•45 || „Gott sei Dank, bist du da."•
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Kapitel 45
„Gott sei Dank, bist du da.“
Zwei Wochen später hatte ich immer noch nichts von Harry gehört. So langsam kam ich mehr oder weniger damit klar. Die Termine wurden zwar weniger, was im gleichen Zug auch weniger Ablenkung bedeutete, aber Eleanor war Zuhause. Die meiste Zeit verbrachten wir zusammen. Ab und an kam Zayn oder einer der anderen Jungs vorbei, oder Lottie und John tanzten auf zu einem gemeinsamen Spieleabend.
Erstaunlicherweise verstanden Lots und Eleanor sich gut. Früher hatte meine Schwester El nie wirklich gemocht. Sie sagte immer, sie wäre hochnäsig und abgehoben. Doch jetzt, wo sie sich mehr kennenlernten, kamen sie gut miteinander aus und gingen sogar zusammen neue Klamotten für El shoppen. Mittlerweile wurden ihr ihre normalen Kleider zu eng, der kleine Mann in ihr wuchs wirklich Tag für Tag, weshalb es jetzt Zeit für gemütliche Schwangerschaftsmode wurde.
Da ich nicht viel davon verstand, hatte sich Lottie dazu bereit erklärt, mit Eleanor zu gehen. Und am Ende kamen die beiden schnatternd und Arm in Arm nach Hause, als hätten sie nie etwas anderes gemacht.
Ein paar Mal war ich auch mit meinen Jungs aus gewesen, was normalerweise nicht gerade mein Stil war, aber was tat man nicht alles, um seinen Gedanken zu entfliehen. Allerdings war es jedes Mal ziemlich unangenehm, wenn ich allein mit Zayn unterwegs war. Viel zu oft an einem Abend fragte er mich, welchen der anwesenden Typen ich gut fand. Da ich ihm erzählt hatte, dass mit Harry scheinbar Funkstille herrschte, war er momentan nicht sonderlich gut auf den Lockenkopf zu sprechen.
Mehrmals versuchte er, mich zu verkuppeln. Meistens mit Typen, die definitiv nicht meinem Geschmack entsprachen. Also kurzgesagt jedem Typen. Denn mein Geschmack beschränkte sich ziemlich genau auf grüne Augen, braune Locken, hochgewachsene schlanke Statur und Grübchen. Dass damit kaum ein Mann übereinstimmte, der nicht auch noch Harry hieß, war leicht zu erschließen.
So auch heute Abend. Nachdem wir in Zayns Wohnung ein paar Bier getrunken und einen Joint geraucht hatten, machten wir uns auf den Weg in einen Club. Die laute Musik drang schon von einiger Entfernung an mein Ohr.
Am Eingang zeigten wir nach Aufforderung unsere Ausweise, bevor wir im Inneren des Gebäudes verschwanden. Durch den Joint waren die laute Musik und der Geruch nach verschwitzten Menschen deutlich weniger unerträglich. Wir suchten uns einen Platz an der Bar und bestellten die ersten richtigen Drink des Abends.
Der Club war zweistöckig. Von der Tanzfläche aus konnte man nach oben ins zweite Geschoss schauen. Dort befand sich eine Galerie, die einmal um den ganzen Raum ging, und mehrere Räume, in denen sich meistens Promis oder reiche Leute aufhielten und Poker oder Black Jack spielten. Also definitiv kein Ort für mich.
Zayn hingegen würde von seinem Aussehen schon eher dort hineinpassen. In der dunklen Kluft, die aus engen schwarzen Jeans, einem schwarzen Hemd und einer ebenso schwarzen Lederjacke bestand, zusammen mit seinen perfekt gestylten Haaren, sah er aus wie ein reicher Aufreißer mit südländischer Abstammung, der in der High Society Londons Drogen vertickte.
Er könnte sich dort hineinschleichen und niemandem würde es auffallen. Im Gegensatz zu mir, der hier in Jeans und weißen Shirt saß und aussah wie jeder andere Typ in diesem Raum.
»Wie geht es eigentlich Gigi?«, rief ich gegen die laute Musik an direkt in Zayns Ohr.
Der lehnte sich zu mir. »Ganz gut. Sie ist gerade für einen großen Modelauftrag in Paris. Wir haben telefoniert, bevor du gekommen bist«, brüllte er zurück.
Das mit Gigi und ihm lief jetzt schon eine ganze Weile. Also deutlich länger als alle anderen „Beziehungen“, die Zayn sonst führte. Das letzte Mal, als ich die beiden zusammen gesehen hatte, war auf Charlys Geburtstag gewesen. Und da saßen sie die ganze Zeit über turtelnd auf dem Sofa. Scheinbar war es Zayn dieses Mal wirklich ernst.
