Kapitel 11

Meinen Dienstag verbrachte ich wieder auf dem Gestüt Maibach oder vielmehr im zugehörigen Stall und einer der hellen Reithallen. Wieder musste ich feststellen, dass diese Anlage ein einziger Traum war. Ich beneidete Joshua darum jeden Tag die Pferde direkt vor der Haustür zu haben.

Ich sattelte gerade einen jungen Braunen ab, den ich unter Anleitung von Herrn Maibach geritten war, da kam Joshua in den Stalltrakt.

„Warum hast du nicht geschrieben, dass du da bist?" begrüßte er mich etwas beleidigt. „Dass ich hier bin habe ich nicht mit dir abgesprochen, sondern mit deinem Vater." verteidigte ich mich grinsend und nahm dem Braunen den Sattel von dem Rücken. Er zog vorwurfsvoll die Augenbrauen hoch. Ich konnte nicht anders und musste ihn frech angrinsen. Mit dem schweren Dressursattel in den Händen ging ich ruhig auf ihn zu und streckte mich etwas um ihn zur Begrüßung zu küssen, dabei drückte ich ihm den Sattel in die Hände, dann löste ich mich von ihm und griff in die Putzbox. Er seufzte und sah mich wenig begeistert mit Sattel in den Händen an. Auffordernd guckte ich ihn an. Noch einmal seufzte er und drehte sich um. Mit einem zufriedenen grinsen sah ich ihm nach, wie er den Sattel in die Sattelkammer brachte.

Ich bürstete noch schnell über den noch vom Schweiß leicht feuchten Rücken des Wallachs, dann brachte ich ihn zurück in seine große Box.

Klackend viel die Boxentür hinter mir zu, als ich die Box wieder verließ. Joshua wartete mit Handy in der Hand in der Stallgasse auf mich. Er wirkte etwas abwesend und zuckte zusammen, als ich die Arme um ihn schlang. Grob schob er mich von sich und drehte sich weg. Verwirrt sah ich ihn an, aber er hielt seinen Blick weiterhin auf den Touchscreen seines Handys gerichtet. Die Art und Weise wie er darauf starrte beunruhigte mich etwas.

„Ist etwas passiert?" fragte ich vorsichtig. Sein Blick fuhr hoch und er fuhr mich an „Malar, das geht dich gar nichts an!". In meinem Kopf gingen alle Warnlichter an und etwas in ihm wies mich an Joshua nun aus dem Weg zu gehen bevor er wieder die Kontrolle verlieren könnte.

Er ließ mich auf der Stallgasse stehen und hob sein Handy ans Ohr um zu telefonieren. „Was willst du?" hörte ich ihn noch etwas unwirsch fragen, dann war er aus dem Stall verschwunden.

Zu tiefst verwirrt und auch etwas neugierig ließ er mich zurück. Ich brachte noch die Putzbox in die Sattelkammer, dann ging auch ich raus.

Joshua saß auf einem Zaun nah am Stall. Er wirkte nervös und aufgebracht. „Wir hatten eine Abmachung! Du hast bekommen was du wolltest!" hörte ich ihn wütend sagen. In dem Moment traute ich mich nicht an ihm vorbei zu gehen und verharrte im Türrahmen. „Erklär mir wer dir glauben soll!" seine Finger trommelten nervös auf dem Holzzaun herum. „Ich bin durch mit dir! Und du besser auch mit mir. Du hast das Geld bekommen und wir waren uns einig, dass danach nie wieder davon die Rede sein wird! Halt dich von mir fern! Halt dich von Malar fern!" Was hatte ich damit zutun? Ich lehnte mich an den Türrahmen. „Das weis ich. Sprich nie wieder mit ihr!" damit schloss er das Telefonat.

Kurz stand er noch am Zaun, stützte seine Handflächen auf den Zaun und lies seinen Blick über die Weide wandern. Ich atmete erleichtert aus. Nun könnte ich gehen.

So zumindest der Plan. Meine Ungeschicktheit machte mir jedoch einen dicken Strich durch die Rechnung. Polternd fielen mehrere im Rahmen und vor der Tür stehende Heugabeln und Schaufeln um.

