🖤21

"Hey Knirps", begrüße ich ihn mit einer kurzen Umarmung. Mein ältester Neffe ist schon sechzehn und wächst mir langsam über den Kopf, aber für mich wird er immer mein Knirps bleiben.

"Hey Kleiner", entgeget Sunghyun frech. "Ich hoffe, du hast kein Corona."

"Nicht, dass ich wüsste. Und mein liebster Kollege", mit dem ich rumknutsche, "wurde kürzlich negativ getestet."

"Na dann."

Gerade, als er es sich auf dem Sofa gemütlich macht und die Konsole startet, ruft Inho an. "Hallo Nuknuk..."

"Hallo Nono."

"Stör ich? Du meintest ja, dein Neffe kommt abends zu dir..."

"Ja, ist aber kein Problem. Ich hab kurz Zeit für dich." Mit einem verliebten Lächeln verlasse ich das Zimmer. Der Knirps sieht mir mit neugierig hochgezogenen Augenbrauen hinterher.

"Schön! Die Babys sind jetzt im Bett."

"Wir sind keine Babys!", höre ich zwei Kinderstimmen im Hintergrund schreien.

Inho kichert. "Ich mach kurz Lautsprecher an. So, sagt Gute Nacht."

"Gute Naaaaacht!"

"Gute Nacht ihr beiden. Schlaft gut."

"Du dann auch."

"So, tschüss", legt Inho fest und sagt ihnen auch noch ein letztes Mal Gute Nacht und macht ihre Tür zu. "So", sagt er dann. "Ich wollte eigentlich gar nichts... und ich hab auch grad keine Lust, was Peinliches zu sagen, heute bist du dran."

Ich kichere. "Du bist süß."

"Na, das wissen wir doch schon." Er klingt verlegen, aber ich höre auch das Grinsen in seiner Stimme.

"Und, findest du mich auch süß?"

Nun kichert er. "So haben wir nicht gewettet!", amüsiert er sich. "Du warst doch dran. Aber nur mal so... ich weiß, wie du schmeckst, aber süß eher nicht... ich steh auch nicht so auf Süßes. Aber du schmeckst sehr lecker."

"Mhhh, das hör ich gern. Du auch."

"Hihi, schön. Also dann, ich will nicht weiter stören. Und sag jetzt nicht 'Du störst nie'!"

"Tust du aber n-"

"Schhhhhhhh!" Leises Kichern dringt durch die Leitung. "Wir sehen uns also morgen früh, ja?"

"Ja. Ich freu mich schon!"

"Ich mich auch. Den Kindern hab ich noch nichts gesagt. Denen fallen morgen früh die Augen aus dem Kopf vor Freude!"

"Das will ich sehen!", lache ich.

"Na, lieber nicht wörtlich nehmen. So... Ich wünsch dir einen schönen Abend. Und daaann... bis morgen."

"Bis morgen, mein Süßer."

"Bis morgen. Ichliebedich", flüstert er, dann legt er einfach auf und stehe noch zwei Minuten wie ein verliebt grinsender Idiot im Flur rum und starre auf seinen Namen auf meinem Handy.

"Wer ist denn Nono?", fragt Sunghyun neugierig, als ich ins Wohnzimmer zurückkehre. Er ist bereits dabei, sein Auto zu tunen. "So wie du grinst, habt ihr was miteinander, oder? Ist sie hübsch?"

"Warte." Ich suche ein Bild heraus und zeige es dem Knirps. "Das ist Nono."

"Oh. Das ist ein Kerl", stellt er fest.

"Aber sehr hübsch, oder?"

"Ja, krasses Gesicht. Ist der Model?"

"Das ist mein Projektleiter."

"Oh." Er nickt, dann mustert er mich genau. "Und warum grinst du dann so?"

"Wie du bereits richtig erkannt hast, haben wir was miteinander." Seinen Eltern sollte er das nicht unbedingt auf die Nase binden, solange ich nicht einschätzen kann, wie sie darauf reagieren. Aber Sunghyun ist ein guter Junge, er hat noch nie ein Geheimnis von mir verraten. Liegt vielleicht auch daran, dass er seinen Eltern allgemein nicht viel erzählt.

"Er ist ein Kerl."

"Ich weiß."

"Und wie ist er so im Bett?"

"Erste Sahne!"

Sunghyun lacht los. "Ich dachte, du wärst cool. Sowas sagt doch heut keiner mehr!"

"So wie die Jugend heutzutage redet, das kann sich doch keiner anhören."

"Pfffff", macht er. Dann will er wissen: "Wie macht man es denn mit 'nem Kerl überhaupt?"

"Na, so wie du es auch mit dir selbst machst."

"Nebeneinander wichsen oder was?"

