Kapitel 20
Unsere Stimmung war ausgelassen und ich vergaß mein mieses Abitreffen. Von Sekt stiegen wir schnell auf Weißwein um und saßen noch bis es langsam dunkel wurde draußen. Es war einfach nur schön. Ich fühlte mich total ankommen und irgendwie auch zuhause.
Ich hatte beim unterschreiben des Vertrages echt am wenigsten erwartet so einen Ort zu finden.
Der Abend senkte sich langsam über das Gestüt und Joshua und ich saßen in unserem Wohnzimmer. Gedanken verloren sah ich aus dem Fenster, während Joshua schon wieder am Laptop hing und irgendwelche Tabellen mit Zahlen fütterte.
Jedes Mal wenn wir von Turnieren wiederkamen war da dieses komisch warme Gefühl und die Vorfreude wieder auf dem Hof zu sein. Dieses Gefühl auf der heimischen Stallgasse zu stehen, durch eine der Reithallen zu reiten. Unbeschreiblich für mich. Nirgendwo fühlte ich mich unwohl, ganz im Gegenteil.
Das zu schlagen des Laptops holte mich aus meinen Gedenken. Leider. Gerne wäre ich Ihnen noch weiter nachgehangen. Doch Joshuas Hand die mir vorsichtig ein paar Haarsträhnen aus dem Gesicht strich lenkte mich zu sehr ab um wieder über den Begriff „Zuhause" zu sinnieren.
„Hast du eigentlich schon mal woanders gelebt als hier?" fragte ich gerader heraus. Kurz wirkte Joshua irritiert, dann antwortete er „Ja. Drei Jahre in der Nähe von Koblenz" „Wie war das für dich von diesem Ort weg zu sein?" ich wandte nun endlich meinen Blick vom Fenster ab und sah Joshua in die blauen Augen. „Anfangs komisch, dann normal. Warum fragst du?" er legte leicht den Kopf schief als könne er so meine Antwort erahnen. „Keine Ahnung... Kam mir nur gerade in den Sinn" winkte ich ab. Wir mussten nun nicht philosophisch werden. Er musste schmunzeln und meinte „Du hast auch angefangen dich hier zuhause zu fühlen. Wenn wir von den Turnieren zurück kommen merkt man jedes mal dass du dich freust wieder hier zu sein" Ich wollte schon Luft holen und etwas sagen, da fuhr Joshua grinsend fort „Man kann dich lesen wie ein offenes Buch" Ich seufzte und meinte „Stimmt nicht!" „Gut, Überrasch mich!" er grinste Siegessicher und verschränkte herausfordernd die Arme vor der Brust.
Eine Überraschung konnte er gerne haben! Bewusst blickte ich wieder auf dem Fenster und versuchte so mein grinsen zu verbergen.
Das war jetzt so gut wie Idioten sicher! Joshua Maibach ist schließlich auch nur ein Mann.
Unter seinen wachsamen Augen erhob ich mich und bewegte mich mit herausforderndem Blick auf ihn zu. Er grinste. Freu dich nicht zu früh! Langsam beugte ich mich vor und stützte mich mit den Handflächen auf den Armlehnen des Sessels ab auf dem er saß. Meine Lippen kamen seinen immer näher, dann hielt ich inne und sagte seelenruhig „Ich bin echt müde. Gute Nacht. Ich gehe jetzt ins Bett" damit war meine Mission beendet und erfüllt. Ich richtete mich wieder auf und wollte den Raum schon verlassen, da meinte Joshua „Ist das dein Ernst?" Ich musste grinsen „Ja. Irgendwie schon" wobei ich das eigentlich gar nicht wirklich wollte. Innerlich wartete ich auf eine Reaktion von ihm. „Komm her!" Die Art wie er es sagte ließ meine Knie weich werden und das ganz zu einer zu großen Versuchung werden.
Der ich nachgab.
Der nächste Morgen kam viel zu früh. Um 4 Uhr morgens brachen wir auf nach Dänemark. Joshua steckte das wie immer gut weg, nur ich war tot müde.