Ich fragte ihn noch einige Zeit weiter aus, während wir unsere Drinks leerten und dann einen Abstecher auf die Tanzfläche machten. Zwar konnte ich nicht tanzen, aber das Geschaukel, was die meisten in einem Club als „tanzen“ ansahen, war gar nicht so schwer. Einfach die Arme hoch, ein bisschen hüpfen und mit den Hüften wackeln. Fertig war die Sache. Die Musik war ganz okay. Den einen Abend, als wir aus waren, haben wir ständig den Club gewechselt, weil die Musik grottig und auch betrunken nicht auszuhalten war.
Als ich mich irgendwann in einer Sitzecke in die Polster fallen ließ, um wieder zu Atem zu kommen, holte ich mein Handy heraus. Gerade als ich es entsperrte, wurde ich angerufen.
Harry.
Sein Name stand dort auf dem Bildschirm, sein Foto lächelte mich an. Für einen Moment starrte ich nur perplex auf mein Handy, dann ging ich ran und hielt es mir ans Ohr. »Hallo? Harry?«
Jemand antwortete, doch ich konnte nichts verstehen, weil es so laut war. Also stand ich rasch auf und durchquerte den vollen Raum. Auf der Suche nach Zayn ließ ich den Blick schweifen. Ich fand ihn nicht, dafür aber eine bekannte Gestalt, die am Geländer der Galerie lehnte. Als er in meine Richtung schaute, verschwand ich schnell durch die Türen nach draußen ins Freie.
»Hallo?«, fragte ich erneut und war ganz froh, noch nicht zu betrunken zu sein, um nicht mehr klar denken zu können.
»Louis?«, drang Nialls Stimme an mein Ohr.
Verwirrt blieb ich einige Meter vom Eingang des Clubs entfernt stehen. »Niall? Was machst du mit Harrys Handy?«
Ich hörte, wie der Ire hektisch Luft holte. »Ist Harry bei dir? Louis, bitte sag, dass er bei dir ist.« Liam. Er klang weitaus gefasster als sein Mann.
»Nein, er ist nicht hier. Warum? Was macht ihr an seinem Handy? Leute, warum ruft ihr mich über Harrys Handy an? Was zur Hölle ist hier los?«, sprudelte es aus mir heraus. Der leichte Schleier des Alkohols war verschwunden und ich fühlte mich völlig nüchtern.
»Wenn er nicht bei Louis ist, wo ist er dann?«, murmelte Niall besorgt.
»Louis, Harry ist weg. Er ist vor drei Wochen nach Rom gefahren, um die Bestellung abzugeben, aber er ist nicht wiedergekommen. Die Polizei weiß schon bescheid und sucht nach ihm, aber bis jetzt gibt es keine Spur. Er wurde seit Wochen nirgends gesehen«, erklärte Liam.
»Was?« Deshalb hatte er sich nicht gemeldet…
»Wir haben gerade sein Handy gefunden, es lag im Appartement in Rom. Hier ist alles verwüstet.« Niall schluchzte auf.
»Habt ihr die Polizei schon verständigt, dass ihr da seid? Ihr dürft nichts anfassen, nicht dass ihr die Spuren verwischt.«
»Bist du Cop oder was?«
»Nein, ich bin Autor«, sagte ich und hielt mir ein Taxi an. »Lasst alles wie es war, ruft die Polizei und geht in ein Hotel oder was auch immer. Gebt mir die Adresse, ich komme.«
»Was? Du kommst jetzt nach Rom? Louis, das ist hirnsinnig, du kannst hier nichts machen!«, warf Liam donnernd ein.
»Das ist mir sowasvon egal«, rief ich, während ich ins Taxi stieg. Bevor ich weiterredete, gab ich dem Fahrer meine Adresse. »Harry wurde wahrscheinlich entführt. Keiner weiß, wo er ist, wie es ihm geht oder was überhaupt Sache ist. Natürlich komme ich da vorbei. Er ist mein Freund, ich liebe ihn und werde nichts unversucht lassen, um ihn zu finden, verstanden? Ich bin mir sicher, wäre Niall verschwunden, würdest du auch in ein anderes Land fliegen, um ihn zu finden, oder Liam?«
»Ja, du hast ja recht. Okay, ich gebe dir meine Handynummer, dann kann die Polizei das Handy hier mitnehmen. Vielleicht ist da etwas wichtiges drauf.«
Ich nickte und atmete tief durch. Das Taxi hielt vor dem Wohnhaus und ich drückte dem Mann die Summe in die Hand, bevor ich aus dem Wagen sprang und ins Haus ging. Oben in der Wohnung schaute El mich verwundert an. »Du bist ja schon wieder da. Ist irgendwas passiert?«
»Niall und Liam haben Harrys Handy gefunden. Wahrscheinlich wurde er entführt, ich muss sofort nach Rom«, sagte ich knapp. Ich wusste, dass es nicht viele Informationen waren, aber ich hatte gerade nicht den Kopf dafür, El alles haargenau darzulegen.
