Pan und Schmetterlinge tanzen zu Herzbeben.

Hast du jemals über ... Paralleluniversen nachgedacht? Wahrscheinlich. Doch ... hast du dir die unendlich vielen, winzig kleinen Puzzleteile in deinem Kopf je genauer angesehen? Säuberlich und ohne Fehler nach Farbe und Form sortiert, wochenlang nach einem Muster, einem Rhythmus gesucht, um sie schließlich zu einem unheimlich komplexen, verworrenen Gesamtbild zusammenfügen zu können? Jede noch so versteckte Ecke des Internets und alle Bibliotheken dieser Welt durchforstet, um eine Antwort zu finden? Einen Sinn hinter alledem?

Nun, was wäre, wenn ich dir sagen würde, dass sie existieren? Wir sind nur ein kleiner Punkt, ein Zwerg, zwischen all den bunten Sternen da draußen, die darauf warten, gesehen zu werden. Und jeder von ihnen ist besonders.

Eine Welt hat Technologien entwickelt, von der Forscher hierzulande in Jahrzehnten bloß träumen können. In einer anderen haben die Leute die Fähigkeit zur Magie erlernt; in einer dritten ist die Menschheit sowieso schon lange ausgestorben - geschlagen durch ihre eigenen Waffen. Und in der Welt, der wir uns heute widmen, gibt es Farben.

Jede Person hat Farben - sie wird bereits mit ihnen geboren. Von einem einzigen matten Farbton bis hin zu einer bunten Palette voll verschiedener Abstufungen und Schattierungen ist alles vertreten - die Anzahl oder Leuchtkraft der Farben bestimmt jedoch nie den Wert eines Individuums! Alle sind verschieden und ergänzen sich gegenseitig perfekt.

Unsere Geschichte beginnt in der Wohnung einer der Menschen, die letzteres Universum bewohnen. Man weiß nicht mehr sonderlich viel über ihn; selbst seinen eigenen Namen hat er nur selten weitererzählt. Der Einfachheit halber wollen wir ihn für die Dauer dieser Erzählung ganz simpel "Pan" nennen.

Pan war ein recht einfach gestrickter, genügsamer Mensch, der oft lieber im Hintergrund blieb. Mit dem richtigen Umfeld lachte er viel und laut; machte ab und an Witze, über deren Lustigkeit sich die Leute stets uneinig waren. Manchmal passierten ihm Missgeschicke und oft lief nicht alles nach Plan, doch er fand sein kleines Leben, das er sich aufgebaut hatte, schön.

Pan hatte drei Farben.

Die erste Farbe war Rot. Beinahe Blutrot, doch seines war ein Stück heller und so klar und glatt, dass sich die Sonnenstrahlen darin spiegelten und ihm Wärme gaben - ihn mit einer Art 'positiven Aura' umhüllten.

Die zweite Farbe war Blau. Blau wie der Himmel, blau wie ein kalter Bergsee. Diese Farbe gab ihm Ruhe und die Fähigkeit, die Dinge so zu nehmen wie sie kamen. Offenheit - Menschen tolerieren, akzeptieren, respektieren.

Die dritte Farbe war Grün. Mattes, dennoch frisches Grün. Lebhaftes Grün. Grün wie ein einzelner Grashalm auf einer mit Tau und Nebel bedeckten Wiese am Morgen. Neue Kraft, Hoffnung, Ehrlichkeit und noch viel mehr.


Und die Geschichte begann in dem Moment, als Pans Geduld endete. Das Zimmer war leer, doch der Kopf umso voller, und die Gedanken schrien ihn an. Zu viele Geräusche auf einmal - oder so. Reizüberflutung, obwohl ja niemand da war; er wollte einstimmen in das Geschrei, doch es war spätabends und die Menschen waren bereits schlafen gegangen. "Störe nie die Harmonie" - das war wohl die bedeutendste Regel dieser Gesellschaft. So kam es, dass Pan in den Wald ging.


Nieselregen machte das Blätterdach schwer, und es war so finster, dass Pan nur Silhouetten grob wahrnehmen konnte. Jemand mit dunklen Farben hätte wohl alles erkannt, als wäre es helllichter Tag - doch Pans Farben glichen eher Pastelltöne und er sah nichts.

Etwas berührte ihn am Arm und ließ ihn zusammenzucken; es war ein kleiner, leuchtender Schmetterling, der davonflog, als Pan ihn ansah. Und neugierig wie er war, folgte er dem winzigen Insekt.