"Oder gegenseitig."

"Oder 'nen Blowjob?"

"Vielleicht." Ich werde drüber nachdenken, aber nicht jetzt.

"Ist es denn mit Kerlen besser als mit Frauen?"

"Du, Sunghyun... Komm nicht auf dumme Ideen, nur weil ich sowas mache. Schau dich erstmal nach Mädels um."

"Erstens bin ich sowieso zu jung dafür und zweitens sind die in meiner Klasse alle Schabracken. So wie die sich in dem Alter schon schminken und Haare färben, haben die alle mit 30 schon Omahaut und Haarausfall. Sagt zumindest mein Chemielehrer."

Jetzt bin ich der, der laut lacht.

"Aber der eine aus meiner Parallelklasse ist irgendwie süß. Der ist mir noch nie aufgefallen, aber wir hatten letztens nach Sport Gerätedienst zusammen, und wenn ich zumindest deine Unterstützung hätte, falls ich schwul bin, könnte ich ihn ja mal anflirten, wenn ich mich endlich traue."

"Süß", finde ich. "Meine Unterstützung hättest du auch, wenn ich nicht schwul wäre."

"Schön. Hat dieser Nono eigentlich 'nen schönen jüngeren Bruder? Oder 'nen Neffen?"

"Sein Neffe ist sechs."

"Oh."

"Und wolltest du nicht was von deinem Mitschüler?"

"Ich frag ja nur, falls das mit dem nix wird. Wie ernst ist das eigentlich mit dir und Nono?", fragt er mit sehr neugierigem Gesichtsausdruck. Seine Hand landet nebenbei "ganz unauffällig" auf meinem Oberschenkel.

Ich ziehe zweifelnd die Augenbraue hoch und klaube seine Hand von meinem Bein. Seine Mundwinkel wandern leicht nach unten. Er versucht es mit Rehblick und Schmollschnute, aber ich weiß ganz genau, was für ein Satansbraten er ist, daher wirkt das bei mir nicht.

"Kannst du mir bei meinen... ähm... Biohausaufgaben helfen, Onkelchen?", fragt er ganz lieb und rückt näher.

Bei Gott, er spielt hoffentlich nicht auf praktischen Aufklärungsunterricht an. "Bio ist nicht mein Fachgebiet", behaupte ich.

"Ich bin mir sicher, du kriegst das hin. Ganz schön warm hier drin, oder?" Eilig zieht er sein Shirt aus.

"Wohl nur, weil bei dir grad die Hormone überkochen."

"Nimmst du mich etwa nicht ernst, weil ich erst sechzehn bin? Komm schon, du hast mich noch nie wie ein Kleinkind behandelt, und ein Schwächling bin ich auch nicht. Du kannst mich ruhig als Mann sehen!" Protzig lässt er seine Armmuskeln spielen. Einen guten Körperbau hat er ja. Er ist einer der sportlichen Jungs in seiner Klasse.

Mir ist durchaus bewusst, dass man nicht erst mit achtzehn sexuelle Gedanken hegt. Aber mal ganz davon abgesehen, dass wir verwandt sind - "Sunghyunnie, hast du mal dran gedacht, dass ich auf die Dreißig zugehe und damit fast doppelt so alt bin wie du?"

"Reifere Männer sind eigentlich ganz geil", findet er. Unter reiferen Männern stelle ich mir eher Leute vor, die doppelt so alt sind wie ich. "Man sagt doch, auf alten Pferden lernt man reiten."

"Mich alt zu nennen ist keine besonders kluge Verführungstaktik", amüsiere ich mich.

"Nennen wir es nicht alt, nennen wir es erfahren. Komm schon, als mein Onkel, wär das nicht deine Pflicht, mir alles Wichtige fürs Leben beibringen?"

"Mit jemandem rumzumachen, mit dem man verwandt ist, gehört nicht zu den wichtigen Dingen im Leben. Ich kann dir zeigen, wie man seine Steuererklärung macht."

"Wie unsexy. Wir sind nicht einmal leiblich verwandt, ich bin nur eingeheiratet. Und ich bin sechzehn, meine Güte, mach dir nicht ins Hemd. Lass uns doch etwas Spaß haben!" Meinte er nicht vorhin noch, er sei zu jung für sowas?

"Es reicht jetzt", finde ich, und schiebe ihn von mir weg, wobei ich seine nackte Brust berühre. Er hält meinen Arm fest, lässt sich nach hinten auf die Sofalehne fallen und zieht mich mit sich, wodurch ich auf ihm lande und er mich triumphierend ansieht. Und so einer will zu schüchtern sein, seinen Klassenkameraden anzusprechen, dass ich nicht lache.

