Sechsundzwanzig
Geduldig wartete ich, bis Chan aus hatte. Die Klingel ertönte und die Tür wurde aufgemacht. Schüler strömten raus. Ich hielt Ausschau nach Chan und sah ihn. „Chan, warte!", rief ich. Er blieb stehen und schaute sich um, bis er mich sah. Er kam zu mir. „Hey Felix." Er lächelte. „Frag nicht....was ich jetzt mache...okay?" Ich trat näher zu ihm hin und versuchte ihn zu umarmen. Langsam legte ich die Arme um ihn, so langsam dass es unter Zeitlupenkategorie fallen konnte. Chan war überrascht aber gerührt. Felix wollte ihn umarmen. Sanft legte er die Arme auch um mich. Sofort erwachte die Panik in mir. Ich muss hier weg. Chan machte keine Anstalten mich loszulassen. Es war ich alleine, der die Umarmung beendete. Nein, ich riss meine Arme von Chans Körper weg. Das war viel zu viel. Die Panik wurde wieder stärker. „Es tut mir Leid, Chan...", sagte ich und ging ein paar Schritte zurück. Er musterte mich traurig. Ich wollte meine Hände wieder waschen aber dieses Mal gab es keinen Changbin, der mich aufhalten wird.
Felix rannte wieder weg und lies Chan alleine da stehen. Er vermisste Felix so sehr. Die Erinnerungen an ganzen Umarmungen, die sie sich immer ausgetauscht hatten, ließen Chans Herz schmerzen. Sollte er ihm nach rennen, so wie es Changbin immer tat? Zu spät. Felix war bereits weg. Vielleicht sollte er ihn lieber alleine lassen. Auch wenn es weh tat. Felix war nicht mehr der Alte und Chan musste es akzeptieren. Seine Umarmungen wird er aber nach wie vor vermissen.
So schnell ich konnte rannte ich auf die Toilette und streifte mir die Verbände ab. Ich hab es wieder nicht geschafft, aber ich habe es wenigstens versucht. So sehr ich mich im Moment hasse, weil ich wieder die Panik in mir reinlies, ein bisschen stolz war ich auch. Ich hab Chan kurz umarmt. Kurz lächelte ich auf, obwohl ich im Moment ziemliche Schmerzen in meinen Händen spüre. Das muss ich Changbin erzählen. Er war nicht begeistert, dass ich wieder meine Hände gewaschen hab, aber er sieht es als Fortschritt, dass ich es versucht hab.
Am nächsten Tag lächelte Chan nicht. Seungmin auch nicht. Eigentlich niemand so wirklich. Nur Changbin versuchte die Stimmung etwas fröhlicher zu gestalten, in dem er eine Aegyosession machte, was wirklich lustig aussah, was aber nicht den gewünschten Effekt auslöst. Verdammt, ich muss etwas unternehmen oder ich werde jeden Tag Trauer in ihre Gesichter sehen. Wenn ich es noch nicht schaffe, die anderen zu berühren, musste ich vielleicht erstmal meine Einstellung ändern. Ich muss auch gegen den weißen Perfektionismus in mir was unternehmen. Meine hellblauen Kontaktlinsen und die Schminke mussten weg. Vielleicht fällt es mir dann leichter, wieder den Weg zu meinen alten Ich zu finden und die Berührungen der anderen an mich ran zu lassen. Erstmal die Kontaktlinsen. Vorsichtig entfernte ich sie. Da ich sie jeden Tag benutze, konnte ich sie auch schnell mit geübten Handgriff von meinen braunen Pupillen lösen. Ich blinzelte kurz. Die Kontaktlinsen legte ich auf eine Serviette. Kaum waren sie aus meinen Augen raus, wurde ich unruhig. Ich fühlte mich irgendwie nackt ohne die Kontaktlinsen. Danach war die Schminke dran. Ich holte mir schnell ein weiteres Serviette und befeuchte sie etwas mit meiner Spucke, damit die Schminke besser wegging. Während ich wieder zum Tisch mit meinen Freunden lief, rieb ich mir das Make-Up von meinen Sommersprossen weg. Am Platz zog ich auch meine weiße Beanie von meinen Kopf runter, die ich wie die Kontaktlinsen und das Make-Up jeden Tag trug.
Jeder meiner Freunde schaute mich aufmerksam an. Mit dem haben sie nicht gerechnet. Changbin erst recht nicht. Ich versuchte zu lächeln. Es fühlte sich komisch an und die Unruhe blieb, sie wollte, dass ich meine Sommersprossen wieder überschminke und meine Beanie aufsetze aber ich versuchte alles, damit ich es nicht tat. Ich versuchte mich auf meine Freunde zu fokussieren und vor allem auf Changbin. Mein Herz begann laut zu klopfen, als ich meinen Blick etwas länger auf ihn ruhen lies. Ich muss die ganzen Sachen vor mir entsorgen. Die weiße Beanie, die hellblauen Kontaktlinsen und das Make-Up, sonst würde ich wieder in Versuchung kommen in mein altes Muster zu fallen. Ich muss gegen meine Zwänge ankämpfen. Der weiße Perfektionismus war nichts, was ich zum Leben brauchte.
Er war einfach nur unnötig.
Irgendwann ging auch die Unruhe weg. Vor allem, als Jeongin anfing zu lächeln. Ohne die Kontaktlinsen und das ganze Make-Up sah Felix wie der Alte aus. Changbin lächelte auch, wie er den Anblick vermisst hatte. Da waren wieder die knuffigen Sommersprossen und die dunklen Teddyaugen. Sein Herz klopfte wie Felix Herz laut. Die anderen verloren etwas von ihrer Trauer. Felix wird schon wieder.
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