sternengras
「2012年08月26日 ○ 26. august 2012」
☆ミ日曜日 ● nichiyobi ○ sonntag
✎ pov。 天童 ○ pov. tendou
Ein Schnauben, ein Rascheln, der leise Regen vor der Holztür. Das Rauschen des Windes, der draußen scharf an Kanten und Rundungen vorbeizieht.
Das Schnauben kommt von einer Kuh in der Nähe, das Rascheln vom Heu, auf dem wir liegen und der Regen und der Rest, logischerweise, von draußen.
Neben mir im Heu liegt Wakatoshi, die Arme hinter seinem Nacken verschränkt, die Beine übereinander geschlagen, ich in der selben Position etwa einen Meter entfernt.
Wir, beziehungsweise ich, habe nach der warmen Dusche beschlossen, dass es doch eine tolle Idee wäre, auf dem Heuboden zu übernachten. Wakatoshi bereut seine Zustimmung sichtlich, man sieht es ihm an. Seine angespannte Haltung zeugt eher von Unruhe und Unwohlsein, er klagt über die harten Stängel am Körper und darüber, dass er endlich schlafen möchte. Aber es ist erst drei Uhr morgens, jetzt zu schlafen, wäre Zeitverschwendung.
„Ushijima."
Keine Regung.
„Wakatoshi."
Immer noch nichts.
„Waka-Baka.", säusele ich nun.
Ich weiß, wie man seine Aufmerksamkeit gewinnt, denn endlich sieht er mich erwartungsvoll an.
Ich drehe langsam meinen Kopf in seine Richtung, setze einen sehr ernsten Blick auf sehe ihn an.
„Wusstest du, dass Kühe beste Freunde haben?"
Dann kann ich nicht anders und ich muss grinsen. Er schaut weg und antwortet:
„Nein, aber wenn du so weitermachst, suche ich mir lieber eine Kuh als besten Freund aus."
„Und das ging ins Herz wie der Hering in den Boden.", singe ich diesen erfunden Vers, als wäre ich Keigo Hayashi und würde über meine Leidensgeschichte singen.
„Du bist schlimmer als mein verstorbener Opa.", erwidert er darauf und wendet seinen Blick wieder ab.
„Wie muss ich das verstehen?", frage ich und nehme mir vor, jetzt jedem Wort genau zu lauschen. Er spricht so selten über sich und vor allem, über seine Vergangenheit.
„Er hat damals auch zusammenhangslose Reime gesungen."
„Wie kommt das?", frage ich ihn also.
„Wenn meine Oma in der Nähe war, war es ihm nicht gestattet, ein Wort von sich zu geben, das völlig aus dem Kontext oder überhaupt nicht nötig war. Aber wenn wir zusammen geschnitzt haben, dann hat er häufig nebenbei gesungen oder gesummt."
„Interessant. Du hast das Schnitzen also von deinem Opa gelernt?"
„Ja. Bevor er gestorben ist, hat er viel Zeit mit mir verbracht. Ich glaube, er war dir, auch von seiner Einstellung her, relativ ähnlich. Er hat auch versucht, das Leben, das er nie hatte, nachzuholen. Weil er der Dominanz meiner Großmutter immer irgendwie unterlegen war. Ich habe mich bei ihm auch immer wohl gefühlt."
Ich tue so, als hätte ich das ''auch'' überhört, lächle und frage dann: „Apropos, wir reden ja über deine Familie mütterlicherseits. Dass du zu deiner Mutter keinen Kontakt mehr hast, weiß ich ja. Aber wie sieht es bei deiner Oma aus?"
„Sie lebt allein bei sich. Opa ist schließlich tot und meine Mutter war ihr einziges Kind, und sie hat zur gesamten Familie den Kontakt gekappt. Mein Vater ist sehr gutherzig und möchte sie nicht sich selbst überlassen, auch, wenn sie wirklich eine Hexe ist. Aber ich habe nicht mehr viel mit ihr zu tun."
Ich nicke verständnisvoll.
„Würdest du eigentlich deine Mutter gerne noch einmal treffen wollen?"
