der gemütlichen Holzliege auf. "Ich schätze beides."

"Wird Zeit, dass ich duschen gehe. Wenn wir Pepes Paella-Party verpassen, ist der wieder beleidigt", grinst er.

"Ich mache mich auch fertig, wir sehen uns gleich", verabschiede ich mich von ihm und gehe durch die Balkontür zurück in mein Zimmer.

Während ich im Kleiderschrank nach einem passenden Outfit für den heutigen, entspannten Abend suche, lasse ich unser Gespräch Revue passieren. Ausdrücklich zu hören, dass Vito unter dem Verlust unseres ungeborenen Sohnes genauso gelitten hat, wie ich, hat einen wahnsinnigen Effekt auf mich. Es fühlt sich plötzlich an, als laste als das Leid der vergangenen Jahre nicht mehr nur ausschließlich auf mir, sondern als würde es sich plötzlich auf zwei Personen verteilen. Seine breiten Schultern sind ins Bild getreten und nehmen mir einen Teil des Gewichts ab. Ich bin nicht mehr alleine mit dem Schmerz, auch wenn es sich damals so angefühlt hat.

Dass wir uns heute eingestehen können, wie viele Fehler wir beide gemacht haben, bringt uns nicht nur dazu, uns gegenseitig zu verzeihen, sondern auch mit unserem eigenen Fehlverhalten nachsichtiger zu sein.

Ich nehme ein cremefarbenes Kleid aus dem Schrank, welches ich heute Vormittag mit den Mädels gekauft habe und lege es auf mein Bett. Es ist relativ schlicht, doch zwei seitliche Kordelzüge raffen es zu einem gerüschten Bodycon-Kleid, das meinen Kurven schmeichelt und eine verführerische Silhouette schafft.

Nachdem ich geduscht habe, trockne ich meine Haare und lasse sie in sanften Wellen über meine Schultern fallen. Mit einem Lockenstab gebe ich ihnen noch mehr Schwung. Ich entscheide mich für ein dezentes Make-up, das meine blauen Augen betont und meine Lippen schimmern lässt.

Dann ziehe ich mein Kleid an. Es sitzt wie angegossen und schafft genau die richtige Balance zwischen leger und verführerisch. Die goldenen Riemchen-Highheels, die ich dazu wähle, vervollständigen den Look und verlängern meine Beine optisch. Zufrieden mustere ich mich im Spiegel.

Als ich die Treppe hinuntergehe, sitzen Vito und Pepe am Esstisch und trinken eine Cola. Vitos Augen weiten sich, als er mich entdeckt, und für einen Moment wirkt es, als würde ihm der Atem stocken. Sein Blick gleitet gefällig über mich, von meinen blonden Haaren und meinem Gesicht über meinen schlanken Körper, meine glatten Beine herab bis hin zu den Highheels.

"Wow", flüstert er, als ich unten ankomme. "Das Kleid steht dir richtig gut."

Ich lächele schüchtern, während mein Herz ein wenig schneller schlägt. "Du siehst aber auch nicht schlecht aus", erwidere ich und zwinkere ihm zu. Er trägt einen beigen Musselin-Zweiteiler, bestehend aus einem locker geschnittenen Hemd und passenden Shorts, die seiner sonnengebräunten Haut schmeicheln.

"Danke", sagt er mit einem schiefen Lächeln, das meine Knie weich werden lässt.

"Und was ist mit mir?", fragt Pepe und zieht einen Schmollmund. "Habt ihr mich vergessen?"

Ich lache auf. "Du siehst auch super aus, Pepe. Wie frisch aus Mailand eingeflogen", antworte ich wahrheitsgemäß. Der Halbitaliener ist unumstritten ein gutaussehender Mann. Seine dunklen Augen funkeln mystisch, die dunklen Haare verleihen seinem maskulinen Gesicht einen ausdrucksstarken Rahmen. Er ist der Mann unserer Gruppe, der den besten Kleidungsstil hat, wie er heute in einem hellblauen Hemd mit Nadelstreifen, einer weißen Chino und braunen Lederslippern beweist.

Er nickt zufrieden und schickt mir einen freundschaftlichen Luftkuss.

Als alle fertig sind, steigen wir in die Autos und fahren los. Die Straßen Mallorcas schimmern golden im Licht der untergehenden Sonne, und die Landschaft zieht an uns vorbei. Kleine, steinerne Häuser, Olivenhaine und Felder erstrecken sich bis zum Horizont, links von uns das saphirblaue Meer.

