•37 || „Kunterbunt mit Strichmännchen und Blumen."•

Hey :)
Hier gibts dann auch mal wieder ein neues Kapitel, wurde auch mal Zeit. Ich bin einfach nicht dazu gekommen, hochzuladen, weshalb es heute einfach mal zwei gibt. Ich hoffe, dass ich es in der nächsten Zeit schaffe, wieder einmal die Woche hochzuladen, aber ich kann nichts versprechen.
Vielen Dank an alle, die noch dabei sind. Ich verspreche euch, so langsam kommt das Ganze ins Rollen ;)
Bis gleich zum zweiten Kapitel! Lasst gerne Rückmeldung da, ich würde mich unglaublich freuen!
Lea

Kapitel 37

„Kunterbunt mit Strichmännchen und Blumen.“

Nach der kurzen Mittagspause verbrachten Mrs Manor, Phil und ich gestern noch einige weitere Stunden damit, das Manuskript durchzugehen und zu verbessern. Letztendlich waren wir alle beinahe eingeschlafen, weshalb wir beschlossen hatten, nach Hause zu gehen.

Der Großteil des Buches war bearbeitet und ein letztes Mal Korrektur gelesen, allerdings fehlten die letzten Kapitel. Und die musste ich heute beenden, damit die Testdrucke stattfinden konnten.

Ausgelaugt hing ich mehr über meinem Laptop als was ich saß und gähnte vor mich hin. Ich war extra früh aufgestanden, aber selbst die vielen Tees brachten nichts, dass ich wacher wurde. Am liebsten würde ich mich einfach wieder ins Bett legen und weiterschlafen, aber das konnte ich mir nicht leisten.

Damit ich nicht einmal die Möglichkeit dazu hatte, einfach ins Bett zu fallen, war ich in ein kleines Café einige Blocks weiter gegangen. Die Kellnerin brachte mir gerade meinen siebten schwarzen Tee und sah mich mitleidig an. »Kann ich Ihnen etwas Süßes anbieten? Einen Muffin oder ein Stück Kuchen?«, fragte sie freundlich und stellte die Tasse neben mir auf den Tisch.

Ich nahm meine Brille ab und rieb mir einmal durch die müden Augen, ehe ich zu ihr aufsah. »Ein Stück Kuchen wäre wunderbar«, sagte ich dankend und reichte ihr meine leere Tasse, damit sie nicht extra um den Tisch herumlaufen musste. »Ich bezahle nachher alles zusammen, wenn es geht.«

Lächelnd winkte sie ab und nahm die Tasse entgegen. »Der Kuchen geht aufs Haus.«

»Danke, das ist wirklich nett.«

Sie wandte sich ab und wischte noch einige Tische ab, auf denen Krümel lagen. Nachdem ich mich einmal ausgiebig streckte, um die Müdigkeit wenigstens ein wenig loszuwerden, setzte ich mir wieder die Brille auf die Nase und machte mich an die Arbeit.

Der Kuchen schmeckte wunderbar und brachte meine Hirnzellen dazu, sich wieder besser zu konzentrieren. Snacks während der Arbeit waren bei mir eigentlich eine Voraussetzung, um produktiv arbeiten zu können, doch heute hatte ich keine dabei. Dass es in einem Café meistens auch Kuchen gab, da hatte ich gar nicht dran gedacht. Umso glücklicher war ich darüber, als mir die Kellnerin den Teller mit dem Stück Erdbeerkuchen brachte.

Ich bedankte mich bei ihr und nahm gleich die erste Gabel. Jedoch kam ich nicht darum umher, an Harry denken zu müssen. Wie er mir bei unserem ersten Treffen den Erdbeerkuchen ausgegeben hatte. Nialls Kuchen war zwar deutlich besser, da die Erdbeeren aus seinem eigenen Garten stammten und nicht aus dem Supermarkt oder so, aber ich verzog trotzdem die Lippen zu einem genüsslichen Grinsen, als mir das Baiser auf der Zunge zerging.

»Darf ich fragen, worum es in Ihrem Buch gehen wird, Mr Tomlinson?« Ich schrak auf, als ich die Stimme der Kellnerin dicht neben meinem Ohr hörte. Verpufft war die Wolke aus Genuss, stattdessen verschluckte ich mich beinahe an dem Stück Kuchen.

»Verflucht, haben Sie mich erschrocken«, keuchte ich und legte eine Hand auf die Stelle über meinem Herzen.

