DAY 2 /2
Am späten Nachmittag schmeißt mir Pepe ohne Vorwarnung ein Kartenspiel auf den nackten Bauch. "Komm, wir spielen eine Runde Uno", fordert er und nickt mir zu. Langsam richte ich mich auf und schnappe mir das Kartenspiel.
Asya und Vito gesellen sich zu uns, während Nino selig im Schatten schläft und Kayla und Sean mal wieder im Meer planschen. Es würde mich nicht wundern, wenn die beiden mit Schwimmhäuten zurück nach Deutschland fliegen.
Pepe gibt die Karten aus und wir beginnen zu spielen. Es dauert nicht lange, bis mein Kampfgeist erwacht und zwischen Vito und mir ein erbitterter Wettkampf ausbricht.
"Letzte Karte", rufe ich triumphierend und lege meine vorletzte Karte ab.
"Oh nein, nicht mir mir." Vito zieht eine Vier-Ziehen-Karte und knallt sie mit einem breiten Grinsen auf den Stapel. Ich stöhne auf und ziehe widerwillig vier Karten.
"Wieso wundert es mich nicht, dass ausgerechnet du mir wieder den Spaß verdirbst?"
"Ach, komm schon," entgegnet Vito und hebt eine Augenbraue. "Das liegt doch nur daran, dass du nicht verlieren kannst."
"Ich kann sehr wohl verlieren, ich mache es nur nicht gern," antworte ich scharf und lege eine Aussetzen-Karte.
Pepe lacht, seine dunklen Augen leuchten belustigt. "Ihr seid wie ein altes Ehepaar."
"Danke für die Unterbrechung, Pepe, aber ich konzentriere mich gerade aufs Gewinnen," entgegne ich und werfe ihm einen finsteren Blick zu.
Selbst wenn Vito der letzte Mann auf diesem Planeten wäre, würde ich ihn nicht heiraten.
Einige Kartenwechsel später sieht es so aus, als würde ich doch noch gewinnen. "Letzte Karte" rufe ich hoffnungsvoll und lege erneut meine vorletzte Karte.
"Nicht so schnell," grinst Vito und legt eine Richtungswechsel-Karte. "Du bist nochmal dran."
Ich knirsche mit den Zähnen. Natürlich ist die rote Karte, die ich noch auf der Hand habe, keine, die ich ablegen kann. Widerwillig ziehe ich eine weitere Karte. "Mit dir hat man echt keinen Spaß," murmele ich entnervt. Wieder hat er mir die Tour versaut. Was für ein Sinnbild für diesen ganzen Trip.
"Also mir macht es großen Spaß, dich zu schlagen", kontert Vito grinsend. Zwei Reihen strahlend weißer Zähne blitzen mich an. Pepe und Asya kichern amüsiert. Wenigstens die beiden haben was von unserer Rivalität.
Das Spiel zieht sich weiter und schlussendlich ist es tatsächlich Vito, der als Erster seine letzte Karte ablegt. "Uno!", ruft er triumphierend. Die Schadenfreude steht ihm ins Gesicht geschrieben. Es ist ihm egal, dass er gewonnen hat. Er wollte mich einfach nur schlagen.
"Weil du bestimmt geschummelt hast," schmolle ich und verschränke die Arme vor der Brust.
"Geschummelt? Klar, denkst du ich hab mir ein paar Karten aus der Badehose gezogen, oder was? Sieh es ein, du warst einfach nicht gut genug", antwortet er und zwinkert mir zu.
"Ich fordere eine Revanche," sage ich entschlossen und beginne, die Karten neu zu mischen.
"Wenn du unbedingt nochmal verlieren willst" antwortet er schulterzuckend und lehnt sich zurück, während ich die Karten ausgebe.
Die zweite Runde läuft genauso hitzig ab, wie die Erste, nur dass ich am Ende als Sieger hervorgehe. Vito und ich können es nicht lassen, uns zu duellieren, immer wieder akustisch untermalt von Sticheleien und Provokationen.
Als wir irgendwann die Lust verlieren, erhebt meine beste Freundin sich von der Liege und räkelt sich. Ihre langen, dunklen Haare fallen über ihren nahezu nackten Oberkörper, der schwarze Badeanzug schmeichelt ihrer Figur perfekt. "Ich gehe noch ein letztes Mal schwimmen, bevor wir zurück laufen. Kommst du mit?" Sie sieht mich erwartungsvoll an.
"Ne.. Ich.. Mir ist das zu kalt", stammele ich verlegen.
Pepe streckt sich ebenfalls und wirft mir einen skeptischen Blick zu. "Kalt? Das ist so warm wie 'ne Badewanne. Komm schon, Yuna, du warst heute noch gar nicht im Wasser. Es ist echt schön, vertrau mir."
