•40 || „Louis, du kleiner Schlawiner."•

Und Kapitel zwei für heute :)
Btw happy 40th chapter♡

Kapitel 40

„Louis, du kleiner Schlawiner.“

Harry und ich telefonierten noch eine ganze Weile. Bis ich im Bett lag und seinem ruhigen Atem lauschte, weil er irgendwann – wie in letzter Zeit so gut wie immer – mitten drin eingeschlafen war. Aber ich konnte es ihm nicht verübeln.

Lange lag ich noch wach unter der Decke und dachte über alles nach, was ich heute erfahren hatte. Es war viel, mein Kopf rauchte, sobald ich versuchte, das Ganze in Gedanken zu ordnen. Aber es gab eine Sache, die mir immer wieder durch den Kopf ging. Eine Frage:

Wie hatte Harry es geschafft, trotz dem, was er erlebt hat, so ein guter Mensch zu werden?

Wie war er nicht abgerutscht? Wie konnte er so fröhlich durch die Welt gehen? War er überhaupt so fröhlich? Oder war das nur eine Maske, um den Schmerz zu verstecken? Und wenn dem so war, versteckte er sich auch vor mir hinter seiner Maske? Wussten Niall und Liam davon? Sie waren immerhin seine besten Freunde und sie wohnten alle zusammen, da mussten die beiden doch davon wissen. Oder?

Gut, das war mehr als eine Frage. Seit ich jetzt die ganze Geschichte kannte, empfand ich große Bewunderung Harry gegenüber. Die Kraft, die er aufbringen musste, um weiterzumachen… Ich war stolz auf ihn. So unglaublich stolz, weil er so war, wie er war.

Nur eine Sache wollte sich mir nicht so ganz erschließen. Nun ja, Harry hatte ja gesagt, dass er für seinen Vater arbeitete, weil er das Geld brauchte. Aber würde er bei anderen Kunsthändlern nicht mindestens genauso viel verdienen? Vielleicht gab es welche, die ihn sogar besser bezahlen würden. Immerhin waren seine Werke wirklich atemberaubend. Bestimmt gab es Händler in Italien, das wäre doch viel einfacher.

Aber da war noch das Gefühl in mir, dass Harry mir etwas verschwieg, was seine Arbeit anging. Nur war das wirklich so? Log er mich an? Wirklich vorstellen, nach dem, was er zu mir gesagt hatte, konnte ich es mir nicht. Aber was, wenn es so war? Was, wenn er log? Worüber überhaupt? Ich hatte ihm gestanden, dass ich Gefühle für ihn hatte. War ihm das vielleicht nicht genug, um in dem Bereich ehrlich mit mir zu sein? Oder ging es vielleicht um etwas viel Größeres?

Was, wenn er seine Kunst nur als Vorwand benutzte und in Wahrheit etwas ganz anderes machte? Etwas Kriminelles? Nein, das konnte ich mir nicht vorstellen. Ich war einfach viel zu müde und Autor. Da spannte man sich gerne mal etwas zusammen, das völlig abwegig war.

Wahrscheinlich sollte ich es einfach auf sich beruhen lassen. Vielleicht bildete ich mir das ja auch nur ein? Wenn Harry wollte, dass ich es wusste, dann würde er es mir ja sagen. Und wenn er ein Geheimnis haben sollte, war das auch okay. Dann musste ich es nicht wissen. Und würde auch nicht nachfragen, schließlich wollte ich nicht der neugierige Freund sein, der immer alles von seinem Partner wissen musste. Das wäre mir auch zu aufdringlich.

Aber was, wenn…

Innerlich gab ich mir eine Ohrfeige. Gut, äußerlich auch, aber die innere tat deutlich mehr weh. Nein, Louis William Tomlinson. Du hörst jetzt auf, darüber nachzudenken. Geheimnisse sind okay. Du bist in dem Sinne immerhin auch nicht so ganz unschuldig, also halt den Rand.

Um mich abzulenken, machte ich mir mein aktuelles Hörbuch an, nachdem ich den Anruf mit Harry, der während meines Gedankenmassakers immer noch gelaufen war, beendet hatte, und vergrub mich in den Untiefen meiner Bettdecke. Bevor ich einschlief, schrieb ich Harry allerdings noch eine Nachricht, da ich wusste, dass er sein Handy bei Wanderungen so gut wie nie dabei hatte.

