🖤 12

Die Omi im Bett neben ihm beobachtet argwöhnisch, wie die Kleinen ihn freudestrahlend bekuscheln. Seine Sachen sind gepackt und er ist vollständig angezogen, nur die Jacke fehlt noch.

"Fahren wir jetzt heim? Hast du schon Mittag gegessen? Und was isst Nuknuk? Könnten wir nicht zusammen einen Ausflug machen?", löchert Momo ihn mit Fragen, die er mit "Äh?" beantwortet.

"Ich fänd die Idee, zusammen essen zu gehen, nicht schlecht", sage ich.

"Mit Papa essen!", pflichtet Teddy mir bei.

"Ja gut", stimmt Inho zu. "Lasst uns gehen." Er streckt die Hand nach den Essenspackungen aus, die er oben in seiner kleinen Reisetasche verstaut.

Mit je einem Kind an der Hand verlassen wir das Zimmer. Momo wünscht der fremden Frau höflich einen schönen Tag und gute Besserung, Teddy winkt ihr. Inho und ich verabschieden uns freundlich, was sie kleinlaut erwidert. Draußen schauen wir uns wissend an. Inho grinst breit.

"Wo wollen wir denn hin?", fragt er dann.

"Äh", macht Momo. "KIKEA!", schlägt Teddy vor. Momo überlegt.

"Gehen Kinder nicht normalerweise gern zu McDonalds oder so?", frage ich. Da war ich ewig nicht.

"McDonalds ist Müll", erklärt Momo mir. "Da sind ganz viele Sachen drin, die man nicht essen sollte. Nichtmal Schimmelpilze wollen sowas essen, und die essen sonst alles, sogar das Gummizeug an Fenstern oder Tapete!"

"Achso. Da hast du schon recht, denke ich."

"Viele Leute wissen das aber nicht, deswegen gehen so viele da hin. Das Spielzeug ist ja auch schön da. Und der Erdbeerkuchen schmeckt gut."

"Erbbeerkucheeeen!", wiederholt Teddy.

"Die Pommes aber nicht. Und die Nuggets sind auch komisch, da hab ich mal einen Knorpel drin gefunden, das war bäh."

"Bäääh!"

"Und Mayas Erdbeerkuchen ist sowieso am leckersten!"

"Erbbeerkucheeeeen!"

"Erdbeerkuchen klingt gut", finde ich.

"Da müsst ihr warten, bis sie aus dem Urlaub zurück ist", meint Inho.

"Sie ist auf Hochzeitsreise mit Pyopyo!", erzählt der Kleine. "Pyopyo ist Nonos bester Freund und Maya ist seine Frau. Die kommt aus Europa."

"Die beiden haben fünften Hochzeitstag", fügt Inho hinzu.

"Wie schön."

"Also wo gehen wir jetzt hin?", will Momo wissen, als wir vor dem Krankenhaustor ankommen.

"KIKEA!" Gespannt schaut Teddy uns an. "Na gut", sagt Momo und Inho fragt mich: "Was hältst du davon?"

"Ist in Ordnung." Hauptsache Essen. Ich krieg langsam Hunger.

"Da gibt's zwar keinen Erdbeerkuchen, aber die Krokanttarta von dort schmeckt auch super", meint Momo, während Inho die Navigation übernimmt.

"Tarrrtaaa!" Teddy scheint sich heute für alles begeistern zu können. In der Bahn erzählt sie mir freudig, was sie heute im Kindergarten gebastelt hat. Ich habe keine Ahnung, was Baslischrimsel sind, unterhalte mich aber angeregt mit ihr. Zwischendurch zeigt sie durch die Gegend und erzählt mir, was sie sieht, zum Beispiel ist irgendwo draußen ein Hund und heut früh im Kindergarten auf der Wippe ist eine Miez mit zwei Babys vorbeigekommen.

Inho lächelt mich glücklich an und Momo ist ausnahmsweise still, während er Leute beobachtet. Die Fahrt geht schneller rum als gedacht und als wir aussteigen, sehe ich schon von Weitem das IKEA-Schild. Ich frage mich, ob dort weniger Zusatzstoffe im Essen sind als bei McDonalds. Vielleicht sollte ich das mal im Internet nachschauen. Ausnahmsweise geht das schon, denn soweit ich weiß, kocht Inho Zuhause gesundes Essen für seine Familie. Und von außen wirkt es so, als ob ich dazugehöre, was mich sehr glücklich macht.