„Definitiv nicht. Sie hat nie eine zentrale Rolle in meinem Leben gespielt und ich möchte ihr die nicht geben. Während mein Vater sich allein um mich und eine Farm kümmern musste, bei all meinen Spielen war, mit mir gelacht und geweint hat und für meine gesamte Erziehung und Bildung aufkommt, war meine Mutter nie da. Sie hat sich nie dafür interessiert, was ich gerade mache, hat sich nie gemeldet. Ihr auch nur in geringster Weise irgendeine Aufmerksamkeit zu schenken, würde ihr auch einen Wert zuschreiben, den sie für mich überhaupt nicht hat. Gegenüber meinem Vater wäre das doch Verrat. Ich will sie nicht nochmal sehen."
„Das kann ich gut verstehen. Es freut mich, dass dir nichts fehlt."
„Hey, Tendou."
„Ja?"
„In ein paar Wochen ist der Tag der Ehrung der Alten. Ich weiß, es ist vielleicht ein wenig schmerzhaft für dich, weil du keine Großeltern mehr hast. Aber würdest du mit mir zu meiner Großmutter kommen wollen?"
Ich nicke energisch. Klar möchte ich! Es gefällt mir, dass er mich mitnehmen will. Es gibt mir das Gefühl, eine zentrale Rolle in seinem Leben zu spielen.
„Ach, Blödsinn. Schmerzhaft definiere ich da anders. Ich begleite dich gern."
Dann herrscht für eine lange Zeit Stille. Na ja, zumindest spricht niemand, draußen hört man Regen prasseln und im Hintergrund läuft leise Musik. Ein stiller Moment, der Vertrauen und Verbundenheit zweier Individuen einer Population -uns- miteinander verbindet. Es dauert nicht lang, bis wir einschlafen.
Ich bin der erste von uns, der morgens wieder aufwacht. Meine innere Uhr sagt mir, dass es noch nicht allzu spät sein kann. In etwa Viertel nach sechs in der Früh. Es war nicht viel Schlaf, aber er reicht mir. Ich habe wieder viel Energie dazugewonnen, will aber Ushijima noch nicht wecken. Also stehe ich schonmal ohne ihn auf, um frische Luft zu schnappen. Der Heuboden ist ziemlich stickig und staubig.
So finde ich mich schließlich allein draußen wieder. Es ist zwar alles nass vom vergangenen Regen, aber es sieht trotzdem nach gutem Wetter aus. Auf dem Hof vor mir verteilen sich auf dem unebenen, groben Steinboden Ansammlungen von Wasser. Geradeaus steht das Landhaus, rechts von mir ist das große, tief hängende, grüne Tor, welches zur Kuhweide führt und links weitere Weide und der Weg, der daran vorbei und in Richtung Landhaus und Hühnerstall führt. Trotz des Sturms letzte Nacht erscheint die Natur um uns herum so friedlich, so unversehrt wie nach einer kurzen Dusche mit anschließendem Haare föhnen.
Ich trete langsam auf das Tor zu und lege meine Unterarme auf dem Eisentor ab, schaue einfach gen Horizont, als plötzlich eine Hand auf meiner Schulter liegt und ich mich umdrehe.
Vor mir steht Wakatoshi, natürlich, wer auch sonst. Sein Haar ist mit Strohhalmen geschmückt, auch der Rest seiner Haare steht ab. Er sieht noch verschlafen aus, schaut aber ernst wie immer. Dieser Anblick; seine entstellte Frisur in Kombination mit seinem Gesichtsausdruck ist so paradox, dass es niedlich wirkt und ich lächeln muss.
„Du siehst auch nicht gerade besser aus.", antwortet er nur darauf. Stimmt ja, das hatte ich fast vergessen. Aber mich stört die Vorstellung meiner Haare nicht, die vom Duschen sowieso noch unordentlicher sind als sonst, ohne Haargel einfach von meinem Kopf hängen und vermutlich auch einen netten Kontrast zu dem Heu in meinem Haar bilden.
„Die Sonne geht in ein paar Minuten auf. Hättest du Lust, zum Teich zu gehen und es dir anzusehen?", schlägt er vor und ich nicke lächelnd.
