DAY 5 /2

Nach kurzer Fahrt erreichen wir den urigen, spanischen Bauernhof, der tief im mallorquinischen Gebirge liegt. Schon bei der Ankunft fällt mir die rustikale Schönheit des Hofes auf. Die Gebäude sind aus warmem, honigfarbenem Stein erbaut, mit roten Ziegeldächern, die sich harmonisch in die Umgebung einfügen. Die Wände sind von üppigen Bougainvilleen umrankt, deren leuchtend pinke Blüten einen farbenfrohen Kontrast zu den schlichten Steinmauern bieten. Überall riecht es nach frischen Kräutern, die in kleinen Töpfen und Beeten rund um den Hof wachsen – Rosmarin, Thymian, und Basilikum erfüllen die Luft mit ihrem intensiven Duft.

Um den Hof schlängelt sich eine kleine Mauer, die die Tiere am weglaufen hindert. Ein paar Ziegen grasen friedlich auf einer Weide, während Hühner munter im Hof herumlaufen und neugierig auf uns zukommen. Aus einem hölzernen Stall hören wir das leise Grunzen von Schweinen, die sich im kühlen Schatten ausruhen. Während in der Ferne die leisen Glocken einer kleinen Schafherde erklingen, die sich auf den umliegenden Hügeln verteilt hat, steht ein alter, grauer Esel träge am Rand des Hofes und knabbert an einem Büschel Gras.

Verliebt laufe ich auf ihn zu. "Guten Tag, du alter Knabe. Du hast ja ein schönes Leben hier", begrüße ich den Paarhufer. Er hebt den Kopf und sieht mich neugierig aus seinen runden, dunklen Augen an.

Der Esel kommt langsam auf mich zu, seine Ohren drehen sich aufmerksam in meine Richtung. Als ich ihn sanft hinter den Ohren kraule, schließt er genüsslich die Augen und drückt seine weiche Schnauze gegen meinen Bauch. Seine rauen Haare kitzeln meine Finger, während er leise schnaubt, und so signalisiert, dass ihm meine Zuwendung gefällt.

Vito tritt neben mich, ein sanftes Lächeln auf den Lippen. "Die anderen sind schon vorgegangen. Hast du dir etwa wieder einen neuen Freund angelacht?" fragt er spielerisch, seine grünen Augen glänzen.

Ich grinse und nicke, während ich dem Esel weiter über den Hals streiche. "Er ist einfach zu süß, oder?" schwärme ich und wende meinen Blick wieder zu dem grauen Tier. Vito streichelt den Esel ebenfalls, seine Hand sanft über das weiche Fell gleitend. Der Esel genießt die Aufmerksamkeit von uns beiden und reibt sich zufrieden an unseren Händen.

Nach einem Moment des stillen Genusses hebt Vito den Kopf und meint: "Lass uns rüber gehen, das Essen steht schon bereit." Widerwillig lasse ich den Esel los, verabschiede mich liebevoll von ihm und folge Vito über das unebene Kopfsteinpflaster.

Im Innenhof sind robuste Holztische aufgestellt, die mit einfachen, cremefarbenen Leinentüchern gedeckt sind. Unter einer großen, schattenspendenden Pergola, die mit Weinreben bewachsen ist, nehmen wir Platz. Der Ausblick von hier ist traumhaft: In der Ferne ziehen sich die Berge bis zum Horizont, und das tiefe Blau des Himmels bildet einen perfekten Kontrast zu den grünen Tälern.

Das Essen, das uns serviert wird, ist typisch mallorquinisch und rustikal. Es gibt frisch gebackenes Brot, das noch warm ist und nach Olivenöl duftet. Dazu wird Aioli gereicht, eine köstliche, Knoblauchmayonnaise.

Als Hauptspeise genießen wir Tumbet, ein traditionelles Gericht aus Schichten von gebratenen Auberginen, Zucchini und Paprika, die in einer herzhaften Tomatensauce geschmort wurden. Außerdem gibt es zarten Lammbraten, der so saftig und aromatisch ist, dass er auf der Zunge zergeht, sowie kleine, goldbraun gebratene Kartoffeln mit Rosmarin und Meersalz und einem süßen, hausgemachten Rotwein.

