•39 || „In dieser blöden kurzen Hose und diesem blöden Shirt."•
Heyho,
Zwischen dem Klausurenstress schaffe ich dann doch mal, zwei weitere Kapitel hochzuladen. Eigentlich wollte ich 2x die Woche hochladen, aber das schaffe ich zeitlich einfach nicht. Deshalb immer zwei auf einmal. Viel Spaß jnd lasst gerne Rückmeldung da♡
Bis dann,
Lea
Kapitel 39
„In dieser blöden kurzen Hose und diesem blöden Shirt.“
Graue Wolken hingen am Himmel, als ich aus dem Café trat und nach Hause ging. Dass sich die Wolkendecke zugezogen hatte, während ich mit Becky gesprochen hatte, hatte ich gar nicht bemerkt.
Es war bereits recht dunkel und die Luft war gut abgekühlt, weshalb ich ganz froh war, meine Jacke mitgenommen zu haben. Ich zog sie mir über, bevor ich mich auf in Richtung nach Hause machte. Um diese Uhrzeit mit der U-Bahn zu fahren, traute mich nicht.
Nicht, dass ich ein Schisser war, aber abends trieben sich dort wirklich fiese Gestalten rum und seit ich das eine Mal eine wirklich üble Begegnung gemacht hatte, als ich, wie jetzt, von einem Café nach Hause gefahren war, vermied ich es und lief lieber, auch wenn das mindestens doppelt so lange dauerte. Das war mir in dem Fall egal.
Da aber auch die Straßen Londons nicht zu unterschwätzen waren, gerade wenn man allein unterwegs war wie ich, zog ich mir die Kapuze über den Kopf und wählte Harrys Nummer. Hoffentlich war er noch wach. Als ich meine Schritte noch ein wenig beschleunigte, da die Ecke, an der ich gerade vorbeilief, nur so vor Dealern und Abhängigen wimmelte, ertönte an meinem Ohr mehrmals hintereinander das Freizeichen.
Es dauerte eine ganze Weile, bis es knackte und Harry abnahm. »Louis?«, murmelte er mit verschlafener Stimme und es raschelte, als er sich bewegte. Scheinbar lag er schon im Bett. »Ist alles okay?«
»Jein, mehr oder weniger. Bin gerade noch unterwegs und es ist ein wenig gruselig, wenn es dunkel ist«, sagte ich leise und sah mich unauffällig um. Aus dem Augenwinkel sah ich einen Mann, der eine gläserne Flasche in der einen Hand hielt und mit der anderen ein Taschenmesser durch die Luft wirbelte, der Blick verschleiert und grau vom Alkohol. Schnell wandte ich meinen Blick wieder ab und legte noch einen Zahn zu.
»Was machst du so spät denn noch draußen?«, fragte Harry, jetzt bereits etwas wacher.
»Ich war noch arbeiten und es ist sicherer, zu laufen als so spät noch mit der Bahn zu fahren. Ähm, und sorry, dass ich dich geweckt habe, das wollte ich nicht.«
»Ist schon gut, ich war eh wach und wollte mir etwas zu essen machen.« Harrys Bett knarzte, als er sich bewegte und aufstand. »Wie war dein Tag, Sonnenschein?«
Ich bog um eine Ecke und wich einer torkelnden Person aus. »Außer, dass ich mir gerade wünschte, den längeren Weg genommen zu haben, ganz gut. Anstrengend, aber ich bin fast fertig damit, die letzten Kapitel zu überarbeiten. Es fehlen nur noch die letzten achtundzwanzig Seiten, dann bin ich durch und die ersten Probeexemplare können gedruckt werden«, berichtete ich leise in einem möglichst lockeren Ton.
»Das freut mich für dich«, sagte Harry lächelnd. »Moment, ich stelle dich kurz auf Lautsprecher, damit ich die Hände frei habe. Einhändig Müsli machen, ist gar nicht so einfach.«
Das entlockte mir ein kleines Kichern. Irgendwie war es schön, dass es etwas gab, das ich konnte, Harry aber nicht. Denn Harry war irgendwie die Art von Person, die gefühlt alles Mögliche konnte. Aber nicht einhändig Müsli machen. »Okay, kein Problem.«
»Sag mal, Louis?«
»Hm?«
»Bekomme ich eigentlich eine signierte Erstausgabe?«
Sofort legte sich ein Schmunzeln auf meine Lippen. »Wenn es Euer königlichen Hoheit danach verlangt, lässt sich das sicher einrichten.«
»Die königliche Hoheit würde dies vorzüglich finden und sehr erfreuen«, lachte Harry.
Der Klang seines Lachens war so schön und löste in mir beinahe poetische Sturzfälle aus.
»Ich schaue, was ich machen kann. Meistens bekomme ich selbst nur eine Ausgabe, aber ich versuche, dieses Mal eine zweite zu bekommen. Und die bekommst dann du«, sagte ich und blieb stehen, da die Ampel von mir gerade auf Rot geschaltet hatte. Einen Moment war es still, bis die wartenden Autos losfuhren.
