•17 || „Und jetzt auf nimmer Wiedersehen."•
Hey,
Hier ist jetzt endlich auch das versprochene Kapitel "vor" meiner Pause, die, auch wenn das Kapitel erst heute kommt, nicht verlängert wird. Bedeutet, wie geplant, da ich heute bereits drei Kapitel geschaft habe und mich freue, sie bald mit euch teilen zu können. Es gibt Gründe, weshalb das Kapitel erst jetzt kommt. Und zwar gab es privat bei mir einigen Stress und Probleme, die es mir einfach unmöglich gemacht haben, hier zu posten. Außerdem hatte ich mit dem Ende von Love On Tour ziemlich zu kämpfen, da diese Tour ein absoluter saveplace für mich war, der mir jetzt fehlt, weshalb ich ziemlich lange heulend in meinem Bett saß und gar nichts mehr konnte. Jetzt geht es wieder eknigermaßen. Gut geht es mir bei weitem nicht, aber ich bin zuversichtlich, was die Zukunft verspricht.
So, jetzt aber los. Ich wünsche euch viel Spaß!
Bis dann in drei (?) Wochen ;)
Eure Joey
Kapitel 17
„Und jetzt auf nimmer Wiedersehen.“
Der Park war riesig und ich war wirklich froh, dass ich mir wieder Nialls Wanderschuhe ausleihen durfte. Bei den Steigungen, die wir überwanden, hätte ich in meinen Vans schon mindestens vier gebrochene Knochen und mehr Blasen als Haut an den Füßen. Bei dem Gedanken schüttelte es mich.
Gerade war ich einige Felsen hochgeklettert, die Harry spielend einfach erklommen hatte. Er saß auf einem großen Stein und holte zwei Wasserflaschen aus dem Rucksack. »Hier.« Er reichte mir die eine. Hastig ergriff ich sie, schraubte den Deckel auf und nahm einige tiefe Schlucke. Das kühle Nass rann angenehm meine Kehle runter und ließ mich aufseufzen.
Mittlerweile waren wir schon gut eine Stunde unterwegs und ich wurde mir immer sicherer, dass das hier die schwarze Route war. So ein Verräter. Das machte er doch sicher extra, um mich zu ärgern. Seit der letzten Abzweigung waren wir bisher keinem weiteren Menschen begegnet.
Nur eine Gruppe Rehe hatten unseren Weg gekreuzt. Kurz überlegte ich, ob er nicht doch ein menschenfressender Kannibale war, der mich sirenen-mäßig mit seinem Gesang in seinen Bann gezogen hatte, um mich anschließend am Ende dieses Pfades in seiner Höhle aufzufressen. Doch ich verwarf den Gedanken kopfschüttelnd schnell wieder. Es war definitiv zu warm, ich hatte schon Wahnvorstellungen.
Außer den Rehen hatten wir am Anfang noch Gehege mit anderen Tieren gesehen, aber seit einiger Zeit immer weniger. Das Gelände hier war steiniger und die Bäume, die uns teilweise Schatten spendeten, wurden immer lichter, die Luft dünner.
»Sag mal, Harry«, begann ich hechelnd und wischte mir mit meinem Shirt den Schweiß von der Stirn. Harry hatte mir schon sein Cap überlassen, damit ich keinen Sonnenstich bekam. Jetzt hatte er sich selbst die Haare mit dem blauweißen Bandana, das er ums Handgelenk getragen hatte, zurückgebunden. »Wo genau bringst du mich überhaupt hin? Hier sind nirgendswo Gehege oder Tiere.«
Harry nahm noch einen Schluck Wasser, bevor er mir meine Flasche wieder abnahm und sie in seinen Rucksack packte. »Wir sind auf dem Weg auf einen der Berge. Dort oben gibt es ein Restaurant. Die haben da die besten Burger, die es hier in der Umgebung gibt.«
»Und deswegen klettern wir hier den Berg hoch? Für Burger?« Ungläubig sah ich dabei zu, wie er sich den Rucksack über die Schulter warf und aufstand.