Zum Abschluss reichen uns die Inhaber, ein süßes, älteres Ehepaar, noch frische Feigen und Mandeln, die direkt auf dem Hof geerntet werden.

"Mehr braucht man nicht", stellt Sean zufrieden fest und schiebt sich eine der spanischen Mandeln in den Mund.

"Mein guter Freund Nino würde wissen, was fehlt", widerspreche ich. Fragend sieht Sean mich an. "Ein Absacker. So ein leckerer, selbst destillierter Hierbas oder sowas."

In dem Moment taucht der ältere Mann mit dem runden Bauch und dem ausladenden, graumelierten Schnäuzer hinter mir auf, der den Bauernhof bewirtet. "¿Hierbas?", fragt er grinsend. Er spricht nur spanisch, aber das versteht er. Ich nicke beschämt. Nicht, dass er sich verpflichtet fühlt, mir irgendwas zu geben. Er hebt den Zeigefinger und bedeutet mir damit, zu warten. "¡No, no!", rufe ich verzweifelt in meinem kläglichen Spanisch, doch er lässt sich nicht beirren und läuft davon, nur um kurz darauf mit einer grünen Glasflasche und einem Stapel kleiner Schnapsgläser zurückzukommen.

"¡Hierbas!", ruft er erfreut. Die ganze Gruppe lacht amüsiert. "Oh mein Gott", rufe ich verzweifelt, muss aber auch lachen.

Er verteilt die Pinneken auf dem Tisch und gießt die grünbräunliche Spirituose ein, um sie an uns zu verteilen. Der traditionelle balearische Kräuterlikör duftet aromatisch nach Rosmarin, Thymian, Minze und Anis.

Mit einem Lächeln und einem schiefen "¡Gracias, muchas gracias!" bedanke ich mich bei ihm. Vito und die anderen stimmen in das Dankeschön ein, jeder auf seine Weise plappert wild und fröhlich durcheinander.

Pepe zückt sein Handy und beginnt, ein Video aufzunehmen, um diesen Moment für Nino festzuhalten. "Auf Nino!", rufen wir alle fröhlich im Chor, während wir unsere Gläser heben und anstoßen.

Als ich den Hierbas schließlich koste, entfaltet sich der Geschmack warm und leicht bitter auf meiner Zunge. Er schmeckt köstlich, viel besser, als industriell gefertigter Schnaps.

"¡Muy bien!", probiert Pepe es mit den letzten Brocken seines Schulspanisch. Der ältere Herr lacht und zeigt ihm einen Daumen hoch. Vito nickt anerkennend und faselt irgendwas von 'delicioso', während Asya ihn einfach auf Deutsch lobt.

Nach diesem gelungenen Abschluss sammeln wir uns, bereit für den letzten Abschnitt unserer Quadtour, bevor wir den Rückweg antreten. Der alte Mann winkt uns noch einmal freundlich zu, als wir aufbrechen.

Alvaro hat uns noch nicht verraten, was unsere letzte Station ist; er möchte die Überraschung bis zum Schluss geheim halten. Wir fahren den Berg hinunter, passieren die steilen Pfade in die andere Richtung. Die Fahrt fühlt sich an wie eine wilde Achterbahnfahrt, mit engen Kurven und steilen Abhängen, die manchmal das Gefühl eines freien Falls in meinem Bauch erzeugen.

Ich klammere mich haltsuchend an Vito, wenn wieder eine besonders beängstigende Stelle kommt und quietsche wie ein ängstliches Kind.

"Oh Gott, Vito, pass bloß auf", kreische ich in sein Ohr, als er im letzten Moment einen Hasen bemerkt, der mitten über den Weg huscht und den Lenker herumreißt, um auszuweichen. Ich kralle meine Hände ängstlich in seinen harten Bauch und schließe kurz die Augen vor Angst.

Vito bremst ab und unser Quad kommt am Straßenrand zum Stehen. Er legt seine Hand schützend auf meine und dreht sich zu mir um. Meine Haut kribbelt unter seiner Berührung. "Alles okay, Yuna?", fragt er fürsorglich. Ich nicke ihm zu. "Ich habe mich nur erschrocken." "Es tut mir wirklich leid, der Hase ist plötzlich auf die Straße gesprungen, ich hatte keine Chance, ihn zu sehen," erklärt er reumütig. Ich lächle ihn aufrichtig an: "Das konntest du auch nicht, der war blitzschnell," versichere ich ihm, um ihn zu beruhigen.