Joshua fuhr augenblicklich rum und fixierte mich. Wie versteinert starrte ich ihn an. Mit schreitenden und viel zu kontrollierten Schritten kam er auf mich zu. Sein Blick ließ mich erschaudern. Ich wich zurück, bis ich die raue hölzerne Tür in meinem Rücken spürte. Seine Augen verengten sich bedrohlich. Meine Hände fingen an schwitzig und zittrig zu werden. „Wie viel hast du gehört?" rau hallte seine Stimme in meinen Ohren nach. Ich musste schlucken und öffnete den Mund um etwas zu sagen, aber mir wollte kein Wort über die Lippen kommen. Mein Herz schlug mir vor Angst bis zu Hals und das Zittern breitete sich auf den ganzen Körper aus. „Malar!" presste er wütend zwischen den fest zusammen gebissenen Zähnen hervor. „Nichts!" beteuerte ich mit leiser und zutiefst verängstigter Stimme. Forschend sah er mich an, als könne er mir ansehen ob ich log oder die Wahrheit sagte. Er stützte sich neben meinem Kopf mit einer Hand an der dunkelgrün gestrichenen Holztür ab und versperrte mir so den letzten Fluchtweg. „Lüg mich nie an!" flüsterte er mir bedrohlich ins Ohr. Ich erschauderte und spürte noch einen kurzen Moment seinen warmen Atem an meinem Ohr, dann drückte er sich von der Tür ab. Er warf mir noch einen kurzen vernichtenden Blick zu, dann wandte er sich um und entfernte sich mit schnellen Schritten von mir.

Mit einem leisen kläglichen Wimmerlaut ließ ich mich an der Tür auf den staubigen Boden gleiten. Bis jetzt hatte ich es geschafft stark zu bleiben, aber das gerade brachte das Fass zum überlaufen. Ich zog die Beine an und schlang meine Arme um sie. Tränen rannen mir wild und unkontrolliert über das Gesicht. Ich fühlte mich entkräftet und zerbrechlich. So zerbrechlich, dass ich mir sicher war dass wenn er mir noch einmal so kommen würde er mich brechen würde.

Ich zitterte vor Kälte und vor Erschöpfung, als die Tränen nachgelassen hatte. Wie in Trance spürte ich, dass mich jemand hoch zog und an sich drückte. Ich legte den Kopf an seine Schulter und drückte mich eng an seinen warmen Körper. Ohne hochzusehen wusste ich, dass es Joshua war. „Ist gut" murmelte er und strich mir ein paar Haarsträhnen aus dem tränennassen Gesicht. Immer wieder strich er mir sachte über den Rücken. Ich fühlte mich in dem Moment wie eine Puppe. Der Wind frischte auf und ich fröstelte noch stärker. „Komm wir gehen" meinte er sanft, aber ich bewegte mich nicht sofort. Sachte schob er mich vorwärts.

Ich sammelte mich langsam wieder und ging sofort ein Schrittchen schneller. Er lies seinen Arm um mich sinken und lief locker neben mir her. Wie konnte er so tun als ob nichts gewesen wäre? Ich musterte ihn kritisch von der Seite.

Würde er mit seinen ozeanblauen Augen, den markanten Gesichtszügen und der graden Nase nicht so unverschämt gut aussehen hätte ich bestimmt diesen Vertrag nicht unterschrieben. Wieder lag etwas undefinierbares auf seinem Gesicht. Er wirkte ernst und nachdenklich.

Schnell blickte ich wieder nach vorne, als er mich ansah. Erwartete ich immer noch eine Entschuldigung für seinen Ausraster, hatte ich mich tief geschnitten. „Pass auf mit wem du sprichst." wies er mich bloß eindringlich an. Ich nickte zaghaft und musste schwer Schlucken. Hatte ich etwas falsch gemacht?

Meine Verunsicherung wurde stärker und ich wäre gerne einfach nach Hause gefahren oder zu meinen Eltern. Hauptsache ich wäre irgendwo, wo ich mich sicher fühlte. Irgendwo weg von ihm.

Mit einem kurzen Blick in das Wohnzimmer schob er mich die Treppe hoch, als wolle er sichergehen, dass seine Mutter mich nicht so verheult sah. Schon von mir aus ging ich die Treppe bis ganz nach oben hoch. Ich hatte das Gefühl ich müsste mir kaltes Wasser ins Gesicht spritzen. Meine Augen brannten und es würde Linderung verschaffen.

An der weißen Tür angekommen drückte ich die silberne Türklinke runter. Ernüchtert stellte ich fest, dass jene abgeschlossen war.

Langsam Schritt auch er die Treppe rauf. Die unzähligen Schlüssel an seinem Schlüsselbund klimperten auf der Suche nach dem Schlüssel zu seiner Wohnung. Es klimperte wieder, als er den passenden Schlüssel in das Schloss steckte und umdrehte. Klackend öffnete sich die Tür.

Ohne ein Wort drängte ich mich an ihm vorbei ins Innere. Auf direktem Wege lief ich ins Bad und erschrak etwas als ich in den Spiegel blickte. Es war als würde mich eine Fremde anblicken.