»Nicht nur wegen den Burgern. Die Aussicht ist auch nicht zu verachten«, fügte er hinzu. »Und außerdem sind da oben die Gehege der Berglöwen, der Bären und von den Adlern. Es gibt sogar eine Flugshow. Deshalb müssen wir jetzt auch weiter, um sie nicht zu verpassen. Also, kommst du?«
»Na, wenn du das so sagst.« Ich stand ächzend auf und schloss zu ihm auf. »Dann lasse ich mich doch gerne auf diesen Höllenpfad ein, um mit dir Burger zu essen und Berglöwen anzusehen.«
Der Weg war der reinste Horror. An manchen Stellen fragte ich mich, ob wir nicht lieber professionelle Kletterausrüstung hätten besorgen sollen, weil es so steil war. Aber Harry hatte kein Problem damit. Er fand auf Anhieb geeignete Vorsprünge und Spalten im Fels, in denen er sich festhalten konnte. Er war wirklich flink und bekam seine langen Gliedmaßen besser koordiniert, als ich.
Es war verflucht anstrengend und manchmal bekam ich Schiss, dass Harry gleich fallen würde, wenn er so dicht am Abgrund tanzte. Aber es passierte nichts, weshalb ich erleichtert aufatmete, als wir um eine Ecke bogen und ein Haus in Sichtweite kam. Ab hier wurde der Weg wieder flacher und war besser ausgebaut. Der feste Asphalt war eine willkommene Abwechslung zu den steinigen Wegen, auf denen man bei jedem Schritt aufpassen musste, weil dort Steine herumlagen, auf denen man sehr gut ausrutschen konnte.
Die Terrasse des Restaurants war gleichzeitig die Aussichtsplattform, von der Harry gesprochen hatte. Einige Leute saßen an den Tischen verteilt dort und genossen ihr Essen. Bei dem Anblick knurrte mir gleich der Magen. Seit dem Frühstück heute Morgen und einem Apfel zwischendurch hatte ich heute nichts gegessen und war dementsprechend hungrig, dass ich es mit einem Grizzly aufnehmen würde, um etwas Essbares zu bekommen.
Harry lachte, als er meinen Magen knurren hörte und in mein missmutiges Gesicht blickte. Ich ließ mich an dem letzten freien Tisch direkt an der Balustrade nieder und lehnte mich geschafft im Stuhl zurück. Harry stellte den Rucksack neben sich auf den Boden und schaute nach links, wo sich ein atemberaubendes Panorama erstreckte.
Auch ich wandte meinen Blick der Aussicht zu und stellte fest, dass Harry nicht gelogen hatte. Es war wirklich wunderschön. Hinten in der Ferne ragten graue Gipfel in die Höhe, die nach unten hin immer grüner wurden und in ein einziges Meer aus Bäumen endeten. Im Tal schlängelte sich ein Fluss seinen Weg durch die Landschaft und ich sah kleine Punkte, die Tiere sein mussten.
»Das ist wirklich schön hier«, gestand ich und sah zu meinem Lockenkopf. Er schien mit seinen Gedanken ganz woanders zu sein, denn sein Blick lag in der Ferne und er bemerkte gar nicht, dass ich mit meiner Hand vor ihm herumwedelte. Erst, als ich seinen Namen zum siebten Mal aussprach, kam er wieder in die Realität zurück und drehte sich zu mir.
»Sorry, der Anblick überwältigt mich jedes Mal. Was willst du essen?«, fragte er schlicht und hielt mir die Speisekarte hin. »Den Hühnchen-Burger mit Pommes und Salat kann ich dir sehr empfehlen.«
Ich nickte, während ich die Karte studierte. Schließlich entschied ich mich für den Hühnchen-Burger und eine Cola. Als Harry aufstand, erhob ich mich ebenfalls und zückte meine Brieftasche. »Ich bezahle dieses Mal.«
Er setzte an, um mir zu widersprechen, aber ich hauchte ihm nur einen Kuss auf die Lippen. Hier kannte mich keiner, aber fuck. Ich küsste einen Mann in der Öffentlichkeit. Das fühlte sich irre an. »Keine Widerrede, Curly. Du hast den Eintritt bezahlt, ich übernehme das hier. Damit es gerecht ist.«
»Aber das Essen kostet viel mehr als der Eintritt«, murmelte er, aber ich schüttelte den Kopf und küsste ihn ein weiteres Mal. Es fühlte sich gut an.
