•62 || „Immerhin hat er es verdient."•
Kapitel 62
„Immerhin hat er es verdient.“
»Willkommen in der Familie«, quietschte sie und fiel Harry um den Hals, der sie erstaunt beinahe nicht halten konnte.
Augenblicklich entwich alle Anspannung aus meinem Körper. In meinem Kopf hatte ich mir schon alle möglichen Szenarien ausgemalt, was hätte passieren können. Stattdessen ließ ich lächelnd den Kopf nach vorne fallen. Zayn knuffte mich freundschaftlich in die Seite und wuschelte mir einmal durch die Haare, bevor er an uns vorbei in die Wohnung ging.
»Du bist Eleanor, nehme ich an?« Harry lächelte leicht, als El sich von ihm löste. Sie nickte und winkte uns herein.
»Na kommt. Ich habe Essen gemacht, ihr habt sicher Hunger.«
Nickend trat ich an Harry heran und griff nach seiner Hand. Seine kalten Finger schlossen sich reflexartig um meine, während sein Blick zu mir fiel. Glücklich, endlich mit ihm zusammen hier zu sein, lehnte ich für einen kurzen Moment meine Schläfe gegen seine Schulter, bevor ich sanft seine Hand drückte und ihn nach drinnen führte.
Ich kickte mir meine Schuhe von den Füßen und schob sie an die Seite. Der vertraute Geruch von Zuhause stieg mir in die Nase und ich atmete erleichtert auf. Harry neben mir musterte die ihm unbekannte Umgebung und blieb kurz vor den Familienbildern stehen, die an der Wand im Flur hingen. »Bist du das?«, fragte er und deutete auf eines der Bilder, auf dem einige Kinder in dicken Schneeanzügen im Schnee spielten.
Ich schüttelte den Kopf. »Das ist Ernest, mein kleiner Bruder. Daneben ist Doris, seine Zwillingsschwester, und die in der pinken Jacke, das ist Lottie, die älteste meiner Geschwister.«
»Ihr seht euch alle ziemlich ähnlich«, bemerkte er schmunzelnd.
Ich zuckte mit den Schultern. »Das sind die Tomlinson-Gene, nehme ich an. Hast du Hunger?«
Harry nickte, blieb aber stehen, als ich losgehen wollte. Mit einem Ruck zog er mich zurück zu sich. Ich prallte gegen seine Brust, die Hände auf dem weichen Stoff seines Pullovers, meine Augen überrascht zu ihm aufgeschlagen. Ein breites Lächeln legte sich auf seine Lippen, als er, die Finger an meinem Kinn, meinen Kopf in Richtung seiner Lippen zog. Ich keuchte auf, als ich seine Wärme auf meinen Lippen spürte, doch das Geräusch ging in unserem Kuss unter.
Ich legte meine Hände um seinen Nacken zog ihn enger an mich, während er seine Hand von meinem Kinn an meinen Hinterkopf wandern ließ und dort fest in mein Haar griff. Leicht aber doch bestimmt zog er daran. Ich krallte mich in die Kapuze seines Pullovers, um aufrecht stehen zu bleiben. Meine Knie waren weich und ich lehnte mich in vollem Vertrauen an den warmen, starken Körper vor mir.
Atemlos küsste ich Harry und an diesem Kuss war alles, was in den letzten Wochen gefehlt hatte. Das Verlangen und die Sehnsucht nach seiner Nähe knisterte elektrisierend in meinem Magen, breitete sich durch meinen gesamten Körper aus, bis ich es selbst in meinen Fingerspitzen spürte.
Immer enger presste ich mich an ihn, konnte nicht genug von ihm bekommen. Sein abgehackter Atem prallte gegen meine Haut und erhitzte die Stelle meiner Wange, an die sich seine Nase drückte. Es war nicht wirklich liebevoll, eher wild, verlangend und hingabevoll. Unruhig wanderten meine Hände über seinen Körper, wollten ihn überall gleichzeitig berühren, was aber unmöglich war.
Harry drängte sein Bein zwischen meine, schob mich zurück, bis ich mit dem Rücken gegen die Wand neben der kleinen Kommode stieß. Brummend ließ er von meinen Lippen ab und küsste sich seinen Weg entlang meines Kinns zu meinem Hals. Er liebkoste die weiche Haut unter meinem Ohr, saugte daran und leckte über die gereizte Stelle.