Leere verquollene braune Augen, unordentlicher blonder Pferdeschwanz und spröde Lippen. Das war nicht ich. Meine Augen waren normalerweise lebhaft und sprühten nur so vor Lebenswillen. Meine Haare waren nie unordentlich und ich achtete immer darauf, dass der Pferdeschwanz möglichst Perfekt im Nacken zusammengebunden war. Nun hing das Haargummie unordentlich in der Mitte Des Pferdeschwanzes und einige Strähnen hatten sich aus der Frisur gelöst. Auch auf meine Lippen achtete ich ziemlich und automatisch suchte ich in meinen Jackentaschen nach einem Lippenbalsam. Ich durchsuchte beide Jackentaschen zweimal bis ich einen Lippenpflegestift gefunden hatte. Ich stellte ihn auf das weiße  Designerwaschbecken.

Ich hatte bis jetzt in diesem Teil des Hauses nur Designermöbel gesehen. Meine Mutter hatte ebenfalls ein Faible für teure Möbel, während ich mit meinem Ikea Mobiliar ziemlich zufrieden war.

Wohltuend spürte ich das kalte Wasser auf meiner gereizten Haut. Sofort ging es mir etwas besser. Blieben noch Pferdeschwanz und Lippen. Ich trocknete mein Gesicht ab und löste den Pferdeschwanz. Mit einem kurzen Blick in den Spiegel entschied ich die Haare nun offen und das Haargummie auf mein Handgelenk gleiten zu lassen.

Es klopfte und ich hörte Joshua fragten „Alles in Ordnung?" „Ja...Ja, alles gut!" hoffte ich ihn so von mir fernzuhalten oder zumindest mir etwas Zeit für mich zu lassen. Ich hörte wie er sich von der Tür entfernte und atmete auf.

Nach fünf Minuten kam ich wieder aus dem Bad. Ich sah nun zumindest ansatzweise wieder annehmbar aus.

Es war ein Dilemma zum einen wollte ich Joshua am liebsten aus dem Weg gehen, zum anderen wollte ich bei ihm sein. Da ersteres nicht funktionieren würde entschied ich mich letzterem nachzugeben.

Er stand in der Küche an eine dunkelen spiegelnde Steinarbeitsplatte gelehnt. Seine blauen Augen scannten mich ab. Ich schluckte schwer ehe ich etwas sagte „Habe ich etwas falsch gemacht?" Er schüttelte den Kopf „Nein. Du nicht" damit schien das Thema für ihn beendet. Für mich jedoch nicht! „Was war denn los?" bei der Frage zitterte meine Stimme etwas und ich bekam Angst davor ihn gereizt zu haben. „Nichts was für dich von Belangen wäre. Du musst nur aufpassen wem du zuhörst und wem du traust" er sagte es als wäre es etwas total normales so etwas zu sagen. „Willst du etwas trinken?" ich blickte ihn ungläubig an. War das jetzt sein Ernst?! Er stieß sich von der Arbeitsplatte ab und ging zum schwarzen lackglänzenden und perfekt in die dunkel gehaltenen Küche passenden Kühlschrank. Er warf einen kurzen Blick rein und meinte „Ich könnte dir Sekt oder Weißwein anbieten." witzelte er, aber mir war nicht nach Lachen zumute. „Ich würde Wasser bevorzugen" meinte ich trocken. Er zuckte mit den Schultern und schloss den Kühlschrank wieder. Ich schloss die Augen und fuhr mir durch die langen blonden Haare. Er schob mir ein Glas Wasser über eine freistehende Theke hinweg zu. Ich trank es in wenigen Zügen aus.

Ich spürte schon, dass er hinter mir stand bevor er die Arme um mich schlang. Er strich mir die Haare auf eine Seite. Ich versteifte mich etwas. „Entspann dich" Ich konnte ihm das schmunzeln anhören. Seine Lippen strichen über meinen Kieferknochen und über meinen Hals. Auf Höhe meiner Kehle stoppte er. Ein Schauder lief mir über den Rücken als er genau die Stelle küsste. Ich biss mir leicht auf die Unterlippe. Seine Hände strichen mit etwas Druck von meiner Taille zu meinen Hüften. Ich konnte ein wohliges seufzen nicht unterdrücken. „Warum bleibst du heute Nacht nicht hier und wir gehen morgen früh Ausreiten?" seine Hand ließ er in den Bund meiner Reithose gleiten. Ich nickte nicht mehr ganz Herrin meiner Sinne. Ich fühlte mich wie auf Droge und mein Herz schlug aufgeregt gegen meinen Brustkorb.

Warum musste er nur diese Wirkung auf mich haben?

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