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Konzentriert schaut Inho auf sein Handy und liest mitten in der Küche eine ellenlange Nachricht. Kurz bevor er aufblickt schleicht sich ein kleines Lächeln auf seine Lippen.
"Pyo hat sich entschuldigt", erzählt er mir und wedelt mit dem Gerät in seiner Hand. "Er hat mitten in der Nacht einen halben Roman hier geschrieben. Er kann es immer noch nicht nachvollziehen... klar, in wen man sich verliebt, kann man sich nicht aussuchen, aber man kann entscheiden, ob man sich darauf einlässt oder nicht. Wobei du es mir nicht einfach gemacht hast, mich für etwas anderes zu entscheiden als dich an meiner Seite haben zu wollen." Inho tritt näher und legt eine Hand in meinen Nacken, wo er meinen Hals streichelt.
"Awwww", mache ich und bekomme einen überraschenden dicken Schmatzer.
Dann ist Geschrei aus dem Wohnzimmer zu hören. "Tisch ist fertig gedeckt!"
"Wir kommen gleich!", ruft Inho zurück und gibt mir noch einen Schmatzer. Ich nehme die Obstschüssel und er die Milch, nun kann das Frühstück losgehen.
"Was möchtest du heut eigentlich essen?", erkundigt sich Inho bei Teddy.
"Milchreis", kommt die Antwort wie aus der Pistole geschossen. Momo gibt sofort unwilliges Grummeln von sich.
"Wirklich? Schon wieder?", hakt Inho nach.
"Imma imma!"
"Und zum Abendbrot?" Abends gibt es normalerweise das, was vom Mittag übrig ist. Aber Inho und Momo können anscheinend keinen Milchreis mehr sehen.
"Milchreis", meint Teddy unbeirrbar und starrt zurück, weil Inho sie mit Poker Face ansieht.
"Wie wär's mit-"
"Brooot! Käutabuttaaa! Wokadosalat! Bärliwiener! Gurki! Momati!", zählt sie als Alternativen auf.
"Ok, also abends Kräuterbutterbrot", sagt er erleichtert. "Aber Avocado ist alle."
"Oooooooch..." Teddy zieht eine enttäuschte Schnute. "Mozzzzarrellaaaababys?"
"Da haben wir noch welche."
"Juhuuu!" Erfreut rutscht sie auf ihrem Stühlchen hin und her, das ich schnell festhalte, und verkleckert Milch aus ihrer Müslischüssel. "Und Gurkisalat! Und Erbbeermatsch!", verlangt sie auch noch und befördert dann eine Rosine vom Grund ihrer Schüssel in ihren Mund. Dabei verteilt sie Milchspritzer rings um ihren Platz.
"Mach ich", verspricht Inho ihr. "Die Erdbeeren für den Milchreis?"
Kauend nickt sie. Milchreis und Erdbeeren, klingt doch gut, finde ich.
"Hast du dir schon überlegt, was du essen möchtest?", fragt Momo. Da ich nun mit hier wohne, wurde ich in die Essensplanung aufgenommen und darf morgen entscheiden, was es gibt.
"Äh... wie wär's mit Jjajangmyeon?"
Amüsiert gluckst Inho. "Black Noodles? Obwohl du kein Single mehr bist?"
"Die gehen immer. Eins meiner liebsten Lieblingsessen. Zutaten dafür sind im Keller."
"Na gut. Dann gibt es morgen Jjajangmyeon."
"Hab ich das schonmal gegessen?", überlegt der Kleine.
"Weiß ich nicht. Das sind Nudeln mit Fleisch und schwarzer Soße", erklärt Inho.
"Mhhh", macht Momo. "Ja gut. Klingt okay." Fleisch mag er. Teddy hingegen ist eher Gemüsefan. Aber gemeinsam haben sie, dass sie Schleckermäuler sind und gerne naschen. Kann ich verstehen.
Statt zu arbeiten liege ich heut auf dem Sofa rum, mit Teddy auf meinem Bauch. Sie liest mir Geschichten aus einem Bauernhofbuch vor, das heißt sie erzählt, was auf den Bildern zu sehen ist und erfindet Geschichten dazu, deren Inhalt und Zusammenhang mir sich nicht so recht erschließt. Aber schön, wie sie plappert.
Home Office ist toll.
Momo sitzt unterdessen am Esstisch und füllt einige Seiten seiner Vorschulübungsbücher aus, die er Inho und mir zum Kontrollieren gibt. Er darf sich seine Lernaufgaben selbst aussuchen. Manchmal möchte er mit uns zusammen basteln oder Experimente mit Küchenzutaten machen und heute mag er schreiben üben.
Kurz vor Mittag gehe ich mal nach Inho sehen, der wie jeden Tag in gefühlt zwanzig Meetings feststeckt. Überraschenderweise lümmelt er auf dem Bett und winkt mich zu sich ran. "Moment kurz", sagt er ins Telefon und hält dann das Mikro zu. "Das ist Mama", flüstert er und legt seinen Arm um mich, als ich mich zu ihm lege.
"So, bin wieder da. Also er ist protestantisch und wir waren auch schon in seiner Kirche. Den Kindern gefällt's dort."
"Nehmt ihr ihn auch mit in eure?", erklingt eine gedämpfte Frauenstimme. Ich kann also jedes Wort des Telefonats mithören.
"Naja", meint Inho ausweichend. "Du weißt, die sehen nicht so gern Außenstehende dort."