Die Lichtung, die bald zum großen Schauplatz dieser Geschichte werden wird, erreichte Pan nach wenigen Minuten. Sie war mit Lichtpunkten übersät - Schmetterlinge in allen Größen, Formen und Mustern, so zahlreich, dass er nur grob schätzen konnte, wie viele es tatsächlich waren. Und ehe Pan sichs versah, stand er inmitten von alledem und war umringt von purer Vielfalt, doch etwas fehlte. Etwas, von dem Pan sein ganzes Leben lang umgeben war - etwas, dessen Abwesenheit er noch nie erlebt hatte. Die Farben.

Denn sie alle leuchteten in Grau.


Man muss zugeben, dass Pan anfangs schockiert war, doch er hatte sich schnell wieder gefasst. "Weshalb habt ihr keine Farben?"

Doch die Schmetterlinge antworteten ihm nicht und fast wollte er wieder nach Hause gehen, bis sie plötzlich begannen, um ihn herum zu schwirren - durch die Nachtluft zu tanzen - und ihn zurückzuhalten, als wollten sie, dass er blieb. Und in diesem Moment war es, als könne er Stimmen hören. Dünne, zarte Stimmchen, die an seinen Haaren zerrten und in seine Ohren piksten. Ganz schwach meinte er, sie verstehen zu können. "Nicht geh'n..."

"Hilf uns..."


"Hilf uns!"


Und in jener Nacht - man munkelt, es sei der elfte April gewesen - hatte Pan eine Idee. Ob und wenn ja, welche Auswirkungen das Ganze mit sich ziehen könnte, wusste er nicht. Doch was er wusste, war, dass es ging - und, dass es absolut nötig war. In dieser Aprilnacht gab Pan ihnen die Farbe Grün.

Und das Grün schien die Lichtung komplett einzunehmen, und die dünnen Schmetterlingskörper waren von einer solchen Wärme und Energie umgeben, dass es sie beinahe auf den Waldboden riss. Grün wie ein saftiges Palmenblatt, das den Himmel spiegelte. Grün wie die frischen Knospen der Hoffnung, die in naher Zukunft zu prächtigen Blüten heranwachsen würden. Lebhaft, dynamisch und voller Stärke erstrahlten sie und ließen die Luft um sie herum schimmern. Sie tanzten wie zu einer fremdartigen Melodie, die ihre Herzen zum Beben brachte. Sanft ebbte die grüne Flut in den zarten Flügeln ab, verlieh ihnen ein wechselhaftes Meeresgrün.

Sie tanzten bis in die frühen Morgenstunden, Pan tanzte mit ihnen. Und die Schmetterlinge lachten wieder; zum ersten Mal seit Langem lachten sie wieder.


-

Von diesem Tag an bemühte sich Pan, nahezu jeden Tag zu den Schmetterlingen zu kommen, und mit ihnen zu reden und zu lachen und zu tanzen - zu ihrem eigenen kleinen, geheimen Lied. 

Doch es dauerte nicht lange, bis die Gruppe sich vergrößerte.

Gerade einmal drei Monate später stießen sie auf eine große Wolke voller heimatloser, flatternd fliegender Schmetterlinge in Grau, die hofften, in der "Familie" - wie Pans Gruppe sich genannt hatte - Anschluss zu finden. Ein paar jüngere hatten dunkelgraue, verweinte Augen von der langen Reise, die sie hinter sich hatten. An diesem Abend gab Pan ihnen die Farbe Blau.


Und plötzlich ließ die blau pulsierende Energie die Neuankömmlinge erzittern und warf sie fast nach hinten. Blau, wie ein unendlich tiefer See, und still, aber ... irgendwie auch doch nicht. Eine Aura voller Optimismus fuhr ihnen von den empfindsamen Fühlerspitzen bis zu den fluffigen, kleinen Füßen. Sie waren rein und klar wie ein wolkenloser Himmel an einem Sommertag und sie strahlten mit einem Mal solch eine Souveränität und Ruhe aus, wie sie es nie von sich erwartet hätten. All ihre Schüchternheit und Selbstzweifel waren wie weggeblasen und die Familie hatte sich um zahlreiche Mitglieder erweitert, die nun fröhlich und munter den Rhythmus tanzten. Die grünen Schmetterlinge schwirrten in Kreisen um sie herum und sangen ihnen lautstark ein "Willkommen".