Wir setzen unseren Weg fort und kommen kurz darauf auf einem kleinen Parkplatz zum Stehen. Ich weiß nicht, was unser Guide vorhat, aber entdecken kann ich hier nichts. 

Die Mittagshitze brütet mittlerweile über der Stadt und ich habe unter dem schweren Helm so geschwitzt, dass die feinen blonden Haare in meinem Nacken kleben. Auch die anderen wischen sich Schweißperlen von der Stirn oder lüften ächzend ihre durchnässten Shirts.

"Heiß, ne?", fragt Alvaro grinsend. Wir nicken stöhnend. "Da hab ich jetzt eine schöne Abkühlung für euch", verkündet er vorfreudig.

Wir folgen ihm über einen schmalen Trampelpfad durch dichtgewachsenes Grün, bis sich mir irgendwann offenbart, wo wir gelandet sind.

Vor meinen Augen stürzt der Wasserfall Es Salt de Freu majestätisch aus einer felsigen Schlucht hinab, sein glitzerndes Wasser bricht sich in der Sonne und bildet einen schimmernden Vorhang aus silbernen Tropfen. Unten am Fuß des Wasserfalls sammelt sich das klare, türkisfarbene Wasser in einem kleinen, natürlichen Becken, umgeben von glatten Felsen und grünen Pflanzen. Der feine Wassernebel, der in der Luft schwebt, verleiht der Szenerie einen fast magischen Anstrich, während das Rauschen des hinabfallenden Wassers eine beruhigende Melodie spielt.

"Hier könnt ihr euch abkühlen", erklärt Alvaro lächelnd und deutet auf den idyllischen See. Ohne zu zögern, werfen Sean und Pepe ihre Shirts beiseite und rennen mit einem kindlichen Lachen auf den See zu, um mit einem kraftvollen Kopfsprung ins erfrischende Wasser einzutauchen. Auch Asya und Kayla lassen sich die Gelegenheit nicht entgehen, folgen den beiden und lachen laut auf, als sie die kühle Frische des Wassers spüren.

Vito legt den Kopf schief und betrachtet mich aufmerksam. Seine grüngrauen Augen spiegeln das türkise Wasser und das Sonnenlicht zeichnet sein markantes Gesicht weich.

"Das ist ganz ruhiges Wasser, willst du es vielleicht versuchen?", fragt er einfühlsam.

Ich lasse meinen Blick über den kleinen See schweifen, in dem unsere Freunde planschen. "Was ist mit euch? Beeilt euch mal", ruft Pepe laut und spritzt mit der Hand Wasser in unsere Richtung.

"Hier vorne ist es flach, da kannst du stehen und auserdem ist das Wasser so sauber, dass man bis den Boden sehen kann", argumentiert er weiter und beweist mir damit, wie gut er mich immer noch kennt.

"Du musst keine Rücksicht auf mich nehmen, Vito, du kannst ruhig mit den anderen schwimmen", stelle ich klar. Es ist mir unangenehm, dass er so oft meinetwegen auf Spaß verzichtet.

Er fixiert mich mit seinem Blick, so durchdringend, dass sich ein verräterisches Kribbeln in meinem Magen ausbreitet. "Ich weiß, dass ich das nicht muss. Ich lasse dich aber nicht alleine. Entweder wir gehen zusammen ins Wasser, oder wir bleiben zusammen hier. Du hast die Wahl und egal, wie du dich entscheidest, ich bin völlig fein damit."

Verdammt, wie sehr hätte ich mir diesen einfühlsamen Vito für fünf Jahren gewünscht. Ich hätte genau diese Fürsorge und Selbstlosigkeit von ihm gebraucht.

Ich seufze lautlos. "Am Rand geht es bestimmt."

"Wir können auch hier chillen", hält er dagegen und zieht eine seiner dunkelblonden Augenbrauen hoch.