»Und wie läuft es bei dir? Kommst du gut voran?«, fragte ich und legte meinen Arm um meine Laptoptasche, als sich ein Mann neben mich stellte. Sicher war sicher.
Harry seufzte. »Nicht gut?«, schlussfolgerte ich.
»Es geht«, sagte er gedehnt. »Es könnte schlimmer sein, immerhin finde ich jetzt Zeit zum Schlafen, aber es ist trotzdem ein strammer Zeitplan. Morgen, oder besser gesagt morgen früh, muss ich wieder nach Rom, um eine kleine Bestellung wegzubringen und neue Materialien zu holen. Mir gehen hier langsam die Farben aus.«
»Aber du kommst dazu, dir auch mal ein wenig Zeit für dich zu nehmen, oder?«, fragte ich ein wenig besorgt.
»Ja, Niall und ich gehen morgen wandern. Auch, wenn das meinem Vater nicht gefallen wird, dass ich mir einen Tag frei nehme, weil ich dann in Verzug kommen könnte, aber was er nicht weiß, macht ihn nicht heiß, solange keiner es ihm steckt und ich lege dann einfach eine Nachtschicht ein«, sagte er und ich konnte förmlich sehen, wie er mit den Schultern zuckte.
»Dein Vater soll da mal ganz fein ruhig bleiben. Immerhin kann der froh sein, dass du überhaupt für ihn arbeitest«, knurrte ich. Beinahe hätte ich noch etwas anderes gesagt, aber ich konnte es mir gerade noch verkneifen. Wer weiß, wie Harry darauf reagiert hätte.
Die Ampel sprang auf Grün und ich machte, dass ich von dem gruseligen Typen neben mir wegkam. Schnellen Schrittes überquerte ich die Straße und kam meiner Wohnung immer näher. Noch drei Blocks und um eine Ecke, dann war ich da.
»Louis, ich habe keine andere Wahl, als für ihn zu arbeiten. Er bezahlt die Krankenhauskosten für Mom nicht, also muss ich das machen. Und er bezahlt mich recht gut«, schoss Harry scharf zurück.
»Entschuldige«, ruderte ich zurück. »Ich wollte dir nicht zu nahe treten, das war nicht fair. Tut mir leid.«
Wieso hatte ich das Gefühl, dass Harry mir etwas verschwieg, wenn es um die Arbeit mit seinem Vater ging?
Ein Seufzen drang durch den Hörer an mein Ohr. »Ich… sorry, ich hätte dich nicht so anfahren sollen. Ich bin nur ein wenig, naja, empfindlich, wenn es um meinen Vater geht.«
Das konnte ich mir vorstellen. Wenn ich solche Dinge erlebt hätte… Ich könnte nicht mit ihm zusammenarbeiten. Nicht einmal, wenn er mich zwang.
»Ich weiß, das war blöd von mir. Weißt du, ich kenne ihn ja nicht mal, aber das, was er gemacht hat und wofür er verantwortlich ist, das macht mich so wütend.«
»Frag mich mal. Ich würde ihm am liebsten den Kopf von den Schultern reißen«, knurrte der Lockenkopf.
»Das kann ich sehr gut verstehen.« Kurz herrschte Stille, dann sprach ich es einfach aus. Mittlerweile stand ich vor meiner Wohnungstür und suchte den richtigen Schlüssel an meinem Schlüsselbund. »Hör zu, ich habe heute mit Becky gesprochen.«
»Becky?«, kam es fragend zurück.
»Rebecca, deine Tante, die ganz zufällig als Empfangsdame und Sekretärin bei dem Verlag arbeitet, bei dem ich unter Vertrag stehe. Und die meinen Chef davon überzeugt hat, mich in dieses hübsche kleine Dorf mitten in der italienischen Pampa zu schicken«, klärte ich ihn auf.
Ich hörte, wie er zischend die Luft anhielt. »Sie hat mir gebeichtet, dass sie dich auf mich angesetzt hat.«
»Ich wollte das am Anfang gar nicht!«, versuchte Harry sich sofort zu rechtfertigen. »Sie hat mich gebeten, ein Auge auf dich zu haben, weil du gerade eine schwere Zeit durchgemacht hast und so. A-aber ich hatte nie böse Absichten, okay? Denk bitte nicht, dass alles nur gespielt war. Ich finde dich wirklich cool und toll und wunderschön und interessant. Ich mag dich wirklich gern, Louis. Bitte, das musst du mir glauben!«
Gott, ich wollte weinen.
»Ach, Harry, das weiß ich doch. Ich nehme dir das nicht übel. Becky durfte sich zwar ein bisschen was anhören, aber ich bin ihr ehrlich gesagt dankbar, dass sie das so eingefädelt hat. Ich meine, stell dir mal vor, ich wäre in irgendeiner stinkigen Wohnung mitten in, was weiß ich, New York oder so gelandet, weil der Verlag da ein Appartement für Angestellte hat. Dann hätten wir uns gar nicht getroffen.«
Erleichtert atmete Harry durch, was mich zum Schmunzeln brachte. Ich hing meine Jacke an den Haken an der Wand, nachdem ich in die Wohnung getreten war, und legte meine Schlüssel auf die Ablage. Meine Schuhe fanden schnell ihren Weg auf die Matte. Danach ging ich ins Bad und wusch mir die Hände.
