•11 || ,,Es ist dein Leben, Louis."•
Und wie versprochen das zweite Kapitel hinterher. Lasst gerne Kommentare da♡
Kapitel 11
„Es ist dein Leben, Louis.“
Mit dem Jeep konnten wir direkt bis an den Strand fahren. Harry hielt auf der Rasenfläche am Ende des Weges, über den wir gefahren waren, nachdem wir die Hauptstraße vorzeitig verlassen hatten. Nach Harrys Aussage gab es eine Stelle, an die man über die vorgesehene Straße nicht ohne längeren Fußmarsch kam. Also habe ich mich einfach zurückgelehnt und ihn machen lassen. Schließlich wohnte er hier.
Nun breitete ich gerade die Picknickdecke aus, die ich eingepackt hatte, und setzte mich darauf. Harry verschwand kurz hinter einem der Bäume, die zu einem kleinen Wald gehörten, der sich vor dem Strand befand. Als er wiederkam, lief er kurz zum Wasser und wusch sich die Hände, ehe er sich mit Schwung neben mir auf die Decke fallen ließ.
Ich stützte mich auf meine Ellbogen und schaute zum Meer. Wir befanden uns hier in einer Art Bucht. Links und rechts ragten Felsen U-förmig ins Wasser. Es war still hier. Die Wellen nicht hoch und das Wasser türkis. Der weiße Sand war weich und von der Sonne gewärmt, weshalb ich genüsslich meine Zehen zwischen den winzigen Steinchen vergrub. Ich war noch nicht so oft am Meer gewesen. Nur einmal, als wir Urlaub in Frankreich gemacht hatten, aber da war ich vielleicht sieben Jahre alt gewesen.
Harry zog sich sein Hemd aus und legte sich auf seine unter dem Kopf verschränkten Arme. Seine Sonnenbrille saß auf seiner Nase und ein zufriedenes Lächeln lag auf seinen Lippen. »Hach«, seufzte er. »Ich liebe das Meer.«
Ich grinste und wandte meinen Blick von den kleinen Wellen ab, die sich in regelmäßigen Abständen am Strand brachen. Harry räkelte sich und schmatzte. Die Sonne schien auf ihn herab und ließ ihn aussehen wie einen gottverdammten Engel.
Ich hätte mir noch Jahre ansehen können, wie die Sonne rotgoldene Reflexe in seinem Haar funkeln ließ. Doch gerade, als ich meine Hand nach ihm ausstrecken wollte, setzte er sich auf und schob sich seine Sonnenbrille in die Haare. Überrascht von der plötzlichen Bewegung, schaute ich ihn von unten an.
»Ich gehe jetzt ins Wasser«, sagte er, den Blick aufs Meer gerichtet. Er stand auf und zog sich die Hose von den Beinen. Darunter trug er nur eine rote, verdammt enge Boxershorts, die mich nach Luft schnappen ließ. Mit langen Schritten huschte er über den Sand und stürzte sich in die Fluten.
Okayyy…
Ich beobachtete, wie Harry nach einem Moment wieder auftauchte und sich die Haare aus dem Gesicht schüttelte. Shit. Schnell riss ich mir im Liegen die kurze Jogginghose von den Beinen, was ziemlich umständlich war, weshalb ich aufstand uns sie mir von den Füßen kickte. Missmutig schaute ich auf meine hellgraue Unterhose. Wenn ich damit ins Wasser ging, würde man später alles sehen. Aber ich hatte wirklich keine Lust darauf, jetzt noch meine Badehose aus der Tasche zu kramen. Die lag ziemlich weit unten.
Also ließ ich die Badehose in der Tasche Badehose sein und sprintete zu Harry. Der Sand unter meinen Füßen war heiß. Ich rannte ins Wasser und tauchte unter. Entgegen meiner Erwartungen konnte ich gut sehen, da das Wasser recht klar war. Ich schwamm auf Harry zu und versuchte, ihn an den Beinen rumzureißen, damit er ins Wasser fiel, aber er stand fest auf dem Boden. Zwei Arme schlossen sich um meine Taille und hoben mich nach oben.
Lachend riss er mich aus dem Wasser und warf mich durch die Luft. Strampelnd landete ich mit einem lauten Platschen im Wasser. Schnell schwamm ich wieder auf ihn zu und duckte mich unter ihm weg, als er wieder nach mir greifen wollte. Da es hier zu tief war und nur Harry stehen konnte, hielt ich mich an seiner Schulter fest und kletterte auf seinen Rücken.
Von hinten umschlang ich seinen Hals und verteilte viele kleine Küsse auf seinem Gesicht. Er kicherte und legte seine Finger um meine Beine, die ich um seine Hüften geschlungen hatte. »Du Klammeraffe«, rief er und ließ sich nach hinten fallen, sodass ich unter seinem Körper begraben wurde.
Wir plantschten noch ein wenig länger herum und spritzten uns gegenseitig nass, bis wir wieder zurück zum Strand schwammen. Zwar war das Wasser wundervoll und ich wollte am liebsten nie wieder rausgehen, aber ich merkte, wie meine Arme und Beine schwer wurden. Harry ließ sich bereits theatralisch auf die Decke fallen, als ich erst aus dem Wasser trat. Was war der denn auch so flink mit seinen ollen langen Beinen?
