🖤50

Da von der Regierung die Social-Distancing-Empfehlung verlängert wurde und viele Geschäfte auch weiterhin geschlossen bleiben müssen, bleiben auch bei unserem Arbeitgeber die Coronaregeln bestehen. Das bedeutet, es ist noch länger Home Office angesagt. Und ich werde noch länger bei Inho wohnen.

Insgeheim habe ich mir ein bisschen Sorgen gemacht, dass ich nach zwei Wochen, die nächsten Dienstag vorüber wären, wieder ausziehen soll. Vielleicht sollten wir mal drüber reden, wie er sich das eigentlich vorstellt, wie es weitergehen soll. Aber fürs erste bin ich froh, dass alle drei Hwangs davon auszugehen scheinen, dass ich hierbleibe.

"Nur noch den Milchreistag überstehen, dann ist Wochenende!", seufzt Inho beim Kochen. Die Kinder hatten heut keine Lust mitzumachen und spielen Autorennen im Kinderzimmer.

"Du, Inho..."

"Mhm?" Er rührt weiter im Milchreis und blickt erst auf, als ich nah an ihn herantrete.

"Wie lange darf ich eigentlich bleiben?", frage ich ernst.

Inho läuft rot an und schaut weg. Ich runzele irritiert die Stirn. Er räuspert sich. "Naja", murmelt er, "das ist... wir hatten gesagt, vorläufig, aber... ich weiß nicht genau... wie lange du magst?" Er räuspert sich erneut.

"Ich möchte gern noch bleiben", sage ich und er nickt.

"Die Sache ist die... du hast ja deine eigene Wohnung mit deinem ganzen Kram, und ich bin vor kurzem erst umgezogen mit den Kindern und mag eigentlich nicht schon wieder... aber drüber nachgedacht habe ich schon, wie das wäre, wenn... naja...", druckst er herum und wirft einen Blick auf den Wandkalender. "Aber wir wohnen ja auch noch gar nicht lange zusammen, sind das echt erst zwei Wochen? Also, nicht ganz... aber fast. Du meine Güte. Es kommt mir irgendwie so viel länger vor."

Ich überlege, was das bedeutet, was er gesagt hat. Er denkt doch nicht etwa darüber nach, fest zusammenzuziehen? Jetzt schon? Wobei es mich auch überrascht, dass er überhaupt daran denkt. Mir wird ganz warm ums Herz.

"Jedenfalls wär es aber auch irgendwie unsinnig, wenn du umsonst Miete zahlst, weißt du? Also ich hab echt keine Ahnung, wie wir das machen wollen... wie siehst du das?", fragt er und sieht mich unsicher an.

"Ähm", mache ich. Seinen Gedanken komme ich grad nicht hinterher, da sie mich so überraschen. "Also... lass mich kurz nachdenken, ja?"

"Ist gut." Inho nickt und rührt nochmal um. "Magst du Tisch decken?", fragt er und geht auf mein Nicken hin aus der Küche. "Ich geh den Kindern Bescheid sagen."

"Okay." Wir führen das Gespräch einfach später weiter.

Teddys Tischgebet dreht sich um die Familie und dass alle Milchreis lieben sollen, weil Milchreis das allertollste Essen ist. Nun, das ist Geschmackssache, den Gesichtern nach zu urteilen teilen nicht alle am Tisch diese Meinung, sagen aber nichts dazu außer: "Amen."

Während die Kinder Mittagsschlaf machen, arbeiten Inho und ich, er im Bett und ich am Schreibtisch. Man hört nur das Klicken meiner Maus und das Klackern seiner Tastatur. Er schreibt bestimmt wieder wichtige Mails. Dinge organisieren und kommunizieren und Leuten virtuelle, höfliche Arschtritte verpassen sind seine Hauptaufgaben. Ohne ihn würden manche Aufgaben überhaupt nicht vorangehen, weil sich keiner drum kümmert.

Eine Dreiviertelstunde später reckt und streckt er sich und gähnt. "Ich geh mal die Babys wecken, oder magst du?"

"Lass zusammen gehen."

Leise öffnen wir die Tür und spähen hindurch. Momo, der mit seinem Kuscheldino hantiert, blickt sofort lächelnd zu uns. Teddy liegt halb unter der Decke vergraben quer im Bett. Die Füße und der Po gucken raus.

"Ist schon Spazierengehzeit?", freut sich der Knirps. Ich nicke und passe auf Dinolein auf, während er sich anzieht und Inho den kleinen Schatz wachküsst. Verschlafen reibt sie sich die Augen und grummelt. Sie freut sich aber auch auf die tägliche Toberunde um den Block.

"Wir gehen heut mal ganz woanders lang", verkündet Inho, als wir alle unsere Jacken und Schuhe anziehen.

"Ooohhh, eine ganz neue Strecke? Wo gehen wir denn hin?"

"Neiiin!" Teddy wirkt nicht so begeistert wie ihr Bruder.

