•44 || „So wie früher."•
So langsam wird es ernst... Wer hat eine Ahnung, in welche Richtung sich das hier wohl entwickelt? Viel Spaß!
Wir sehen uns :)
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Kapitel 44
„So wie früher.“
Der darauffolgende Tag war mindestens genauso vollgeladen wie die letzten. Noch zwei Tage bis zum großen Termin und es wurde eher mehr Arbeit statt weniger. Den halben Vormittag hatte ich damit verbracht, Exemplare zu signieren, die dann in den Buchhandlungen in ganz London ausgelegt werden sollten.
Meine Hand tat weh, als ich am späten Nachmittag das Verlagsgebäude verließ. Erleichtert seufzte ich auf, als ich die goldenen Sonnenstrahlen auf meiner Haut spürte. Gleich würde ich noch einkaufen gehen, wie ich es El versprochen hatte.
Eigentlich hatte ich bereits seit anderthalb Stunden Feierabend, aber ich hatte mich noch mit Becky unterhalten, weshalb ich erst jetzt nach draußen trat. Auf dem Weg zum Einkaufsladen um die Ecke, summte ich leise die Melodie vor mich hin, die Harry auf dem Dorfplatz auf seiner Gitarre gespielt hatte.
Ich vermisste ihn ziemlich. Bei dem ganzen Stress der letzten Tage waren wir nicht dazu gekommen, zu telefonieren. Das letzte Mal ist schon einige Zeit her und wann immer ich versuchte, ihn zu erreichen, landete ich bei der Mailbox, die vor Nachrichten von mir beinahe überlaufen musste. Auch mein Foto von letzter Nacht hatte immer noch keine zwei graue Häkchen. Genauso wenig wie die anderen Nachrichten, die ich Harry geschickt hatte. Langsam machte ich mir doch ein wenig Sorgen.
Mit zusammengezogenen Augenbrauen betrat ich den Laden, schnappte mir einen Korb und machte mich auf die Suche nach der Schokolade, die El am liebsten mochte. Dass sie mich dazu heute Morgen am Frühstückstisch gefragt hatte, ob ich ihr Gewürzgurken und Schokocreme mitnehmen konnte, hatte ich nur schulterzuckend kommentiert und auf die Einkaufsliste hinzugefügt.
Dass Schwangere oft Heißhunger auf die ausgefallensten Dinge hatten, war mir nichts Neues. In diesem Sinne war es doch ganz vorteilhaft, der große Bruder von so vielen Geschwistern zu sein. In vielen Dingen hatte ich so schon Erfahrungen gesammelt und wusste, einige Sachen besser nicht zu hinterfragen.
Ich packte einige Tomaten und Eier in meinen Korb, als ich an dem Regal vorbeikam. In meine Einkaufsliste vertieft, übersah ich den Mann, der ebenfalls im Gang stand, und rannte voll in ihn hinein.
»Oh Gott, Entschuldigung, es tut mir wirklich leid, Sir.« Mit weit aufgerissenen Augen sah ich den hochgewachsenen, älteren Mann an. Er ließ seinen Blick über mich gleiten, die grünen Augen scharf und berechnend, kalt wie seine steinerne Miene. Seine grauen Haare verdeckten teils die Falten auf seiner Stirn und er wirkte gänzlich Fehl am Platze.
Er sah eher aus wie jemand, der für sich einkaufen ließ, statt selbst einen Laden zu betreten. Auf seine Lippen schlich sich ein schmales Lächeln, das in mir tiefes Unbehagen hervorrief. »Ist schon in Ordnung, Junge. Es ist ja nichts passiert.«
Okay, der Typ war gruselig. Mit einem erzwungenen Lächeln suchte ich hinter dem nächsten Regal das Weite.
Zufälligerweise war genau das das Süßwarenregal, weshalb ich rasch nach dem suchte, was ich brauchte und zur Kasse lief. Ich stellte mich hinter eine Frau und legte meine Einkäufe auf das Kassenband. Kurz bevor ich an der Reihe war, spürte ich ein unangenehmes Kribbeln im Nacken. In unguter Vorahnung drehte ich mich herum und sah zwei Personen hinter mir den Mann aus dem Gang. Sein eisiger Blick war fest auf mich gerichtet und bohrte sich unangenehm in meine Haut.
Mein Atem beschleunigte sich und ich spürte mein Herz rasen. Als ich an der Reihe war, warf ich meinen Einkauf kreuz und quer in den Stoffbeutel und zahlte. Ich versuchte, den Mann zu ignorieren, aber mein Blick huschte ständig in seine Richtung. Während ich den Kassenbon entgegennahm, bemerkte ich aus dem Augenwinkel, wie er sich an den anderen wartenden Kunden vorbeidrängte.