Zu eben genanntem Teich ist es nicht sonderlich weit, also treffen wir synchron mit der Morgensonne im Gesicht ein. Vor uns erstreckt sich eine hügelige Landschaft hinter dem Teich, der von etwas Schilf und ein paar Holzbalken umrandet wird.
Die Sonne schaut schüchtern zwischen den Wolken hervor, als müsse sie nachsehen, ob die Luft rein ist. Als würde sie sich vor der Nacht verstecken. Im See spiegelt sich die Sonne, ebenfalls ihre Umgebung. Der dunkle, rotorangene Himmel, der dann in rosa übergeht, schließlich dunkelbläulich-violett wird und dann mit dem restlichen, hellblauen Himmel verschmilzt.
„Ganz hat sich die Nacht aber noch nicht versteckt.", gibt Ushijima von sich, der seinen Blick gesenkt hat. Ich folge seinen Augen, erkenne aber nur das dunkle, knöchelhohe Gras.
„Was meinst du?"
„Schau dir das an. Die Wassertropfen vom Regen in den Grashalmen. In ihnen sieht man die Reflektion der Sonne auch. Das Gras glitzert richtig. Als würden sie die Sterne der Nacht noch in sich verstecken."
Jetzt, wo er es anspricht, sehe ich es auch. Sein Auge für Details ist nun mal um einiges ausgeprägter als das meine.
Wir stehen noch am See, bis die Sonne so weit am Himmel steht, dass es normal wird und die Umgebung plötzlich an Bedeutung verliert. Aber diesen Moment verankere ich trotzdem tief in meinem Herzen. Der Gedanke, dass das hier gleich vorbei sein wird, bedrückt mich ein wenig. Uns bleibt nicht mehr allzu viel Zeit zu zweit. Aber trotzdem würde ich dieses Wochenende als vollen Erfolg ansehen. Ich bin mir selbst dankbar, dass ich auf die Idee kam. Wenn es sich so anfühlt, ein normales, sorgloses Kind zu sein, dann habe ich in der Tat weitere, viele Tage verpasst, die vielleicht so wie diese beiden gewesen wären. Aber andererseits, hätte ich das hier jeden Tag gehabt, dann würde vielleicht dieser Moment nicht so viel bedeuten. Vielleicht ist es gut, dass es so gekommen ist. Allein, dass ich keine Sekunde als vergeudet ansehe, spricht schon dafür.
Ich schaue zu ihm, dessen Haar im Wind weht, der mit sanften Fängen die Strohhalme aus seinen Haaren zieht und die Halme fortweht. Seine oliv-braunen Augen folgen den Halmen wehmütig. Er wirkt, als wolle er hinterher. Als wolle er auch durch die Lüfte getragen werden wollen.
„Hey, Wakatoshi. Steht eigentlich das Angebot von gestern noch? Dass du mir deine Schnitzereien zeigst?", frage ich ihn, um endlich meinen Blick von ihm reißen zu können. Es tut mir weh, zu sehen, wie wehmütig seine Augen suchen. Nach Freiheit, Ruhe, Frieden. Er wirkt so einsam, obwohl ich direkt neben ihm stehe. Er wirkt trotzdem verloren.
„Klar. Wenn du meine ''kindischen Blümchen'' so unbedingt sehen möchtest."
„Hey, also das gestern war nicht böse gemeint. Ich finde es schön, dass du ein künstlerisches Hobby hast. Das ist überhaupt nicht schlimm. Und jetzt hab' dich nicht so. Sieh das nicht so ernst."
Ich boxe ihm freundschaftlich gegen die Schulter und bedeute ihm so, mit mir zu kommen. Ich bekomme Hunger und freue mich schon darauf, seine Schnitzereien zu begutachten.
Nach dem Frühstück führt er mich zu dem Ort, an welchem er seine Fantasien an dem Holz auslebt. An den Wänden des schmalen Holzschubers befinden sich Ablagen, auf welchem zahlreiche Tierfiguren, unförmige, abstrakte Skulpturen und schließlich auch besagte Blüten stehen.
„Wieso schnitzt du eigentlich gerade diese Blüten?'', frage ich ihn, als ich mir die unterschiedlichen Stücke ansehe.