»Oh Gott. Kann ich dir irgendwie helfen?«, fragte sie und folgte mir in mein Zimmer, wo ich den Schrank aufriss und das Nötigste in meinen Rucksack stopfte.
»Es wäre toll, wenn du mir ein Ticket buchen könntest. Mein Laptop steht auf dem Schreibtisch.«
Nickend ging sie rüber und fuhr das Gerät hoch. Währenddessen rannte ich ins Bad, um dort meine Sachen in meinen Kulturbeutel zu packen. Zurück in meinem Zimmer packte ich alles zusammen in den Rucksack und zog dann den Reißverschluss zu.
»Dein Flug geht in zweieinhalb Stunden. Kein Aufgabegepäck, den Boardingpass habe ich dir aufs Handy geschickt«, sagte El und stand auf. Sie nahm mich in den Arm. »Pass gut auf dich auf, okay? Mach keine Dummheiten und halt dich bitte raus, wenn es gefährlich wird. Ich brauche dich. Wir brauchen dich.«
Ich legte meine Arme um sie und drückte sie sanft gegen mich. »Ich versuche es.«
Gemeinsam gingen wir zur Wohnungstür. »Meldest du dich, wenn du gelandet bist?«
»Mache ich«, versprach ich und umarmte El noch einmal. Ich gab ihr einen Kuss auf die Stirn und verließ die Wohnung. Das Taxi brachte mich zum Flughafen. Während ich mich durch die Menge drängte, schrieb ich Zayn eine kurze Nachricht, dass er bitte nach El sehen sollte.
Der Flug an sich war ruhig. Keine schreienden Kinder, keine Probleme. Ich hingegen war nicht ruhig. Durch Musik versuchte ich mich abzulenken, aber es klappte nicht. Meine Gedanken rasten, übertönten die Stimme von Adele. Angst nagte an mir wie ein Hund an seinem Kauknochen. In meinem Kopf malten sich unzählige Szenarien aus, was passiert sein konnte. Ob es Harry gut ging? Wo war er? Lebte er noch?
Ich pulte an der Haut meiner Finger herum, bis es blutete. Der Frau, die neben mir saß, fiel es auf. Sie reichte mir ein Pflaster, welches ich dankend annahm. Die Zeit zog sich wie Kaugummi. Alle paar Minuten sah ich auf die Uhr, wünschte mir, dass das Flugzeug schneller fliegen würde. Nur leider war das nicht möglich.
Also wartete ich wohl oder übel, wippte unruhig mit dem Bein auf und ab. Ich atmete erleichtert auf, als das Flugzeug in den Sinkflug überging und sich zehn Minuten später der Ausgang öffnete. Da ich am Gang saß, sprang ich förmlich auf, holte meinen Rucksack aus der Ablagefläche über den Sitzen und lief durch den Gang aus dem Flugzeug, bevor die meisten anderen Passagiere überhaupt ans Aussteigen denken konnten.
Die Passkontrolle kostete mich nochmals einiges an Geduld und Nerven, bevor ich endlich aus dem Flughafengebäude trat und ein Taxi anhielt. Es brachte mich zum Hotel, in dem sich Niall und Liam ein Zimmer genommen hatten, wie ich es ihnen empfohlen hatte.
Der Ire wartete unten in der Lobby auf mich und sprang auf, als ich durch die Drehtür das Gebäude betrat. »Louis!«, rief Niall, kam auf mich zugerannt und warf sich in meine Arme.
Ich ließ meinen Rucksack fallen, um ihn aufzufangen, da er sonst höchstwahrscheinlich uns beide umgerissen hätte.
»Gott sei Dank, bist du da«, murmelte er und löste sich einen Moment später wieder von mir. »Komm, Liam ist oben im Zimmer und telefoniert.«
Ich schulterte meinen Rucksack und folgte Niall zum Aufzug. Als wir im Zimmer ankamen, sah ich Liam, der mit seinem Handy am Ohr an der Fensterfront des Wohnzimmers stand und mit ernstem Gesicht telefonierte. Er winkte mir zu, als er mich sah, und widmete sich dann wieder seinem Gesprächspartner.
