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Vorsichtig öffne ich die Schlafzimmertür. Ich hab Lust Inho beim Arbeiten zu stören. Er sitzt im Bett, an die Wand gelehnt, mit Headset auf, und lächelt mich an, sobald er mich sieht. Automatisch erwidere ich das Lächeln.

Da sein Schoß belegt ist, sein Laptop steht dort, lege ich mich neben ihn. Meine Beine schlinge um seine Beine.

"Hab gleich Meeting", informiert er mich leise. Ich nicke. "Nein, nein, nicht die Kinder, und ja, ich hab welche", lacht er dann in das Mikro seines Headsets. Er könnte sich ja stummschalten, während er mit mir redet, aber die eine Hand hat er bequem hinter seinem Kopf verstaut und die andere hinter meinem. Sanft krault er meinen Nacken. "Was machen die Kleinen?", fragt er mich.

"Bauernhof spielen."

"Ach schön! So, ich schau mal auf die Teilnehmerliste. Zwei fehlen noch. ... Ja, ich find Home Office klasse! Ich bin so produktiv und muss dafür nichtmal aufstehen. ... Bei Alleinerziehenden stelle ich mir das auch schwierig vor. Bei mir geht's, mein Partner und ich wechseln uns da ab, da stören die Kinder eigentlich nicht. ... Hahaha! Da hast du recht, wenn sie mucksmäuschenstill sind, weiß man, dass sie gerade was anstellen. ... Ich hör sie spielen und lachen, also alles gut. So, hallo Soyeon! Jetzt sollten alle, die einen Redebeitrag haben, da sein."

Da nun das Meeting richtig losgeht, höre ich nur noch mit halbem Ohr hin. Es geht um ein Projekt, in dem ich nicht involviert bin, Inho betreut ja mehrere. So kann ich einfach dösen und seine Kopfmassage genießen, bis ich merke, dass ich wirklich einnicke. Zeit aufzustehen und nach den Kindern zu sehen.

Inho zieht eine traurige Schnute, als ich gehe. "Bin gleich wieder da", kichere ich. Ein kurzer Blick ins Kinderzimmer reicht. Die Knirpse spielen angeregt mit den Bauernhoftieren, für die sie mit Bauklötzern ein Gehege gebaut haben. Sie bemerken mich gar nicht, also verdrücke ich mich wieder, bevor ich sie störe. Ich mache noch einen Abstecher aufs Klo, dann kehre ich zurück ins Bett und mache neben meinem Liebsten ein Nickerchen.

Geturne weckt mich. Momo und Teddy klettern über uns beide drüber und machen es sich bequem. Inhos Meeting ist in den Endzügen. "Jetzt liegt die ganze Familie im Bett", lacht er ins Mikro. "Ja, euch auch eine produktive Woche! Tschüüüss." Er nimmt das Headset ab und streckt sich.

"Was gibt's zum Mittag, Papsi?"

Inho setzt zur Antwort an, wird aber von Teddy unterbrochen: "Sisotto!" Gemüserisotto mit Erbschen und Mörchen. Das hatte sie sich gestern schon gewünscht.

"Achja, stimmt. Heut ist ja Teddytag", erinnert sich ihr Brüder. "Und was magst du morgen?"

"Was kann Inho denn alles kochen?", versuche ich mir Inspiration zu holen, bekomme aber keine hilfreichen Antworten.

"Alles!", sagen die Kinder.

Ich überlege. "Mhh... Tteokbokki?"

"Das ist eins von Pyopyos Lieblingsessen!", meint Momo und fragt: "Scharf oder nicht-scharf?"

"Nein!" Seine Schwester ist offenbar für letzteres.

"Ich mach beides", entscheidet Inho. "Dazu Suppe und Rettichkimchi."

"Soll ich noch einkaufen fahren?", biete ich an.

"Das wär toll! Dann schreibe ich dir einen Einkaufszettel, ja?"

Ich nicke. "Dann fahr ich nachmittags los."

"Können wir mit?", fragt Momo.

"Das muss aktuell nicht sein. Hyunuk fährt allein."

