gemeinsam
「2029年08月26日 ○ 26. august 2029」
☆ミ日曜日 ●nichiyobi ○ sonntag
✎ pov。 天童 ○ pov. tendou
Es ist zwar schon hell in meinem Zimmer, als ich von einem regelmäßigem Klackern wach werde, jedoch habe ich trotzdem das Gefühl, dass es noch relativ früh sein muss. Deshalb schließe ich die Augen wieder und will mich umdrehen, jedoch hört das Geräusch nicht auf. Ich kenne mich selbst sehr gut und weiß, dass ich mich nicht gut auf etwas konzentrieren kann, wenn etwas anderes meine Aufmerksamkeit erregt hat, weshalb ich für mein Gewissen erst nachsehen muss, woher das Geräusch kommt und wie ich es loswerde.
Meine erste Vermutung ist die Heizung unter dem Fenster, schließlich machen Heizungen ständig irgendwelche Geräusche. Als ich jedoch davor stehe, klingt es nicht so, als würde das Geräusch von dort kommen, eher, als würde es von vor mir kommen. Ich bin viel zu müde, um zu begreifen, dass es von draußen kommen muss, weshalb ich erst viel zu spät realisiere, dass immer wieder Steinchen gegen meine Scheibe geworfen werden.
Genervt reiße ich also das Fenster auf Kipp, um runter zu brüllen, welcher Idiot auf die Idee kommt, mir die Scheiben halb einzuschlagen, jedoch erblicke ich draußen keinen Jugendlichen, der es lustig findet, die Psychos in der Klapse ein bisschen zu ärgern, sondern nur einen Mann in etwa meinem Alter, der noch dazu im Rollstuhl sitzt. Bei genauerem Hinsehen kommt er mir sogar irgendwoher bekannt vor... Wer ist das und woher kenne ich ihn? Da fällt es mir plötzlich wie Schuppen von den Augen.
Ich lasse sofort alles stehen und liegen, öffne die Tür zu meinem Zimmer, weiche einem Patienten aus, der bereits auf dem Weg zum Frühstück ist und stürze mich die Treppen, so schnell es geht, herunter. Auf dem Weg werde ich von Personal gefragt, was ich da tue, also entgegne ich einfach, dass ich gerne etwas auf dem Gelände spazieren gehen würde, schließlich ist es erlaubt, raus zu gehen, sofern man auf dem Gelände bleibt. Ich stoße also die Tür auf, biege um die Kurve und erblicke dann den Mann, welchen ich auch vom Fenster aus gesehen hatte.
„Wakatoshi?", rufe ich noch aus der Ferne, bevor ich überhaupt den Parkplatz betrete.
„Satori?", antwortet er, hebt seine Arme und umfasst die Antriebsräder, um mir entgegenzukommen.
Doch bevor er sich abstößt, bin ich bereits bei ihm, komme zum Stehen, verliere das Gleichgewicht, zudem meine Knie auch zittern und zu weich sind, um mich beim Stehen zu unterstützen, und lasse mich dann auf die Knie sinken.
Ich kann in diesem Moment überhaupt nicht realisieren, dass er da vor mir steht. Ich meine, klar kann ich das, sonst wäre ich nicht hier, aber ich bin so überrascht und so unvorbereitet, dass ich gar nicht richtig weiß, was ich sagen soll. Ich kann nur sagen, dass es sich richtig anfühlt und dass ich in diesem Augenblick nicht glücklicher sein könnte. Vor Freude treten mir Tränen in die Augen und weil ich nicht will, dass er das sieht, lege ich meinen Kopf auf seinem übrigen Oberschenkel ab.
Er legt seine Hand auf meinem Kopf ab und streichelt mir über die Haarstoppeln. Ich spüre das Zittern in seinen Fingern und das Beben seiner Schultern, wenn sein Körper zusammenzuckt. Auch er scheint weinen zu müssen, weshalb ich es auch nicht länger zurückhalten kann.
„Du hast ja gar keine Haare mehr", presst er heraus, vermutlich um irgendetwas sagen zu können, damit es nicht so unangenehm wirkt.
„Und du sitzt im Rollstuhl", erwidere ich und würde mich am liebsten für diese Ausdrucksweise schlagen, so sehr beschämt es mich, einfach das erste ausgesprochen zu haben, das mir einfiel, aber er lacht stattdessen einfach darüber und merkt an: „Und du hattest auch mal mehr Arme als nur einen."