»Das nächste Mal kannst du ja wieder bezahlen, okay?«, bot ich ihm an.
Harry nickte. »Gibst du mir deine Brieftasche? Es wäre besser, wenn jemand bei unseren Sachen bleibt.«
Ich gab ihm meine Brieftasche und ließ mich wieder auf meinem Stuhl nieder, um mein Handy aus meiner Hosentasche zu ziehen. Da ich direkt an dem hölzernen Geländer saß, brauchte ich mich für ein Foto nur ein wenig strecken. Ich drückte ein paar Mal den Auslöser, schaute mir die Bilder an und fügte das Beste in meinen Italien-Ordner hinzu.
Darin befand sich eine ganze Reihe an Bildern, die ich bisher so gemacht hatte. Einige zeigten die Wohnung und die Landschaft, aber die meisten bildeten Harry ab. Harry, wie er schlief. Harry, wie er im Whirlpool entspannte. Oder Harry, wie er auf der Couch lag und eines der Bücher las, die ich mitgenommen hatte.
Ich musste grinsen, als ich die vielen Momente betrachtete, die ich eingefangen hatte. Doch mein liebster war der, als wir auf den Berg geklettert waren. Das eine Bild, auf dem Harry nieste und ich mich lachend versteckte, das andere, auf dem ich Harry von der Seite ansah und er breit in die Kamera lächelte.
Dieses Bild ließ mich eine ganze Menge fühlen, das ich nicht wirklich zuordnen konnte. Aber auf jeden Fall war da Zuneigung in mir. Ich mochte Harry. Er war lustig, nett und…
»Ach, Sonnenschein«, stöhnte Harry auf, als er mir über die Schulter schaute. Erschrocken fuhr ich zusammen und ließ beinahe mein Handy fallen. Harry wischte einmal über den Bildschirm und schüttelte den Kopf, als er das Foto sah, auf dem er nieste. »Wieso hast du das denn noch? Das ist peinlich.«
»Ich mag es«, schoss ich zurück und schaltete mein Handy aus. »Du siehst süß aus, wenn du niest.«
Harry schnaubte und küsste meine Wange. »Pff, ich sehe schrecklich aus, wenn ich niese.«
»Für mich siehst du niedlich dabei aus. Ich finde es knuffig, wie du dein Gesicht verziehst und die Augen dabei zukneifst.«
Dafür knuffte er mich in die Seite und schob mir die Cap ins Gesicht. Lachend setzte ich sie mir wieder ordentlich auf den Kopf. Harry umrundete den Tisch und setzte sich mir gegenüber wieder auf den Stuhl. »Das Essen braucht noch eine Viertelstunde, weil so viel los ist.«
»Sag mal, das ist mir auch schon aufgefallen. Wie kommen die ganzen Leute hier hoch? Ich meine, so mit Kinderwagen und allem«, bemerkte ich und machte eine ausschweifende Handbewegung.
Harry lachte leise. »Es gibt eine Seilbahn und einen weiteren Rundweg.«
Entgeistert riss ich den Mund auf, woraufhin Harry sich zu mir rüber beugte und meinen Mund mit seinem Zeigefinger wieder schloss. »Und du schickst mich diese Todesroute entlang?! Wenn es eine Seilbahn gibt? Eine fucking Seilbahn?! Dein Ernst?«
»Shh, Louis, hier sind Kinder«, lachte Harry. »Und außerdem lebst du doch noch, also kann es ja keine Todesroute gewesen sein.«
»Aber nur knapp.« Beleidigt verschränkte ich die Arme vor der Brust. »Kurz dachte ich, ich verhungere, weil du nur diese zwei Äpfel eingepackt hast.«
Er schüttelte glucksend den Kopf und sah mich an. »Ich habe genug Essen eingepackt, keine Sorge. Du hättest ja was sagen können.« Dann beugte er sich noch weiter vor und versiegelte meine Lippen mit seinen.