Me: Viel Spaß morgen im Wald! Pflück ein paar Blumen für mich :) Hab dich lieb. x Louis

~

»Nein, du Dummkopf, was machst du da eigentlich?«

»Lottie!«

»Sorry, Mom, aber wie zum Henker will Louis so die Matratze die Treppe hochbekommen? Das wird doch im Leben nichts!«

»Charlotte, du kleine Bazille, halt die Klappe, sonst kannst du eure dämliche Matratze gleich selber die Treppe hochschleppen!« Ich drehte dieses riesige Ding noch einmal, weil ich die ganze Zeit an den Unterseiten der Stufen über mir hängen blieb. Warum musste auch ausgerechnet ich eine verdammte Doppelbettmatratze dieses minimalistische Treppenhaus hochschleppen? Auch wenn ich es nicht gern zugab, ich war nun einmal nicht der Größte und John, Lotties Freund, würde das sicher besser hinbekommen, weil der die Matratze einfach besser umfassen könnte als ich.

»Und sei mal ein bisschen freundlicher zu mir! Ich habe gesagt, ich helfe euch dabei, „Umzugskartons“ hoch zu schleppen. Von Sofas und fucking Matratzen war nie die Rede, du hinterhältiger Wurm!«, fügte ich noch schnaufend hinzu und bugsierte das unhandliche Ding mit einem kleinen Kampfesschrei um die enge Biegung, um es die nächste – und zum Glück letzte – Treppe hoch zu wuchten. »Lass dir bloß was Gutes einfallen, womit du nach diesem Tag meinen kaputten Rücken wieder gut machst. Und ein Café-Gutschein reicht dieses Mal nicht, Charlotte!«

»Ich schau mal, was ich finde«, grummelte meine Schwester. Allerdings hörte ich sie nur gedämpft, da die Matratze beinahe den gesamten Platz des Treppenhauses einnahm. »Soll ich dir John hochschicken, damit er schiebt?«

»Da kommst du jetzt erst drauf? Nein, danke. Den Rest schaffe ich jetzt auch noch alleine«, rief ich zurück. »Sind ja nur noch ein paar Stufen.«

Heute Morgen war meine Laune definitiv besser gewesen. Bevor ich hier aufgekreuzt war, weil Mom Lottie gesagt hatte, dass ich ihr und John beim Schleppen helfen wollte. Was für eine aalglatte Lüge. Das war nur wieder einer ihrer Versuche, damit die Familie mal wieder ein wenig Zeit miteinander verbrachte. Beziehungsweise ich mit ihnen. Ansonsten wären die Kleinen nicht mitgekommen, immerhin konnten Doris und Ernest nicht wirklich helfen. Die beiden Quälgeister spielten im künftigen Wohnzimmer Duplo.

John und Lotties neue Wohnung lag etwa zwanzig Minuten Fußweg von meiner entfernt und ich war mir noch nicht so ganz schlüssig, ob ich das jetzt gut finden sollte oder nicht. Ich hoffte nur, dass meine Schwester, so sehr ich sie auch liebte, nicht auf die Idee kam, wöchentliche Spieleabende, die dann abwechselnd bei ihr und bei mir stattfanden, zu veranstalten. Das war ein Ding, das konnten wir machen, wenn wir über vierzig waren. Sich ab und an mal auf ein Bier zu treffen und dabei Spiele zu spielen, da hatte ich nichts gegen. Aber nicht regelmäßig.

Zwar verstanden Lottie und ich uns immer am Besten von uns Geschwistern, weil wir nun einmal die Ältesten Tomlinsons waren, aber das war dann doch zu viel des Guten.

Es dauerte noch eine gute Viertelstunde und eine widerwillige Annahme der Hilfe von John, bis die Matratze im Schlafzimmer gegen die Wand gelehnt dastand. Ich hatte nicht geglaubt, sie allein durch die Türen zu kriegen, nein.

Jetzt war ich frustriert und stand neben dem Sprinter auf dem Gehweg, in der Hand einen fast kalten Kaffee, den Dan mir eben einfach in die Hand gedrückt hatte. Entweder er brauchte freie Hände oder er hatte vergessen, dass ich keinen Kaffee mochte. Naja, jedenfalls beobachtete ich jetzt Daisy und Phoebe dabei, wie sie die kleineren Kisten im Akkordtempo nach oben schafften.