Teddy hat keine Lust auf Treppensteigen, daher nehmen wir den Fahrstuhl. Inho holt einen Wagen, auf den man mehrere Tabletts packen kann und wir anderen stellen uns an. Mitten in der Woche ist hier nicht sehr viel los, daher sind wir gleich dran. Vielleicht liegt es auch ein wenig an Corona, die Restaurants, an denen ich auf dem Arbeitsweg vorbeifahre, sind in letzter Zeit auch leerer als sonst.

Teddy nimmt Nudeln, Inho Lachs und ich Köttbullar. Hab ich noch nie gegessen, sieht aber lecker aus. Statt eines Hauptgerichts entscheidet Momo sich für Gulaschsüppchen sowie Kaiserschmarrn mit Vanillesoße und Kirschen. Und Kuchen. Teddy will auch Kuchen. Außerdem soll ich ihr bitte eine Obstschüssel vollmachen, und zwar nur mit Trauben.

"Willst du noch was?", frage ich Inho, der neben uns das Salatbuffet betrachtet.

"Nö. Die schaffen eh nicht alles, ich ess das, was sie übriglassen."

"Okay." Ich entscheide mich noch für rote Grütze als Dessert, dann geht es ab zur Kasse.

"Wag es ja nicht", sagt Inho, als ich nach dem Portemonnaie in meiner Hosentasche greife. "Du bist eingeladen."

"Sicher?"

"Ja. Das geht zusammen", informiert er die Kassiererin hinter der Glaswand. Na gut. Momo und Teddy sind schon mit zwei Gläsern zur Getränkeausgabe gerannt und streiten sich dort, was sie nehmen. "Gehst du Besteck holen?", bittet Inho, bevor er seine IKEA-Karte an den Scanner hält. "Ist direkt hinter den Kassen", fügt er hinzu, als er meinen fragenden Blick bemerkt.

"Äh, ja."

Ich nehme von allem etwas, Gabeln, Messer, Löffel in jeder Größe.

"Preiselbeeren hast du da drüben", informiert mich Inho, als er mit dem Wagen zu mir kommt und ich das Besteck aufs oberste Tablett lege. Die Kinder kommen mit zwei verschiedenen Sprudelgetränken an und stellen sie ebenfalls dort ab.

"Warst du noch nie bei IKEA?", fragt Momo.

"Nicht im Restaurant."

"Ich zeig dir alles!"

"Ich auch!" Wild reden sie durcheinander, als sie mir die verschiedenen Soßen erklären. Ich nehme von allem ein bisschen. Inho sucht uns derweil einen schönen Fensterplatz aus und Momo schleppt ein Kinderstühlchen für Teddy an, die ich an der Hand zum Tisch begleite.

Wie immer wird vorm Essen ein Tischgebet gesprochen, das diesmal aber sehr kurz ausfällt: "Möchste bitte essen, danke, Amen", sagt Teddy mit gefalteten Händen.

"Amen", erwidern wir anderen drei.

"Gibt's im Kindergarten auch ein Gebet vorm Essen?", frage ich interessiert.

"Ja. Die beiden gehen in einen katholischen Kindergarten", antwortet Inho. Momo und Teddy haben schon den Mund voll. Ersterer kaut schnell runter.

"Ja. Da sind die ein bisschen anders, da machen wir auch das Kreuz, aber Zuhause dürfen wir sagen, was wir wollen."

"Katholiken bekreuzigen sich sehr oft", meint Inho in neutralem Ton, der nicht erkennen lässt, was er davon hält.

Momo schluckt hastig seinen nächsten Bissen runter. "Machst du das nicht? Betest du vorm Essen?"

"Nein, ich bekreuzige mich fast nie, und ich bete auch nicht vorm Essen", antworte ich.

"Hmmm", macht Momo nachdenklich. "Shairah vom Kindersport betet vorm Essen, aber zu Allah. Sie ist nämlich nicht Christin sondern Muslima."

"Ja, das macht eben jeder anders."

"Mhm." Man sieht ihm an, dass es ihn verwirrt, dass eine fremde Religion in gewissen Aspekten mehr Gemeinsamkeiten hat als zwei Unterformen seiner eigenen Religion. Aber er ist noch jung und unvoreingenommen und vorurteilsfrei. In dieser Hinsicht hat er manchen Erwachsenen einiges voraus.

"Gehst du sonntags in die Kirche?", fragt er dann.

"Manchmal. Meistens, wenn der Chor auftritt, weil ich dort mitsinge."

"Ach echt?", fragt Inho erstaunt.

"Wie coooool!", findet Momo. "Können wir auch mal in deine Kirche mitkommen?"