Gegen 16 Uhr kamen wir endlich an. Müde und entkräftet lehnte ich an einem Strohballen im provisorischen Stallzelt, da hörte ich eine angenehm klingende Männerstimme hinter mir „Hej Joshua. Lange nicht gesehen!" Joshua wandte sich auch sofort dem Mann zu und begrüßte ihn „Standest ja auch lange auf keiner Starterliste. Ich dachte schon fast du wärst weg vom Fenster" „Nee, Knie hat nur wieder zicken gemacht." winkte er ab und ich drehte mich ihm nun auch endlich zu.
Er war groß über 1,90. Joshua der ja auch schon kein Zwerg war wirkte klein neben ihm. Die Blonden Haare saßen alles andere als perfekt machten ihn aber sympathisch, da sie in einem unheimlichen Gegensatz zu seinem hübschen Gesicht mit den Grübchen standen. Er wirkte freundlich, aber nicht dieses übertrieben freundlich und herzliche sonder sehr authentisch, wenn nicht sogar neutral. Wenn ich sein Alter schätzen müsste würde ich sagen etwas zwischen Anfang und Mitte Zwanzig. Alles in allem ein sehr Attraktiver Mann.
Ich ließ meinen Blick etwas schweifen und sah ein kleines Mädchen vielleicht drei Jahre alt ein Pferd streicheln, das in einer mit Blumen geschmückten Box stand und über einen mit der schwedischen Flagge und dem Namen „Johan J. Sjögren" bestickten Boxenguard rüberluggte. Sofort sah ich mich nach seinen Eltern um, aber außer Joshua, diesem Mann und mir war niemand auf der Gasse zu sehen.
Was sollte ich jetzt tun? Noch bevor ich irgendetwas hätte machen können winkte Joshua mich zu sich rüber.
„Du kennst Johan noch nicht oder?" wies er auf den jungen Mann. „Nein, wir sind uns bis jetzt noch nicht begegnet glaube ich." antwortet Ich möglichst freundlich. Wobei mir dieses Mädchen nicht aus dem Kopf ging. Dieser Johan lächelte und hielt mir seine Hand hin „Johan Joakim Sjögren" stellte er sich vor. „Malar Schmidt" tat ich es ihm gleich. Ihm gehörte also dieses Pferd. Er sprach akzentfrei Deutsch das irritierte mich im ersten Moment.
Er und Joshua unterhielten sich weiter, bis das kleine Mädchen zu uns kam. Sie blieb direkt vor mir stehen und fragte „Är du min mamma?" verwirrt sah ich zu den beiden Männern rüber.
Beiden war plötzlich das grinsen aus dem Gesicht gewischt und es dauerte bis jemand etwas sagte. Man musste nun wirklich nicht diese Sprache sprechen um zu wissen was sie gefragt hatte. Johan rief die Kleine bei ihrem Namen „Caya!" sofort drehte sie sich zu ihm um und er ging vor ihr in die Knie und erklärte ihr auf dieser skandinavisch Klingenden Sprache wohl etwas. Die Kleine nickte und wirkte etwas betrübt, dann wandte sie sich wieder mir zu „Tut mir leid" „Nein, alles in Ordnung" winkte ich immer noch verwirrt ab. Johan richtete sich derweil wieder auf, wobei die Ärmel seines Hemdes etwas hochrutschten und man die Anfänge von Tattoos auf beiden Unterarmen erkennen konnte.
„Malar, das tut mir jetzt wirklich leid. Das hätte nicht sein müssen. In letzter Zeit fragt sie das gefühlt jede Frau zwischen 20 und 30, die ihr über den Weg läuft." entschuldigte sich der Schwede auch noch einmal. „Nein schon okay" winkte ich wieder ab und fragte mich inzwischen in welcher Beziehung sie zu einander standen. Bruder und Schwester? Zu alt und zu jung. Onkel und Nichte konnte ich mir gut vorstellen. Vater und Tochter schien mir auch abwegig. „Habt ihr zufällig noch einen kleinen Jungen hier im Stall gesehen?" fragte Johan im nächsten Moment. Joshua und ich schüttelten synchron den Kopf. „Na dann hoffe ich dass ihr Bruder bei meiner Mutter ist. Caya ist momentan wieder etwas anhänglich" Caya lächelte einfach nur schüchtern und sah zwischen mir und Joshua hin und her.