»Aber wo ich eigentlich drauf hinaus wollte«, griff ich das Wort wieder auf. »Sie hat mir auch von damals erzählt. Also die Sache mit… Gemma und eurem Vater und so.«
Stille. Dann: »Du hast sie ausgefragt?« Seine Stimme war leise, schockiert.
»Nein, nein ich habe sie nicht ausgefragt. Wie kommst du darauf? Wir haben uns unterhalten, in dem Café, in dem ich noch gewesen war, um zu arbeiten. Wir haben darüber gesprochen, dass du immer so viel Stress mit den Bestellungen hast und dann sind wir vom einen zum anderen gekommen. Sie hat erzählt, wie sie Anne kennengelernt hat und ein bisschen was von früher. U-und dann kamen wir auf Gemma und sie hat mir erzählt, was passiert ist. Fuck, Harry, es tut mir so leid. Das alles, niemand verdient sowas.« Verzweifelt schlang ich meinen freien Arm um meinen Bauch, nachdem ich mich auf das Sofa fallen ließ.
»Sie hat dir das alles einfach so erzählt?«, hauchte Harry fassungslos und es hörte sich so an, als würde er sich auf die Eckbank in der Küche fallen lassen, so wie es knarzte.
»Ich habe ihr gesagt, dass du mir von Gemma erzählt hast und dann hat sie angefangen…« Zitternd atmete ich ein. Jetzt im Nachhinein, nachdem der Schock über das Gehörte nachgelassen hatte, wollte ich einfach nur weinen, weil das alles so schrecklich war und ich es eigentlich gar nicht glauben konnte, schon gar nicht wollte.
»Fuck.« Das Schluchzen, das an mein Ohr drang, zerriss mir das Herz.
»Harry, es tut mir alles so leid«, weinte ich, konnte die Tränen nicht zurückhalten. Ich wollte für Harry stark sein, aber ich konnte es gerade nicht. »Hätte ich gewusst…«
»Du hättest nichts tun können, Louis. Gar nichts.«
»Ich weiß, aber… Ich wäre gerade gerne bei dir.«
Er sagte nichts. Alles, was ich hören konnte, war sein hektischer Atem und das Schluchzen, das hin und wieder mein Herz zum Ziehen brachte. »Bitte verlass mich jetzt nicht.« Die Worte kamen leise, fast hätte ich sie nicht gehört. Fast.
»Harry, ich würde dich niemals verlassen. Jemanden zu verlassen, weil er echt viel Scheiß durchmachen musste, wäre abartig. Und das ändert doch nichts daran, wie ich dich sehe. Du bist immer noch der Harry, den ich kennengelernt habe, niemand anderes. Und ich bin froh, dich kennengelernt zu haben. Weil du mir gezeigt hast, dass man, auch wenn es einem echt mies geht, lächeln kann. Du bist so ein starker Mensch, ich bin unheimlich stolz auf dich, dass du dich nicht vergessen hast«, sagte ich leise durch die Tränen hindurch. »Ich…«
Sollte ich es sagen? War ich bereit dazu? »Ich habe mich in dich verliebt. Weil du du bist. Und das ist gut so. Damit meine ich nicht, dass das, was dir passiert ist, gut ist. Das ist es keinesfalls, aber ich habe mich in den verliebt, der du bist. Ohne Wenn und Aber. Es ist mir ernst mit dir, Harry. Ich möchte mit dir zusammen sein und an deiner Seite stehen.«
»Oh, Louis«, sagte Harry zittrig, aber lächelnd. »Ich habe mich auch in dich verliebt. Ziemlich sehr sogar. Du hast ja keine Ahnung, wieviel es mir bedeutet, dass du das Gleiche fühlst, wie ich. Und mich nimmst, wie ich bin. Ich… Ich hatte anfangs echt Angst. Du bist da angekommen, auf den Dorfplatz, in dieser blöden kurzen Hose und diesem blöden Shirt mit diesen blöden, wuscheligen Haaren und deinen blöden, wunderschönen Augen, und hast mich verzaubert. Und dann hatte ich Angst. Weil Rebecca gesagt hat, dass du gerade eine Trennung hinter dir hast und einen Freund bräuchtest. Aber in diesem Moment war mir nun mal klar, dass ich für dich nie nur „ein Freund“ sein könnte. Und was war, wenn du nicht mehr wolltest?«
»Ich hatte auch Angst. Vor diesem „mehr“. Aber jetzt bin ich froh, mich überwunden zu haben«, antwortete ich mit warmem Herzen. Harrys Worte waren wunderschön gewesen und ließen mich in einer Sache sehr sicher sein: Er war meine Person.
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