Seufzend wurde ich immer und immer mehr zu einem zerfließenden Häufchen Butter in seinen Armen, die mich festhielten und ruhelos über meinen Körper wanderten. Eingekeilt zwischen ihm und der Wand gab ich mich ihm hin, krallte mich in seine Haare, zog an ihnen, bis er leise gegen meine Haut stöhnte.
»I-ich liebe dich, Haz«, wisperte ich atemlos und schluckte, als er den Kragen meines Sweatshirts ein Stück herunterzerrte, um an die Haut an meinen Schlüsselbeinen zu gelangen. Seine Locken kitzelten an meinem Hals, doch es konnte mich gerade nicht weniger interessieren. Viel zu präsent waren seine wundervollen Lippen an meiner Haut, die eine Gänsehaut durch meinen gesamten Körper jagten.
Heißer Atem prallte auf meine erhitzte Haut, als Harry sich von mir löste, mich aus lüsternen Augen ansah. Längst konnte ich die entstandene Lust zwischen uns nicht mehr leugnen, weshalb ich ihn an dem Haaren wieder an mich zog. Seine Lippen krachten auf meine.
Ein Räuspern ließ die erregte Stimmung zwischen uns platzen. Sofort ließ Harry von mir ab und trat einen Schritt zurück, was mich dazu veranlasste, mich an der Kommode abzustützen. Meine Beine waren weich wie Pudding.
Zayn und Eleanor standen in der Tür zur Küche. Beide sahen perplex zu uns herüber. Ein wenig peinlich berührt schaute ich zu Boden, der auf einem Mal unglaublich interessant schien. »Nun denn«, durchbrach Eleanor die unangenehme Stille. »Das Essen wäre fertig.«
»Ich muss mir erst die Augen bleichen, bevor ich was esse«, murmelte Zayn und bekam daraufhin einen Schlag von Eleanor ab.
»Sei nicht so gemein. Freu dich lieber, dass dein bester Freund glücklich ist. Immerhin hat er es verdient«, zischte El und ging zurück in die Küche.
Harry und ich tauschten einen Blick, der uns losprusten ließ. Befreit lachten wir. Ich griff nach seiner Hand und zog ihn endlich mit in die Küche. Zusammen setzten wir uns auf die Bank neben meiner Leseecke in meiner Fensterbank.
~
Später saßen wir zusammen im Wohnzimmer. Zayn war irgendwann nach Hause gefahren, sodass nur noch Harry, Eleanor und ich dort saßen. Jeder von uns hatte ein Glas Cola in der Hand, obwohl ich gut etwas Stärkeres hätte vertragen können. Aber Eleanor und Harry durften beide keinen Alkohol trinken – El, weil sie schwanger war, und Harry, weil er noch Medikamente nehmen musste -, weshalb ich fairerweise bei Cola blieb.
»Erzähl mir doch ein bisschen was von dir, Harry. Ich würde dich gerne ein bisschen besser kennenlernen, jetzt, wo wir vorübergehend zusammenwohnen«, sagte Eleanor und setzte sich ein wenig anders hin. Selbst in dem großen Pullover, den sie trug, war es nicht mehr zu übersehen, dass sie schwanger war.
Harry erzählte etwas über sich, bevor er sich auch an mich wandte und mit einem breiten Lächeln von den schönen Momenten seiner Kindheit sprach. Er lachte, erzählte mit einem wunderschönen Leuchten in den Augen von seiner Schwester und seinen ehemaligen Schulfreunden. In diesem Moment war all das Schlechte, was ihm widerfahren war, vergessen. Wir konzentrierten uns auf die schönen Momente, auf das Licht in der Dunkelheit.
Bis wir schließlich bei Harry und meinem ersten Treffen angelangt waren. Wir erzählten abwechselnd davon, lachten gemeinsam und schienen diese Augenblicke ein zweites Mal zu durchleben. Dieses Mal ohne Geheimnisse und die Last, die auf Harry gelegen hatte.
Während er von unserem Ausflug zu den Wildpferden und auf den Berg am Meer erzählte und dabei wild gestikulierte, betrachtete ich ihn. Ich versuchte, mir jedes noch so kleine Detail seines vor Freude strahlenden Gesichts in meinem Gedächtnis einzuprägen, um diesen Anblick niemals wieder zu vergessen.
Meine Beine lagen über seinen Schoß ausgestreckt unter der Decke, durch die er sanft über mein Bein strich, während er sich mit Eleanor unterhielt. Und ich saß einfach da, genoss seine Nähe, war fasziniert darüber, wie gut sich die beiden doch verstanden, und lehnte müde gegen die Lehne des Sofas.
