Kapitel 10

Am Sonntag kamen wir früh wieder auf dem Gestüt an. Ich hatte ihn einfach um mich herum ertragen. Der Vorfall verfolgte mich immer noch und ich bekam ihn nicht aus dem Kopf. Richtig entspannt wäre ich erst wieder wenn ich in meiner eigenen Wohnung auf dem Sofa liegen und eine Serie auf Netflix gucken würde.

„Herzlichen Glückwunsch!" begrüßte Corinna ihren Sohn überschwänglich. Der drückte sie sofort von sich und sie zog entnervt eine Augenbraue hoch. „Hallo Malar. Wie war der Ausflug in die Welt der Profireiter?" lächelte sie mich an. „Interessant" erklärte ich und schulterte meine Reisetasche um sie direkt in meinen Kofferraum zu schmeißen. Ich wollte so schnell wie möglich abhauen und keine Minute länger in Joshuas Nähe bleiben. „Willst du schon fahren?" fragte sie irritiert und ich meinte auch etwas Enttäuschung in ihrem Blick erkennen zu können. „Kannst du nicht noch bis zum Mittagessen bleiben?" Ich schüttelte den Kopf. Ich fand leider keine gute Ausrede, außerdem würde sie wenn ich meine Jacke auszog eventuell meine Handgelenke sehen und wie ich das erklären sollte wusste ich nicht wirklich. „Ist irgendetwas zwischen euch vorgefallen?" fragte sie besorgt und sah zwischen mir und Joshua hin und her. „Nein. Keine Sorge" beschwichtigte Joshua sie „Malar ist nur mit einer Freundin verabredet" log er für mich und ich ergänzte „Ja, ich habe sie schon etwas länger nicht mehr gesehen." „Aber morgen bist du da?" fragte sie hoffnungsvoll. Ich schüttelte mit bedauerndem Blick den Kopf „Ich bin mit Silvi verabredet und man weis ja wie das am Stall ist es kann schon mal länger dauern als geplant." „Schade" meinte sie und lächelte mich dann wieder an. „Tschüss" verabschiedete ich mich freundlich lächelnd von ihr. „Tschüss" entgegnete sie ebenfalls lächelnd. Meine Lächeln erlosch als ich mich zu Joshua wandte. „Tschüss" meinte er in seinem typischen undefinierbaren und rauen Tonfall. Ich sagte nichts und drehte mich, dann zu meinem Auto.

Das erste was ich tat, als ich nach Hause kam war mich auf mein Sofa fallen zulassen. Mein Handy klingelte. Joshua. Ich drückte ihn weg. Ich wollte nichts von ihm hören! Ich wünschte ich könnte ihn aus meinem Leben streichen und ihn einfach vergessen. Mein Handy klingelte wieder. Wieder Joshua und wieder drückte ich ihn weg. Er sollte mich in Ruhe lassen. So ging es ganze 10 mal, dann war ruhe.

Ich atmete erleichtert aus und schlug meinen Laptop auf. Jedoch gab ich nicht ‚Netflix' in die Suchleiste ein, sondern verharrte vor dem Bildschirm. Bis er immer dunkler wurde und schließlich ausging. Das alles war doch totale Scheiße! Irgendwie musste ich mich ablenken, aber ich konnte es einfach nicht. Es war als wollte ich mich immer wieder mit der Sache von Samstag beschäftigen.

Plötzlich klingelte es. Ich zuckte zusammen und schlug meinen Laptop zu. Mit schnellen Schritten lief ich zur Tür und öffnete sie. Joshua stand mir gegenüber. „Malar wir reden jetzt!" ich zuckte bei seinem barschen Ton zusammen. Er schob mich zur Seite und trat ein. Einen kurzen Moment blickte ich noch in den Flur, dann schloss ich die Tür. Er zog seine Jacke aus und hängte sie wie selbstverständlich an die Garderobe. Warum konnte er nicht einfach wieder gehen?!