Nach einer längeren Ruhepause frage ich ihn schließlich, woher denn der Sinneswandel kommt, dass er sich doch entschieden hat, her zu kommen.
„Die schwarze Rose ist rot geworden.", antwortet er und ich verstehe sofort, was er meint. Wie könnte ich es auch vergessen, wenn es mich damals so verletzt hatte, zu wissen, dass er von mir sprach, als es darum ging, dass er sich von diesen Gefühlen bedroht fühlte?
„Aber hättest du mir nicht geschrieben, wäre ich das sicher nicht. Ich danke dir, Satori."
„Oh man, seit wann bist so so gefühlvoll?", frage ich ihn, der mir als strategischer Eisklotz in Erinnerung blieb und jetzt vor mir die Tränen wegwischt.
„Seitdem ich realisiert habe, wo ich im Leben stehe und meine wahre Bestimmung kenne."
„Und was ist deine wahre Bestimmung?", frage ich, aus Angst, was jetzt kommt, schließlich hat die Antwort auf diese Frage uns schonmal auseinander gebracht.
„Die gibt es nicht. Ich meine, die gibt es bestimmt, aber sie ist für jeden individuell und selbst bestimmbar. Ich muss meiner Bestimmung keinen Namen geben. Wenn ich ein Leben lebe, ohne zu bereuen, dann gehe ich bereits der Bestimmung nach, die ich für richtig halte.", antwortet er und als er das sagt, hebe ich das erste Mal wieder meinen Kopf, um sein Gesicht zu sehen.
Auf diesem ist aber ein Lächeln, wie ich es noch nie von ihm gesehen habe.
„Du hast ja Grübchen.", merke ich an und muss selbst grinsen. Die hätte man natürlich auch nicht bemerken können, wenn er nie lächelt.
„Und du hast schon Lachfalten.", entgegnet er darauf und hält sich dann einen Arm vor den Mund, um die Grübchen zu verstecken, aber ich greife sein Handgelenk, um ihn davon abzuhalten.
„Du musst sie nicht verstecken. Sie stehen dir."
Als ich meinen Blick abwende und dieser auf den Arm fällt, den ich ergriffen habe und noch immer halte, bemerke ich die Narbe, die sich darauf erstreckt, und ich spüre sofort, wie das Lächeln auf meinem Gesicht verschwindet.
Diese Narbe muss entstanden sein, als er sich gewehrt hatte. Meine Erinnerungen an den Tag sind nur noch schwammig, da die Persönlichkeit, die mich an dem Tag gesteuert hatte, sich ja bereits von mir abgespalten hatte. Dennoch tut es weh, zu wissen, dass er nun für immer gebrandmarkt ist.
„Lass uns nicht mehr darüber reden, Satori. Es tut uns beiden nicht gut.", sagt er; vermutlich hat er gemerkt, dass es mich verletzt hatte. Ich nicke zustimmend, habe aber dennoch eine Frage.
„Wie kommt es eigentlich dazu, dass du...?"
„Im Rollstuhl sitzt?", beendet er meine Frage.
„...Ja. Natürlich nur, wenn du darüber reden möchtest."
„Durch den Brand sowie durch die Stichwunde waren die Blutgefäße in einem Bein irreparabel, weshalb man es mir amputiert hat."
„Oh...", antworte ich und senke meinen Blick. Obwohl ich weiß, dass es nicht meine Schuld war, bedauere ich es natürlich trotzdem.
„Und dein Arm?", fragt er vorsichtig zurück. Also reden wir wohl doch über dieses Thema...
„Die Explosion...", antworte ich kurz.
„Wieso eigentlich das mit den Haaren? Sie zu stylen, war doch immer deine größte Leidenschaft...", fragt er; er scheint zu merken, dass ich nicht gerne über Geschehenes rede und lenkt schnell ab.
„In der Geschlossenen gab es keine Scheren und ich konnte sie nicht schneiden. Sie waren mir irgendwann fast schulterlang und haben mir überall im Gesicht rumgekrebst. Deshalb habe ich entschieden, einfach alles abzuschneiden."
„Ich verstehe.", antwortet er und schaut gen Himmel.
Es wird wohl bald anfangen, zu regnen.
„Wie soll es jetzt mit uns weitergehen?", spreche ich also das Thema an, das mich die ganze Zeit über schon beschäftigt.
Ich habe eine riesige Angst davor, dass das hier das letzte Mal ist, dass wir uns sehen, dass es das große Lebewohl darstellen soll.