Entschuldigend legte sie ihre Hand auf meine Schulter. »Sorry, das wollte ich nicht. Ich war lediglich neugierig auf Ihr neues Werk. Die Community munkelt schon, worum es wohl gehen wird.«

Langsam hob ich die Hand und klappte meinen Laptop zu. Viel gesehen haben konnte sie eh nicht, da der Bildschirmschoner aktiviert gewesen war, aber ich wollte ja nichts riskieren. Wenn etwas geleakt werden würde, käme mir gänzlich ungelegen. Ich drehte mich zu ihr um und sah ihr in die vor Aufregung und Neugierde funkelnden Augen.

»Katie«, sagte ich nach einem unauffälligen Blick auf ihr Namensschild.

»Mr Tomlinson.« Sie klimperte mit ihren zurecht gemachten Wimpern.

»Wenn noch nicht veröffentlicht wurde, worum es gehen wird, dann hat das doch sicher einen Grund, richtig?« Ich hob eine Augenbraue, während Katie mit dem Geschirrtuch in ihren Händen spielte. Scheinbar war es ihr nun unangenehm, geluschert zu haben. »Deshalb würde ich Sie bitten, auf die Veröffentlichung zu warten, wie alle anderen auch.»

Sie schob die Unterlippe vor und setzte ihren besten Hundewelpen-Blick auf. »Ein kleiner Hinweis, bitte, bitte, bitte. Ich erzähle es auch niemandem, versprochen.«

Seufzend gab ich nach. »Es spielt in Italien.« Mehr sagte ich nicht, sondern drehte mich um und nahm mein Handy in die Hand.

Katie hinter mir kicherte aufgeregt. »Dankeschön«, grinste sie und huschte dann zurück hinter den Tresen. Erstaunlich, dass sie sich mit so wenig Information doch zufrieden gab. Frühere Fans meiner Bücher hatten mich teilweise gar nicht losgelassen, solange ich keine näheren Informationen herausgab. Das hatte so einige Male schon zu fieseren Aufeinandertreffen geführt.

Bei dem Gedanken an das eine Mädchen, das so besessen von mir war, dass sie sich vor einen Bus stürzen wollte, weil ich ihr nicht erzählt hatte, worum es in meinem nächsten Buch gehen sollte, bekam ich eine ungute Gänsehaut. Passanten hatten glücklicherweise bereits den Krankenwagen gerufen, als ich sie von der Straße zog, um sie vor solchen Dummheiten zu bewahren.

Deshalb war ich umso froher darüber, dass Katie scheinbar nicht von der Partie war, sondern freundlich bleib und nicht lebensmüde wurde.

Ein Blick auf mein Handy verriet mir, dass Becky bald auftauchen müsste. Ich hatte sie angerufen, als ich mich hier ins Café gesetzt hatte, und sie gefragt, ob wir unser Treffen nicht schon auf heute verschieben wollten. Die letzten Seiten konnte ich auch morgen noch bearbeiten.

Es war halb sieben und vom Verlag hierher brauchte man etwa fünf Minuten zu Fuß, sechs, wenn die Ampel rot war. Also musste es nicht mehr lange dauern. Meinen Laptop verstaute ich in meiner Tasche. Den brauchte ich heute nicht mehr und ich war dankbar, dass ich nicht mehr auf den Bildschirm starren musste. Nicht, dass ich meine Arbeit nicht mochte. Aber wie gesagt, das Schreiben an sich machte eben mehr Spaß als das viele Bearbeiten im Nachhinein, damit alles perfekt wurde.

Das kleine Glöckchen, das klingelte, wenn die Tür geöffnet wurde, und Kunden ankündigte, riss mich aus den Gedanken. Ich hob meinen Blick und erstarrte. Das war… das… nein, ich musste mich vergucken…

Mit offenem Mund und geweiteten Lidern starrte ich den Mann an, der reingekommen war. Das konnte unmöglich sein…

Ich konnte sein Gesicht nicht erkennen, aber für einen Moment glaubte ich, dass die braunen Locken und die große, schlanke Statur mich an Harry erinnerten. Aufregung kochte in meinem Magen auf. Ungläubig war ich im Begriff, aufzustehen. Doch als der Mann sich umdrehte, versiegte die kleine Flamme in mir.

Er lächelte mich mit freundlichen, braunen Augen an und nickte mir zu, als er an mir vorbei weiter ins Café ging, um bei Katie seinen Wunsch zu äußern.

Nicht Harry. Es wäre auch zu schön gewesen.

Ein wenig enttäuscht nahm ich einen Schluck von meinem Tee und aß das letzte Stück Kuchen, das noch immer auf dem kleinen Teller mit dem Blütenmuster lag, das mich sehr an das Geschirr meiner Großmutter erinnerte.