Allen Anschein nach hatte er ein fotografisches Gedächtnis, denn er bewegte sich ziemlich zielstrebig ins Wohnzimmer. Perplex folgte ich ihm. Kurz kam mir wieder der vorletzte Montag in den Sinn und ich verteufelte mich dafür. Wie hatte ich nur mit ihm schlafen können? Er lies sich auf den Platz sinken auf dem ich vorher gesessen hatte. Erwartungsvoll sah er mich an. Mit ausreichend Abstand ließ ich mich neben ihn auf das grau bezogene Sofa sinken. „Es tut mir wirklich leid" fing er an. Ich musste schlucken und zog automatisch die Ärmel meines Pullies über meine Hände. Ich nahm eine Abwehrhaltung an. „Ich weis nicht ob ich dir das Verzeihen kann" meinte ich kühl. Er sah mich ruhig an. „Joshua. Ich hab dir vertraut oder zumindest soweit vertraut, dass ich kein Problem hatte mit dir zu schlafen. Ich hab angefangen dich zu mögen." ich wurde immer leiser, letzteres flüsterte ich nur. „Wie kann ich das wiedergut machen?" besorgt sah er mich an. „Das kann man nicht wieder gut machen!" flüsterte ich rau. „Was ist wenn so etwas noch einmal vorkommt?" fragte ich lauter. „Das wird es nicht." er griff nach meiner Hand. „Malar, das wird es nicht!" meinte er noch einmal eindringlich. Irgendwie konnte ich das nicht glauben. „Kiki, hat mich gewarnt" murmelte ich. Er stand auf und ging direkt vor mir in die Knie, so dass ich ihn ansehen musste. „Vor wem?" formten seine Lippen. „Dir" ich sah ihm direkt in die Augen. Er seufzte und gab zu „Ich habe in der Vergangenheit Fehler gemacht. Fehler die ich ganz klar bereue" er meinte es ernst. Trotzdem blieb ich misstrauisch „Wer sagt, dass du diese Fehler nicht noch einmal machst?" Vorsichtig als hätte er Angst mir wieder weh zu tun nahm er meinen Kopf zwischen seine Hände „Ich... Ich garantiere dir das." Er legte seine Stirn an meine und fuhr fort „Ich wollte dir nicht weh tun. Es tut mir leid. Ich habe die Selbstbeherrschung verloren. Das wird nicht wieder vorkommen. Lass Kiki reden sie kennt auch nur die halbe Wahrheit und hat sich ihren Teil dazu gesponnen." Ich atmete tief durch und die letzte meiner Barrieren fiel krachend in sich zusammen. Langsam entspannte ich mich. Er ließ meinen Kopf los und fuhr mir zärtlich über die Wange.

„Eine kleine Sache konnten wir noch nicht klären" grinste er und ich blickte ihn fragend an. „Deine kleine Liebesbekundung von Freitagabend" erinnerte er mich und entlockte mir damit ein Lächeln. „Ich war besoffen" stellte ich klar. „Sagen betrunkene Menschen und Kinder nicht immer die Wahrheit?" Spott schwang in seiner Stimme mit. „Springreiter und ihr Ego" lachte ich. „Ist das nicht genau das worauf ihr Frauen abfahrt?" stichelte er. „Gewagte These!" grinste ich. Er lachte und richtete sich wieder auf. „Was ist nun?" fragte er und seine blauen Augen zeugten von Neugier. Ich zuckte mit den Schulter „Wie was ist nun?" „Na meinst du es ernst?" ich wusste nicht warum, aber ich lächelte ihn an und zuckte mit den Schultern. Kritisch, als würde er es nicht ernst nehmen hob er eine Augenbraue. Ich musste lachen und warf dabei leicht den Kopf in den Nacken um ihm weiterhin in die Augen sehen zu können.

Wenn er so war gefiel er mir unglaublich gut. Wenn er so war glaubte ich daran, dass ich mich in ihn verlieben könnte.

Er lächelte mich an, warmherzig und lieb. Mein Herz schlug plötzlich schneller und ich konnte meinen Blick kaum von seinen Lippen nehmen.

Wie gerne würde ich diese schön geschwungenen Lippen noch einmal küssen. Dem Lächeln wich ein selbstsicheres Grinsen. Er wusste wie sehr ich mich nach seinen Lippen verzehrte. Ich atmete tief durch und bemühte mich nicht mehr auf seine Lippen zu starren.

Wieder strich er mir über die Wange. Ein wohliger Schauer lief mir über den Rücken. Ich genoss seine Berührung. Ich hatte fast vergessen wie gut es tat eine solche Zuwendung zu erfahren. Ein wohliges seufzen entfloh meinen Lippen und entlockte ihm ein Schmunzeln, dann beugte er sich vor. Leidenschaftlich ließ er meinen Lippen einen zu schönen Kuss zu Teil kommen. Feurig erwiderte ich den Kuss und gab ihm somit die fehlende Intensität.

Wieder schliefen wir mit einander, wieder genoss ich es in vollen Zügen. Und wieder ärgerte ich mich ihm so schnell nachgegeben zu haben.