"Och."

Inho fragt weiter: "Was wollt ihr sonst noch essen?"

"Milchreis und Ballis", möchte Teddy. Ich sehe Inho und Momo innerlich seufzen.

"Einmal Kimchipfannkuchen mit Gespenstersuppe und einmal Bibimbap mit Rind", sucht Momo sich aus.

"Bulgogi und Jjimdak", wünsche ich mir.

"Bulgogi gegrillt mit Reis oder als Eintopf?"

"Mir egal."

"Gut. Wir haben übrigens auch einen Tischgrill."

"Echt?", freue ich mich.

"Jaaa!", sagen die Kinder.

"Den können wir gern mal benutzen. Für Rippchen oder Schweinebauch, wenn du magst."

"Oder Barbecue?"

"Gern. Das könnten wir dieses oder nächstes Wochenende machen."

"Jaa, wie toll!"

"Was magst du eigentlich essen?", erkundigt sich der Knirps bei Inho.

"Überleg ich mir noch, wenn ich den Einkaufszettel schreibe. Jetzt koche ich erstmal. Wer macht mit?"

"Ich!", ruft die Kleine.

"Muss ich?", fragt ihr Bruder unwillig. Er findet Gemüserisotto zubereiten langweilig, weil es da nicht viel zu tun gibt außer gelegentlich umrühren.

"Nö." Inho reicht mir den Laptop und klaubt die Geschwister von seinen Beinen, damit er aufstehen kann. Mit Teddy auf der Hüfte begibt er sich in die Küche, Momo geht unterdessen das Kinderzimmer aufräumen.

Inho lässt Teddy die Zutaten und Kochutensilien aus den Schränken holen, wobei sie manchmal auf einen Stuhl steigen muss und ich sie dabei beaufsichtigen darf. Unterdessen schält und schnibbelt er eine riesige Zwiebel, von der uns allen die Augen brennen, und zwei Möhren. Diese Gemüsesorten sind für Teddy zu hart, in ihrem Alter darf sie nur weiches Obst und Gemüse schneiden. Andere Eltern würden ihren Kindern nicht einmal in Momos Alter ein Messer in die Hand geben, aber Inho findet es gut, wenn sie das lernen und alles mitmachen dürfen - aber nur unter Aufsicht. Alleine dürfen sie nicht mit scharfen Gegenständen hantieren und sie hören auch darauf. Wenn Teddy beispielsweise ein Stück Apfel möchte, holt sie einen Erwachsenen dazu. Ich bin immer fasziniert, wie gut das klappt. Meine Geschwister und ich waren glaub nicht so brav.

"Mein Schatz", meint Inho, als er fertig ist und aufblickt. Teddy und ich antworten beide mit: "Ja?" Inho lacht. "Ich meinte den kleinen Schatz."

Teddy protestiert und findet, dass sie inenndrin auch ein großer Schatz ist. "Ich weiß", säuselt er. "Möchte mein kleiner großer Schatz die Zwiebeln in die Pfanne machen?"

"Jaaaa!" Sie nickt und er hebt sie hoch. Inho trägt Teddy zum Herd und sie trägt die Zwiebelschlüssel. Vorsichtig schüttet sie den Inhalt hinein und patscht noch mit den kleinen Händchen in der Schüssel herum, damit alle Zwiebelstückchen ihren Weg in die Pfanne finden. Nun soll sie ihre Hände waschen, während Inho Öl in die Pfanne gießt und den Herd einschaltet, dann darf sie umrühren, damit alles sich gut verteilt. Gleichmäßig sieht anders aus. Aber macht offenbar nichts, später wird ja wieder umgerührt.

Ich frage mich, warum Inho erst die Zutaten in die Pfanne macht und dann erst das Öl. Mama meinte immer, das muss erst heiß werden, eh man die Zutaten reinmacht, aber dann spritzt vielleicht das Fett, somit könnte er Teddy die Aufgabe nicht übernehmen lassen. Vermute ich zumindest. Denn die Mörchen macht er später selbst in die Pfanne, als die Zwiebeln braten. Würzen darf ich, damit ich auch mal was zu tun habe. Teddy steht mit der Reispackung gespannt daneben und wartet mehr oder weniger geduldig. Das Umrühren hat aktuell Inho übernommen, sie sieht schweratmend zu und wippt von einem Bein aufs andere. Ich versteh schon, warum Momo Risotto kochen langweilig findet.

