🖤 09

Inho darf leider noch nicht nach Hause. Er muss über Nacht zur Beobachtung im Krankenhaus bleiben und das kotzt ihn richtig an.

"Schaffst du das?", fragt er am Telefon, nachdem er mir erklärt hat, wie man die Kinder ins Bett bringt und früh für den Kindergarten fertigmacht. "Frag Momo, wenn du irgendwas vergessen hast, aber lass dich nicht von ihm verarschen, ja? Vor Pyo haben die beiden letztens eiskalt behauptet, ich würde Gummibärchen nach dem Zähneputzen erlauben."

"Ja, das wird schon. Keine Sorge." Das Wichtigste weiß ich jetzt, und der Rest klärt sich mit gesundem Menschenverstand.

Ich war mittags schon nervös, als ich ihn besucht habe, aber das ist nichts gegen das Gefühl, das ich auf dem Weg zum Kindergarten verspüre. Wegen des Ablaufs, was Abendessen und Zubettgehen betrifft, mache ich mir keine Sorgen, aber die Tatsache, dass ich nicht der bin, für den sie mich halten, frisst mein Gewissen auf. Ich darf nur nicht einknicken. Es ihnen allein zu sagen geht auf keinen Fall, sie brauchen garantiert Inhos Beistand, wenn sie es erfahren.

"Hallo", sage ich freundlich, als ich kurz vor sechs den Kindergarten betrete und mir eine junge Frau entgegenkommt. "Ich komme Hwang Minho und Taeha abholen."

Kaum hole ich die Vollmacht hervor, kommen mir die Kleinen entgegengerannt. Laut schreien sie "Papa!" durch den Flur und stürzen mir in die Arme.

"Oh, sind Sie der Vater?", fragt die junge Frau verwundert, während sie den Zettel durchliest.

"Hmpf", erklingt eine missbilligende Stimme hinter mir. Es ist die Kindergärtnerin von letztens. "Wie wäre es, wenn Sie aufhören, den beiden etwas vorzuspielen?"

"Hm? Spielen wir heut was?", fragt Momo erfreut.

"Gehen die beiden in Ihre Gruppe?", frage ich sie.

"Äh, nein?"

"Wie wäre es dann, wenn Sie sich nicht in Inhos Erziehung einmischen?" Sprachlos klappt ihr der Mund auf. Sie schnappt nach Luft. Hoffentlich kriegt er keinen Ärger für meine Aussage, aber es geht sie ganz ehrlich nichts an.

"Geht's um Nono und dich?", fragt Momo mit sorgenvoll zusammengeschobenen Augenbrauen. "Ich weiß sehr wohl, dass er nicht Papa ist, aber er ist sehr, sehr lieb zu uns und zu Nono", informiert er die Frau und nun klappt mir die Kinnlade runter.

"Entschuldigen Sie uns. Wir gehen nach Hause", verabschiede ich mich knapp und verlasse die Einrichtung. Momo und Teddy laufen brav an je einer Hand mit. Ihre Rucksäcke tragen sie selbst.

In der Bahn müssen wir stehen. Woher Momo Bescheid weiß und seit wann, werde ich ihn zu Hause fragen, wenn ich den Schock überwunden habe.

"Warst du bei Nono?", erkundigt er sich auf dem Fußweg.

"Nono?", fragt auch Teddy.

"Ja. Ich hab von ihm den Ersatzschlüssel bekommen."

"Ok. Wie geht's ihm?"

"Gut. Er muss nur zur Beobachtung im Krankenhaus bleiben. Das ist sehr langweilig für ihn."

"Vielleicht können wir ihn besuchen?", schlägt er vor.

"Heute nicht mehr, das wird zu spät."

"Und morgen? Oder kommt er dann wieder?"

"Weiß ich noch nicht."

"Na gut."

"Wie war's im Kindergarten?"

Er holt tief Luft und fängt dann an lang und breit zu erzählen, was er heut erlebt hat. Zwischendurch plappert Teddy ein paar Worte nach oder ergänzt etwas. In der Wohnung angekommen erkundigen sie sich nach dem Abendessen.

"Es gibt Spaghetti mit orangener Soße." Inho meinte, zwei Packungen davon sind im großen Küchenschrank. Beide freuen sie wie wild und hüpfen auf und ab.

"Ihr geht Tisch decken und Zimmer aufräumen, ich ruf euch dann, wenn es fertig ist."

"Okiii!"

Es ist total einfach, ich muss nur Spaghetti kochen und die Soße aus der Packung schütten und in einem Topf erwärmen. Als ich die fertigen Nudeln abgieße, rufe ich nach den beiden: "Momo! Teddy!"

"Gleich!", rufen beide synchron zurück und trampeln eine halbe Minute später durch den Flur, als ich nach den Nudeln noch die Soße ins Wohnzimmer trage. Am gedeckten Tisch wird gebetet, sobald jeder eine Portion auf seinem Teller hat. Heute ist Teddy dran, die neben mir im Hochstuhl sitzt: "Lieba Gott. Papa hat gekost... lecka Nudeln! Und bitte Nono snell gesund. Ääh. Bitte danke. Amen."