Als ich das Wasser verließ und etwas Wind über meinen Körper fuhr, schauderte ich kurz. An der Picknickdecke angekommen, ließ ich mich schnell darauf nieder und griff nach meinem Handtuch, das neben der Tasche lag. Ich trocknete mich so gut es ging ab und legte es mir über die Schultern, um nicht zu frieren.
»Wassermelone?«, bot Harry mir an. Er hatte die Dosen, die er mitgebracht hatte, zwischen uns verteilt und deutete nun auf die, in denen einige Stücke Wassermelone lagen.
Grinsend nahm ich mir eins und biss ab. Der Saft lief mir übers Kinn und ich wischte es mit dem Zipfel des Handtuchs weg. Harry lachte, während er sein eigenes Stück weiter aß und dabei keinen Tropfen vergoss. Neben den Wassermelonen sah ich noch Kiwis, Erdbeeren, Weintrauben und Orangen.
Ich ließ mich irgendwann auf den Rücken fallen und schloss die Augen. Das Meer rauschte im Hintergrund und die Blätter der Bäume, die hinter uns standen, raschelten im Wind. Ein Geräusch, das mir sehr gefiel. In Doncaster war ich immer gerne in den Wald gegangen.
Entweder mit einem Buch, um abzuschalten, oder mit meinen Geschwistern nach der Schule. Dann hatte ich sie in ihren Buggy gesetzt und war mit ihnen um die Mittagszeit in den Wald gegangen, damit sie ihren Mittagsschlaf an der frischen Luft verbringen konnten. Das hatte Mom mit mir auch immer gemacht. Und mit Lottie und Fizzy. Jedenfalls, bis sie mehr arbeiten musste und ich diesen Part übernahm. Und ganz vielleicht hatte ich das auch gemacht, weil ich dann die Hausaufgaben weiter hinauszögern konnte.
»Worüber denkst du nach?«, riss Harry mich irgendwann aus meinen Erinnerungen.
Ich öffnete die Augen und drehte mich so zu ihm, dass ich meinen Nacken nicht halb verrenken musste, um ihn ansehen zu können. »Ich habe an meine Familie gedacht.«
»Deine Familie? Erzählst du mir von ihnen?« Er stützte sich auf seinen Ellbogen und schaute mich neugierig an.
»Nun, ich habe sechs Geschwister. Fünf Schwestern und einen Bruder«, erzählte ich.
»Wow«, machte Harry anerkennend. »Dann war bei euch Zuhause ja richtig was los.«
»Das kann man so sagen.« Ich lachte leise und nahm mir vor, sie bald mal wieder zu besuchen, wenn ich wieder in England war. Ich vermisste die kleine Rabauken-Bande. »Sie sind alle kleiner als ich.«
»Das ist ja auch nicht so schwierig«, grinste Harry, worauf ich ihm gegen das Schienbein trat.
»Klappe. Kann ja nicht jeder so groß sein wie du. Nein, sie sind auch jünger als ich. Lottie ist nach mir die Älteste. Sie ist jetzt zweiundzwanzig und ständig unterwegs.«
Als ich die Augen verdrehte, lachte Harry laut auf. »Als ob du nie ausgegangen bist.«
»Ich war jedenfalls nicht so viel los, wie sie.«
»Achja, und woran liegt das?« Wollte er mich ärgern oder was?
»Ganz einfach daran, dass ich nicht gerne feiern gehe. Ich mag keine laute Musik und Menschenmassen sind ganz schlimm. Und es nervt mich, wenn die Leute nicht verstehen, wenn man ihnen sagt, dass man keinen Alkohol trinken möchte«, erklärte ich sachlich und warf Harry einen Blick aus dem Augenwinkel zu. Er spielte mit dem Saum seiner Unterhose herum und ließ ihn immer wieder gegen seinen Bauch schnippen.
»Naja, nach Lottie kommt Fizzy, sie macht dieses Jahr ihren High School Abschluss. Dann die Zwillinge Daisy und Phoebe und danach Doris und Ernest, ebenfalls Zwillinge. Die beiden kommen dieses Jahr in die dritte Klasse.«
»Und hat deine Mom das alles alleine geregelt?«
Ich schüttelte den Kopf und seufzte. »Nein, bis zu Lotties Geburt war mein Vater noch da, aber er ist gegangen, als ich sieben war. Danach kam Mark. Er ist nett, aber er wird für mich nie wirklich ein Vater sein.«
»Kann ich verstehen«, seufzte Harry. »Mein Vater war nie wirklich für mich da, sondern hat alles nur noch schlimmer gemacht.«
»Das klingt, als hattest du keine sonderlich schöne Kindheit…?«, wagte ich es zu fragen.