»Wie soll ich denn fragen, wenn du immer einen halben Kilometer vor mir bist?«, raunte ich gegen seinen Mund und stupste mit der Zunge gegen seine Unterlippe.
Ein Räuspern ließ uns auseinanderfahren. Vor unserem Tisch stand ein Kellner, der unsere Bestellungen dabei hatte. Seine Wangen waren rot gefärbt und er hatte den Blick abgewandt. »Zweimal Chicken-Burger mit Pommes?«, piepste er.
Harry bejahte und machte etwas Platz, damit der junge Mann die Teller abstellen konnte.
~
»Und jetzt?«, fragte ich, nachdem ich auch meine Cola ausgetrunken hatte. Das hier war mit Abstand der beste Burger gewesen, den ich je gegessen hatte. »Fahren wir mit der Seilbahn zurück?«
Harry wischte sich mit der Serviette über den Mund, um die Mayonnaise loszuwerden, bevor er sprach. »Später, erst will ich dir noch etwas zeigen. Es dauert aber noch ein bisschen, bis wir da sind.«
Ich seufzte auf und ließ meine Arme neben dem Stuhl nach unten hängen. »Müssen wir wieder klettern?«
Kurz überlegte er, schüttelte dann aber den Kopf. »Nein, nicht viel. Eigentlich fast gar nicht. Brauchst du noch irgendetwas, bevor wir losgehen? Toilette oder so?«
Nickend erhob ich mich und schob meinen Stuhl ran. Harry tat es mir gleich und schulterte seinen Rucksack. »Okay, ich muss auch. Dann komm.« Er griff nach meiner Hand und führte mich zwischen den Tischen hindurch in das Innere des Restaurants. Er hielt mir die Tür zum Männerklo auf und ich ging hindurch nach ganz hinten an das letzte Pissoir.
Eigentlich hätte ich erwartet, dass Harry mindestens eines Abstand halten würde, doch er stellte sich verschmitzt grinsend direkt neben mich. Etwas perplex konnte ich ihn nur dabei beobachten, wie er seinen Hosenstall öffnete. »Ist was?«, fragte er grinsen.
Schnell wandte ich den Blick von seinem Penis ab, der schlaff in seiner Hand lag, und widmete mich mir selbst. Die ganze Zeit über spürte ich Harrys Blick auf mir und seine Anwesenheit nur allzu genau neben mir. Ich konnte nichts anderes tun, als schnell fertig zu werden und mich anzuziehen, damit er nicht sah, dass ich allein durch seine Anwesenheit leicht hart wurde. Fuck, es war ein ganz anderes Gefühl, neben jemandem in der Toilette zu stehen, den man nackt sehen wollte.
Mit heißen Wangen zog ich den Reisverschluss meiner Hose zu und huschte hinter Harry entlang zu den Waschbecken, die sich neben den Kabinen befanden. Ich seifte mir rasch die Hände ein und wusch mir den Schaum von den Händen, doch ich war nicht schnell genug. Gerade, als ich mir die Hände abgetrocknet hatte und das Papiertuch in den Mülleimer beförderte, tauchte Harry auf und fing mich zwischen seinen Armen ein.
Er stützte sich auf die Anrichte, die die einzelnen Waschbecken miteinander verband, und lehnte sich weiter vor. Ich lehnte mich im selben Atemzug zurück und schmiss dabei die kleine Pflanze um, die vor dem Spiegel stand. Harrys Atem streifte mein Gesicht. »Flüchtest du vor mir, Sonnenschein?«
Ich schluckte und biss mir auf die Unterlippe, als er seine eine Hand von der Kante löste und mir in den Schritt griff. Er leckte mir über die Ohrmuschel, was mir eine Gänsehaut bescherte. »N-nein«, hauchte ich und krallte mich in sein Hemd. Ich wollte es nicht, immerhin befanden wir uns auf einer öffentlichen Toilette, wo jederzeit jemand reinkommen könnte, aber meine Hüfte verselbstständigte sich und drückte sich enger an Harrys Hand. Mit Klamotten war es kein Problem, wenn er mich berührte. Eigentlich war es gar kein Problem. Ich wollte es, nur war da immer noch diese Hemmschwelle, die mich zurückhielt.
