oktopusfalle

[tako no wana = eine herzmuskelerkrankung, benannt nach einer oktopusfalle, die der herzform eines menschen ähnelt. besser bekannt unter broken heart syndrome.]

「2019年05月24日 ○ 24. mai 2019」
☆ミ金曜日 ● kinyobi ○ freitag

✎ pov。 天童 ○ pov. tendou

Ein Sonnenstrahl fällt durch die papierdünnen, durchsichtigen Vorhänge, dunkelbrauner, fast schwarzer Kaffee fließt aus der Kaffeemaschine in eine Tasse, der Geruch der gedüngten Äcker steht im Raum und mein Herz schlägt mit dem Rythmus der tickenden Uhr. Irgendwo im Hintergrund klingelt mein Handy, aber ich ignoriere es. In der Mittagspause nehme ich keine Business-Anrufe an und sonst ruft niemand um diese Zeit an.

Ich nehme die Tasse aus der Maschine und füge dem Kaffee einen Schuss Amaretto bei. Soll ja schließlich auch nach was schmecken. Außerdem kriege ich sonst später den Mund wieder kaum auf oder werde aggressiv, das würde meinem Job schaden.

Wieder klingelt es. Dutzende Augenpaare in meinem Wohnzimmer richten sich auf mich, bedeuten mir, ran zu gehen. Ganz allein bin ich schließlich nie, selbst, wenn jeder mich verlässt, die Wahnvorstellungen bleiben, sind Teil von mir, Teil meines Charakters.

,,Ihr seid wirklich aufdringlich, wisst ihr das?", frage ich die Personen, die auf meinem Sofa Platz nehmen und mir jede Gelegenheit nehmen, meinen Kaffee mit Schuss im Sitzen zu genießen.
Ich stelle die heiße Tasse also auf dem Tisch ab und gehe dann ans Handy.

,,Satori?"

Ich traue meinen Ohren nicht. Nein, viel besser, ich traue nichts und niemandem mehr. Diese Stimmen sollen aufhören, Spiele mit mir zu spielen, denn es ist nicht lustig, in zwei Realitäten zu leben und dabei zu versuchen, es sich nicht ansehen zu lassen, dass man nicht weiß, welche davon die echte ist.

Er hat sich seit sieben Jahren nicht gemeldet. Sieben Jahre sind sechs Jahre zu viel, um mich ernsthaft daran glauben zu lassen, dass er das wirklich sein könnte.
Ich falle nicht mehr darauf rein, wenn mein Unterbewusstsein mich anruft und vorgibt, Wakatoshi zu sein.

,,Such dir jemand anderen, den du belästigen kannst.", gebe ich also von mir, was natürlich unmöglich ist, aber in dem Fall die einzige Antwort, die mir einfällt.

,,Was?"
Dass man mir verdutzt widerspricht, statt eine pfiffige Antwort zu geben, ist mir neu.

,,Ich habe keine Lust mehr darauf, das ist alles."

,,Du hast also keinen Bedarf, wieder Kontakt aufzubauen?", fragt die Stimme nach einer Weile, was mich stutzig werden lässt.

,,Doch, natürlich habe ich den. Aber ich habe keine Lust darauf, dass es nicht ernst gemeint ist und ich weiterhin versauere und mich frage, was ich falsch gemacht habe, das so schlimm ist, dass es sieben Jahre Funkstille verursacht."

,,Darüber wollte ich mit dir reden. Es war nicht dein Fehler, sondern meiner. Es tut mir Leid. Ich würde dieses Problem gerne endlich aus der Welt schaffen. Wir sind erwachsene Männer, oder nicht?"

,,Du vielleicht. Du führst sicher das perfekte Leben, das für dich in Buchform geplant und gedruckt wurde. Bei welchem Kapitel bist du schon?"

,,Ich hoffe, noch nicht beim letzten."

,,Das wäre ja auch dein Ende."

,,Davon ist auszugehen."

Daraufhin folgt ein Schweigen. Kann ich der Stimme vertrauen? Ist das wirklich er, oder ist die Stimme, die mit mir spricht, kreativer geworden?

,,Satori, ich bin sicher, dass dein Leben kein so schlechtes ist."

,,Woher willst du das wissen? Du warst nicht da."

,,Ich weiß. Und es tut mir Leid. Ich wünschte, ich hätte anders gehandelt. Ich wünschte, ich würde es besser wissen."

,,Nun, du hast dir nie die Mühe gemacht, es herauszufinden."

,,Jetzt sei nicht so verbittert. Ich weiß, dass sieben Jahre eine lange Zeit sind und ich weiß, dass ich die Situation anders hätte handhaben sollen. Aber ich kann es jetzt nicht mehr ändern. Was geschehen ist, ist geschehen. Lass mich wenigstens versuchen, die Zukunft auf Grundlage der Gegenwart zu ändern, wenn die Vergangenheit bereits geschrieben steht. Denn ich bin sicher, dass ich das letzte Kapitel noch lange nicht erreicht habe, genauso wenig wie du. Ansonsten schreibe ich das Buch eben um."

Ich weiß nicht genau, was ich dazu sagen soll, also schweige ich.