Endlich darf sie den Reis in die Pfanne schütten, der kurz mitröstet, eh Inho ihn mit Gemüsebrühe ablöscht. Die macht er auf Vorrat selbst und bewahrt sie im Kühlschrank auf. Nun kommen auch die E4bsen in die Pfanne.

"Weißt du", meint Inho, "ich find das toll, dass du dir so klassische Gerichte wünscht. Die Kinder mögen es lieber interkulturell und international."

"Ich merk schon. Milchreis zum Beispiel, oder Brot, das kannte ich von Zuhause nicht wirklich. Aber macht echt wenig Arbeit."

"Ja! Schlecht schmeckt's auch nicht und ist wirklich kaum Aufwand, aber manchmal hab ich schon Lust, so zu kochen wie Mama, mit Suppe und Beilagen und allem drum und dran."

"Sowas mag ich auch gern!"

"Das find ich toll!"

"Ich auch!", ruft Teddy, obwohl sie nicht so wirkt, als wäre sie dem Gespräch gefolgt.

"Wusstest du, dass Milchreis in Schweden ein traditionelles Weihnachtsessen ist?"

"Echt?"

"Ja. Hat Maya erzählt. Als ich das erste Mal Milchreis gesehen hab, konnte ich das kaum essen. Ich fand das so seltsam, süßer Reisbrei mit Milch..."

"Ich kannte früher auch eher nur Reispudding. Aber offenbar gibt es so ähnliche Gerichte in vielen westlichen Kulturen."

"Reispudding ist auch nicht so mein Fall. Aber man gewöhnt sich an vieles, und Teddy wünscht sich das mindestens zweimal im Monat", seufzt er.

"Ich mag Milchreis", sagt sie leise.

"Das ist okay, Schatz. Magst du mal umrühren?"

"Ja!"

Als sie den Kochlöffel zusammen mit Inho durch die Pfanne schwenkt, tappst Momo in die Küche. "Der Bauernhof steht noch, aber die Tiere sind alle in ihrem Stall und die übrigen Bauklötzer hab ich aufgeräumt."

"Fein", lobt Inho ihn und lächelt.

"Darf ich jetzt Switch?"

Fragend sieht Inho mich an. "Von mir aus gerne", antworte ich.

"Juhu!", freut sich der andere kleine große Schatz. Ich gehe die Switch im Schlafzimmer holen und setze mich mit Momo auf dem Schoß auf einen Küchenstuhl. Während die anderen beiden sich ums Essen kümmern, flitzt Momo über meine Insel, plaudert mit den Bewohnern, wobei ich ihm das alles vorlesen darf, und gießt die Blumen. "Maaaan", ärgert er sich, "warum gehen die Gießkannen immer so schnell kaputt??"

"Du kannst auf der Werkbank neue bauen." Ich zeige ihm wie das geht und er verbraucht gleich zwei volle Stacks Weichholz, um zwölf Wackelgießkannen zu bauen.

"Warum sind die braun? Die anderen waren aus Metall."

"Du brauchst noch zwölf Erz, um richtige Gießkannen draus zu machen."

"Ich hab keins."

"Mhhh...", überlege ich. Ich könnte kurz in meinen Account wechseln und ihm welches aus meinem Schrank holen, oder ich zeige ihm, wie man effektiv Steine klopft.

"Spielt ihr nachher weiter? Das Risotto ist gleich fertig", meint Inho.

"Glei fertig!", bestätigt Teddy.

"Na gut!" Momo rutscht von meinem Schoß und hilft beim Tisch decken. Teddy ist dann mit dem Tischgebet dran und lobt den lieben Gott dafür, dass Reis existiert, weil Reis, und alles, was man daraus machen kann, so toll ist.

Amen.

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