Ich stöhnte leise und vergrub mein Gesicht an seiner Schulter. Dieser Reiz des Verbotenen war… heiß. Harry lehnte sich etwas zurück, ich folgte ihm. Shit, ich würde mich sogar auf der Stelle nackt ausziehen, wenn er es von mir verlangte. Die Macht, die er über mich hatte, war unbegreiflich.
Harry massierte mich, küsste die Haut unter meinem Ohr und saugte daran. Es fühlte sich himmlisch an, von ihm berührt zu werden. Ich hingegen fuhr unaufhörlich mit meinen Händen über seinen Oberkörper und wollte gerade den obersten Knopf öffnen, als die Tür aufging.
Ich fuhr zusammen und riss die Augen auf. Ein älterer Mann trat ein und zog eine Augenbraue hoch, als er uns sah. Ich saß mittlerweile auf der Anrichte, Harry stand über mich gebeugt vor mir und massierte meinen Schritt, während er seine Mitte immer wieder rhythmisch gegen mein Knie drückte.
Verdammte Scheiße. Für ihn musste es aussehen, als hätten wir Sex. So richtiger Sex. Als wäre Harry in mir. Das Gesicht des Mannes veränderte sich und nahm einen angewiderten Ausdruck an. »Verdammtes Schwulenpack«, zischte er anfällig auf Englisch. »So etwas sollte verboten werden!«
Die Worte trafen mich mitten ins Herz. Es fühlte sich an, als würde es leise brechen und in tausende kleine Einzelteile zerfallen. Harry vor mir versteifte sich ebenfalls, als ich mich nicht mehr bewegte. Er hatte die Worte auch gehört. Langsam richtete er sich auf und sah entschuldigend zu mir runter, wischte mir sanft über die Wange.
Ich versuchte, es mir nicht anmerken zu lassen, dass ich kurz davor war, zu weinen. Es war nicht einfach, aber ich schaffte es irgendwie. Wahrscheinlich, weil Harry bei mir war. Der küsste noch einmal kurz meine Lippen, bevor er sich endgültig von mir löste und sich umdrehte. Sein Gesichtsausdruck wurde kalt, als er sich vor dem Mann aufbaute.
Harry war ein Stückchen größer als er und ich mochte mir gar nicht vorstellen, wie es war, wenn Harry sich vor einem aufbaute. Ich kannte ihn zwar nur als meinen Harry. Niedlich, heiß und lieb. Aber er konnte auch anders. Wenn ich mir jetzt so ansah, wie er sich groß machte, die Schultern zurücknahm und die Arme anspannte, sodass ich Sehnen hervortreten sehen konnte, bekam selbst ich eine Gänsehaut.
»Was habe ich da gerade gehört?«, knurrte Harry. Seine Stimme war tief und bedrohlich, was so gar nicht zu dem weißen Shirt mir den kleinen schwarzen Vögeln darauf passte. Sein Äußeres sagte: »Knuddel mich, bis ich umfalle«, aber seine Stimme und sein Auftreten sagten nur eins: »Lauf«.
»Sie beide sind unnatürlich. Männer haben nicht auf Männer zu stehen und sie zu ficken. Wozu sind sonst Frauen da? Das, was Sie tun, ist wider der Natur. Es sollte verboten werden.« Ich versuchte, wegzuhören, aber ich konnte nicht. Jedes einzelne Wort drang in mich ein und verankerte sich in meinem Kopf. Hinterließ eine Spur hinter sich, die brannte wie Feuer.