"Amen", schließen wir und lassen es uns schmecken. Teddy kleckert fleißig ihr Lätzchen voll, weil sie Momo nacheifert und beim Essen erzählt. Anders als er kaut sie aber nicht runter, weshalb er sie ermahnt: "Teddy, erst kauen, dann reden."

"Essen!", ruft sie und schleudert versehentlich ein Stück Nudel mit ihrer Gabel über den Tisch.

"Schau, du kleckerst ganz viel." Momo sammelt die Nudel auf und steckt sie in seinen Mund.

"Nis simpfen!"

"Wir schimpfen nicht", versichere ich und wische mit dem Daumen ihr Kinn ab. "Iss bitte ordentlich."

"Ja!" Eifrig piekst sie ein paar kleingeschnittene Nudeln mit ihrer Gabel auf und verspeist sie genüsslich. "Mhmmm!", macht sie und rutscht vor Freude in ihrem Stuhl herum. Mein Fuß steht auf der unteren Ablage, damit das Ding nicht mit ihr umkippt.

Nachdem alle aufgegessen haben, hebe ich Teddy aus ihrem Stühlchen, damit sie sich im Bad waschen geht, was sie laut ihrer Aussage ganz alleine schafft, und mache ich mich bereit, bei Momo nachzufragen.

"Momo", sage ich leise.

"Ja?", fragt er gespannt.

"Woher wusstest du es und seit wann? Dass ich nicht Papa bin."

"Naja", erwidert er langgezogen und spielt mit seinen Händen. "Du bist ganz anders als Papa. Erst dachte ich wirklich, du bist Papa, aber du wusstest vieles gar nicht, und außerdem hast du den Leberfleck am Hals an der falschen Stelle."

"Oh, wirklich?"

"Ja! Das hab ich gestern im Fotoalbum von der Hochzeit nachgeschaut! Außerdem war seiner viel größer."

"Oha. Du bist wirklich schlau."

"Ich weiß! Wenn ich nicht Feuerwehrmann werden kann, werde ich Detektiv, so wie Sherlock oder Conan!"

"Klingt toll! Sag mal... weiß Nono, dass du es weißt?"

"Ich glaub nicht. Ich hab es ihm nicht gesagt. Ich wollte ihn nicht traurig machen, falls er auch denkt, dass du Papa bist."

Fürsorglich streichle ich ihm übers Köpfchen. "Keine Sorge, er weiß es bereits. Tut mir leid, dass ich es nicht geschafft habe, es dir selbst zu sagen."

"Ist nicht schlimm. Ich weiß es doch jetzt. Ich weiß nur nicht genau, wie du heißt. Soll ich dich weiter Papa nennen?"

"Wär das nicht komisch, wenn ich gar nicht er bin?"

"Naja. Ich weiß nicht. Du bist zwar nicht DER Papa, aber du bist wie ein Papa. Ich hab heut im Kindergarten gefragt, woher man weiß, wann jemand ein Papa ist, und da haben wir festgestellt, dass Nono eigentlich auch einer ist. Er macht ganz viel für uns, was eigentlich Papas machen, und er hat uns sehr lieb."

"Das stimmt."

"Siehst du! Er ist zwar unser Onkel, und die Tante Yuji hat gesagt, dass der Papa derjenige ist, mit dem man verwandt ist, aber zum Beispiel die Bell hat auch einen Papa, den sie und ihre Mama noch gar nicht kannten, als sie geboren wurde, und der ist trotzdem ihr Papa! Also kannst du doch eigentlich auch unser Papa sein, oder?"

"Naja. Ich weiß nicht."

"Erwachsene wissen vieles gar nicht, oder?", fragt er eingeschnappt.

"Nicht jeder kann alles wissen und manche Dinge sind sehr schwierig. Ich frag mal Nono in Ruhe."

"Na gut. Und wie heißt du nun? Irgendwas mit Nuk?"

"Han Hyunuk."

"Han Hyunuk", wiederholt er. "Ich hab es auch meinem Schwesterchen gesagt, aber ich glaub, sie ist zu klein und versteht das nicht, aber ich kann ihr ja sagen, dass du nicht Papa sondern Hyunuk heißt."

Bei der Erwähnung ihres Namens ruft sie durch den Flur.

"Ist okay. Wir erklären es ihr später. Ich geh mal nach ihr sehen."

"Ich räum den Tisch ab!"

Vor dem Händewaschen hätte ich ihr Lätzchen abmachen sollen, denn das ist noch dreckig. Ihre Hände und die Schnute hat sie aber einwandfrei sauber bekommen und sitzt nun mit drei Quietscheentchen auf dem Badvorleger.

"Enti", sagt sie und stellt mir alle der Reihe nach vor. "Baden?", fragt sie dann.

"Heute nicht. Heut wird Geschichte vorgelesen."

"Au ja!" Begeistert klatscht sie in die Hände und will ins Wohnzimmer stürmen.

"Warte, Teddy." Ich nehme ihr das Lätzchen ab und werfe es in den Wäschekorb. "Und die Enten musst du noch aufräumen."

"Ja. Aufäum!" Eilig packt sie sie in den Beutel, der an der Badewanne hängt. Dann gehen wir rüber und machen es uns zu dritt mit zwei Büchern auf dem Sofa gemütlich. So stelle ich mir einen schönen Familienabend vor.

Fehlt nur Inho.

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