🖤 08

Hektisch löst er sich von mir und rennt aus der Küche. "Oh Gott, sche¡ße, sche¡ße, sche¡ße, ich hätte dich fast geküsst, oh mein Gott."

Unschlüssig bleibe ich hier zurück. Mein Blick fällt auf die Teetasse. Ach Mist. Der Teebeutel hätte längst rausmüssen. Ich lasse ihn abtropfen und lege ihn auf den kleinen Teller zu dem anderen von vorhin, da ich nicht weiß, wo hier der Biomüll ist.

Aus den Augenwinkeln sehe ich eine Bewegung im Türrahmen. Inho kommt zurück. "Ähm. Kann ich den Tee haben?", fragt er verlegen.

"Der hat zu lange gezogen", informiere ich ihn.

"Egal."

"Bei Kräutertee ist das nicht so gut."

"Ich weiß, aber brauch grad was Warmes für den Hals." Er schnappt sich die Tasse und sieht mich kurz an, bevor er geht. "Komm mir nicht zu nahe, du könntest dich anstecken."

"Inho, ich würd dich gern küssen", halte ich ihn auf.

"Ich weiß. Aber das ist dumm. Tu mir das nicht an, bitte. Es ist genauso dumm wie das, was wir Momo antun", murmelt er.

"Wie geht es ihm?", erkundige ich mich.

"Nicht gut. Teddy auch nicht, hast du bemerkt, wie still sie eigentlich ist? Ich bin froh, dass sie bei dir inzwischen ein bisschen plappert. Und Momo... es gab eine Zeit, da hat er jede Nacht wegen seinem Papa geweint, und ich dachte, wir hätten das langsam hinter uns, aber jetzt fängt es wieder an."

Meinetwegen. Er spricht den Vorwurf nicht aus, aber er steht deutlich im Raum.

"Er fragt ständig nach dir. Ich hab ihm erklärt, dass er froh sein kanm, dass er dich überhaupt sehen konnte, sogar zweimal, weil das normalerweise überhaupt gar kein Mal hätte sein dürfen. Und ich glaube, das hat er so akzeptiert, er ist eben nur traurig."

Schuldbewusst nicke ich. Ich habe in dieser Familie wirklich nichts zu suchen. "Kommst du zurecht?"

Inho überlegt kurz und nickt dann.

"Dann geh ich jetzt besser."

Seine Tasse umklammernd bleibt er in der Küche zurück, während ich im Wohnzimmer mein Zeug packe. An der Wohnungstür verabschiedet er mich mit "Tschüss", wie immer, aber er macht die Tür nicht zu.

Ich gehe wieder rein, nehme ihn in den Arm und küsse ihn. Er lässt es zu, findet aber: "Du bist wirklich unfair." Der Kuss war viel zu kurz. So wenig Lippenkontakt kann mein Bedürfnis nach Inho kaum erfüllen.

"Ich weiß." Sanft nehme ich sein Gesicht in meine Hände, damit er den Kuss nicht wieder unterbrechen kann. Seine Lippen fühlen sich ein wenig rau an, aber wenn wir uns öfter küssen würden...

Nach einem sehr langen, sehr intensiven Kuss lösen wir uns schließlich. "Nur dass du es weißt. Ich finde das sche¡ße von dir."

"Du machst trotzdem mit."

"Ich bin schwach, Hyunuk. Und du bist sehr hartnäckig. Wie soll ich da nein sagen?"

"Wie wäre es mit gar nicht?"

"Geh jetzt, Hyunuk."

"Du bist perfekt für mich, Inho."

"Wie toll. Wärst du jemand anderes, würde ich dich sofort nehmen." Damit schiebt er mich raus und macht die Tür zu. Wie nett. Ich weiß schon, ich verhalte mich wie ein Arschloch, wenn ich mich ihm so aufdrücke. Aber an sich will er es auch, es ist eben nur nicht vernünftig, den Kindern gegenüber. Im Prinzip müssen wir nur die Sache mit ihnen klären. Ich kann dem Kleinen nicht ewig den Vater vorspielen, irgendwann wird er es herausfinden, und je länger wir es hinauszögern, desto schlimmer wird die Sache enden. Wie wir es Teddy erklären sollen, weiß ich auch noch nicht. Sie ist wahrscheinlich noch zu klein, um es zu verstehen.

Ich möchte ihnen nicht wehtun, niemandem, aber ich weiß auch nicht, wie ich mich von Inho fernhalten soll, erst recht nach diesem Kuss!

Am nächsten Tag erscheint er nicht auf Arbeit. Gern würde ich ihn anrufen, aber ich habe immer noch nicht seine Nummer. Ich hätte ihn gestern danach fragen sollen und überlege, ob ich in der Mittagspause bei ihm vorbeischauen könnte um zu sehen, wie es ihm geht. Wahrscheinlich würde ihn das nerven.