„Ich drücke damit meine Gefühle aus. Jede Blume steht für etwas bestimmtes. Ich protokolliere meine Gefühle, weil ich sie nicht besser auszudrücken weiß. So sehe ich in Form von Blüten, wie sie erblühen, sich entwickeln und muss sie nicht in Form von Worten ständig aufschreiben und mich schämen, wenn ich sie wieder lese. Deshalb sind manche der Blüten noch gar nicht in ihrer Blütezeit-Gestalt geschnitzt, weil sich diese Gefühle irgendwo in meinem Hinterkopf befinden und sich noch entwickeln können.''
Mit großen Augen höre ich dem zu, was er mir erzählt. Ich kann kaum glauben, dass das wahr ist. So hätte ich ihn nicht eingeschätzt.
Ich nehme die erste Blüte von der Ablage und halte sie ihm hin.
„Und wofür steht die hier?''
„Das ist eine Gerbera. Sie steht für Unschuld und Freude, den Spaß am Leben.''
Er hatte also Spaß am Leben. Ob er den wohl noch immer hat? Ich nehme die letzte Blume, um das heraus zu finden.
„Das ist eine Begonie. Sie steht für die Wachsamkeit, ein Gefühl von Unwohlsein, Misstrauen.''
„Wem misstraust du denn?''
„Darüber möchte ich lieber nicht reden.''
Verdutzt wende ich meinen Blick ab, erblicke dabei einen Holzblock, in den bisher nur grob geschnitzt wurde.
„Und was wird das?''
Er antwortet, diesmal aber nur zögerlich: „Eine Rose.''
„Oha, ich bin zwar kein Experte, aber die stehen doch sicherlich für Liebe, oder? Ich wusste doch, dass es zwischen uns funkt.'', erwidere ich darauf, teilweise zum Spaß, teilweise aber auch, weil ich aus irgendeinem Grund Bestätigung suche.
„Die roten vielleicht. Aber tiefrote beziehungsweise schwarze Rosen stehen für Bedrohung.''
„Und welchen Anstrich willst du ihr verpassen und woher weißt du das dann?''
„Ich versuche, es herauszufinden. Für den Moment ist sie tiefrot. Aber vielleicht kommt es ja zu einer Verfärbung durch Abnutzung der Farbe und es bringt mich zu der Antwort auf die Frage, die ich mir stets stelle.''
Ist es vielleicht das, was ihn so belastet? Aber mir fehlt irgendwie trotzdem die Bestätigung.
„Wakatoshi, nun greifst du aber tief in den Topf. Ich bin doch keine Bedrohung.''
„Wenn du wirklich immer auf dich schließt, bist du dann nicht eher der, der ein zu hohes Bild von sich selbst hat? Würde ich meine Gefühle für dich ausdrücken wollen, würde ich einfach eine Narzisse schnitzen. Die beschreibt deine vermutliche Eigenliebe.''
„'Tschuldigung. Ich bin kein Narzisst und mein Bild von mir ist nicht wirklich hoch, auch, wenn das so wirkt. Ich dachte nur... Ach, vergiss es. Ich meine ja nur... Wenn du jemanden liebst, in dem du eine Gefahr siehst, dann höre auf dieses Gefühl, bevor diese Person versucht, dich zu manipulieren oder dich von ihr abhängig zu machen. Ist besser für dich, mein Freund.'' Dann klopfe ich ihm aufmunternd auf die Schulter und versuche, jetzt kein Trübsal zu blasen, nur weil ich nicht die Bestätigung bekommen habe, nach der ich gesucht habe.
Aber tief im Inneren nagt es doch an mir. Es macht mich irgendwie wütend, verletzt mich. Ich gebe nicht das Bild ab, das ich abgeben will. Es frustriert mich irgendwie, dass er so abweisend auf mich reagiert, obwohl ich mir so viel Mühe gegeben habe, um uns ein schönes Wochenende zu machen.
Aber ich habe noch weitere Tage, noch weitere Chancen, ihn dazu zu bringen, Spaß zu haben. Vielleicht spielt er ja auch nur hard-to-get. Das sähe ihm ähnlich. Und diese Reife, Stärke und Unabhängigkeit liebe ich an ihm.
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