„Warum bringst du mich immer wieder dazu?" fragte ich und ließ grinsend meine Stirn auf seine muskulöse Brust sinken. „Du kannst meinem Charme einfach nicht wieder stehen." vermutete er nicht wirklich ernsthaft. „Mhm... Warum auch sonst!" grinste ich ihn an und drückte ihm einen Kuss auf sein deutlich hervorstehendes Schlüsselbein. Er lächelte und strich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Sofort errötete ich etwas und schmiegte mich etwas enger an ihn. Irgendwie fühlte es sich zu gut an mit ihm hier zu liegen. Da war eine gewisse Vertrautheit zwischen uns. Gedankenverloren malte ich Kreise auf seine weiche Haut. „Kommst du morgen mit zu Silvi?" blickte ich wieder auf. „Wie viel Uhr?" das wertete ich mal als Ja. „Um eins" grinste ich. „Was habt ihr vor?" „Keine Ahnung" ich zuckte leicht mit den Schultern. Er schüttelte grinsend den Kopf „Wie kann man keine Ahnung haben was man macht wenn man in den Stall geht!" „Als wüsstest du das immer!" amüsierte ich mich. „Ja. Das weis ich immer. Welche Pferde ich reiten muss, ob ich Zäune kontrollieren muss, welche Pferde auf die Weide kommen und welche eingestallt bleiben..." zählte er auf und tippte mir neckisch auf die Nasenspitze. Gespielt sauer sah ich ihn an. Belustigung glitzerte in seinen Augen „Ich gebe zu. Ich bin ein Kontrollfreak". „Mhm!" bestätigte ich und fuhr seine hohen Wangenknochen mit einem Finger nach, aber er hielt meine Hand fest und drehte vorsichtig meine Hand um mein Handgelenk in Augenschein nehmen zu können.

Seine Augen lagen glühend auf den blauen Flecken, die er verursacht hatte. Zärtlich fuhr er über sie und meinte leise „Das sieht echt nicht gut aus!" Ein trauriges Lächeln schlich sich auf meine Lippen. Wieder lies er es los und wandte sich mir zu „Hey! Ist gut!" beschwichtigte er und schlang seine Arme fest um mich.

„Hallo" flötete ich, als ich in den kleinen Stall meiner Trainerin schritt. Sofort wurde ich wiehernd von allen Seiten begrüßt und Silvi rief „Hallo! Wie war es in Amsterdam?" sie hatte mir wohl den Rücken zugedreht, denn sie schien Joshua nicht bemerkt zu haben. „Joa. Eine interessante Erfahrung" meinte ich und streichelte Scotty der mir am nächsten Stand liebevoll über den feinen Kopf. „Hey" begrüßte Joshua seine ehemalige Trainerin. Silvi wirbelte herum „Was machst du denn hier?". Joshua wies als Antwort einfach nur auf mich. „Ich habe ihn mitgeschleppt" erklärte ich und Silvi sah überrascht zwischen uns hin und her. „Ihr versteht euch anscheinend echt ganz gut. Hätte ich eigentlich nicht erwartetet" meinte sie nach ein paar Wimpernschlägen. „Das hat glaube ich keiner" pflichtete ihr Joshua bei. Ich nickte gedankenverloren.

„Schon ein Pferd gefunden?" wandte sie sich an mich. Ich schüttelte den Kopf „Ich bin zwar schon ein paar mal einen wirklich tollen Hengst geritten, aber bis jetzt war außer ihm nichts weiter dabei" „Ich dachte du wolltest nie Hengste reiten" Silvi wirkte deutlich überrascht. „Rocky ist aber auch nicht wirklich hengstig" warf Joshua ein. „Rocky ist wirklich toll und wirklich total fein zu reiten. Der verlangt mir echt das äußerste ab, aber irgendwie mag ich das" geriet ich ins Schwärmen. „Rocky steht dir auch, wenn man außer acht lässt, dass es etwas komisch aussieht wenn du neben ihm stehst. Ich meine dieser Koloss und du kleines zierliches Wesen daneben." zog er mich auf. Vorwurfsvoll sah ich ihn an „Halt die Klappe! Oder ich mache auch mal Witze über dich und deine Springpferde" Er lachte „Klar. Worüber willst du da denn Witze machen?" „Da findet sich schon was!" zuckte ich mit den Schultern. Silvi musste lachen „Ihr klingt ja schon fast, wie ein altes Ehepaar! Da wird das ja mit dem Vertrag ein Kinderspiel" sie zwinkerte mir zu.

Wenn sie wüsste! Ich wusste auch nicht warum ich ihm so einfach vergeben hatte. Auch wenn er das ganze ja augenscheinlich bereute... Trotzdem! Hätte ich nicht eigentlich einen Schlussstrich ziehen müssen?

Joshua holte mich gedanklich zurück auf die Stallgasse „Worüber musst du nachdenken?" raunte er mir leise zu und umarme mich von hinten. Ich schmiegte mich an ihn und streichelte Scotty weiter. „Nichts." winkte ich ab und streckte mich etwas um ihm einen Kuss auf die Wange zu geben.

„Ihr seid ja wirklich süß zusammen!" seufzte Silvi und fügte hinzu „Malar. Willst du gleich Scotty und Jul reiten?" Ich nickte. Und wie!

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top