Die beiden hatten eine Wette abgeschlossen, während Dan und John das Lattenrost des Bettes hochgeschleppt hatten. Wer am meisten Kisten nach oben brachte, durfte einen Monat lang den Nachtisch der anderen essen. Sie hatten Mom sogar damit beauftragt, zu zählen, wer die meisten Kisten schleppte, damit keine von ihnen schummeln konnte. Aber so, wie ich Mom kannte, würde es am Ende ein knappes unentschieden werden, weil sie keine Lust darauf hatte, dass es Zuhause wieder Gemecker gab.

Es amüsierte mich, dass die größeren Zwillinge bei solchen Sachen doch noch so kindlich waren, obwohl sie sonst immer so taten, als wären sie schon, ich zitierte: »super-erwachsen, groß und unabhängig«. Da erfüllte es einen doch, wenn sie das für einen Moment vergaßen und ihre Kindheit auslebten.

Ich hatte früher eine ähnliche Einstellung gehabt, wollte früh alles selber machen und meinte mit zwölf, dass ich ja wohl schon reif genug wäre, Filme ab achtzehn zu gucken. Als ich das mit meinem damaligen besten Kumpel heimlich einmal gemacht hatte, schwor ich mir, nie wieder Filme über achtzehn zu gucken. Hatte ich seitdem auch nicht mehr. Gott, diese Bilder würde ich nie vergessen. Sobald ich nur daran dachte, stellten sich mir die Nackenhaare auf.

Es war eine Erfahrung gewesen, aber definitiv nichts, was ich gerne wiederholen würde.

»Ey, du wirst hier nicht fürs Rumstehen bezahlt, Louis«, meckerte Phoebe, die plötzlich mit in die Hüften gestemmten Händen in meinem Sichtfeld auftauchte.

Erschrocken zuckte ich zusammen und verschüttete fast Dans Kaffee. Wobei das dem auch keinen Abbruch getan hätte, so kalt wie der war. »Verdammt, Phoebs, warum musst du mich immer so erschrecken?«

»Du bist doch der, der hier durch die Gegend träumt«, feixte der zwölfjährige Frechdachs vor mir. Dann drehte sie sich um und nahm sich eine Kiste.

»Und außerdem werde ich hier nicht bezahlt, sondern schleppe für nichts die ganzen Sachen herum«, murrte ich und stellte den Kaffee in den Sprinter und nahm mir im Gegenzug eine Kiste, die für Daisy oder Phoebe zu schwer aussah.

Es dauerte bis in die frühen Abendstunden, bis auch wirklich alle Kisten, Kartons und sperrigen Gegenstände wie Lampen oder Tische oben in der Wohnung waren.

Geschafft ließ ich mich auf das in Folie eingepackte Sofa fallen, das noch mitten im Raum zwischen haufenweise Umzugskartons stand, und stöhnte auf, als ich den weichen Stoff unter meinen geschundenen Gliedern spürte.

»Lottie und Dan sind los und holen was beim Chinesen nebenan«, sagte Mom, während sie sich neben mir nieder ließ. Sie legte ihre Hand auf mein Knie und fuhr sanft über den Stoff meiner Jeans. »Wie geht es dir, Boo?«

Wahrscheinlich war es ihr Mutterinstinkt, der ihr sagte, dass in meinem Inneren etwas ganz gut im Argen war. Seufzend ließ ich mich zur Seite gegen ihre Schulter fallen und vergrub mein Gesicht an ihrer Halsbeuge. Nichts auf dieser Welt gab mir diese Art von Sicherheit, wie die Nähe meiner Mutter es tat.

»Es geht. Die Arbeit war jetzt in letzter Zeit recht fordernd, aber es ging«, antwortete ich und kuschelte mich enger an Moms Seite.

»Das ist gut.« Sie atmete einmal tief durch. »Irgendwas liegt dir doch auf dem Herzen.«

Verflucht, wieso konnten Mütter ihren Kindern gefühlt in die Seele sehen?

»Ist es wegen Eleanor und dem Kind? Du weißt, dass wir immer hinter dir stehen, wenn du Hilfe brauchst.«

Zögerlich schüttelte ich den Kopf, nicht dazu in der Lage, den Blick zu heben und ihr ins Gesicht zu sehen. »Nein, das ist es nicht«, murmelte ich.

Mom streichelte mir über den Rücken, den Nacken und ließ ihre Finger sacht durch die mittlerweile recht langen Haare an meinem Hinterkopf wandern. So langsam wurde es echt mal wieder Zeit, dass ich meinem Friseur einen Besuch abstattete.