Vermisste ich Harry schon so sehr, dass mich meine Sinne trogen?

Bis auf die Locken und die hochgewachsene Gestalt hatte dieser Mann nichts mit Harry gemein. Seine Haut sah nicht ansatzweise so weich aus, wie Harrys. Die Augen braun statt waldgrün, die Lippen schmaler, die Zähne nicht ansatzweise so weiß und keine Grübchen. Und wenn ich ihn genauer betrachtete, waren seine Haare kürzer und weit weniger gut gepflegt als Harrys. Ganz zu schweigen von seinem Kleidungsstil. Während er legere Kleidung trug, die aussah, als wäre sie schon etwas älter, würde Harry sicher nicht so in einem Café aufkreuzen.

Harry würde ganz bestimmt eine seiner weiten, beigen Stoffhosen tragen, dazu ein weißes Hemd, nur zur Hälfte zugeknöpft, sodass man seine Schlüsselbeine und die darunter in die unheimlich weiche Haut tätowierten Schwalben sah, vielleicht sogar einen kleinen Teil des Schmetterlings auf seinem Bauch. Seine Kette würde im Licht der untergehenden Sonne, das durch die hohen Fenster in den Raum schien, funkeln. Und seine Augen würden sich in meine bohren.

Grün träfe auf Blau und würde es nie mehr loslassen.

Eine Hand, die vor meinem Gesicht herumwedelte, ließ mich wieder zurück auf den Boden der Tatsachen kommen. Das war nicht Harry. Und vor mir stand Becky, die mich grinsend anschaute. »Na, wo warst du denn mit deinen Gedanken?«

Ich blinzelte einige Male und räusperte mich dann. »Äh, nirgendswo. Setz dich doch«, sagte ich auf den Stuhl mir gegenüber deutend.

Dankend ließ sie sich auf das Sitzpolster fallen und hängte ihre Handtasche mit ihrer Jacke auf den dritten freien Stuhl. Die Sonnenstrahlen, die sich an den schwarzen Pailletten, die in Streifen über die Arme und an den Schultern von Beckys Jacke angenäht waren, reflektierten, warfen helle Muster an die Decke.

»Du siehst ganz schön müde aus«, stellte Becky fest und lehnte sich in ihrem Stuhl zurück.

Ich zuckte die Schultern und fuhr mir einmal durch die Haare. Einige Strähnen fielen mir immer wieder ins Gesicht. Mein letzter Besuch beim Friseur war schon viel zu lange her. »Ich habe bis eben noch am Manuskript gearbeitet, aber zum Glück bin ich bald fertig mit dem Überarbeiten. Dann kann ich endlich wieder beruhigt schlafen.«

»Darf ich Ihnen etwas bringen?«, unterbrach uns Katie, die mit einem kleinen Block und einem Kugelschreiber bei uns am Tisch stand und auf unsere Bestellung wartete.

»Einen doppelten Espresso und einen Blaubeer-Muffin bitte«, gab Becky auf.

»Und für Sie einen Tee, Mr Tomlinson?«

Nickend bestätigte ich ihre Annahme und bedankte mich, bevor Katie wieder verschwand.

»Also«, begann Becky. »Hast du schon mit Harry gesprochen?«

Ich seufzte und leerte meine Tasse. »Nein, habe ich noch nicht.«

»Warum nicht?«

»Er hat im Moment ziemlichen Stress mit der Arbeit. Es kommt eine Bestellung nach der anderen rein, sodass er kaum hinterher kommt. Jedes  Mal, wenn wir telefonieren, schläft er nach ein paar Minuten ein, weil das einer der wenigen Momente ist, in denen er sich eine Pause gönnt.« Ich rieb mir durchs Gesicht. »Ist sein Vater wirklich so fordernd?«

Ich war mir dem nicht sicher. Auf der einen Seite glaubte ich Harry natürlich. Immerhin vertraute ich ihm, dass er mich nicht anlog und er wirklich so viel zutun hatte und etwas von seinem Dad zu hören bekam, sobald er in Verzug kam. Das war bei mir ja schließlich nichts anderes. Nur, dass Mr Colsen nicht mein Vater war. Aber mein Vorgesetzter, der Ergebnisse sehen wollte. Und genauso war es bei Harry und seinem Vater.

Oder?