Vito und ich erheben uns beinahe simultan. Er wirft mir einen schnellen Seitenblick zu. "Ich habe auch keinen Bock mehr auf Schwimmen. Komm, wir halten einfach zur Abkühlung noch ein bisschen unsere Füße ins Wasser." Bevor die beiden weiter protestieren können, greift er nach meiner Hand und zieht mich mit sich durch den heißen Sand. Seine Finger brennen auf meinen, doch ich wehre mich nicht dagegen.
Ich will ihm wirklich nichts schuldig sein, aber in dem Moment hat er mich gerettet und das weiß er genauso gut wie ich. "Danke", flüstere ich kleinlaut.
"Weiß Asya das nicht?" Er löst seine Hand aus meiner und legt den Kopf schief. Seine grauen Augen beobachten mich aufmerksam. "Nein, keiner von denen", gebe ich zu. "Und ich will auch, dass das so bleibt", mache ich unmissverständlich klar.
"Sie würden das sicherlich verstehen. Aber ist nicht meine Aufgabe, das zu erzählen", pflichtet er mir bei.
"Danke", gebe ich ehrlich zurück. Dass Vito meine Schwachstelle trotz unserer Streitereien nicht gegen mich verwendet, rechne ich ihm hoch an.
Wir nähern uns dem Wasser. "Hier vorne geht?", fragt er beinahe fürsorglich und deutet auf den ersten Bereich, in dem das Meer den Sand küsst und flache Wellen hereinbrechen.
"Ja, so lange es nur die Füße sind."
Wir laufen schweigend nebeneinander her, das kalte Meer umspielt meine Zehen, immer wieder schlagen kleine Wellen gegen meine Fußknöchel. Ich halte eine Weile durch, bis mir mein Kopfkino doch zu viel wird und ich auf dem trockenen Sand weiterlaufe.
Ein bisschen wirkt es so, als ob keiner von uns spricht, um die fragile Harmonie zu bewahren. Wir sind wie Streichhölzer, die ein einzelner Funken in Vollbrand entfachen kann. Eine unbedachte Bemerkung genügt, dann gibt ein Wort das andere und wir schaukeln uns gegenseitig hoch bis zur völligen Eskalation. Wir wissen das, es ist schon hundertmal passiert und selbst nach fünf Jahren Funkstille reizen wir uns gegenseitig wie in alten Zeiten.
Doch da Vito mir gerade wirklich einen Gefallen getan hat, reiße ich mich zusammen.
Aus dem Augenwinkel betrachte ich ihn. Im Gegensatz zu mir läuft er noch immer mit den Beinen durch das ruhige Meer. Er trägt nur seine kurze, schwarze Badeshorts. Die feinen, blonden Haaren an seinen Armen und Beinen sind bereits ausgeblichen von der Sonne, sein Sixpack gebräunt. Er sieht gut aus, um ehrlich zu sein noch besser, als früher, auch wenn er schon immer ein Blickfang war.
Das Wasser umspielt seinen Körper, eine dunkle Sonnenbrille bedeckt seine einnehmenden Augen. Er benetzt seine Hände mit Wasser und fährt sich durch die kurzen, dunkelblonden Haare.
Als er zu mir schaut, wende ich meinen Blick schnell ab. Beinahe hätte er mich beim Starren erwischt.
"Sollen wir langsam zurück zu den anderen? Die wollten doch gleich abhauen", fragt er sanft. Ich nicke ihm zu und schaue mich um.
Erst jetzt bemerke ich, wie weit wir von unserem Platz entfernt sind und wie lange wir so stumm den Strand entlanggelaufen sein müssen.
Wir gehen gemächlich zu unseren Freunden und packen alles zusammen, um zu unserem Ferienhaus zu laufen. Dort angekommen machen wir uns in den drei Badezimmern fertig, was mit sieben Leuten eine Weile dauert. Wir Mädels haben den Vortritt beim Duschen, weil wir danach für Haare und Makeup einfach deutlich länger brauchen, als die Männer. Die wiederum machen es sich in der Wartezeit mit einem kühlen Bier auf der Terasse gemütlich.
Als ich nach einer Dreiviertelstunde wieder ins Wohnzimmer komme, sitzt der Rest der Gruppe schon zurecht gemacht im Außenbereich. Nur Sean, der zuletzt duschen war, fehlt noch.
Ich mustere meine Mitreisenden begeistert. Alle sehen gut gelaunt, abenteuerlustig und super sexy aus. Wir könnten locker als neuer Cast von Love Island durchgehen.