Eine ältere Dame, die hinter mir gestanden hatte, schimpfte sofort drauf los, weil er ihr den Gehstock weggerissen hatte. Mit starrem Blick kam er auf mich zu, folgte mir aus dem Geschäft. Panisch beschleunigte ich meine Schritte, lief über drei rote Ampeln hintereinander, warf immer wieder prüfende Blicke über meine Schulter. Doch solange ich das Kribbeln in meinem Rücken spürte, das sich mehr und mehr danach anfühlte, dass seine Augen Dolche wären, die sich in meinen Rücken stachen, konnte ich mir sicher sein, dass er noch da war.
Als ich nur noch zwei Blocks von meinem Wohnhaus entfernt war, holte ich mein Handy aus der Jackentasche und wählte Eleanors Nummer. In wenigen Worten machte ich ihr klar, dass sie sich am Summer bereit halten sollte, damit sie, wenn ich klingelte, sofort die Tür öffnen konnte. Denn ich traute mich nicht, die Tür aufzuschließen. Wer wusste, was das für ein Typ war, wenn er mich verfolgte.
Natürlich hätte man auch sagen können, dass er in der selben Gegend wohnte wie ich, aber erstens sah er nicht danach aus, in einer kleinen Wohnung in einem Mehrfamilienhaus zu wohnen, und zweitens würde dann sein Blick nicht ununterbrochen auf mir haften.
Ich legte noch einen Zahn zu und missachtete eine weitere rote Ampel. Ich wollte nicht trödeln, denn wer wusste schon, was es mit diesem Typen auf sich hatte. Als ich endlich an der Haustür ankam, drückte ich auf meinen Klingelknopf. Im selben Moment surrte es und ich schlüpfte durch die Tür, schloss sie hinter mir und rannte die Treppen förmlich nach oben.
Eleanor wartete bereits an der geöffneten Wohnungstür, eine Hand auf der Türklinge, die andere auf ihrem Bauch. Fragend sah sie mich an, als ich sie an den Schultern in die Wohnung schob. »Geh rein«, sagte ich forsch und drückte sie weiter, um die Tür zu schließen. Von innen verriegelte ich sie mit dem Schieber, dem Kettchen und zwei Umdrehungen des Schlüssels. Das müsste reichen.
»Louis, was ist los? Warum bist du so?«, wollte El besorgt wissen.
Ich stellte die Einkaufstasche ab und lauschte an der Tür nach Schritten, konnte aber nichts hören. »Im Laden war ein Mann, der mir gefolgt ist«, raunte ich. »Wenn es klopft oder klingelt, mach nicht auf. Guck immer durch den Spion, ich weiß, es klingt paranoid, aber ich habe mir das schon lange angewöhnt.«
»Dir ist jemand gefolgt? Wer denn?«
Schulterzuckend zog ich meine Schuhe aus und hängte meine Jacke an den Haken. »Ich weiß es nicht, ich kenne den Mann nicht.«
»Und er ist dir wirklich gefolgt?« Scheinbar konnte El es nicht so wirklich glauben.
»Ja, ich denke schon. Im Laden hat er sich vorgedrängelt, als ich fertig war, und ist mir hinterher, wobei er mich durchgehend angestarrt hat.« Ich ging an ihr vorbei in die Küche und begann, die Einkäufe auszupacken. »Aber ich weiß nicht, wer das war oder was er von mir wollte.«
»Wie gruselig«, murmelte Eleanor und stellte die Milch und ihre Gürkchen in den Kühlschrank. Die eine Packung Schokolade riss sie gleich auf und biss direkt in die Tafel hinein.
Den ganzen restlichen Abend musste ich immer wieder an diesen Mann denken. Ich schrieb Harry, rief ihn an, weil ich seine Stimme vermisste und ihm davon erzählen wollte, doch nach einem kurzen Moment ertönte schon die Stimme seiner Mailbox. Skeptisch nahm ich mein Handy vom Ohr und betrachtete unseren Chat. Es war schon auffällig, dass meine Nachrichten nicht einmal ankamen. Vielleicht war sein Handy kaputt, anders konnte ich mir das nicht erklären.
Ich machte mir Sorgen, wollte wissen, ob es ihm gut ging. Hätte ich die Möglichkeit, hätte ich schon längst bei Niall oder Liam angerufen, aber ich hatte ihre Handynummern nicht. Wobei, rein theoretisch musste die Nummer von der Bäckerei doch im Internet auffindbar sein, oder nicht?