"Das wird schön, du wirst sehen!", verspricht Inho. Wir laufen nicht immer exakt dieselbe Strecke entlang, aber die Route, die er heute einschlägt, sind wir tatsächlich noch nie entlanggelaufen. Aufgeregt bleiben die Kinder aller drei Schritte stehen, um beispielsweise die Grashalme am Wegesrand so genau zu inspizieren, als hätten sie noch nie welche gesehen. Für mich sehen die nicht anders aus als die auf unseren anderen Routen, aber durch Kinderaugen wirkt die Welt ganz anders. Alles ist höchst spannend, wenn man sich nur dafür interessiert.

Nach einer halben Ewigkeit kommen wir an einem kleinen Spielplatz an, den die Kinder sofort stürmen und auf dem Holzkrokodil herumturnen.

Inho und ich setzen uns daneben auf die Bank, die aus einem halben Holzstamm besteht, und schauen ihnen zu. Teddy rutscht ab, rappelt sich aber wieder auf und klettert weiter. Scheint nicht wehgetan zu haben.

"Also...", meint Inho leise, "hast du schon nachgedacht?"

"Worüber?", frage ich, bevor mir einfällt, was er meint.

"Über...", fängt er leise an und verliert den roten Faden, als er in meine Augen blickt. Seine sind voller Unsicherheit.

"Du hast schon recht, ich wüsste nicht, wohin mit meinem Zeug, und ich find es ehrlich gesagt unsinnig, so früh fest zusammenzuziehen, ich meine, wenn du gerade erst umgezogen bist... und es kann ja immer sein, dass ich dir doch irgendwann auf den Sack gehe oder so..."

"Mhm...", überlegt er. "Ich finde aber, es funktioniert echt gut. Wir werden ja noch eine Weile eng aufeinanderhocken wegen Corona und Home Office und so, und es kann immer sein, dass einem von uns vieren die Decke auf den Kopf gibt und es Stress gibt. Aber eigentlich passen wir alle echt gut zusammen. Ich kenne auch ein Pärchen, die waren schon zehn Jahre zusammen, bis sie endlich in eine gemeinsame Wohnung gezogen sind... und kurz darauf haben sie sich getrennt."

"Oha?"

"Japp, und ich denke, da das bei uns schon von Anfang an so gut klappt, weiß man, dass es harmoniert und sicher auch später noch so ist, oder?"

"Ja, das ist ein guter Punkt."

"Aber du hast schon recht, lass noch ein paar Wochen ins Land ziehen." Seine Stimme wird immer leiser. Dass er weint, merke ich erst, als ich meinen Blick von Momo und Teddy löse, die gerade im Kies wühlen.

Erschrocken lege ich meine Arme um ihn. Wie kann man denn so lautlos weinen?? Er wischt sich die Tränen ab und legt seine Hand auf mein Bein. "Ich hab nur Angst, dass du doch irgendwann in dein altes Leben zurückwillst. Ohne mich. Ohne die Kinder. Du hättest ja das Recht und die Möglichkeit dazu", erklärt er.

"Will ich aber gar nicht", versichere ich. "Selbst wenn ich in meine Wohnung zurückkehren würde, würde ich ständig vorbeikommen oder mich wenigstens melden und euch vermissen."

Inho nickt und wischt die letzten Tränchen aus seinen Augenwinkel. "Ich liebe dich", sagt er.

Oha.

Ich drücke ihn fest. Es überrascht mich jedes Mal, wenn er das sagt. So voller Ernst und Aufrichtigkeit.

"Ich liebe dich auch."

Er lächelt und lehnt sich an mich. "Weißt du... Mir kommt es wahrscheinlich nur deswegen so lange vor, weil wir 24/7 daheim sind und uns die ganze Zeit sehen", sinniert er.

"Ja, das kann durchaus sein. Ich mein, andere Paare sehen sich am Anfang der Beziehung vielleicht zweimal pro Woche für wenige Stunden? Und arbeiten sicher auch nicht zusammen", überlege ich.

"Mhm." Es wundert mich, dass er sich so sicher ist, dass er mit mir zusammenleben will, weil er am Anfang irgendwie nicht so dafür war und ich mich kaum getraut habe zu fragen. Jetzt bin plötzlich ich derjenige, der zu zögern scheint, obwohl ich heut früh noch dieselben Sorgen hatte ihn womöglich irgendwann zu verlieren. Ich nehme seine Hand und drücke sie.

"Ich möchte auf jeden Fall noch bleiben und aktuell nichts zwischen uns ändern."

"Gut." Inho lächelt und drückt meine Hand. Ich kann echt froh sein, einen gutbezahlten Job zu haben, der in der aktuellen Lage nicht beeinträchtigt ist. Denn dadurch macht es mir nichts aus, Miete für meine Wohnung zahlen zu müssen, obwohl ich sie aktuell gar nicht nutze. Unsinnig ist das schon, aber vielleicht fällt mir bei Gelegenheit eine Lösung ein.

Wir lassen die Kinder noch eine Weile spielen und schauen ihnen in angenehmem Schweigen zu, bevor wir uns auf den Rückweg machen.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top