•36 || „Ich habe gehört, wir haben bald wieder ein Date?"•

Und das zweite Kapitel. 
Bis dann,
Lea

Kapitel 36

„Ich habe gehört, wir haben bald wieder ein Date?“

Ich stellte das Glas in die Tasse und nahm beides mit in die Küche, um sie nachher abzuwaschen. »Wir haben uns ausgesprochen und beschlossen, wie wir mit der Situation verfahren wollen.«

»Achja, das hast du erwähnt. Entschuldige, ich bin ein wenig durcheinander«, murmelte Harry.

»Was war denn bei dir los?«, fragte ich. »Du hast geschrieben, dass dein Vater Stress gemacht hat? Du hast doch erst Bilder vorbeigebracht, oder nicht?«

Er gähnte. »Ja, das stimmt, aber es waren nicht alle. Einige hatte ich noch nicht fertig und sie können nicht abschickt werden, wenn die Bestellung nicht vollständig ist.«

»Das macht Sinn.«

»Denn habe ich also Nachtschichten eingelegt, weil die Farbe immerhin noch Zeit zum Trocknen brauchte. Das dauert ja auch immer. Deswegen habe ich vergessen, mich bei dir zu melden.«

Ich warf mir eine Erdbeere in den Mund. »Ist schon in Ordnung. Ist die Lage denn jetzt wieder ein wenig entspannter?«

Harry seufzte gedehnt auf. »Nein, nicht wirklich. Eine Bestellung beendet, wartet die nächste. Ich habe zwar mehr Zeit als letztes Mal, aber dafür sind es auch einige Bilder mehr. Der Kunde ist ein alter Freund meines Vaters und kauft dementsprechend für den Eigenbedarf und den Weiterverkauf.«

»Das klingt anstrengend«, sagte ich ein wenig besorgt.

»Frag mal. Und Vater ist ziemlich streng, wenn es um Zeitpläne geht. Komme ich zu sehr in Verzug, gerät das ganze System ins Wanken und ich bin einen Kopf kürzer, und das meine ich nicht im metaphorischen Sinne«, meinte er freudlos lachend.

Ich verließ die Küche und setzte mich auf die Couch im Wohnzimmer. Die Füße zog ich an und legte mir eine dünne Decke über den Schoß. Für drei ganze Minuten herrschte zwischen uns eine erschöpfte Stille. »Wie läuft es mit deinem Buch?«, nahm Harry irgendwann wieder das Gespräch auf.

Seufzend lehnte ich mich weiter in die Polster und zog die Decke ein wenig höher. »Ganz gut, ich habe jetzt die letzten Kapitel im Gange.«

»Schön, dass es wenigstens bei dir läuft.« Ein müdes Schmunzeln schwang in seiner Stimme mit. »Louis, ich würde gerne noch länger mit dir reden, aber mir fallen andauernd die Augen zu.«

»Ist schon gut. Geh und ruh dich aus. Es ist wichtiger, dass du deinen Schlaf bekommst.«

»Nein, du bist viel wichtiger«, wand Harry ein und gähnte einen Moment später herzhaft in den Hörer. »Na gut, wir schreiben morgen, ja?«

»Natürlich.« Sanft lächelnd legte ich den Kopf zur Seite und es fühlte sich fast so an, als würde ich ihn auf Harrys Schulter legen. »Ich l- vermisse dich.«

»Ich dich auch, Louis. Ich melde mich morgen, okay?«

»Ich bin Zuhause«, murmelte ich.

Wir verabschiedeten uns voneinander. Nachdem Harry aufgelegt hatte, warf ich mein Handy neben mir auf die Sitzfläche und schlug mir die Hand vor den Mund. Fuck. Ich hatte fast… Ich hatte beinahe gesagt, dass ich Harry… liebte. Verdammt.

Ich fuhr mir durch die Haare. Es war mir einfach fast rausgerutscht. Wenn ich es nicht hätte verhindern können, was wäre dann passiert? Es war doch noch viel zu früh, es zu sagen, oder? Wobei Zayn seinen Liebschaften auch recht schnell seine Liebe gestand. Aber ich war nicht Zayn. Diese drei Worte hatten für mich eine ganz andere Bedeutung.

Für ihn waren es nichts weiter als Worte, die seine Zuneigung ausdrückten. Aber sie gingen nicht tiefer. Für mich bedeuteten sie viel mehr. Während der Beziehung mit Eleanor hatte ich sie auch nicht oft verwendet. Höchstens ein, zwei Mal, mehr nicht.