"Ich probiere es hier vorne, wenn du dich von mir nicht abhalten lässt, okay?" Ich halte ihm eine Hand hin, damit er zum Deal einschlägt.

Er beißt sich mit seinen tadellos weißen Schneidezähnen auf die Unterlippe, was ziemlich sexy aussieht. "Du willst doch nur, dass ich mich ausziehe", feixt er. Sein Blick ruht auf mir. "Schließe nicht von dir auf andere. Du bist derjenige, der es nicht erwarten kann, dass ich dieses schlabbrige Shirt loswerde." Ich funkele ihn herausfordernd an. Er lehnt sich vor und raunt mir ins Ohr: "Oh, wenn es danach geht, würde ich dir noch viel mehr ausziehen."

Ein warmer Schauer läuft mir über den Rücken und meine Wangen röten sich leicht. Was zur Hölle ist nur los mit mir?

Ich räuspere mich leicht. "Deal oder no Deal?", komme ich zurück zum wesentlichen und wackel mit meiner Hand hin und her, die ich ihm noch immer entgegenstrecke.

Er schlägt ein und zieht sich in einer galanten Bewegung das Shirt über den Kopf. "Na los, mach dich nackig", grinst er. Ich verdrehe die Augen, streife mir dennoch mein Shirt vom Körper. In BH und der knappen Radlerhose folge ich ihm die letzten Meter zu der Wasserstelle.

Das Wasser ist wirklich so klar, sodass man bis auf den Grund schauen kann.

Vorsichtig tasten sich meine Zehenspitzen vor an eine Felskante. Das kühle Nass berührt mich und eine Gänsehaut bildet sich auf meinen glattrasierten Beinen. Vito tritt an mir vorbei und gleitet langsam in den See. Er taucht unter Wasser, kommt wieder hoch und streicht sich mit einer fließenden Handbewegung die Tropfen aus den Haaren. "Boah, das tut so gut", ermutigt er mich.

Ich strecke den linken Fuß ins Wasser, und steige auf den nächsten, etwas tiefer liegenden Stein. Langsam taste ich mich vor, bis ich knietief im Wasser stehe. Ich tauche meine Hände ein und benetze meine Arme und meinen nackten Bauch mit dem kühlen Nass.

Im Hintergrund schwimmt Asya quer durch das natürliche Wasserbecken, Pepe folgt ihr. "Na los, Yuna, sei kein Frosch", ruft er herüber und lacht kehlig.

Ich suche Vitos Blick, und er nickt mir aufmunternd zu. "Ist doch schon super."

Ein Stück weit wage ich mich noch vor, dann gehe ich in die Knie, setze mich mit meinem Po auf einen Felsvorsprung und lasse meine nackten Beine ins Wasser baumeln. Vito ist direkt vor mir, das Wasser reicht ihm nur bis zur Brust, sodass er hier mühelos stehen kann. Er bleibt in meiner Nähe, gleitet ruhig durch das türkisfarbene Wasser, und ich fühle seinen unablässigen Blick, der mich keinen Moment aus den Augen lässt.

"Alvaro hat vorgeschlagen, am Wasserfall entlang nach oben zu klettern. Er meinte, dort hat man einen tollen Ausblick. Kommt ihr mit?", fragt Sean, der plötzlich neben uns auftaucht. Wassertropfen laufen aus seinen kurzgeschorenen Afrohaaren und er blickt uns fragend an.

Freundlich lächele ich ihn an. "Wir bleiben noch ein bisschen im Wasser, oder Vito?" Der Blonde, der einige Meter von mir entfernt entspannt an der Wasseroberfläche treibt, nickt schmunzelnd.

Pepe, Asya, Sean und Kayla steigen gemeinsam mit den anderen beiden Paaren unserer Gruppe aus dem Wasser und klettern zum Wasserfall hinüber.

"Sei ehrlich, du wolltest unbedingt noch ein bisschen mit mir alleine sein, oder?", schmunzelt er und zwinkert mir selbstsicher zu.

"Ja, wirklich", antworte ich ernst. "Ich will versuchen, richtig ins Wasser zu gehen, aber ich will nicht, dass die anderen das mitbekommen, falls es nicht klappt."

Unsicher blicke ich ihn an. "Kannst du mir vielleicht helfen?"

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