-


Monate vergingen, abermals drei an der Zahl. Und abermals stieß Pan bei einem seiner Spaziergänge durch seinen Schmetterlingswald auf Hilferufe, diesmal schienen sie aus einer der etwas kleineren Baumkronen zu kommen. Und da waren kleine, graue Punkte, die im Astgewirr festhingen und sich fast die hauchdünnen Flügel zerrissen - schrien, ob ihnen nicht jemand helfen könne. Pan konnte.

Bald war die Familie zusammengetrommelt, die mit vereinten Kräften den farblosen, erschöpften Schmetterlingen aus dem Baum half. Und Pan gab ihnen die Farbe Rot. Fast Feuerrot, und die Farbe strömte durch ihre Adern und flickte ihre kaputten Flügel wieder ganz, bis sie in hellem Scharlachrot glühten. Ungeahnte Energien brannten durch ihre Körper, doch keineswegs in irgendeiner Form destruktiv, vielmehr Wärme spendend und schützend. Tiefe Vertrautheit füllte sie vollständig aus; sie strotzten vor Stärke und positiven Gedanken und das Feuer in ihnen vertrieb jedwede Kälte, die sich jemals in ihren Köpfen festgesetzt hatte. Sie wollten brennen - brennen für die Familie - und sie um nichts auf der Welt je wieder missen müssen, obwohl sie sich doch erst so kurz kannten. 

-

Sechs Monate waren insgesamt vergangen. Sechs Monate, in denen sich Pans Leben so schlagartig verändert hatte, wie er es nie erwartet hätte. Immer noch kam er jeden Abend zu seinen Schmetterlingen auf die Lichtung - zu seinen wunderschön bunten Schmetterlingen. Immer noch tanzten und lachten und sangen sie tagtäglich bis in die finsterste Nacht hinein, bis Pan nachhause gehen musste. Sangen zu ihrem gemeinsamen Lied, zu ihrer geheimen Melodie, dass es sich anfühlte, als würde ihr Herzschlag sich zu einem Ganzen vereinen.

Die ältesten und erfahrensten der Familie waren die grünen Schmetterlinge. Sie begleiteten Pan schon am längsten auf seiner "Reise". Gefolgt waren sie von den blauen Schmetterlingen, die Pan nun auch schon einige Monate kannten, aber eben noch nicht ganz so lange wie die grünen. Den Abschluss bildeten die roten Schmetterlinge, die erst ganz frisch hinzugekommen waren, sich jedoch bereits perfekt eingelebt hatten und sich wohlfühlten. 


Und niemand machte einen Unterschied zwischen grünen, blauen und roten Familienmitgliedern. Es war gar nicht wichtig, welcher Farbgruppe man denn nun angehörte, denn alle wurden gleichberechtigt behandelt. Sie alle wurden durch Pan zusammengeführt und sie alle hatten in der Familie Freundschaften geschlossen. Und es war komplett egal, wie sie aussahen, ob sie groß oder klein waren, viele Muster auf den Flügeln hatten oder eben nicht. Sie alle waren unglaublich liebenswerte, freundliche Individuen und werden für Pan wohl immer wunderschöne Schmetterlinge bleiben. Und gerade, weil sie so verschieden waren, passten sie perfekt zusammen.


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Und ach ja, wenn man abends am Waldrand einen Spaziergang macht, kann man sie immer noch leise das Lied singen hören...


"Herzbeben..."

"Lass uns leben, wir wollen was erleben!"

"Herzbeben, vorwärts Herz, lass es beben, beben..."


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An Pan, falls du das hier im 24-Stunden-Stream vorlesen solltest: Erst einmal ein Danke an dich, dass du diese qualitativ hochwertige Fanfiction gelesen hast; das freut mich wahnsinnig! :3 Ich drück dir ganz fest die Daumen, dass du alle übrigen Stunden noch super schaffen wirst. Es ist nicht selbstverständlich, dass du sowas überhaupt machst. x3


An die komplette PuddingFam, falls jemand von euch das hier liest: Ihr seid ALLE wunderschöne Schmetterlinge. Ich hab euch lieb. Ihr seid mit eine der besten, korrekteste, offensten, freundlichsten und liebsten Communitys überhaupt. Fühlt euch alle ganz fest umarmt. Kleiner als drei. <3


An alle, die sich bisher noch nicht angesprochen gefühlt haben: Ihr seid auch wunderschöne Schmetterlinge. <3

Ich weiß zwar nicht, ob ich euch kenn, aber trotzdem ganz viel Liebe auch an euch!

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