"Zieh dich an, Sunghyun", sage ich und will mich von ihm lösen, doch er wickelt ein Bein um meine Hüfte und lässt es nicht zu. "Seit wann bist du Rotzlöffel denn so stark wie ich?", beschwere ich mich.

"Ich hab trainiert", grinst er stolz. "Geil, oder?"

"Objektiv gesehen schon." Er ist trotzdem zu jung und zu verwandt für mich. Und vor allem: Er ist nicht Inho. "Und jetzt lass bitte los."

Schmollend löst er seinen Griff und setzt sich mit mir auf. "Wenigstens küssen?", fragt er und bevor ich den Kopf schütteln kann: "Ich will mich nicht blamieren, wenn ganz ohne Erfahrung dastehe..."

"Mach die Erfahrung lieber mit dem Mann, der dir wich-" Eilig unterbricht Sunghyun mich mit einem Kuss. Sekunden später hält er sich die schmerzende Wange.

"Das ist eine gute Lektion fürs Leben", erkläre ich. "Wer ein Nein nicht versteht, muss mit härteren Geschützen rechnen."

Nun schmollt er noch mehr. "Das tat weh. Deinen armen kleinen Neffen zu schlagen ist also ok, aber ein kleines Küsschen nicht?" Mit den bebenden Schmolllippen macht er fast Inhos Lippen Konkurrenz.

"Hör zu, ich hab dich sehr lieb, aber derartige Körperlichkeiten gehen einfach zu weit. Außerdem bin ich in Inho verliebt."

"Ach Mann", seufzt er. "Hätte ich das mal ein paar Wochen eher gewusst."

"Nochmal ganz klar und deutlich: ich würd selbst dann nein sagen, wenn ich nicht Hals über Kopf in meinen Kollegen verschossen wäre. Versuch bitte nie wieder, mich zu verführen. Oder generell dich jemandem aufdrängen."

"Ja, schon gut. Versprochen." Sungyhun wirft mir einen weiteren traurigen Schmollblick zu. Und endlich zieht er sein Shirt wieder an.

"Ob man Erfahrung hat oder nicht, ist überhaupt nicht wichtig", gebe ich ihm meinen gutgemeinten Rat. "Mach einfach, was sich gut anfühlt. Egal ob Händchenhalten oder küssen oder mehr, lass das einfach auf dich zukommen. Später ärgerst du dich vielleicht, dass du es überstürzt hast, nur weil alle anderen es auch machen, okay?"

"Ja, schon gut... nur mal so, mit dir hat sich das gar nicht schlecht angefühlt. Dich kenne ich ja schon ewig und weiß, dass ich dir vertrauen kann und du es nicht meinen Eltern petzt und dass du mich nicht auslachst, wenn ich nicht gut bin und so."

Ach Mann. Ihn so niedergeschlagen zu sehen, weckt tatsächlich mein schlechtes Gewissen.

"Komm her." Ich breite meine Arme aus als Friedensangebot. Er lässt sich besänftigend knuddeln. Trotzdem schaut er mich noch wie ein getretener Hundewelpe an. "Wir machen einen Deal, okay?", schlage ich vor und halte ihm meinen kleinen Finger hin. Fragend sieht mein Neffe mich an. "Du kriegst ein Küsschen. Eins, verstanden? Und dafür gibst du dann Ruhe."

Sunghyun hakt seinen Finger ein. "Ein langes Küsschen!", legt er fest. Auf seinem Gesicht breitet sich ein schelmisches Grinsen aus und ich werde das Gefühl nicht los, dass er mich hereingelegt hat. Er lehnt sich zu mir und wartet gespannt ab.

Ich lege den Finger unter sein Kinn, ziehe es noch etwas näher und komme ihm entgegen. Fühlt sich komisch an. Sobald er den zarten Druck erwidert, fange ich an meine Lippen zu bewegen. Nicht zu sehr, nur ein bisschen. Und nicht zu lange. Als ich mich von ihm löse, blickt er verwirrt aus der Wäsche.

"Was ist?", hake ich nach.

"Das ist irgendwie anstrengend", findet er. Ich versuche ein Lachen zurückzuhalten. Was hat er denn erwartet?

"Ich hab doch gesagt, mach einfach das, was sich gut anfühlt. Es kommt nicht auf Leistung an, sondern auf das, was man miteinander fühlt und fühlen möchte. Mit Inho spüre ich riesige Feuerwerke, allein beim Küssen."

"Hmm, ja gut", meint er nachdenklich. "Ich weiß nicht genau, was ich gerade fühlen soll oder will. War irgendwie komisch."

"Aber ich hoffe, du hast dabei was gelernt."

"Ja... ja. Niemanden küssen, der in jemand anderen verliebt ist."

Schön, dass wir das geklärt haben.

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