Ich fand sie unheimlich süß! Diese großen blauen Kulleraugen und das jetzt schon wirklich liebliche Gesicht hatten es mir richtig angetan. In ihrer Jeans und den dunkelblauen Gummiestiefeln passte sie perfekt auf diese Stallgasse und wenn sie älter wäre hätte man sie in dem Aufzug wohl für eine Pflegerin gehalten. Sie griff nach der Hand ihres Onkels? So durchsichtig war das für mich noch nicht ganz.
Dann kam der Knaller. Wieder wandte sie sich an Johan und sprach in dabei mit „Pappa" an. Wie alt war der bitte, als er Vater geworden war?! Höchstens 20! Dann wandte sie sich mir zu „Ich bin Caya und du?" zu süß. Augenblicklich musste ich Lächeln. „Ich bin Malar" „Hallo Malar. Ich mag deinen Namen" Oh Gott! Wie kann ein kleines menschliches Wesen so süß sein!? Ihre Augen leuchtete als sie das sagte. „Danke. Caya klingt aber auch ziemlich schön" ich hoffte ich hatte es richtig ausgesprochen. Johans Blick lag wohlwollend und stolz auf seiner Tochter, die mich an der Hand fasste und meinte „Komm ich will dir was zeigen!" Kurz sah ich zu ihrem Vater der mir aber einfach zu nickte und folgte ihr dann zu dem Pferd bei dem sie gerade schon gestanden hatte
„Das ist Christieur. Er ist mein Freund. Ich bin auch schon mal auf ihm geritten" erklärte sie mir stolz. Christieur brummelte auch sofort als er sie sah und streckte sich wieder über den Stallguard damit sie ihn streicheln konnte. Sofort fing sie an mit ihren Kinderhänden durch seine kurz geschorenes braunes Fell zu fahren „Du siehst schon wieder ganz zottelig aus!" tadelte sie den Braunen, der daraufhin schnaubte als würde er protestieren. Sie kicherte und ich? Ich war hin und weg!
„Mensch Caya da bist du! Wie oft noch. Du sollst bei mir bleiben. Dein Papa muss gleich reiten" hörte ich plötzlich eine Frauenstimme hinter mir. „Ich will auch gleich reiten!" protestierte die Kleine Blondine und eine andere Kinderstimme forderte ähnliches. Ich drehte mich um und mir gegenüber stand eine Frau Mitte vierzig in weißer Reithose, mit ordentlich geflochtenem dunklen Pferdeschwanz und einem kleinen blonden Jungen auf dem Arm. Der Junge musterte mich aus auffällig grünen Augen, die Frau tat es ihm gleich und fragte kritisch „und wer sind sie?" „Mama. Das ist schon okay. Das ist Malar. Sie gehört zu Joshua" rief Johan seiner Mutter zu. „Ach so. Liz Sjögren. Ich bin Johans Mutter und die Großmutter der beiden Nervensägen" stellte sie sich vor und ging dann an mir vorbei zu Joshua und ihrem Sohn. Caya dackelte ihr hinterher und ich entschied mich ebenfalls wieder zu Joshua zu gehen.
Joshua legte sofort einen Arm um mich, als ich neben ihm stand. Johan hatte inzwischen den ebenfalls geschätzt drei-jährigen Jungen auf dem Arm. Müde kuschelte sich das Kind an ihn und wirkte alles andere als fit. Liz bemerkte wohl meinen Blick „Bengt ist momentan etwas am kränkeln, aber er wollte umbedingt mit" „Das würde mir echt noch fehlen! Ein krankes Kind mit aufs Turnier nehmen zu müssen, weil es nicht zu Hause bleiben will" raunte Joshua mir zu. Ich knuffte ihn vorwurfsvoll in die Seite. „Er hat auch etwas Fieber" hörte ich Johan da nachdenklich sagen. Armer Bengt! Wobei auch er total süß aussah. Später würde er bestimmt ein ziemlicher Herzensbrecher werden! „Johan du startest gleich! Ich kümmere mich um ihn. Das weist du" mahnte Liz plötzlich. „Auf die Idee dann nicht zu starten würde ich auch nicht kommen!" amüsierte sich Joshua leise. Wieder knuffte ich ihn mit einem vorwurfsvollem Blick in die Seite. Hoffentlich würden wir beide nicht lang genug zusammen bleiben um Kinder in diese Welt zu setzten!