Sofort gab ich den Namen in die Suchleiste bei Google ein. Die Suchmaschine spukte mir gleich haufenweise Antworten aus, durch die ich auch gleich scrollte. Nur Nialls Bäckerei tauchte unter keiner der Möglichkeiten auf. Frustriert ließ ich mich auf dem Sofa zurück fallen und seufzte laut auf, was Eleanors Aufmerksamkeit auf mich zog.
»Alles okay bei dir?«, fragte sie, nachdem sie ihr Gurken-Schokocreme-Gemisch heruntergeschluckt hatte. Eben hatte sie mich dazu gezwungen, es zu probieren und war dann ganz eingeschnappt gewesen, als ich ihr offenbart hatte, dass das ganz und gar nicht mein Geschmack war.
Seufzend schüttelte ich den Kopf. »Ich kann Harry seit einigen Tagen nicht erreichen. Wahrscheinlich arbeitet er, aber ich mache mir schon Sorgen, weißt du?«
»Kann ich mir vorstellen.«
»Er liest meine Nachrichten nicht, reagiert nicht auf meine Anrufe… Was, wenn ihm etwas zugestoßen ist?« Ich vergrub meine Finger in der Kuscheldecke und sah El an, die mir mitleidig eine Gurke anbot. Ich nahm sie dankend an und stopfte sie mir in den Mund.
»Hast du die Nummer von dem Freund von ihm, von dem du erzählt hast? Niall oder so?«
Ich schüttelte den Kopf. »Die habe ich gerade gegoogelt, aber ich kann seine Bäckerei nicht finden. Wahrscheinlich hat er gar keine Webseite.«
»Sonst probiere es gleich nochmal oder versuche es morgen früh. Vielleicht ist sein Akku ja leer.«
»Seit vier Tagen?«
El zuckte mit der Schulter. »Oder sein Handy ist kaputt.« Sie legte eine Hand an meinen Arm. »Ihm geht es sicherlich gut, er arbeitet bestimmt. So, wie du erzählt hast, ist er viel beschäftigt. Da kann es schonmal sein, dass man vergisst, sich zu melden, oder einfach keinen Kopf dafür hat, weil der Stress überhandnimmt. Nimm es ihm nicht übel und mach dir nicht so viele Gedanken.«
Ergeben ließ ich den Kopf nach vorne fallen und stimmte brummend zu. El hatte recht. Ich sollte es einfach morgen versuchen, bevor ich in den Verlag musste. Wenn er antworten würde, dann könnten wir noch den ganzen Weg bis zum Verlagsgebäude reden. Wie gesagt: wenn. Ich hoffte es einfach, denn bevor der ganze Stress weiterging wollte ich seine Stimme noch einmal hören. Immerhin war morgen der offizielle Veröffentlichungstermin.
Das bedeutete, dass ich den ganzen Tag beschäftigt sein würde. Ich öffnete mein Handy und betrachtete für eine ganze Weile den Chat mit Harry. Vier Tage…
Vier Tage, in denen ich mir in jeder freien Minute Gedanken und Sorgen machte. Es war nicht unwahrscheinlich, was El gesagt hatte. Dass Harrys Handy kaputt war oder er solchen Stress hatte, dass er nicht die Chance bekam, sich zu melden. Aber ihre aufmunternden Worte änderten auch nichts daran, dass mir das Ganze nicht wirklich geheuer war.
In meinem Kopf spannten sich die Was-Wäre-Wenn-Gedanken in Massen. Ich malte mir alle möglichen Szenarien aus und bereute es, nicht nach Nialls Nummer gefragt zu haben. Ob er etwas wusste? Musste er, schließlich wohnten er und Harry zusammen. Aber was, wenn Harry in Rom war und entführt worden war? Oder wenn er abgehauen war? Sich ein neues Leben aufbaute und mit einer wunderschönen Frau ganz viele kleine hübsche Kinder bekam?
Ich schüttelte den Kopf. So ein Schwachsinn, das konnte ich mir eigentlich gar nicht vorstellen, dass er sowas tun würde. Nein, wir hatten einander gestanden, dass wir uns liebten. Da haute man nicht von einem auf den anderen Tag ab.
~
Der nächste Tag war Stress pur. Mit einigen meiner Kollegen aus dem Verlag fuhr ich von Buchhandlung zu Buchhandlung, gab Signierstunden und machte allerlei Fotos für die Presse und mit einigen Leserinnen und Lesern.