"Jaaa." Nun klingt ihre Stimme sehr streng. "Ich weiß auch warum. Ich hab mich ja schon immer gefragt, wie deine Schwester nur dort eintreten konnte! Oder überhaupt erst ihr Mann, der war doch auch nicht dumm."
"Wieso das?", fragt er überrascht.
"Gestern kam eine Reportage darüber, wie diese Einrichtung zu verschleiern versucht, dass das eine Sekte ist. Mir wäre es wirklich lieb, wenn die Kinder dort raus sind. Von mir aus gern jede andere katholische Kirche, aber auf keinen Fall diese."
"Ja...", seufzt er. "Ich hab auch schon lange überlegt. Die erzählen manchmal sehr fragwürdige Dinge in den Predigten. Ich werd mich drum kümmern."
"Schön, schön... schickst du mir dann ein Bild von deinem Hyunuk?"
"Mach ich. Ähm..." Er wedelt mit dem Handy in meine Richtung. Ich zucke die Schultern. "Er ist übrigens grad hier. Ich stell mal das Handy lauter."
"Äh. Hallo. Schön, Sie kennenzulernen", sage ich, als er es mir hinhält. Das kommt jetzt überraschend, daher schlägt mein Herz wie wild.
Für sie anscheinend auch. "Oh, hallo! Da erwischt ihr beiden mich jetzt aber kalt. Ich bin gar nicht drauf vorbereitet."
Inho lacht leise. "Er beißt nicht. Hyunuk ist der liebste Kerl, den ich kenne."
Nun lacht sie auch. "Das klingt doch gut. Wenn deine Schwester zurück ist, können wir ja so einen, einen, äh... Anruf mit Bild machen?"
"Japp. Gerne."
"Gut. Ich muss jetzt noch in den Garten, nach den Gemüsebeeten sehen. Die Sonne scheint ja heut so, da brauchen die mehr Wasser."
"Sag allen liebe Grüße, ja?"
"Du ebenso. Meine Enkel würde ich auch gern wiedersehen, also plant den Anruf nicht zu spät, ja? Dein Vater ist auch bald vom Einkauf zurück."
"Ja, alles gut. Wir machen uns was aus."
Wir verabschieden uns alle, dann legt Inho auf und seufzt tief.
"Alles okay?", frage ich. Das Telefonat schien ja ganz gut zu laufen.
Er zuckt die Schultern. "Geht schon. Ich steh sozusagen noch leicht unter Schock, weil sie es so überraschend gut aufgenommen hat. Dass ich einen Mann liebe und keine Frau, fand sie erstmal komisch, da wusste sie gar nichts dazu zu sagen, aber als ich dann meinte, dass du dem Vater der Kleinen übel ähnlich siehst, war es plötzlich gar kein Problem mehr."
Mir rutscht ein leises "Hä?" raus.
Inho lacht. "Ehrlich gesagt, fand sie es sehr lustig. Ich hab ja noch eine jüngere Schwester ind anscheinend hat auch sie mal heimlich für ihren Schwager geschwärmt... meine Mutter meinte daher, es sei was Besonderes, dass alle ihre Kinder denselben Männergeschmack haben."
"Achso", amüsiere ich mich.
"Und sie hat sich schon im Voraus entschuldigt, sollte sie dich jemals mit dem falschen Namen ansprechen."
"Nicht schlimm, das passiert meiner Mutter auch. Sie spricht mich auch manchmal mit dem Namen meines Bruders an und sie hat es sogar schon geschafft, bei Sunghyun die Namen sämtlicher Verwandten aufzuzählen, bis sie den richtigen hatte." Das findet Inho auch lustig.
"Achja, soll ich dich bei den Babys ablösen?", fragt er dann.
"Nö. Ich wollte dich fragen, ob du Pause machen magst. Es ist fast Mittag."
Bei einem Blick auf die Uhrzeit stellt er fest: "Oh, stimmt! Lass uns kochen gehen!" Sogleich springt er auf und eilt in die Küche, wohin ich ihm folge. "So langsam hängt mir Milchreis zum Hals raus", seufzt er, als ich den Reis aus dem Vorratsschrank hole, während er auf dem Herd die Milch ansetzt.
"Kann ich mir vorstellen", schmunzele ich. In einen weiteren Topf schüttet er tiefgekühlte Erdbeeren für die Soße.
"Da hab ich mir mal wieder völlig umsonst Sorgen gemacht", sinniert er und starrt in die Milch. "Das mach ich gern. Halt, nein, gern mache ich es ganz und gar nicht, aber ich mache es oft."
Ich umarme ihn von hinten und lege mein Kinn auf seiner Schulter ab. "Ich weniger. Manchmal mache ich mir auch Sorgen, aber meist ist das überflüssig und anstrengend. Ich denk dann einfach, am Ende wird alles gut und wenn es noch nicht gut ist, ist man noch nicht am Ende angekommen."
"Jaaa... man muss dann nur die Zeit bis dahin überstehen. Die zwischen den Sorgen und dem Ende."
"Ja. Und dafür hast du mich ja jetzt. Damit deine Sorgen weniger Platz in deinem Herzen haben, weil ich da drin bin."
Er kichert niedlich und schüttet die Reiskörner in die heiße Milch, während ich heiße Küsschen auf seinem Ohr platziere. "Und genau deswegen ist es die richtige Entscheidung gewesen, mein Leben mit dir zu teilen. Weil du das Beste für mich bist", haucht er.
"Und du für mich."
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