Inho und ich sehen uns an und nicken dann gleichzeitig. Momo freut sich. Teddy kaut. Ihre Mahlzeit ist gerade spannender für sie als unsere Unterhaltung. Der Pullover hat schon mehr Tomatensoße abbekommen als ihr Mund, aber durch den ähnlichen Rotton fällt das kaum auf. Die Hände und die Schnute wischt Inho mit einem Feuchttuch ab, dann darf sie sich über die Weintrauben hermachen. Ein paar, die sie anlutscht, teilt sie mit mir.

"Du musst die nicht essen, wenn du nicht magst", meint Inho.

"Mhhh, Weintrauben mit Kinderspucke, lecker."

"Kinderspucke, lecker!", plappert Teddy nach und legt eine weitere Traube auf meinen Teller. Momo amüsiert sich darüber. Er tätschelt pappsatt sein Bäuchlein.

"Ich mag nicht so gerne Sachen essen, die Teddy angesabbert hat."

"Dafür bin ich ja da", seufzt Inho. Ja, Eltern sind Resteverwerter. Das merke ich auch bei meinem älteren Bruder, dessen Kinder aber schon zur Schule gehen.

"Wie ein richtiger Papa", findet Momo.

"Ach ja", fällt Inho ein, "wie komme ich denn zu der Ehre?"

"Na, im Kindergarten haben wir festgestellt, dass du alles machst, was ein Papa macht. Und Nuknuk sagt das auch. Und er ist auch so lieb wie ein Papa. Jetzt hab ich also drei Papas", sagt er stolz und hält drei Finger hoch.

"Aha", macht Inho.

"Spielen?", fragt Teddy, die ihre Weintrauben nicht mehr schafft. Inho hebt sie aus dem Stühlchen und schickt sie mit Momo zum Piratenschiff, das in der Ecke steht. Wir machen uns über die restlichen süßen Desserts und die Trauben her. Die angelutschten isst Inho.

Als wir die leeren Tabletts stapeln, kommen die Kinder zurück. "Was machen wir heut noch?"

"Wir fahren nach Hause", beantwortet Inho Momos Frage.

"Und Nuknuk?"

"Ich muss noch arbeiten."

"Oooooooch", machen beide.

"Wir halten dich ganz schön lange auf..."

"Ist kein Problem. Ich würde euch auch noch nach Hause begleiten, wenn das ok ist?"

"Jaaaaaaa!", ertönen die Kleinen neben uns und Inho und ich grinsen uns an.

Ich komme sogar noch die Treppen mit hoch bis zur Wohnungstür. Von Momo und Teddy gibt's Umarmung und Küsschen. Sehr feucht, wie immer. Dann schickt Inho sie ins Wohnzimmer. "Immer diese blöden Erwachsenengespräche!", beschwert Momo sich leise, dampft aber mit Teddy ab.

Inho lächelt nervös. Ich trete näher an ihn heran an nehme seine Hände. Er legt den Kopf leicht schief und schließt die Augen, während er sich mir entgegenlehnt. Unsere Lippen begegnen sich und verweilen aufeinander, bevor wir anfangen sie leicht zu bewegen. Inho seufzt in den Kuss und legt dann die Arme um meinen Nacken. Ich berühre vorsichtig seine Hüfte.

"Liebst du mich?", fragt er leise, ohne mich anzusehen.

Sacht hebe ich sein Kinn an. Von Liebe würde ich noch nicht sprechen, ich habe mich einfach nur in ihn verliebt, und von selbst hätte ich ihm auch noch kein Geständnis gemacht. Aber wenn er Bestätigung braucht, möchte ich sie ihm geben. "Ja", erwidere ich also, ebenso leise.

Er lächelt und beißt sich auf die Lippen. Er muss nicht antworten, ich merke doch, dass ich ihm etwas bedeute. Und es kommt mir nicht so vor, als wäre das, was er für mich empfindet, nur Dankbarkeit oder die Verpflichtung sich erkenntlich zu zeigen.

"Ich würde gern öfter herkommen. Einfach so", sage ich.

"Fänd ich schön", erwidert er und fährt mit der Hand über meinen Haaransatz im Nacken. Es gefällt mir so von ihm berührt zu werden. "Magst du abends anrufen?"

"Ja", verspreche ich und lehne mich vor dem Abschied für einen weiteren Kuss zu ihm hin.

Ich schwebe wie auf Wolken auf Arbeit. Den ganzen restlichen Tag ist dieses breite Grinsen nicht mehr von meinem Gesicht zu kriegen. Inho und ich, wir haben uns tatsächlich geküsst, und es war wunderschön, und es wird künftig noch öfter passieren, dessen bin ich mir sicher.

Unfassbar, dass ein bisschen Lippenkontakt mich so glücklich macht.

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