Niall bedeutete mir, dass ich mich auf einen der Sessel, die in einem Kreis um einen kleinen Tisch angeordnet waren, setzen sollte. Ich folgte seiner Aufforderung und nahm dankend den Tee in die Hand, den der Ire mir entgegenreichte.
»Okay, also was genau ist passiert?«, fragte ich nach einem ordentlichen Schluck der heißen Flüssigkeit.
Liam, der sein Gespräch gerade beendet hatte, ließ sich neben Niall nieder. »Vor etwa drei Wochen ist Harry nach Italien gefahren, um die Bilder zur Firma zu bringen. Davor hat er wirklich ununterbrochen daran gearbeitet und ist direkt los, als die letzten trocken waren. Das kann gut und gerne mal eine Woche dauern, während der Zeit meldet er sich auch kaum. Nur als er nach anderthalb Wochen immer noch nicht aufgetaucht ist, haben wir begonnen, uns Sorgen zu machen. Als ich versucht habe, ihn anzurufen, ist er nicht an sein Handy gegangen.«
Ich nickte. »Ich konnte ihn auch nicht erreichen.«
»Also sind wir hergefahren und haben im Appartement nachgesehen. Und das war, wie schon erwähnt, verwüstet. Sein Handy lag irgendwo im Wohnzimmer auf den Fliesen, der Akku leer und der Bildschirm gesplittert. Ich bin ganz froh, dass es noch ging, damit wir dich anrufen konnten«, fügte Niall hinzu. »Wir haben gleich die Polizei informiert, dass er vermisst wird. Aber die haben nur gesagt, dass es im Moment viele Vermisstenfälle gibt und die nach und nach abgebaut werden. Er steht noch auf der Liste, aber es passiert noch nichts.«
»Fuck«, fluchte ich und ließ den Kopf nach hinten fallen. Ich spürte, wie sich heiße Tränen ihren Weg über meine Wangen suchten und sich ein gewaltiger Kloß in meinem Hals bildete. Übelkeit stieg in mir auf. Das konnte doch alles nicht wahr sein. Warum mussten alle meine Beziehungen immer ein Riesendrama mit sich ziehen?
Mir war kotzübel. Schnell stand ich auf und flüchtete mich ins Bad. Vor der Toilette brach ich zusammen und übergab mich gleich mehrere Male hintereinander. Niall kam mir hinterher und strich mir beruhigend über den Rücken. »Geht’s? Wo warst du eigentlich, als wir dich angerufen haben? Es war so laut.«
Erschöpft und verschwitzt vor Anstrengung ließ ich mich gegen den Schrank unter dem Waschbecken fallen. Niall wischte mir mit einem Handtuch über Mund und Stirn. »Ich war mit meinem Kumpel Zayn in einem Club«, krächzte ich. Der Ire gab mir ein Glas mit Wasser. Langsam trank ich einen Schluck davon, bevor ich ihm gestand, worüber ich nachgedacht hatte.
»Ach, Louis«, seufzte Niall und strich mir über die Haare. »Harry würde dich niemals betrügen, da bin ich mir zu hundertundeinem Prozent sicher. Er liebt dich. Und du hast auch nichts falsch gemacht, wie man jetzt sieht. Die Situation ist echt scheiße. Gerade, weil wir nicht wissen, ob es ihm gut geht oder nicht. Aber wir werden ihn finden, koste es was es wolle. Harry ist unser Freund, den lassen wir nicht im Stich. Und deswegen müssen wir jetzt stark sein. Für Harry. Um ihn zu finden, ja?«
Ich nickte und lehnte meine Stirn an Nialls Schulter. »Hast du eine Idee, wo wir anfangen können zu suchen?«
»Im Sitz der Firma hier in Rom. Vielleicht kriegen wir da etwas raus«, sagte Liam, der in der Tür stand und mich mitleidig ansah. »Jedenfalls ist das der erste Ort, der mir einfällt.«
Niall nickte. »Aber jetzt gehen wir erstmal schlafen. Du, Louis, musst ausnüchtern und zur Ruhe kommen und ich kann auch eine Mütze Schlaf gut vertragen. Die letzten Stunden waren für uns alle anstrengend. Wir haben ein zweites Zimmer schon mitgebucht. Direkt nebenan.«
»Danke«, sagte ich schwach lächelnd und ließ mich von Niall auf die Füße ziehen.
Gerade war ich echt froh, die beiden zu haben und nicht allein zu sein.
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