Ich selbst trage ein knallrotes Kleid mit sexy Cutouts und farblich dazu passendem Lippenstift. Die blonden Haare habe ich hochgesteckt und nudefarbene Sandalen mit Absatz angezogen, die meine langen, schlanken Beine zusätzlich optisch strecken.
Mein Blick bleibt an Vito hängen. Seine Nase und seine Wangen sind nach dem langen Strandtag leicht gerötet, was ihn irgendwie kindlich und niedlich aussehen lässt. Er trägt einen cremefarbenen Zweiteiler aus Leinen, eine Shorts und das passende Kurzarmhemd.
Verdammt, er sieht echt gut aus. Ich verbiete mir den Gedanken und lenke meinen Blick von ihm weg.
Die Stimmung auf dem Weg zum Restaurant ist ausgelassen und wir lachen viel. Hinter dem Meer geht die Sonne langsam unter und taucht die Umgebung in ein warmes, goldenes Licht. Die Hitze des Tages weicht allmählich einer angenehmen Kühle, die Grillen beginnen lautstark zu zirpen.
Das Restaurant, in das wir eintreten, verströmt eine authentisch spanische Atmosphäre. Die Wände sind mit traditionellen Keramikfliesen und kunstvollen Stierkampfbildern verziert. Auf den rustikalen Holztischen liegen bunte Tischtücher, von der Decke hängen eiserne Leuchter, die ein warmes Licht verbreiten.
Der Geruch von frischem Knoblauch und gegrilltem Fisch liegt in der Luft und lässt mir das Wasser im Mund zusammenlaufen. Eine Mischung aus instrumentaler Musik und den lebhaften Gesprächen der anderen Gäste erfüllt den Raum.
Der Kellner, ein älterer Mann mit einem schmalen Schnurrbart und einem breiten Lächeln, begrüßt uns herzlich und führt uns zu einem Tisch am Fenster, von welchem wir eine wunderbare Aussicht auf das Meer und den Sonnenuntergang haben.
"Ich hoffe, hier gibt es gute Tapas," sagt Sean und setzt sich neben seine hübsche Kayla. "Ich habe schon wieder Hunger."
"Du hast immer Hunger," neckt Kayla ihn liebevoll.
"Das ist wahr," stimmt Pepe zu. "Aber nach so einem Tag am Strand kann man ihm das nicht verübeln."
Asya und ich tauschen einen amüsierten Blick. "Ach, hauptsache die Sangria schmeckt," grinse ich pragmatisch. Nino nickt mir zu und zeigt mit dem Zeigefinger auf mich. "Yuna weiß, wie man Prioritäten setzt.
Vito sitzt neben mir und wirft mir hin und wieder verstohlene Blicke zu. Unsere kurze, harmonische Zeit am Strand hängt noch immer in der Luft, und das gesamte Essen über schaffen wir es tatsächlich, den Frieden zu bewahren.
Etwas, das ich noch heute morgen nicht für möglich gehalten hätte.
Nach dem köstlichen Essen im Restaurant ziehen wir weiter in eine lebhafte Bar. Die Einrichtung ist provinziell, mit Holzregalen, die mit spanischen Weinen und hochprozentigen Spirituosen gefüllt sind. Bunte Lichter und Laternen tauchen den Raum in ein warmes, einladendes Glühen. Im Hintergrund spielen mitreißende, spanische Rhythmen und moderne Beats.
Ich trinke mich munter durch die Cocktailkarte und lasse mich von der Musik mitreißen. Es dauert nicht lange, bis ich zusammen mit Asya und Kayla die Tanzfläche stürme. Wir bewegen unsere Körper aufreizend im Rhythmus der Nacht, mit Argusaugen beobachtet von unseren vier männlichen Begleitern, die sicherstellen, dass uns bloß niemand zu nahe kommt. Immerhin Nino und Pepe lassen sich irgendwann von uns bequatschen und schließen sich uns an.
Ich halte mich an Nino, lasse mich von ihm an der Hand nehmen und herumwirbeln wie eine waschechte Flamenco-Tänzerin.
Vito und ich tauschen gelegentlich kurze Blicke aus. Wir reden kaum miteinander, doch wir streiten uns auch nicht und das würde ich immerhin als großen Fortschritt bezeichnen.
Wir tanzen, bis uns die Füße weh tun und wir beinahe im Stehen einschlafen. Gegen 2 Uhr nachts falle ich dann endlich glücklich und beschwipst ins Bett.
Der heutige Tag war gefüllt mit einigen schönen Momenten, und ich bin froh, dass ich mich dazu entschieden habe, diesen Urlaub anzutreten.
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