Fünfzundzwanzig
Felix POV
Ich war nicht nur in Panik gefangen, weil ich wieder den kalten Schlamm an meinen Händen spüren konnte, ich war enttäuscht von mir. Ich hab es nicht geschafft, Seungmins Hand zu halten. Dabei hatte er es sich so gewünscht und ich konnte nicht mal seinen kleinen Wunsch erfüllen. Was war ich nur für ein Mensch? Ich kann nicht mal meine Freunde berühren, geschweige denn in den Arm zu nehmen. Trauer kam in mir hoch. Gestern hatte es doch bei Changbin geklappt. Da war keine Panik. Obwohl ich ihn geküsst hab und seine Hand in meine gelegt hatte. Es waren locker ein paar Minuten gewesen in denen wir uns berührt hatten und da war ich völlig entspannt gewesen. Wieso spüre ich dann wieder diese vertraute Panik in mir, nachdem ich Seungmin berührt hatte? Wieso will ich mir wieder die Hände waschen? Ich versuche mich an Changbins Worte zu halten. Seungmin ist nicht schmutzig, er wird den Schlamm in mir nicht auslösen können, weil es keinen Schlamm gibt.
Ich weiß, ich bilde es mir alles ein, doch dieser Zwang ist so real wie meine ganzen Freunde und die Besorgnis, mit der sie mich die ganze Zeit anschauten. Ich wünsche mir nur, dass es aufhört. Niemand kann mir helfen. Niemand kann mir diese Zwangsgedanken aus meinen Kopf verschwinden lassen. Niemand kann mir die Panik, die mir durch meine Adern fließt, nehmen. Ich bin verloren. Ich starrte meine geliebte Flasche Desinfektionsmittelflasche in Changbins Hand an. Sie lächelte mich an, sagte mir, dass ich sie benutzen kann, damit ich endlich Ruhe finden kann. Dass ich dabei noch mehr Schmerzen in meine Händen auslösen werde, ist mir egal. Hauptsache die Unruhe hört auf. Sie ist so unerträglich. Nervös saß ich neben Seungmin und Changbin. Meine geliebte Flasche schob er ganz links von mir, sodass ich nicht greifen konnte. Außerdem achtete er drauf, dass ich nicht aufs Klo renne. Es hat keinen Zweck. Changbin würde mich aufhalten.
Nachdem ich mich einigermaßen beruhigt hab und die Panik etwas weniger wurde, war es auch wieder Zeit langsam zurück zum Unterricht zurück zu kehren. Wir haben nur noch ein paar Minuten. Changbin verabschiedete sich von unseren Freunden. Im Klassenzimmer angekommen, setzten wir uns beide hin. „Ich hab es nicht geschafft, Seungmin zu berühren....."
„Fehlschläge passieren. Jeden von uns. Lass dich davon nicht unterkriegen, Lix. Du hast doch auch meine Hand gestern gehalten...und mich sogar geküsst..." Das hatte ich. Ich hab Changbin wirklich geküsst und keine Angst gehabt. Es war so als würde ich es wirklich wollen und der Zwang konnte mir da nichts anhaben. War es bei Changbin anders als bei meinen Freunden? Ich suchte seine Hand und umschloss sie sanft. „....Wieso geht das bei dir? Und nur bei dir?"
„Vielleicht, weil du dich wieder in mich verliebst?"
„Vielleicht...aber ich hab Angst, dass es bei den anderen nicht mehr geht...nur bei dir."
„Irgendwann wirst du es schaffen, glaub mir."
Wusste Changbin, dass ich schon monatelang mit den Zwängen lebe? Wenn es nicht schnell weggeht, dann würden aus Monate Jahren und dann werden meine Freund sich von mir abwenden. Auch Changbin. Wenn sie weiter mit jemanden wie mir zusammen leben würden, gehen ihre Nerven irgendwann kaputt. Meine Nerven sind schon überstrapaziert von den strickten Regeln, die ich mir jeden Tag aufgebe. Jeden Tag das gleiche, was ich mein Gehirn aussetze und ich weiß, dass ich so niemals wirklich Ruhe finden kann. Mein Verstand ist immer wachsam, viel zu wachsam, damit ich bloß keine Fehler mache. Es ist ermüdend so denken zu müssen. Wenn es bloß ein Ende dafür gäbe. Mein Pessimismus hielt den restlichen Schultag an. Changbin musste schnell nach Hause, weil irgendwas passiert war. Irgendwas mit dem Strom oder so. Genauer hab ich es nicht bekommen. Und so lief ich jetzt mit meinen dunklen Gedanken den Schulflur entlang. Was wenn ich nie wieder meine Freunde umarmen kann? Was wenn ich meine Hände noch weiter kaputt mache? Nichts ist schlimmer als der Gedanke, dass mich Changbin eines Tages wegen den Zwängen verlassen wird. Noch versuchte er mir zu helfen, aber wenn ich noch weiter Misserfolge habe und weiterhin in Panik ausbreche, wird er seine Meinung ändern. Ich will das nicht. Ich will meine Freunde und Changbin nicht verlieren. Deswegen laufe ich zu Chans Klassenzimmer.
Ich weiß, dass er heute länger Schule hat als sonst. Als einziger meiner Freunde. Die anderen sind bereits zu Hause oder auf den Weg davon. Eigentlich war es mir nur Recht, dass ich auf Chan warten wollte. Er war derjenige, der meine Umarmung am meisten vermisste. Seine traurigen Blicke, die er mir damals zugeworfen hatte, als er mich versucht hatte zu umarmen, werde ich nicht vergessen können.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top