Wahrscheinlich rührte das daher, dass ich soviel las. Meine Standards waren relativ hoch und Liebe hatte für mich eine große Bedeutung. Ich sagte niemandem, bei dem ich mir nicht hundertprozentig sicher war, dass ich ihn liebte. Ich wollte diese Worte nicht einfach rumposaunen, als wären sie gleichzusetzen mit einer Bestellung im Restaurant.

Natürlich war ich Harry sehr zugeneigt. Wahrscheinlich sogar in ihn verliebt, wenn man mein Grinsen ansah, das sich auf meine Lippen pflanzte, sobald ich an ihn dachte. Aber war es schon Liebe? Ehrlich und tiefgehend? Ich wusste es nicht. Ich wusste schlichtweg nicht, ob ich mir vorstellen könnte, den Rest meines Lebens mit ihm zu verbringen.

Wenn ich so darüber nachdachte, konnte ich mir im Moment vorstellen, bei ihm zu wohnen, jeden Morgen neben ihm aufzuwachen und meine Zeit mit ihm zu verbringen. Aber würde das auch in einem halben Jahr noch so sein? In einem Jahr? In zehn? Wer wusste das schon? Ich mochte Harry wirklich sehr, aber ich war mir nicht sicher.

Zayn würde mir, wenn er von meinen Gedanken wissen würde, bestimmt auf die Schulter klopfen und sagen: »Geh schon zu ihm und sag es ihm.« Doch erstens wusste er nichts von Harry und zweitens hat Liebe eine andere Bedeutung für ihn als für mich, weshalb ich niemals in diesem Bereich auf seinen Rat hören würde. Ginge es für meinetwegen um den besten Club in der Nähe, um feiern zu gehen, würde ich ihn ohne zu zögern fragen – was ich allerdings nicht tun würde, weil ich nicht gerne in Clubs feiern ging, wodurch das schonmal ausschied. Aber in Sachen Liebe waren wir zu unterschiedlich.

Nachdenklich machte ich mir zum Abendessen Müsli, wobei ich so in meine Gedanken vertieft war, dass mir die Milchtüte aus der Hand rutschte und eine Sauerei in der Küche verursachte. Fluchend, als wäre der Teufel persönlich hinter mir her, holte ich einige Tücher aus dem Schrank und wischte die Lache und die Spritzer, die die Schränke verzierten, auf.

Nachdem ich die Tücher in die Waschmaschine gesteckt hatte und sie gleich zusammen mit einigen schmutzigen Kleidungstücken anstellte, ging ich mit meinem Müsli und einem Glas Cola ins Wohnzimmer.

Auf Netflix machte ich mir einen Film an und kuschelte mich in die Kissen, während ich mein Müsli aß und versuchte, das ganze Gedankenchaos auszublenden, was jedoch eher weniger klappen wollte. Immer wieder musste ich darüber nachdenken, was mir beinahe herausgerutscht war. Wobei, wäre es wirklich so schlimm gewesen, wenn ich Harry gesagt hätte, dass ich ihn liebte? Genaugenommen hatte er es ja auch schon mehr oder weniger gesagt. Gut eher weniger, aber angedeutet. Und das war immerhin schonmal etwas.

Trotzdem war ich irgendwie froh, dass ich es nicht gesagt hatte. Ich war noch nicht soweit, es ihm zu sagen. Dazu war es zu früh und noch zu zerbrechlich.

Ich bekam nicht viel von dem Film mit, so tief versank ich in dem Strom der Gedanken, der nicht zu enden schien. Immer fester umwickelten mich die Fäden, bis ich kaum noch einen Ausweg fand. Fast manisch stieg ich unter die Dusche. In einem Impuls schob ich den Riegler der Temperatur bis zum blauen Punkt und stellte das Wasser auf eiskalt. Zischend zuckte ich zusammen, als die angenehme Wärme sich einen Augenblick später in beißende Kälte wandelte. Die eisigen Tröpfchen perlten an meiner Haut ab und durchnässten mein Haar.

Mit dem Gesicht nach oben stand ich da und versuchte so, die Gedanken für einen Moment abzuwaschen. Und es klappte auch. Jedenfalls kurz, was mich aufatmen ließ. Vermutlich sollte ich mir nicht so viele Gedanken machen. So, wie ich mich kannte, führte das nur ins Chaos und am Ende weinte wieder einer, der höchstwahrscheinlich gerade unter einer gottlos kalten Dusche stand. Mehr oder weniger freiwillig.

Nach einer guten Viertelstunde verließ ich die Dusche. Zum Schluss hin war ich doch noch weich geworden und hatte die Temperatur wieder hochgedreht. Schließlich konnte ich doch nicht frierend ins Bett gehen, das kam gar nicht in Frage. Die kalte Dusche war allerdings recht erfrischend gewesen, weshalb ich beschloss, öfter kalt duschen zu gehen.