,,Gib mir wenigstens eine Chance, mit dir zu reden. Ich hole dich heute Abend zum Essen ab. An der Flussmündung in der Nähe vom Maisfeld. Bist du dabei?"

Warum nicht. Wenn das hier kein Streich ist, dann ist das hier meine Chance. Wenn doch, dann werde ich es wissen und beim nächsten mal nicht mehr rangehen.

,,Okay."

,,Gut, dann sei bitte gegen halb acht dort. Wünschst du dir irgendetwas bestimmtes zu essen?"

Ich überlege kurz. Früher hatte er öfter mal für uns gekocht und am meisten in Erinnerung geblieben sind mir seine Kitsune Soba.

,,Kitsune Soba, habe ich Recht?", fragt er also, als könne er meine Gedanken lesen.

Ich bejahe dies und lege dann schließlich auf. Jetzt heißt es hoffen, dass ich mir selbst nichts vorspiele.

Auf dem Weg zur Flussmündung ist es noch hell. Es ist relativ warm, sodass ein T-Shirt gereicht hätte, aber bei meinem ersten Treffen mit Wakatoshi seit sieben Jahren wollte ich nicht so wirken, als würde ich das Ganze nicht ernst nehmen, deshalb habe ich ein weißes Hemd an. Zum Glück passe ich noch in meine Schulklamotten, denn das Hemd gehört noch meiner alten Uniform an, weil ich sonst keine so spießige Kleidung besitze.

Ich erkenne schließlich in der Nähe einer Laterne eine Gestalt, die mit meinem letzten Bild, das ich von Ushijima gespeichert habe, übereinstimmt. Und weil diese Gestalt an die Lichtverhältnisse genau angepasst wurde, bin ich sicher, dass das hier echt ist, denn meine Wahnvorstellungen wirken immer verzerrt, sind selbst hell und erkennbar, wenn es dunkel ist, aber bei ihm ist das nicht so.

,,Hey.", sagt er also und schaut mich an, ein wenig scheu, Reh-äugig.
Ich schaue weg und nicke betreten.

,,Wollen wir...?", fragt er und ich nicke wieder einfach.

Dann geht er los, Richtung Stadtrand. Das ganze wirkt so mechanisch, abgesprochen und auswendig gelernt, vor allem unangenehm.

Den ganzen Weg lang schweigen wir und sprechen kein Wort miteinander, bis wir vor der Haustür eines großen, modernen Hauses mit der Hausnummer 42 stehen. Pack ein paar Nullen dahinter und der Grundstückspreis steht geschrieben. Ich hatte fast vergessen, dass Ushijima eine Menge Geld geerbt hat.

Er bittet mich schließlich herein und ich betrete das Haus, dessen Flur allein schon größer ist als mein Wohnzimmer und meine Küche zusammen.

Ich stelle die Schuhe ab und folge dem erwachsenen, reifen Mann, der einst mein vertrauter, bester Freund war, in das Esszimmer, dessen Tisch bereits für zwei Leute gedeckt ist.

,,Setz dich ruhig und nimm dir so viel wie du möchtest, es ist genug da."

Ich zögere nicht lange und lade mir das Essen in die Schüssel. Ich bin höflich und warte, bis auch er etwas hat. Dann nehme ich den ersten Bissen und warte, bis er zuerst etwas sagt, schließlich empfängt er mich. Aber schon beim ersten Bissen merke ich, dass etwas nicht stimmt.

,,Das hast du nie im Leben selbst gekocht."

In dem Moment schwingt eine Tür auf und ein kleines Mädchen rennt aus dem nun geöffnetem Raum.

,,Papa!", ruft sie glücklich und rennt auf Wakatoshi zu.

Papa.
Dieses Wort rammt sich wie ein Messer in mein Herz.
Ushijima Wakatoshi, mein einst bester Freund, den Kinder immer gefürchtet haben, ist Vater geworden?

Mit leerem Blick schaue ich das Mädchen an, das kein Bisschen Ähnlichkeit mit ihm hat. Auf ihren Schultern liegt schwarzes Haar und in meine Augen bohrt sich ein Blick, der pure Freude und Liebe ausstrahlt, etwas, das Ushijimas Augen niemals ausgestrahlt haben. Das Mädchen hat stahlblaue Augen und ich würde sie auf vier bis fünf Jahre einschätzen.

,,...Papa?", frage ich also vorsichtig, mit klopfendem Herzen. Noch habe ich Hoffnung.

,,...Ja. Tendou, das ist Chikara, Kunoris und meine gemeinsame Tochter. Ich bin tatsächlich seit fünf Jahren Vater."

Wie gerufen tritt nun auch eine Frau durch die Tür, die freundlich, aber auch etwas peinlich berührt aussieht. Sie hat hellbraunes Haar, das sie locker in einen- ich glaube, es heißt Dutt und nicht Bommel- zusammengebunden hat, und braune Augen.

,,Guten Abend. Tut mir Leid, ich habe nicht gemerkt, dass sie weggelaufen ist."