In der Buchhandlung am Markt traf ich auf die Kellnerin aus dem Café, in dem ich mit Becky gesessen hatte. Sie strahlte mich freundlich an und schob mir ihr Exemplar über den Tisch zu, damit ich es signieren konnte. Normalerweise war ich kein großer Fan davon, mich über das Buch ausfragen zu lassen, doch heute unterhielt ich mich mit vielen Leuten und musste regelrecht aus dem Laden gezerrt werden, um nicht zu spät zum nächsten Termin zu kommen.
Die restlichen Tage der Woche sahen ähnlich aus. Morgen früh raus, durch London kurven, vielleicht mal schnell etwas essen, weiter in die nächste Buchhandlung und so weiter. Abends kam ich meistens mehr als geschafft nach Hause, wo El bereits mit dem Abendessen auf mich wartete. Ich war ihr sehr dankbar, dass sie gerade in dieser Woche das Kochen übernahm und sich um den Haushalt kümmerte.
Die ruhelosen Tage ließen mich die Sorgen über Harry weitestgehend in den Hintergrund drängen, sodass ich mich voll und ganz auf die Arbeit konzentrieren konnte, doch in den Nächten holte es mich ein. Jeden neuen Morgen war ich müder als am Vortag. Sobald ich meine Zimmertür hinter mir schloss, legte das Gedankenkarussell von vorne los und ließ mich kein Auge zumachen.
Jeder versuchte Anruf landete früher oder später auf der Mailbox. Irgendwann gab ich auf, hinterließ keine Nachrichten mehr und elektronischer Staub legte sich über Harry und meinen Chat. Je öfter ich es versuchte, desto mehr machte sich in mir das Gefühl breit, dass er mich vergessen hatte. Vielleicht war meine Theorie, dass er mit einer Frau durchgebrannt war, doch gar nicht so abwegig.
Am Freitag musste ich Eleanor sagen, dass ich nicht mit zum Kontrolltermin kommen konnte. Mr Colsen hatte mir am Abend zuvor eine Mail geschickt, dass noch wichtige Termine anstanden. Natürlich waren noch einige zu den bekannten hinzugekommen, die sich mit dem Termin im Krankenhaus überschnitten. Sie versicherte mir, dass das nicht so schlimm war, doch ich konnte in ihren Augen sehen, dass es sie traurig machte.
Als Versuch, es wieder gut zu machen, brachte ich ihr ihre Lieblingseissorte mit. »Er hat sich immer noch nicht gemeldet, oder?«, fragte sie, als wir abends auf dem Sofa saßen und besagtes Eis direkt aus der Packung löffelten.
Ich schüttelte betrübt den Kopf und tauchte meinen Löffel in das bereits gut angetaute Eis. »Was habe ich denn gemacht, dass er mich ignoriert?«, erwiderte ich niedergeschlagen und zog die Nase hoch. Stumme Tränen liefen mir über die Wangen.
Eleanor rückte ein Stück dichter an mich heran und nahm mich in den Arm, nachdem sie die Eispackung mit unseren Löffeln auf den Tisch gestellte. »Du hast gar nichts gemacht. Ich kann dir nicht sagen, was mit Harry ist, warum er sich nicht meldet. Aber du kannst immer mit mir reden, wenn etwas ist. Sag einfach Bescheid, dann bestellen wir Pizza und Eis und bauen eine Höhle aus Decken, die dann unser Nachtlager ist. So wie früher. Ich bin immer für dich da, Lou.«
»Danke«, sagte ich und vergrub mein Gesicht in ihrer Halsbeuge.
»Immer.« Nach einer Weile griff sie nach meiner Hand und legte sie auf ihren Bauch. »Ich habe einen Brief mitbekommen, in dem steht, ob es ein Mädchen oder ein Junge wird.«
Ich löste mich von ihr und sah sie an. »Du hast es dir nicht direkt sagen lassen?«
»Nein, ich dachte, es wäre schöner, wenn wir es zusammen erfahren. Und da du arbeiten musstest, habe ich nach einem Brief gefragt, in dem es steht.« Sie nickte auf einen Umschlag, der neben der Eispackung auf dem Tisch lag. Ich hatte ihn gar nicht bemerkt. »Willst du ihn öffnen?«, fragte sie mich und reichte mir ihn.
Beinahe ehrfürchtig nahm ich den Brief entgegen und riss die Kante auf. Ich holte den Zettel heraus und sah El an, bevor ich ihn auffaltete. Mit angehaltenem Atem starrten wir beide auf den Zettel, bevor wir uns schluchzend in die Arme fielen.
Ein Junge. Wir bekamen einen Sohn.
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