Als wir laut Navigationssystem an unserem Ziel ankommen, parken wir vor einem kleinen, urigen Haus. Es wirkt wie ein traditionelles, mallorquinisches Landhaus – rustikale Steinwände, Fensterläden aus Holz, und ein großer Innenhof, der mit bunten Fliesen verziert ist - aber keinesfalls wie ein bekanntes Restaurant. Von anderen Gästen ist nichts zu sehen, und auch sonst wirkt alles zu still.

"Sind wir hier überhaupt richtig?", frage ich Pepe, der den Jeep am Straßenrand parkt, und schaue mich um. "Das sieht nicht wie ein Restaurant aus", stimmt Asya mir zu.

Wir steigen aus, und auch Sean, Kayla, Vito und Nino steht die Verwirrung ins Gesicht geschrieben.

Vito wirft einen skeptischen Blick auf das Gebäude und zuckt mit den Schultern. "Vielleicht sind wir einfach zu früh, und die öffnen gleich erst", schlägt er vor und macht ein paar Schritte auf dem knirschenden Schotter.

Doch bevor wir weiter zweifeln können, öffnet sich die Holztür, und ein Mann in den späten Dreißigern tritt heraus. Er hat kurze, schwarze Haare, einen leichten Bart und trägt eine dunkelrote Schürze über einem weißen Leinenhemd. Seine Augen leuchten warm, als er uns freundlich zuwinkt.

"¡Hola! Willkommen! Kommt rein!", sagt er mit einem breiten Lächeln und geht auf uns zu. "Ich bin José."

Wir begrüßen ihn freundlich und schütteln ihm die Hand, bevor wir ihm ins Innere des Hauses folgen.

Drinnen erhärtet sich der Verdacht, dass dies kein gewöhnliches Restaurant ist. Das Interieur ist gemütlich und rustikal, mit niedrigen Decken, Holzbalken und antiken Möbeln, die den Raum behaglich wirken lassen. In der Ecke befindet sich ein kleiner Kamin, und überall stehen Tonkrüge, alte Kochutensilien und handbemalte Teller. Es wirkt eher wie das Zuhause einer mallorquinischen Großfamilie, als ein Ort, an dem man speisen geht.

Die Fragezeichen in unseren Gesichtern werden größer. Der Raum ist hübsch, aber auf keinen Fall ein Restaurant. Es gibt keine gedeckten Tische, kein Menü, keine Kellner. Stattdessen steht ein langer Holztisch in der Mitte, umgeben von Stühlen, und an den Wänden hängen Töpfe und Pfannen in allen Größen. Ein süßer Duft von Gewürzen und frischen Kräutern weht uns entgegen.

Asya stößt Pepe vorsichtig an, der das Ganze organisiert hat und bisher nur ratlos danebensteht. "Also, wir sind hier zum Paella-Essen?", fragt er José skeptisch.

Der Spanier grinst verschmitzt. "Ja, aber bevor ihr essen könnt, müsst ihr erstmal kochen."

Wir schauen uns gegenseitig an, verwirrt und belustigt zugleich. "Kochen?", wiederholt Sean und hebt eine Augenbraue.

José lacht herzlich, als er die fragenden Gesichter sieht. "Ja, amigos, das hier ist ein Kochkurs. Ihr seid hier, um die Kunst der Paella zu erlernen!" Seine Stimme ist warm und einladend, und er macht eine einladende Geste in Richtung der Küche.

Ein Moment der Stille, dann fangen alle an zu lachen. Vito sieht Pepe kopfschüttelnd an. "Ein Kochkurs? Dein Ernst, Bro?"

Pepe hebt entschuldigend die Hände. "Sorry, mein Spanisch ist wohl ein bisschen eingerostet. Ich dachte, ich hätte uns einen Tisch in einem Restaurant gebucht. Ein bisschen was versteht man ja mit Italienisch, aber wohl nicht genug."

Vito verschränkt die Arme vor der Brust und grinst spöttisch. "Bro, kennst du Google Übersetzer? Vielleicht solltest du den beim nächsten Mal benutzen, bevor du mit Asya für den nächsten Urlaub ein Stundenhotel buchst oder so."

Pepe verdreht grinsend die Augen. "Danke für den Tipp, Meister der Weisheit."