Mein Plan hat sich erledigt, als kurz nach elf die Teamassistenz anruft.

"Hallo?"

"Hyunuk. Das Krankenhaus ist in der Leitung, Es geht um deinen PL."

"Inho?", frage ich erschrocken.

"Ich stell sie zu dir durch."

"Äh, warte..."

"Guten Tag, Schwester Kim Goeun vom Catholic Medical Center hier. Spreche ich mit Han Hyunuk?"

"Ja? Ist was passiert?"

"Es geht um Hwang Inho. Sein Sohn hat heute morgen den Notruf gewählt, weil er nicht aufgewacht ist. Er ist inzwischen bei Bewusstsein, es geht ihm soweit gut. Die Kinder haben Sie als Notfallkontakt angegeben."

Weil ich nichts sage, hakt sie nach: "Sind Sie noch da?"

"Äh, ja, das ist nur der Schreck..."

"Machen Sie sich keine Sorgen. Er bleibt nur erstmal zur Beobachtung hier. Können Sie die Kinder abholen?"

"Äh, äh, ja?"

"Gut. Sie müssten die Vollmacht bei ihm holen, die er unterschrieben hat. Der Kindergarten weiß schon Bescheid."

"Ok?"

"Er hat keine eingeschränkte Besuchszeit und liegt auf der offenen Station. Melden Sie sich dann beim Empfang."

"Äh, gut."

Schon hat sie aufgelegt, und ich sitze verdattert hier und mache mir sehr wohl Sorgen.

"Was ist denn los?", fragt die Kollegin, die mir gegenüber sitzt.

"Ähm." Unsicher, was Inho seine Kollegen wissen lassen will, vertröste ich sie: "Ich sag später Bescheid. Ich muss erstmal weg." Eilig werfe ich meine Jacke über und schaue beim Gehen nach, wo ich hin muss.

Zwanzig Minuten später stehe ich nervös am Empfang des Krankenhauses und desinfiziere mir die Hände, bevor ich mich vorstelle. "Hallo. Han Hyunuk, ich will zu Hwang Inho. Ich bin sein... ähm... Notfallkontakt."

"Einen Moment." Die Schwester schaut am PC nach. Auf ihrem Namensschild lese ich "Kim Goeun" und auch ihre Stimme kommt mir bekannt vor. Das ist die Schwester, die angerufen hat. "Ah ja. Ihren Ausweis bitte."

Ich halte ihn ihr hin und sie schaut sich in Ruhe das Bild an, eh sie lächelnd nickt und ich ihn wieder einstecken kann. "Raum F211 im zweiten Stock. Da entlang." Sie weist mir die Richtung und nickt mir freundlich zu.

"Danke." Die Gänge sind gut ausgeschildert, daher finde ich mit gut hin und atme vor der Tür kurz durch, bevor ich klopfe. Da ich keine Antwort bekomme, öffne ich vorsichtig die Tür, vielleicht schläft er.

Inho lümmelt mit Kopfhörern diagonal im Bett. Das eine Bein hängt raus und auf der anderen Seite die Bettdecke, die völlig schief auf ihm liegt. In seinem Arm steckt eine Nadel, die am Tropf hängt, und vor dem Bett steht ein Wagen mit einem zugedeckten Tablett. Wahrscheinlich sein Mittagessen. Das Bett neben ihm ist leer. "Hi", sagt er leise, nimmt die Kopfhörer raus und legt sein Handy beiseite. Er deutet auf den Nachttisch. "Vollmacht liegt hier, und mit dem kleinen Schlüssel kommst du in meinen Büroschrank, dort liegt der Ersatzschlüssel zu meiner Wohnung. Dann kannst du die Kinder abholen, falls ich nicht bis um sechs hier raus darf."

Ich nicke und nehme den Zettel entgegen. "Woher der Sinneswandel?"

"Das ist auf Momos Mist gewachsen. Als ihn jemand gefragt hat, wen sie in Notfällen kontaktieren können, hat er gesagt, sie sollen bei mir im Büro anrufen und nach dir fragen, weil er deine Nummer nicht auswendig kann."

"Er ist so schlau!"

"Ja. Manchmal schlauer, als gut für ihn wäre."

"Mhm... Erzählst du mir, was los war?"

"Normalerweise wecke ich die beiden früh, aber ich hab nachts kaum geschlafen wegen Kopfschmerzen, und dann war ich früh nicht wachzukriegen. Er hat die Feuerwehr angerufen, die Nummer steht auf seinem Auto, und die haben ihn an den Notruf weitervermittelt, und bis der Krankenwagen da war, war ich schließlich wach und Momo voller Sorge, dass er ins Gefängnis kommt, weil er unnötig den Notruf angerufen hat."