Trocken lachte er auf. »Nicht sonderlich schön ist noch mild ausgedrückt, Louis. Mein Vater ist ein verdammtes Arschloch, der mir das Leben zu Hölle gemacht hat. Aber ich will nicht darüber reden. Wie ist es in Doncaster so? Erzähl mir von dir, ich bin unwichtig.«
Dass ich nicht der Meinung war, ließ ich aus und erzählte ihm von meiner Heimat. Er hörte mir gespannt zu, die Augen hinter der Sonnenbrille geschlossen und den Kopf auf die Arme gelegt. Seine Tattoos, die immer wieder magisch meinen Blick auf sich zogen, hoben sich dunkel von seiner Haut ab. Harry war gut gebräunt, aber ich konnte trotzdem jede der feinen Linien erkennen.
»Ich mag deine Tattoos«, sprach ich meinen Gedanken in einem Moment der Stille aus. Fast dachte ich, Harry wäre eingeschlafen, da er sich nicht regte, doch dann verzogen sich seine Mundwinkel zu einem Grinsen.
»Aha«, machte er.
Ich seufzte und drehte mich auf den Bauch, das Kinn auf meine Unterarme gestützt. Gähnend ließ ich meinen Blick über die Bäume wandern, deren grüne Blätter im Wind raschelten. »Ich wollte auch immer Tattoos haben.«
»Aber?« Er drehte sich nun auch um und imitierte meine Haltung, was mich schmunzeln ließ. Bei ihm sah es irgendwie niedlicher aus als bei mir. Lag vielleicht daran, dass er seine Füße überkreuzt in die Luft streckte und mit den Beinen vor und zurück wippte.
»Meine Mom hat es mir nicht erlaubt und…« Ich vergrub peinlich berührt mein Gesicht in meinen Händen. Harry lachte leise und zog mir einen Arm weg, weshalb ich gezwungen war, ihn anzusehen. »Ich hab mich nie getraut«, gab ich zu und ließ meinen Kopf auf meinen Unterarm fallen.
»Wegen deiner Mom oder wegen der Schmerzen?« Er drehte sich nun wieder auf den Rücken, wobei er sich so legte, dass er mich verkehrt herum ansah. »Beim zweiten kann ich dich beruhigen. Die meisten machen nur immer einen riesigen Wirbel darum, aber es tut eigentlich gar nicht so doll weh, wie alle sagen.« Seine Haare kitzelten an meiner Brust, so nah lag er bei mir. Es brachte mich etwas aus dem Konzept.
»Eher weniger wegen der Schmerzen. Mom war immer strikt gegen Tattoos. Ich denke, ich wollte es einfach nicht riskieren, dass sie mich deswegen hasst.«
»Pff«, machte Harry, als würde er sich ein Insekt aus dem Gesicht pusten. »Es ist dein Leben, Louis. Deine Entscheidung. Wenn du ein Tattoo haben willst, dann geh in ein Studio und mach dir eins. Du bist frei, dir kann absolut niemand vorschreiben, was du zu tun und zu lassen hast.«
Ich schloss für einen Moment die Augen. Wenn es doch bloß so einfach wäre, wie er sagte. Dann hätte ich schon längst die halbe Welt gesehen und mehr als ein Tattoo. Ich hätte einen Hund, vielleicht zwei, und ein hübsches Haus. Aber es war nicht so einfach. Im Gegenteil. Wäre ich frei, dann hätte ich das doch schon längst ausgenutzt.
Nachdenklich vergrub ich meine Füße im warmen Sand am Ende der Decke. Die Sandkörner kitzelten. »Hör doch mal auf, immer alles zu zerdenken, Louis«, sagte Harry und tippte mir mit dem Zeigefinger gegen die Brust. »Okay, ich habe einen Plan.«
»Der wäre?« Ich zog eine Augenbraue nach oben.
»Wir werden jetzt noch einmal ins Wasser gehen und dir diese ganzen Gedanken aus dem Hirn waschen«, grinste er und pikste mir immer wieder in den Bauch, als ich mich auf den Rücken fallen ließ und stöhnte, weil ich keine Lust hatte, mich zu bewegen.
»Komm schon!« Harry stand auf, klopfte sich den Sand, der Decke gelegen hatte, vom Körper und hielt mir seine Hand hin. »Hab Spaß und vergiss den ganzen Kram einfach mal!«
Nur widerwillig ergriff ich sie. Gegen ihn hatte ich eh keine Chance, also war Nachgeben die beste Lösung. Er zog mich mit einem kräftigen Ruck auf die Beine, was allerdings dazu führte, dass ich mit vollem Schwung gegen ihn knallte. Meine Nase landete an seinem Schlüsselbein und ich keuchte schmerzerfüllt auf.
»Ah, fuck«, jammerte ich und rieb mir über den Nasenrücken.
»Sorry«, murmelte Harry. »Das war vielleicht ein wenig zu energisch.«
»Wahrscheinlich.« Ich fuhr einmal unter meiner Nase entlang und sah meine Hand an, aber da war kein Blut. »Ist ja nichts passiert.«
Er lächelte mich noch einmal entschuldigend an, ehe er behutsam nach meiner Hand griff und mich zum Wasser zog.
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