Mit einem gespielt genervten Seufzen wirft Vito einen Blick in die Küche, die bereits mit zahlreichen Schalen voller frischer Zutaten vorbereitet ist. "Ich wollte hier eigentlich gechillt Paella essen, und jetzt muss ich selbst den Kochlöffel schwingen."

"Ach, du Armer, das tut mir ja so leid, dass du mal was anderes als deine Hanteln bewegen musst", entgegnet sein Freund spöttisch.

José, der das Ganze mit einem breiten Lächeln verfolgt hat, klatscht erneut in die Hände. "Gut, dann lasst uns anfangen, amigos! Heute lernt ihr, wie man die perfekte Paella macht. Dann könnt ihr sie nicht nur heute genießen, sondern immer wieder."

Mit einem Grinsen führt er uns in die angrenzende Küche, und schon bald stehen wir alle mit Schürzen bewaffnet vor den Zutaten: aromatischer Reis, Hühnerfleisch, Kaninchenfleisch, grüne und weiße Bohnen, Tomaten, Olivenöl, Safran und Salz.

"Zuerst schneiden wir das Gemüse und das Fleisch in Würfel", weist José uns an.

Nino, der sich bereits an die Vorbereitungen macht, wirft einen schelmischen Blick zu Vito. "Sei doch froh. Liebe geht durch den Magen. Wenn du erstmal richtig kochen kannst, wird Yuna dir bestimmt verfallen."

Ich lache auf und zeige dem Blonden einen Vogel. "Glaubst du wirklich, ein gutes Essen reicht aus, um mein Herz zu gewinnen?"

"Ich hab's schon mit weniger geschafft" entgegnet Vito trocken und zuckt mit den Schultern.

"Mit deinen Kochskills hast du jedenfalls nicht geglänzt. Du hast mich nur regelmäßig zum Kochen gebracht, und zwar vor Wut", schieße ich unbeeindruckt zurück und befreie eine saftige rote Tomate von ihrem Strunk.

"Ich habe andere Talente, wie du weißt."

Ich fahre zu ihm herum und halte drohend das Messer hoch. "Hältst du es wirklich für eine kluge Idee, so frech zu sein, während ich bewaffnet bin und nur eine Armlänge entfernt von einem ganzen Messerblock stehe?"

Auf seine vollen Lippen schleicht sich ein spitzbübisches Grinsen, seine grünen Augen funkeln amüsiert. "Dass ich mit scharfen Waffen umgehen kann, habe ich dir doch in den zwei Jahren Beziehung bewiesen, oder nicht?"

"Vito!", stoße ich empört aus und muss gleichzeitig lachen. Auch die Gruppe bricht in Gelächter aus, und die entspannte Stimmung breitet sich weiter aus.

In einer riesigen gusseisernen Pfanne erhitzt bereits wohlduftendes Olivenöl, dessen Geruch den ganzen Raum erfüllt. José gibt erst die Fleischwürfel und dann das Gemüse hinzu. Die Küche füllt sich mit dem Duft von gebratenem Huhn und Kaninchen, vermischt mit der Süße der Tomaten und dem einzigartigen Aroma des Safrans. Unser Lehrer erklärt geduldig, wie wir den Reis gleichmäßig einstreuen und worauf zu achten ist.

Nachdem die Paella sanft vor sich hin köchelt, beginnt sich eine goldbraune Kruste am Rand zu bilden.

Als wir uns um den langen Holztisch versammeln, bringt José eine große Kanne Tinto de Verano, ein erfrischendes Getränk aus Rotwein und Limonade, das wunderbar zum Essen passt. Die Stimmung ist ausgelassen, und jeder genießt das reichhaltige, aromatische Gericht, das wir gemeinsam zubereitet haben. Stolz macht sich in der Gruppe breit, dass wir sowas leckeres geschaffen haben.

Die anfängliche Verwirrung ist der Freude über das gemeinsame kulinarische Abenteuer gewichen. Ich hätte mich wohl niemals freiwillig bei einem Kochkurs angemeldet, doch in diesem entspannten Setting mit unserer vertrauten, harmonischen Gruppe hat es richtig Spaß gemacht, etwas neues zu lernen und mit einer köstlichen Mahlzeit belohnt zu werden.

Der Abend vergeht in Gelächter und guten Gesprächen, während wir die Paella und den Sommerwein genießen, bevor wir in die Finca zurückkehren und früh in unsere Betten fallen, in dem Wissen, dass die morgige Nacht wieder exzessiv wird.

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