»Du kannst mit mir darüber reden, hab keine Angst, du bist doch mein starker Junge.« Wenn sie weiter so redete, bekam ich noch das Heulen, bevor wir überhaupt darüber gesprochen hatten. »Geht es um diesen Freund, den du in Italien kennengelernt hast? Harry oder wie er heißt?«

Ich versteifte mich in ihrer Umarmung. Sie nickte. »Er ist dir wichtig geworden, oder?«

Ich nickte.

»Du magst ihn, richtig?«

Erneut nickte ich.

»Er ist mehr als nur ein Freund für dich«, schlussfolgerte sie und traf wie immer direkt ins Schwarze. »Das habe ich mir gedacht, Boo. Aber warum machst du dir solche Sorgen deswegen?«

Ich zuckte mit den Schultern. »I-ich weiß irgendwie nicht so recht, was ich fühlen soll. Also ja, ich mag Harry mehr als einen normalen Freund. Aber ich weiß nicht, ob ich ihn… du weißt schon, liebe.«

»Ach, mein Schatz.« Mom hauchte mir einen Kuss auf den Schopf.

»Wir haben letztens telefoniert und ich habe ihm gesagt, dass es mir ernst mit ihm ist. Und das ist es auch, aber ich habe irgendwie gar keine Ahnung, was ich jetzt machen soll. Oder was ich fühlen soll. Ich war doch noch nie so richtig verliebt, woher soll ich denn wissen, wie sich das anfühlt? Und ob sich das Verknallt sein bei Männern überhaupt genauso anfühlt«, sprudelte es aus mir heraus und ich spürte, wie meine Augen überliefen und Tränen über meine Wangen kullerten. »Das überfordert mich irgendwie.«

Mom lachte leise und drückte mich eng an sich. »Das glaube ich dir. Wie hast du dich denn gefühlt, während du in Italien warst? Bei ihm? Kannst du das beschreiben?«

»I-ich war überfordert. Ziemlich sogar, weil ich stehe ja eigentlich nicht auf… Männer. Aber anscheinend ja doch und das hat mich ganz schön durcheinander gebracht.«

»Bist du denn jetzt sicher, dass du auch auf Männer stehst?«

Ich nickte langsam. »Ja, ich denke schon. Ich mag Harry. Wenn wir zusammen waren, hatte ich immer so ein Kribbeln im Bauch. Als würden ganz viele Schmetterlinge darin ihr Unwesen treiben. Es… es hat sich so angefühlt, wie das Gefühl, das ich in meinen Büchern zu beschreiben versuche, weißt du?«

»Louis?«

»Hm?«

»Ich glaube, du hast dich in ihn verliebt. Wenn es sich wirklich so anfühlt, wie du sagst, dann kannst du dir ziemlich sicher sein«, stellte Mom fest. Sie küsste erneut mein Haar.

»U-und du bist nicht sauer? Nicht enttäuscht oder sowas?«, fragte ich ein wenig ängstlich. Gut, vielleicht nicht nur ein wenig. Eventuell hätte ich mir vor Angst sämtliche Fingernägel abknabbern können.

»Aber nein, warum sollte ich das sein?«, erwiderte sie. Ich konnte die gerunzelte Stirn beinahe hören. »Ganz im Gegenteil, Lou. Ich freue mich für dich, dass du endlich jemanden gefunden hast. Das mit Eleanor war ja nie wirklich mehr als Freundschaft. Aber jetzt hast du jemanden, mit dem du Schmetterlinge fühlst und das macht mich glücklich. Weil wenn es dir gut geht, dann geht es mir auch gut. Ich liebe dich, mein Schatz. Ob mit Freund oder Freundin, das ist mir ziemlich egal. Solange die Person dich glücklich macht und dich zum Lächeln bringt.«

Und schon wurden meine gerade wieder einigermaßen getrockneten Wangen wieder feucht. Schluchzend, ob nun vor Freude oder purer Erleichterung konnte ich nicht direkt sagen, lag ich in den Armen meiner Mutter und realisierte, dass ich mich verknallt hatte. Nein, ich hatte mich verliebt. Und zwar Hals über Kopf in diesen verflucht hübschen Lockenkopf. So richtig.

Die Tränen kullerten über meine Wangen und ich war so froh, in den schützenden Armen meiner Mom zu liegen. Ich war froh, dass sie mich nicht hasste, weil ich eben nicht der Norm entsprach. Wobei, wann bitte hatte ich das jemals getan? Vielleicht als ich Fußball gespielt hatte. Aber das war es dann auch wieder.