Nackt wie ich war huschte ich durch das Wohnzimmer in mein Schlafzimmer und schlüpfte unter die große Bettdecke. Seufzend schaute ich auf mein Handy. Wahrscheinlich hatte ich mir eine Nachricht von Harry erhofft, dabei wusste ich doch, dass er schlief.

Dafür ploppte eine Nachricht von Lottie auf. Gähnend öffnete ich den Chat mit meiner Schwester.

Lots: Hey, Lewis. Hast du nächstes Wochenende Zeit, mit John und mir die Umzugskartons und den ganzen anderen Kram in unsere neue Wohnung zu bringen? Wir finden es total lieb von dir, dass du uns helfen willst. Hab dich lieb – Lottie <3

Augenverdrehend, da sie es nicht lassen konnte, mich Lewis zu nennen, tippte ich eine Antwort in das Textfeld ein.

Me: Hey, du Nervensäge. Ich habe nie gesagt, dass ich euch helfen will

Lots: Mom hat das gesagt._.

Me: War ja klar. Wann soll ich da sein?

Lots: Du bist der Beste!

Lots: Gegen halb elf wäre gut. Danke, hab dich lieb!

Me: Pass auf, dass du nicht auf deiner Schleimspur ausrutschst.

Als Antwort bekam ich nur diesen Emoji, der die Zunge raustreckte. Gott, manchmal war sie echt kindisch. Aber trotzdem liebte ich sie über alles. Ich legte mein Handy zurück auf den Nachttisch und zog die Decke bis zur Nasenspitze hoch. So konnte ich am besten schlafen.

~

»Louis? Hast du mal einen Stift?«, fragte Phil, einer der Korrektoren, der mit seinem anscheinend leeren Kugelschreiber auf einem Blatt Papier herumkritzelte.

»Man sollte doch meinen, dass ein Mann, der jeden Tag Stifte braucht, mehr als nur einen Kugelschreiber in seinem Büro hat«, seufzte Mrs Manor und warf ihrem Kollegen ihren Kugelschreiber entgegen. Phil schaffte es nicht, ihn zu fangen. Der Stift landete hinter ihm unter der Heizung, weshalb er ein wenig entnervt aufstand und sich hinkniete, um den Stift aus der schmalen Lücke zu fischen.

Es war Donnerstag und ich hatte es gestern mit Ach und Krach geschafft, das letzte Kapitel zu schreiben und über die letzten neun drüberzulesen und Fehler zu korrigieren. Nun saß ich seit drei Stunden in einem stickigen Büro, in dem die Klimaanlage viel zu hoch eingestellt war, und ging mit meinen Korrektoren das gesamte Manuskript durch.

Es war anstrengend. Als ich meine Leidenschaft zum Beruf gemacht hatte, hatte ich nicht erwartet, dass dermaßen viel Arbeit hinter einem einzigen Buch stand. Früher hatte ich meine Geschichten im Internet veröffentlicht, ohne dass zwanzig andere Leute vorher noch einmal drüberlasen und Dinge ansprachen, die geändert werden sollten.

Damals hatte ich es einfach gemacht. Nun, jetzt machte ich es ja auch, aber es war halt deutlich mehr Arbeit. Aber ich lebte meine Leidenschaft aus und dafür nahm ich die viele Arbeit gern hin.

»Sag mal, Louis«, riss Phil mich aus meinen Gedanken.

Ich ruckte hoch und blinzelte einige Male. »Ja, was?«

Er schob seine Kopie über den Schreibtisch zu mir rüber und deutete auf einen in leuchtendem Pink markierten Absatz, neben dem ein großes Fragezeichen stand. »Was genau wolltest du damit ausdrücken?«, fragte er, ein Schmunzeln schwang in seiner Stimme mit.

Ich beugte mich über die Seite und runzelte die Stirn, ehe ich leise lachte. »Es war spät gestern Abend, als ich nochmal drübergelesen habe. Es hat mir nicht gefallen, also habe ich es geändert. Aber das hier ist ja völliger Bullshit.«

Mrs Manor schüttelte schmunzelnd den Kopf. »Haben Sie das Original dabei?«

»Natürlich.« Ich öffnete die ursprüngliche Datei auf meinem Laptop und schon ihn meiner Kollegin zu.