Harry machte einen Schritt nach vorn und ballte die Hände zu Fäusten. »Zunächst einmal«, begann er. »Wenn Sie Frauen nur als Fickmaterial ansehen, dann ist in Ihrem Menschenbild schonmal hier grundlegend etwas falsch. Menschen sollten mit Respekt behandelt und nicht in eine Schublade gesteckt werden. Die einzigen Menschen, die abgestempelt und wegsortiert werden sollten, sind Menschen wie Sie. Die es nicht verstehen, dass Männer auch andere Männer lieben können und Frauen mehr Respekt zusteht. Menschen wie Sie sollten verboten werden. Es ist in Ordnung, wenn Sie homosexuelle Menschen nicht mögen. Ist völlig okay.«
Harry warf die Arme in die Luft, um im nächsten Moment mit dem Finger direkt auf den Mann zu zeigen, der nach und nach weiter zur Wand wich. »Aber dann halten Sie wenigstens Ihren Mund und werden Sie uns gegenüber nicht ausfallend. Wir bezeichnen Sie ja auch nicht abwertend als Hetero. Wir machen doch nichts. Denken Sie etwa, nur weil wir auf Männer stehen, bespringen wir gleich jeden? Verdammt, das ist nichts anderes als mit Frauen! Wir haben jeder unseren eigenen Geschmack und wir tun niemandem etwas zuleide. Ich hoffe, Sie verstehen das. Und wissen Sie, was ich denke? Ihr Verhalten beruht darauf, dass Sie mit sich selbst nicht im Reinen sind.«
Der Mann schluckte und presste sich gegen die Wand. Harry kam wieder zu mir rüber und zog mich an sich. »Und jetzt wünsche ich Ihnen einen richtig schönen Scheißtag. Denken Sie mal darüber nach, was Ihr Verhalten mit Menschen wie uns anrichtet. Der ständige Hass, der sich von allen Seiten gegen uns richtet, nur weil wir im Auge der Gesellschaft anders sind. Und sollten Sie jemals wieder auf die Idee kommen, den Mann, den ich liebe zu beschimpfen, kann ich für nichts mehr garantieren. Er ist genauso wenig schwul wie ich und selbst wenn es so wäre, ist es auch egal. Es ist immerhin kein Verbrechen. Und jetzt auf nimmer Wiedersehen.« Damit beendete Harry seinen Vortrag und zog mich an der Hand aus der Toilette.
Ohne ein Wort mit mir zu wechseln, ging er schnurstracks nach draußen bis dorthin, wo uns niemand mehr sehen konnte. Er ließ mich sofort los, drehte sich von mir weg und fuhr sich aufgebracht durch die Haare. Ich wollte ihn ansprechen, aber ich konnte nicht. Mein Blick lag auf Harry. Er stand reglos da und atmete tief durch. Wahrscheinlich, um sich wieder runterzukriegen.
Als er sich nach einer Weile wieder zu mir drehte und auf mich zukam, war sein Ausdruck wieder sanft. Er ließ den Rucksack auf den Boden fallen und schloss mich in seine Arme. »Es tut mir so leid, Sonnenschein«, flüsterte er immer wieder, während er mir über den Rücken strich, um mich zu beruhigen.
Ich wollte weinen, wollte schreien, aber es ging nicht. In mir war nichts als Kälte. Eisige Kälte, die mein gesamtes Fühlen lahmlegte. Da war nichts mehr. Fast so, wie nach der Trennung. »Schon gut. Ich komme klar«, erwiderte ich heiser.
Doch Harry schüttelte nur den Kopf und schmiegte sich enger an mich. »Es ist gar nichts gut. Ich meine, früher oder später musste es so kommen, aber ich hatte auf das Später gehofft. Die Welt ist scheiße, aber ich wollte nicht, dass du so früh merkst, wie scheiße.« Dann lockerte er seinen Griff um mich und sah mir in die Augen. »Ich weiß, wie sowas wehtut. Aber ich verspreche dir, so schrecklich es auch klingt, du wirst dich daran gewöhnen und lernen, diese Art von Kommentaren zu ignorieren. Ich werde dir dabei helfen, wann immer ich kann, okay?«
Ich nickte und brach den Blickkontakt, um ihm einen Kuss auf die Lippen zu geben. Auch, wenn diese Bemerkung tiefer ging, als ich wollte, ließ ich es mir nicht nehmen, meinen Freund zu küssen. Die Menschen konnten sagen, was sie wollten, aber das würde uns nicht auseinanderbringen. Niemals.
»Harry?«, fragte ich irgendwann, als wir uns wieder in den Armen lagen.
»Hmm?«, machte er an meinem Ohr.
»Hast du vorhin gesagt, dass du mich liebst?«
Kaum waren die Worte draußen, versteifte er sich in meinen Armen.
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