Denn auf der anderen Seite konnte ich mir das nicht so ganz Vorstellen. Zwar erzählte Harry immer wieder, wie eng sein Zeitplan war und dass seine Kunst beliebt und die Bestellungen daher groß waren. Aber war das wirklich so? Dass er rund um die Uhr arbeitete? Oder war das lediglich ein Vorwand, um möglichst wenig mit mir reden zu müssen? Mochte und vermisste Harry mich vielleicht doch nicht so sehr, wie er sagte? Was war, wenn er das Interesse an mir verloren hatte, weil er gemerkt hatte, was für ein langweiliger Kerl ich doch war? Was war, wenn Harry genauso war, wie Eleanor? Wenn er jemand anderen hatte? Was war, wenn…

»Ja, Desmond verlangt viel von seinem Sohn«, unterbrach Becky den Strudel aus was-wäre-wenn's, der in meinem Kopf für ein riesiges Durcheinander aus Gedanken und Ängsten sorgte. »Er war früher schon so. Also Desmond. Als wir Kinder waren, hatte er bereits hohe Ansprüche, die unsere Eltern versuchten, alle zu berücksichtigen. Er hat sich immer in den Vordergrund gerückt, weil er eine sehr präsente Persönlichkeit ist. Deshalb bin ich auch mit achtzehn ausgezogen.«

»Oh, das wusste ich gar nicht.«

»Des ist ein Arsch«, seufzte sie und bedankte sich bei Katie, die gerade unsere Bestellung brachte.

»Das hat Harry auch immer wieder erwähnt«, stimmte ich ihr zu und rührte ein halbes Päckchen Zucker in meinen Tee, damit der nicht mehr ganz so stark war.

»Ich frage mich immer wieder, wie Anne sich in ihn verlieben und zwei Kinder mit ihm zeugen konnte. Anne und ich waren gute Freundinnen, als ich ausgezogen bin. Wir haben in einer WG gewohnt, weißt du? Damals waren wir noch jung und probierfreudig.« Sie schmunzelte, während ich betete, dass sie jetzt nichts von ihren verflossenen Liebschaften erzählte. Darauf konnte ich gut und gerne verzichten. »Wir haben nie gestritten, wenn es um Jungs ging, aber als sie mit meinem Bruder ins Bett gegangen ist, haben wir uns richtig gezofft. Und ich habe ihr erst verziehen, als beide mir versichert haben, dass sie einander lieben. Knapp ein Jahr später kam Gemma auf die Welt.«

»Harrys große Schwester«, sagte ich und Becky nickte.

»Gemma war so ein liebes und herzensgutes Mädchen. Während Annes Schwangerschaft mit Harry hat sie geholfen, sein Zimmer herzurichten und hat ganz alleine seine Zimmerwand bemalt. Kunterbunt mit Strichmännchen und Blumen. Es war wirklich hübsch.« Sie nippte an ihrem Espresso. »Desmond fand das nicht gut. Blumen und so viel bunte Farbe hatten seiner Ansicht nach nichts in dem Zimmer seines Sohnes zu suchen, weshalb er es eiskalt übermalte, als Anne mit Gemma beim Schwimmunterricht war.«

»Weil er der Meinung war, das würde seinen Sohn schwul machen?«, kombinierte ich.

»Genau deswegen. Er hasst alles und jeden, der nicht hetero ist und von seinen Normen abweicht. In seinem Kopf ist das Patriachart und das alte Rollenbild derart verankert, dass man in seiner Anwesenheit am liebsten gar nicht daran denken mag.«

Ich nickte bedrückt. »Harry hat mir erzählt, dass sein Vater es nicht gut aufgenommen hat, dass er auch auf Männer steht.«

Die Dunkelheit, die sich über Beckys Augen legte, schmerzte mich. »Das stimmt. Desmond hat viel geschrien und Harry gedroht, ihn rauszuwerfen, wenn er noch einmal, ich zitiere: „solch abscheuliche Dinge auch nur dachte“. Harry hatte es nicht leicht. Genau wie Gemma. Sie beide haben unter ihrem Vater gelitten.«

»Ich mag mir gar nicht vorstellen, wie schrecklich es sein muss, so aufzuwachsen.« Allein der Gedanke, wie es Harry gegangen haben muss, verursachte eine ungute Gänsehaut auf meinen Armen.

»Gemma hat sich das Leben genommen, Louis. Ich denke, das sagt so einiges«, murmelte sie bedrückt. Ein Kloß legte sich in meinen Hals.

»Ich kannte sie ja nicht, aber Harry hat mir viel von ihr erzählt.«

Becky hob den Blick, Tränen, die sie angestrengt versuchte zurückzuhalten, verschleierten ihre Sicht. »Er hat mit dir über sie geredet?«

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