„Ich weiß es nicht. Ich kann es ehrlich nicht sagen."
„Wir müssen uns nicht gleich an Ort und Stelle lieben, es reicht mir, wenn wir mit der Zeit einfach wieder zusammenfinden. Aber bitte, beantworte mir eine Frage. Werden wir uns hiernach wieder sehen?"
In diesem Augenblich beginnt es schließlich, in Strömen zu regnen, jedoch hält es niemanden von uns Beiden davon ab, hier zu verharren.
Beim letzten Regen, den wir gemeinsam erlebt haben, ließ er mich allein im Sommerregen stehen, mitten im Zentrum der Weide, während um mich herum alles zusammenbrach.
Als würde er meine Gedanken lesen können, Greift er mein Handgelenk, schaut mir tief in die Augen, und sagt:
„Ich kann dir nicht sagen, wie die Zukunft aussieht und was sich wie schnell entwickeln wird. Ich liebe dich aber immer noch und ich werde dich kein weiteres Mal allein stehen lassen. Es ist nicht wichtig, was wir jetzt tun, weil es sich alles ergeben wird. Wir sollten das tun, was sich richtig anfühlt. Und es fühlt sich richtig an, bei dir zu sein. Ich werde dich kein weiteres Mal aufgeben. Ich verspreche dir, dass wir uns wiedersehen werden."
Dann lässt er mein Handgelenk los.
„Und was jetzt?", frage ich, jetzt, wo er mir versprochen hat, bei mir zu bleiben und mich nicht zurück zu lassen.
„Ist doch völlig egal. Wir können etwas gemeinsam essen gehen, spazieren gehen, hier stehen bleiben, was auch immer. Es gibt ganze 17 Jahre nachzuholen. Lass uns von hier weggehen. Na ja, gehen ist relativ. Aber im Ernst, lass uns verschwinden, diesen Ort für einen Augenblick zurücklassen. Lass es uns so tun, wie früher, als wir versucht haben, unsere Kindheit nachzuholen. Es ist mir sowas von egal, was wir tun, sofern wir es gemeinsam tun."
„Gemeinsam?"
„Gemeinsam. Wir könnten in den Wald, Maiskolben von den Nachbarn klauen, in die Bahn steigen und irgendwo zufällig wieder aussteigen. Lass uns diese schreckliche Vergangenheit mit neuen Erinnerungen überschreiben. Wir existieren zur selben Zeit im selben Universum. Lass uns das kein weiteres Mal zerstören, Satori."
Gebannt höre ich seinen Worten zu, denke gar nicht darüber nach, wie realistisch und wie unwahrscheinlich seine Vorschläge jeweils sind, allein diese Möglichkeiten zu hören, beweist mir, dass wir noch so viel Zeit haben. Es war immer meine größte Angst, dass eine so große Kluft zwischen uns entstehen würde, dass niemals wieder alles normal zwischen uns sein würde. Aber ihm einfach zuzuhören, hier im Regen zu stehen und mich nicht darum zu kümmern, was um uns herum passiert, fühlt sich an, als wäre alles wie früher, als wäre nie etwas gewesen. Als wären diesen gesamten 17 Jahre, mehr als 6200 Tage, einfach für einen kurzen Augenblick ausgelöscht worden.
Was bringt es uns auch, weiterhin Trübsal zu blasen, wenn wir darüber hinweg sehen können und diesen Teil unserer Geschichte lernen, zu akzeptieren? Es gibt in jedem Buch Kapitel, in dem die Figuren leiden, aber es gibt immer die Aussicht auf ein gutes Ende. Normalerweise liegt das beim Autor, aber wir haben die Fähigkeit, unser Leben selbst in die Hand zu nehmen. Wie auch immer es ausgehen mag, wir werden es versuchen und an den Prozess glauben.
Wir würden es versuchen, gemeinsam. Selbst, wenn die Barrikade zwischen Erfolg und Misserfolg papierdünn ist.
Es sind keine verschwendeten 17 Jahre und wir sollten niemals einen Prozess anhand des Ergebnisses bewerten.
Es ist alles so gekommen, wie es kommen sollte.
All das hat uns nur den Weg für das geöffnet, was wir ab jetzt selbst in die Hand nehmen wollen, und das ist die Zukunft. Natürlich können wir sie nicht steuern oder kontrollieren, aber wir können versuchen, sie in eine bestimmte Richtung zu lenken.
Gemeinsam.
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