Die letzten Wochen waren anstrengend gewesen. Kräftezehrend, aber wir hatten es geschafft und waren zusammen. Zusammen in meiner Wohnung, auf meinem Sofa, unter meiner Decke. Und es fühlte sich großartig an. Es war, als wäre durch Harry meine Wohnung noch mehr zu einem Zuhause geworden, als sie es ohnehin schon war.
Harry ließ jeden Ort wie ein Zuhause erscheinen, weil er alles war, was ich brauchte, um glücklich zu sein.
Er war Zuhause.
Mein Zuhause.
Und ich war dankbar für jede Sekunde, die er bei mir war, die wir zusammen verbrachten, lachten und weinten. Selbst in Holmes Chapel, als alles hoffnungslos schien, hatte ich tief in mir gespürt, dass alles gut werden würde. Denn ich war nicht allein, sondern hatte Harry. Auch wenn der in dem Moment nicht viel hätte ausrichten können, war er der winzige Hoffnungsschimmer, der tief in mir geschlafen hatte.
Dadurch, dass wir die letzten Wochen gemeinsam durchgestanden hatten, wurde mir bewusst, wie stark das Band zwischen uns geworden war. Die Gefühle zwischen uns waren tief und verbanden mich mit ihm mehr als mit jedem anderen Menschen. Harry war anders als die anderen. Besonders, mein Harry. Er war es von Anfang an und würde es immer sein.
Es gab nichts, was mehr zwischen uns passte, denn die Liebe, die ich für ihn empfand, wuchs Sekunde für Sekunde an.
Aus einem Impuls heraus krabbelte ich auf Harrys Schoß, warf die Decke um meine Schultern und kuschelte mich in seine Arme, die er überrascht lachend um mich legte. Ich vergrub mein Gesicht in seiner Halsbeuge und atmete tief ein und aus. Sein würziger und doch irgendwie weicher Duft stieg mir in die Nase und benebelte meine Sinne.
»Aww, ihr seid so süß«, seufzte Eleanor, woraufhin ich mich nur noch enger an Harry drückte.
So blieb ich sitzen, bis El sagte, dass sie ins Bett gehen würde. Harry bewegte sich unter mir und mein bereits halb schlafendes Ich kommentierte die Bewegung mit einem mürrischen Brummen. Mein Freund hob mich hoch, hielt dabei die kuschlig warme Decke um meinen Körper und ging nach kurzen Worten zu Eleanor mit mir auf den Armen in mein Schlafzimmer.
Dort setzte er mich auf der Bettkante ab. Müde öffnete ich ein wenig meine Augen und sah ihm dabei zu, wie er erst sich bis auf die Boxershorts auszog und sich dann mir zuwandte. Zuerst die Socken, danach zog er mir die Jogginghose von den Hüften. Das klappte nur mehr oder minder gut, weshalb er mir die halb heruntergerutschte Boxershorts wieder über den Hintern ziehen musste.
Sanft ließ er seine Hände über meinen Oberkörper kreisen, als er mir mein Sweatshirt auszog. Die Klamotten ließ er einfach auf den Boden fallen, bevor er zu mir ins Bett kletterte. Gemeinsam kuschelten wir uns unter die große Decke, die die perfekte Größe hatte, um mit Harry zu kuscheln und von allen Seiten davon bedeckt zu sein.
Wie ein doppelter Burrito also.
Mein Kopf lag auf Harrys Brust und ich seufzte entspannt gegen seine Haut.
»Es tut mir weh, die Narben an dir zu sehen«, murmelte er in die Stille hinein.
Mein Herz verengte sich und ich umschlang ihn fester. »Ich weiß«, sagte ich schlaftrunken. »Aber sie werden verblassen, bis sie irgendwann kaum noch zu sehen sind. Und Harry? Ich liebe dich so oder so. Ob mit oder ohne.«
»Ich liebe dich auch.« Er klang nachdenklich, aber ich hatte nicht mehr die Kraft, dieses Gespräch mit ihm zu führen, weshalb wir es wohl oder übel auf einen anderen Zeitpunkt verschieben mussten.
Einen Kuss auf seine Brust hauchend glitt ich immer weiter in den Schlaf, bis ich mit dem Gedanken einschlief, dass es toll war, neben ihm einzuschlafen und ihn dabei berühren zu können, als nur über das Telefon miteinander verbunden zu sein.
Ich war glücklich.
Glücklich, weil Harry bei mir war.
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