[02]

Chan PoV

Es vergingen ein paar Tage, an denen ich die kleine Kritzelei fast vollständig aus meinen Gedanken verbannt hatte. Gelegentlich kam sie mir wieder in den Sinn, doch dann versuchte ich so weitestgehend zu ignorieren und mir nicht den Kopf darüber zu zerbrechen. Sie war nicht wichtig.

"Ich kann nicht mehr stehen. Können wir uns nicht einfach hier hinsetzen?", beschwerte sich unsere Dramaqueen Hyunjin, als wir alle am Freitag unsere Mittagspause in der Schule verbrachten, da wir noch Nachmittagsunterricht hatten. Wenigstens mussten wir da alle zusammen leiden. Auch wenn Minho und ich mit einer Doppelstunde Ethik deutlich besser dran waren als Hyunjin und Jisung mit einer Doppelstunde Mathe.

Anstatt auf unsere Antworten zu warten, ließ sich Hyunjin einfach auf eine der Bänke fallen. Mit einem Augenrollen setzte sich Minho ebenfalls. Diskussionen mit Hyunjin konnten unheimlich anstrengend werden, auch wenn wir ihn alle wirklich gern hatten. Nur bedauerlicherweise hatte ich bei ihm manchmal den Eindruck, dass er das Recht haben lieber mochte als uns. 

Jisung und ich setzten uns ebenfalls und wir begannen alle unser Essen auszupacken und zu essen. Erst als ich mein leeres Zeug wieder wegräumte, fiel mir erneut der kleine Schriftzug auf. Doch zu meiner Überraschung hatte ich eine Antwort bekommen. 'Ich kann dir helfen. Schreib mich einfach an.'

Sollte ich wirklich? Sollte ich einer fremden Person einfach schreiben, dass sie mir bei so einem persönlichen Problem helfen soll? Oder sollte ich lieber versuchen, es alleine zu regeln?

Ein leises Seufzen entfloh mir und lenkte die Aufmerksamkeit auf mich.

"Whoa... Also ich kann ja verstehen, dass du keine Lust auf Unterricht hast, aber seit wann siehst du dabei so nachdenklich und niedergeschlagen aus?", fragte Jisung, dessen Hand inzwischen irgendwo auf Minho's Oberschenkel lag. 

"Ach, es ist nichts. Ich hab nur gerade gemerkt, wie lang die nächsten Ferien eigentlich noch weg sind. Ich hab keine Lust mehr.", beschwerte ich mich über etwas, das mir eigentlich relativ egal war. Zumal es ja nicht mal zwei Monate waren, bis wir wieder Ferien hatten.

"Das verstehe ich. ich hab auch Lust auf Sommerferien. OHHH! Wir müssen dieses Jahr unbedingt zelten gehen."

"Du hast Angst vor Krabbelviechern.", meinte Hyunjin nur und brachte unseren Jüngsten damit zum Schmollen.

"Minho passt auf mich auf. Richtig, Minho?"

"Ich werde es bereuen, das gesagt zu haben, aber ja, Baby. Ich passe auf dich auf."

"Siehst du? Alles geregelt. Hat jemand von euch ein Zelt?"

"Ich hab noch eins.", antwortete ich. "Aber wenn wir uns das zu viert teilen wird es eng und noch dazu weiß ich nicht, wo eure Grenzen sind, wenn wir euch bei irgendetwas sehen könnten."

"Ha. Ha. Ha. Seht witzig.", erwiderte Minho. "Und so oft schlafen wir überhaupt nicht miteinander."

"Eigentlich will ich das überhaupt nicht so genau wissen.  Die Frage ist eher, ob vielleicht noch jemand anderes ein Zelt hat."

"Kann sein, dass wir noch eins haben.", antwortete Jisung. "Aber ich weiß es nicht, genau."

"Wir haben ja noch genug Zeit, um noch eins aufzutreiben.", meinte Minho und legte einen Arm um seinen Freund. 

Den Rest unserer Mittagspause verbrachten wir damit, über unsere gemeinsamen Pläne für den Sommer zu diskutieren, was mich ein wenig von der Nummer auf dem Tisch vor mir ablenkte. Auch während der nächsten Stunde Unterricht wurde ich gut von der Entscheidung abgelenkt, da wir viel diskutierten und es ein Thema war, das mich auch interessierte. Minho schien es allerdings ziemlich zu langweilen, da er die meiste Zeit auf seinem Papier rumkrickelte. 

"Uhhh, Minho. Für wen ist denn das 'HJ' mit dem Herzchen?", grinste seine Sitznachbarin Hyejin, die noch recht neu auf unserer Schule war. Sie war letztens erst hierher gezogen und hatte einen großen Crush auf den Tänzer, der sie schon fast wöchentlich korbte. "Gibst du endlich zu, dass du mich magst?"

"Ich steh nicht auf dich. Versuch es nochmal, wenn du ein Typ bist, Han Jisung heißt und seit zwei Jahren mit mir zusammen bist." 

"Du hast einen Freund?!"

"Ja, hab ich. Also hör bitte damit auf, dich ständig an mich ran zu machen. Ich bin glücklich vergeben. Verlieb dich in Chan oder so. Der ist wenigstens single."

"Er ist nicht mein Typ. Sorry, Chan."

"Schon okay. Du bist auch nicht gerade mein Typ." 

"Ihr Typen seid doch eh alle bescheuert.", schnaubte sie beleidigt. 

Minho und ich warfen uns beide den gleichen Blick zu und brachen dann in leises Gelächter aus. Dann beschäftigten wir uns weiter mit dem Unterricht beziehungsweise mit den Kritzelein am Papierrand, bis der Unterricht vorbei war und wir nach Hause konnten.

Als ich wieder Zuhause angekommen war, kam mir die Telefonnummer wieder in den Sinn, doch anstatt sie einfach zu verdrängen, entschied ich mich dieses Mal dafür, dass ich anrufen würde. Nicht sofort, sondern heute Abend, wenn ich sowieso alleine war und nichts zu tun hatte. Meine Eltern gingen Freitags immer aus, weshalb ich meinen Abend meistens entspannt alleine verbrachte. Manchmal mit einem Serienabend im Wohnzimmer und manchmal mit meiner Musik in meinem Zimmer. Alles in allem genoss ich meine Zeit ohne jemand anderen ziemlich.

Ein wenig nervös wartete ich darauf, dass es Abend wurde und meine Eltern das Haus verließen. Da sie vor dem Abendessen gegangen waren, machte ich mir noch schnell etwas und aß, ehe ich die Nummer eintippte, die in den Tisch eingeritzt gewesen war.

Es klingelte und ich wollte es mir gerade anders überlegen, als jemand am anderen Ende der Leitung abnahm.

"Guten Tag, Sie sind mit dem Labor für neue therapeutische Maßnahmen in Seoul verbunden. Wie kann ich Ihnen behilflich sein?"

"Ich habe ein Problem und mir wurde gesagt, dass Sie mir dabei helfen könnten."

"Um was für ein Problem handelt es sich denn? Traumatische Erfahrungen, Angstprobleme, die Ihren Alltag beeinflussen oder etwas ganz anderes?"

"Das zweite."

"Okay... Dann bräuchte ich noch einmal Ihren Namen und dann können wir einen Termin ausmachen und sehen, wie wir Ihnen helfen können."

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