Wenig später standen wir wieder zu dritt auf der Stallgasse. „Deine Kinder sind wirklich süß" wandte ich mich an den groß gewachsenen Schweden. Der Stolz war ihm anzusehen „Danke, aber auch anstrengend." Dann wandte er sich an Joshua. „Wir sehen uns auf dem Abreiteplatz." Joshua grinste und feixte „Ich bin in Topform und hab mein bestes Pferd dabei, wie sieht es bei dir aus?" Johan lachte und schüttelte den Kopf „Wir werden sehen!" damit holte er sich Christieur aus der Box und fing an ihn zu putzen.
Zara machte derweil für Joshua Casper fertig und führte ihn warm.
Eigentlich hatte ich keine große Lust mir die Prüfung anzugucken. Lieber hätte ich mich in Ruhe irgendwo mit jemandem unterhalten, als nun wieder in der klatschenden Menge zu stehen.
Das ganze schrappte an mir vorbei. Ich bekam nur mit wie im Finale Johan Joshuas zuvor gesetzte Zeitmarke souverän überbot und somit das Ding nach Hause holte.
Ausnahmsweise schien Joshua jemand anderem den Sieg mal zu gönnen und sich mit Silber zufrieden zu geben, denn als wir bei uns im Hotelzimmer saßen, das mir viel zu groß vorkam, motzte er nicht rum. Stattdessen war er friedlich und las. Das erste mal dass ich ihn ein Buch lesen sah.
Irgendwann legte ich mein Handy aus der Hand und sah ihn neugierig an. Was las er wohl? Joshua hob seinen Blick von der Seite die er gerade gelesen hatte und fragte desinteressiert „Ist etwas?" Ich schüttelte den Kopf und meinte „Es ist nur das erste mal, dass ich dich ein Buch lesen sehe" „Komme ich ja auch selten zu" war er in Wirklichkeit vielleicht ein kleiner Bücherwurm? Er schlug das Buch zu. „The great Gatsby". Das hatte ich nun nicht erwartet. Bevor ich etwas dazu fragen konnte fragte Joshua „Wie findest du Johan?" „Sehr angenehm. Ruhig und nicht so bemüht freundlich" antworte ich nach kurzem überlegen „und wie er mit seinen Kindern umgeht ist wirklich toll" „Die sind auch irgendwie sein ein und alles seit Cady weg ist" wer was das nun schon wieder? Verwirrt sah ich ihn an. Joshua seufzte „Die Mutter der Zwillinge hat in vor zwei Jahren verlassen. Von heut auf morgen munkelt man. Er hat sich dazu nie geäußert. Das hat uns alle ziemlich verwirrt. Die waren wie Pech und Schwefel." „Oh Gott der Arme! Und die armen Kleinen!" entfuhr es mir. Während Joshua bloß mit den Schultern zuckte. Wieder herrschte Stille zwischen uns und er wollte nach seinem Buch greifen, da stellte ich eine Frage die mich in naher Zukunft noch ziemlich fertig machen würde „Willst du mal Kinder haben?" Verständnislos fast als würde die Antwort doch auf der Hand liegen schüttelte er den Kopf „Auf gar keinen Fall! Ich bin froh dass ich mein eigenes Leben auf die Reihe kriege!" das letzte klang fast wie ein Witz. „Du?" wieder dieses elendige Desinteresse. Ich antwortete trotzdem „Ja schon." es folgte nur ein desinteressiertes „Hmh" dann versank er wieder im geschriebenen Wort.
Gerne hätte ich mich an ihn gekuschelt, einfach die Augen geschlossen und das alles etwas genossen, aber er schien nicht in der Stimmung für Nähe zu sein.
Eine geschlagene halbe Stunde hielt ich das aus, dann stand ich von meinem Sessel auf und verschwand im Badezimmer
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