"Achje", schmunzele ich.

Auch auf Inhos Lippen schleicht sich ein Lächeln. "Jedenfalls haben die Sanis die beiden am Kindergarten abgegeben und mich zum Durchchecken hierher gebracht. Es wurde nichts gefunden, die Ärzte meinten, das liegt vielleicht nur am Stress, aber ich muss trotzdem hierbleiben. Auf Corona wurde ich auch getestet, aber negativ. Kannst du auch den Kollegen sagen."

"Werde ich", verspreche ich nickend. "Übrigens dürfen mehrere Abteilungen ab heute Home Office machen, hab ich in der Kaffeeküche gehört. Aber unser Chef meint, wir sollen weiterhin ins Büro kommen. Betrifft dich zwar gerade eben nicht, nur dass du Bescheid weißt."

"Ja, ist gut, danke für die Info. Er meint halt Home Office ist unproduktiv."

"Mhm. Kommt drauf an, ob man Zuhause Ruhe hat."

"Mhm. Mit Kindern eher nicht." Er sieht mich abwartend an. "Dann bis später", sagt er.

"Willst du mich loswerden?", hake ich nach.

"Was willst du denn noch hier?"

"Zum Beispiel wissen, wie es dir geht."

"Gut. Mir fehlt nichts außer Ruhe."

"Okay. Dann... sollte ich dich wohl nicht weiter nerven."

"Mhm."

Etwas widerwillig nicke ich.

"Klingel mich an, dann kann ich dich später anrufen und Bescheid sagen, ob du sie abholen musst. Nummer hab ich dir aufgeschrieben."

"Ist gut." Bevor ich den Zettel einstecke, werfe ich noch einen Blick drauf. Es ist eine handgeschriebene Bescheinigung, dass ich die einmalige Erlaubnis habe, zwei Kinder abzuholen: Hwang Minho und Hwang Taeha. Die Geburtsdaten stehen auch drauf.

Ich dachte nicht, dass sie wirklich Momo und Teddy heißen, aber es überrascht mich doch, ihre richtigen Namen zu lesen. "Minho und Taeha... schöne Namen."

"Dachtest du, dass Momo und Teddy auf ihrer Geburtsurkunde steht?"

"Nein... Wie kommen sie denn zu ihren Spitznamen?"

"Momo heißt Pfirsich auf japanisch. Glaub ich. Er mag Pfirsiche. Und außerdem... kennst du Avatar? Nicht den Film mit den blauen Menschen, sondern den Herrn der Elemente?"

"Nein."

"Das ist die Lieblingsserie meiner Schwester. Momo heißt der kleine fliegende Lemur. Er hat ein Kuscheltier davon, lass dir das mal zeigen."

"Okay."

"Und Teddy... der Golden Retriever meiner Eltern heißt so. Sie liebt ihn, und er sie. Eine nette Omi im Supermarkt hat mal gemeint, sie sei eine entzückende Puppe, da hat sie angefangen zu weinen und meinte ganz erschüttert zu mir: 'Ich bin Teddy!'"

"Ach putzig!", entfährt es mir.

"Ja, richtig süß!" Inho ist auch süß, wenn er von den Kindern erzählt. Lächelnd sehen wir uns an. "Komm mir nicht zu nahe", sagt er dann, als ich mich in Bewegung setze. "Vielleicht hab ich doch was Ansteckendes."

"Ich wünschte, Gefühle wären ansteckend", murmele ich.

"Ich würd ja sagen, komm her, aber ich will nicht, dass du dich ansteckst und dann meine Kinder ansteckst."

"Klingt nach einer Ausrede. Gestern haben wir uns auch geküsst und mir geht's gut", versichere ich ihm.

"Werd bloß nicht so sturköpfig wie ich. Und vergiss die Inkubationszeit nicht. Ich sag's dir, spätestens Mittwoch liegst du flach."

"Hast du noch Fieber?" Vorsichtig lege ich die Hand auf seine Stirn. "Fühlt sich normal an. Haben die Ärzte denn gesagt, ob du was Ansteckendes hast?"

"Nein, haben sie nicht. Wasch dir die Hände, bevor du meine Kinder anfasst", ermahnt er mich.

"Werde ich." Sanft streiche ich ihm über die Stirn und die Schläfe, dann verabschiede ich mich.

"Und küss mich, wenn ich wieder nach Hause darf", sagt er, kurz bevor ich die Tür schließe. Als ich einen letzten Blick auf ihn werfe, liegt er da, als wäre nichts und betrachtet seine Finger.

"Werde ich."




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Es gibt auch eine Schauspielerin, die Kim Goeun heißt, aber ich meine die Leaderin von Laysha:

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