Wahrscheinlich war es mir unterbewusst schon länger klar gewesen, dass ich mich in Harry verliebt hatte. Eigentlich hatte ich es mir ja sogar schon einige Male eingestanden, aber so wirklich glauben konnte ich es erst jetzt. Obwohl es noch immer ein wenig surreal wirkte.

»Hast du es ihm schon gesagt?«, durchbrach Mom irgendwann wieder die Stille.

Ich schüttelte verneinend den Kopf. »Nein, also ich glaube nicht. Jedenfalls nicht so richtig«, murmelte ich und brachte ein wenig Abstand zwischen uns.

Sie schmunzelte mich an und gab mir einen aufmunternden Kuss auf die Stirn. »Dann sieh zu und hol dir deinen Mann. Ruf ihn an, ich denke, ihr beide habt ein wenig was zu bereden.«

Nickend schloss ich sie noch einmal richtig in den Arm. Dann stand ich auf und schnappte mein Handy von der Sitzfläche neben mir, bevor ich durch die Haustür verschwand. Dass Lottie und Dan mir dabei ausweichen mussten, war mir in dem Moment egal. Ich musste nach Hause. Jetzt.

Die zwanzig Minuten Fußweg zu meiner Wohnung wurden zu zehn Minuten laufen. Im angezogenen Tempo huschte ich zwischen den Menschen hindurch. Mir war klar, dass ich das Gespräch auch bei Lottie in der Wohnung hätte führen können, doch ich schätzte eine ungestörte Atmosphäre bei dieser Art von Telefonat. Und die hatte man mit sechs weiteren Geschwistern, die jederzeit wie aus dem Nichts auftauchen konnten, eher weniger.

Statt des Aufzugs nahm ich dieses Mal die Treppen. Das erste Mal seit gefühlten Jahren. Okay, ich wohnte noch nicht so lange hier, aber egal. Jeweils drei Stufen auf einmal nehmend, was mit Harrys Beinen sicherlich deutlich einfacherer gewesen wäre – man, warum war ich eigentlich so mickrig geraten? -, hastete ich die Treppen hinauf.

Es dauerte eine Weile, bis ich meine Wohnungstür aufgeschlossen bekam. Fuck, ich war mir meiner Sache endlich sicher. Bewusst sicher. Ich liebte Harry. Und ja, ich kannte ihn erst seit knapp sechs Wochen. Und ja, davon hatten wir uns nur vier gesehen. Und verflucht ja, ich war gerade mehr oder weniger frisch getrennt. Aber fuck, das mit Harry, das fühlte sich so verdammt richtig an. Es war echt.

Meine Schuhe fanden schnell ihren Weg von meinen Füßen auf den Boden und ich glaubte, ich hatte noch nie so schnell eine Handynummer gewählt. Nicht einmal die von meinem liebsten Pizzaboten.

Es tutete. Und tutete, während ich meine Sweatshirt-Jacke in die Ecke schmiss und mir in der Küche einen nervenberuhigenden Tee kredenzte.

Nach einer gefühlten Ewigkeit nahm er ab. »Hey, Sonnenschein«, begrüßte mich Harrys wunderbar weiche Stimme, die meinen Herzschlag beruhigte und gleichzeitig eigentlich durch die Decke gehen wollen ließ. »Hast du ein Glück, dass ich gerade eine Pause mache. Also, was verschafft mir die Ehre?«

»Harry«, keuchte ich noch immer atemlos in den Hörer.

Ein leises Lachen drang an mein Ohr. »Jetzt sag nicht, du rufst mich an, während du dir bei dem Gedanken an mich einen runterholst. Louis, du kleiner Schlawiner.«

»Sei doch still, du… du wunderschöner, großer, starker… Idiot«, pfefferte ich zurück. Tja, eigentlich wollte ich mir was besseres einfallen lassen, aber in manchen Momenten setzte mein Hirn einfach aus.

»Ich nehme das jetzt mal als Kompliment«, schmunzelte mein Lockenkopf. »Warum rufst du an? Wir sind doch eh in anderthalb Stunden verabredet zum Telefonieren.«

»Ich… ich muss dir was sagen, Harry. Das kann nicht warten.«

»Oh, da bin ich jetzt aber gespannt.« Er machte ein entsetztes Geräusch. »Sag nicht, du hast einen Vertrag als Erotikmodel unterschrieben. Louis, Louis, Louis.«

Das war ja wohl nicht sein Ernst. »Willst du mich eigentlich völlig verarschen? Nein, verdammt! Ich liebe dich, du liebenswürdiger Trottel!«

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