Sie schob ihre Brille weiter auf die Nase und lehnte sich vor, um sich die paar Absätze durchzulesen. Dann nickte sie und deutete mit ihrem knochigen Zeigefinger auf den Bildschirm. »Lassen Sie das so. Mr Scott, wollen Sie auch noch einmal einen Blick darauf werfen?«

Nickend zog Phil sich den Laptop rüber. Nach einem Moment der Stille schob er ihn wieder mir zu. »Das ist gut«, stimmte er gähnend zu und machte eine Notiz auf der Seite seiner Ausgabe. »Okay, ich brauche jetzt erstmal einen Kaffee. Was ist mit euch?«

Mrs Manor schüttelte nur den Kopf. »Für mich nicht, danke.«

»Okay, Louis, kommst du wenigstens mit mir? Ein bisschen den Pausenraum aufmischen?« Phil umrundete seinen Schreibtisch und öffnete die Tür.

Ächzend stand ich auf. Meine Knochen knackten nach dem langen Sitzen. Mit einem kleinen Umweg über die Toiletten, kam ich einige Minuten später in den Pausenraum. Phil saß bereits bei Lloyd. Sie unterhielten sich gerade über irgendwas, das ich nicht verstand.

»Tomlinson!«, rief Juan, einer der Fotografen. »Lange nicht gesehen. Ich habe gehört, wir haben bald wieder ein Date?« Anzüglich wackelte er mit den Augenbrauen und schlug mir auf die Schulter, als er auf mich zukam.

Innerlich seufzte ich auf. Der Verlag hatte einige Fotografen unter Vertrag stehen. Aber ich hatte eher auf Mary oder Taylor gehofft. Nicht, dass Juan nicht nett wäre, aber mit ihm zu arbeiten, war immer sehr… wie sollte ich es sagen… anspruchsvoll. Er war ein wirklich kreativer Kopf mit vielen tollen Ideen, wie man Objekte und Menschen in Szene setzen konnte, aber es war mir ein wenig suspekt gewesen, als er bei unserem Shooting für mein letztes Buch wollte, dass ich in Badeshorts auf einem Surfbrett mit meinem Buch posiere. Nur, weil es ein paar Szenen gab, die am Strand gespielt haben.

Das war dann doch ein wenig zu viel des Guten.

»Kannst du mir schon ein Datum sagen?«, fragte ich ihn und ließ mich an dem großen Tisch nieder, an dem auch einige andere Kollegen saßen und zu Mittag aßen. Allerdings kannte ich höchstens die Hälfte von ihnen. Aber auch nur, weil man sich auf den Fluren über den Weg lief. Autoren kannten die wenigsten Mitarbeiter in einem Verlag, hauptsächlich die, die aus dem Manuskript das fertige Buch machten.

»Ne, der Chef hat mir nicht direkt ein Datum genannt, aber wahrscheinlich im Laufe der nächsten zwei Wochen. Jedenfalls hat es sich für mich so angehört«, antwortete Juan und biss von seinem Burger ab.

Phil, der mit gegenüber saß, stieß geräuschvoll seinen Atem aus. »Gott, Leute. Ich dachte gerade kurz, dass ihr zwei wirklich dated.«

Beinahe verschluckte ich mich an meinem frischen Tee, den ich an dem Automaten auf dem Weg hierher mitgenommen hatte. »Hey, als wäre das so schlimm«, beschwerte Juan sich über mein Husten.

»Wir daten nicht, Phil. Niemals«, stellte ich klar und machte eine verneinende Handbewegung zwischen dem temperametvollen Halbmexikaner und mir.

»Aww, aber warum denn nicht?« Juan kam erneut auf mich zu und wollte mir in die Wange kneifen wie ältere Damen es bei ihren Enkeln machten, aber ich schlug seine Hand weg.

»Ich… Du bist einfach nicht mein Typ«, sagte ich bestimmt und drückte ihn mit dem Zeigefinger an der Brust wieder zurück. »Und außerdem hast du einen Freund, Juan.«

Er winkte ab. »Ach, Brandon hat sicher nichts dagegen, wenn ich dich mal mit zu uns nehme. Er ist ziemlich offen und wir könnten bestimmt viel Spa-«

»La, la, la, la, la!«, machte ich laut und hielt mir dabei die Ohren zu. »Das will ich gar nicht wissen!«

Lachend hielt sich Lloyd den Bauch und warf einen Pommes nach Juan. »Na los, verschwinde zurück in deine Dunkelkammer, du verrückter Fotograf.«

»Pass auf, was du sagst, Wakefield. Sonst komme ich diese Nacht in dein Schlafzimmer und ersticke dich mit deinem Teddybären!«, feuerte Juan lachend zurück, woraufhin Lloyds Wangen ein wenig rot wurden.

»Halt die Klappe, Idiot«, murmelte er und wandte sich sehr konzentriert wieder seinen Pommes zu.

»Ist doch nur Spaß, das weißt du doch«, rief ihm Juan noch zu, bevor er den Raum mit federnden Schritten verließ.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top