,,Schon gut. Ich wollte Satori sowieso gerade von euch erzählen.", gibt er von sich, aber man sieht ihm an, dass er das nicht wollte. Wäre Chikara nicht einfach aus dem Zimmer gerannt, hätte er mir seine Familie sicher verschwiegen.

,,Um auf deine Frage zu antworten, du hast Recht, meine Frau hat gekocht."

,,Oh, das ist dir aufgefallen? Schmeckt es dir nicht?", fragt Kunori panisch.

Doch, das tut es schon, auch, wenn es nicht dasselbe ist. Aber die Worte "Papa" und "Frau" stecken so tief in meinem Herzen, dass es mir die Brust zuschnürt.
Es tut so weh, das zu sehen. Wenn ich damals in der Mittelschule ein Auge auf jemanden geworden hatte, diese Person aber schon einem anderen versprochen war, tat es nur kurz weh. Aber zu sehen, dass er nicht nur jemand anderen, eine Andere, hat, sondern mit dieser Person verheiratet ist und sogar ein Kind von ihr hat, ist ein Schmerz, den ich noch nie zuvor gespürt habe.

Am liebsten würde ich jetzt einfach sagen, dass es scheußlich schmeckt, die Stäbchen auf den Tisch knallen und gehen, aber ich kann nicht. Meine Hände greifen zitternd nach der Flasche mit dem Shochu-Schnaps und ich fülle das Glas fast bis zum Rand, um es dann mit wenigen Schlücken zu leeren.

,,Lecker.", ist alles, was ich dazu sagen kann, bevor mein Blick sich vom Teller hebt und ich beginne, die drei zu mustern.
Die Kleine mit ihrem stahlblauen Blick, in dem so viel Liebe und Freude geschrieben steht. Auch wenn ich mich dafür hasse, würde ich lügen, wenn ich sagen würde, dass ich keine Mordgedanken hätte, wenn ich sie so sehe. Genauso wie ihre Mutter, die mich so ansieht. In ihren Blicken liegt keine Boshaftigkeit, im Gegenteil. Aber ich bin mir sicher, dass in meinem gerade nur purer Schmerz und Hass zu sehen sind.

,,Ich freue mich für euch, ehrlich. Hübsch sind sie. Seid ihr. Wie auch immer. Langer Tag heute, ich sollte jetzt gehen."

Tendou Satori, der perfekte Schauspieler.

,,Warte, halt. Wir haben uns noch gar nicht unterhalten!"

Ich drehe mich trotzdem um, ohne das Essen noch eines Blickes zu würdigen, ohne seiner Familie noch einmal meinen Augenkontakt zu schenken.

Das hier hat nichts mehr damit zu tun, dass ich ihm dieses Glück nicht gönne, eine Familie zu haben. Das hier ist nur in etwa der schlimmste und schmerzhafteste Anblick, der sich mir jemals geboten hat.
Ich muss dieses Haus verlassen, bevor ich anfangen muss, zu weinen.

,,Tendou, jetzt warte. Ich wollte dich nicht eifersüchtig machen."

,,Eifersüchtig?!"
Ich drehe mich schlagartig um, stehe schon fast in der Tür. In meinem Blick liegt derselbe Hass wie damals, als ich Ushijima vor seiner Großmutter zu verteidigen versucht hatte.

,,Ich wünschte, dein Kind wäre nie geboren worden und ich wünschte, deine Frau währe beim Akt erstickt! Das hier hat nichts mehr mit Eifersucht zu tun. Du magst eine perfekte Familie haben und glücklich sein, aber ich bin es nicht. Und merk dir eins: Das hier zu sehen ändert nichts, rein gar nichts daran, dass du mich so tief verletzt hast, wie kein anderer es je hat. Wag es nicht, zu glauben, was ich fühle. Wag es nicht, mich je wieder anzurufen. Ich gönne dir dein Glück, aber wag es nicht, mir dein perfektes Leben beweisen zu wollen, wenn du dir niemals dir Mühe machen würdest, etwas zu meinem beizutragen."

Damit schmeiße ich die Haustür ins Schloss und renne wutentbrannt und mit Tränen in den Augen den Weg entlang. Vorbei an den ganzen Häusern der Reichen, die sich ihr ach so perfektes Leben vorlügen und sich am Leid anderer aufgeilen, weil sie selbst keine Probleme zu haben scheinen.

Vielleicht stelle ich mich zu sehr in die Opferrolle, aber wenn ich niemand anderem die Schuld gebe, dann muss ich sie selbst tragen. Und ich bin nicht bereit, nach sieben Jahren Leid und meinen neuen Erlebnissen gerade auch noch die Last dieser Schuld zu tragen.
Ich wünschte, ich wüsste, wie man ein gebrochenes Herz wieder ganz machen kann, aber das tue ich nicht. Nach heute Abend ist es vielleicht sogar geviertelt und nicht nur einmal halbiert. Und ich werde nicht zulassen, dass dieselbe Person, die mir das angetan hat, es auch noch achtelt, denn in je kleinere Teile es auch bricht, desto schwieriger wird es, das Ganze auch wieder zusammenzufügen, falls das jetzt überhaupt noch geht.

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