In meinem Leben (Timestamp) - Part 3
Niemand lässt sich mit dir vergleichen
Die Remissions-Phase schien als würde sie eine Weile anhalten. Cas war dafür extrem dankbar. Der Winter ging vorüber und auf ihrem Grundstück erblühte der Frühling. Die Bienen wurden wieder aktiver, als sich die Knospen auf den Zweigen öffneten und die Blumen ihre Blüten ausstreckten. April ging in den Mai über und das Wetter wurde noch wärmer.
Dean machte sich klasse. Er bemühte sich, Cas über jede Schwierigkeit, die er hatte, zu informieren, und die Kommunikation half ihnen beide. Ende Mai nahmen sie ihre beiden Mädchen mit nach Disney World. Obwohl Dean oft den Rollstuhl benutzen musste, fuhr er mit so vielen Achterbahnen wie er konnte. Nach ihrer vierten Themenfahrt von Fluch der Karibik verbot Cas Dean eine weitere Runde.
In den ersten Junitagen war ihr Garten mit Girlanden, Lichterketten und Kerzen geschmückt. Cas hielt Deans Hand, als David und Elena sich das Ja-Wort gaben. Zwei Wochen später verkündete David seine Kandidatur für die Präsidentschaftswahl und sprach darüber, für seine Väter Bodyguards einzustellen. Dean beschwerte sich lang und laut darüber, aber niemand hörte wirklich zu. In dieser Nacht lagen Cas und Dean im Bett und tauschten sich aus, wie besorgt sie waren. Stolz, aber besorgt.
Juli markierte den Wendepunkt, seit sie vor einem Jahr die Feuerwache verlassen hatten. Cas überredete Dean schließlich, runter nach Remington zu fahren, um sie zu sehen. Er freute sich über das Lächeln, das auf Deans Gesicht auftauchte, als sie ankamen.
Jedes Fenster zeigte leuchtende Kunstprojekte, und auf dem Banner über den Haupttüren war in stahlblauen Buchstaben ,Baltimore Childrens Art Center‘ zu lesen. Die großen Tore waren mit einer Parkszene bemalt worden, in der kleine Kinder mit Drachen herumrannten und Fußball spielten.
„Das ist genau das, was ich mir für die Feuerwache erhofft hatte“, sagte Dean leise und staunte.
„Ich habe vorher angerufen. Sie erwarten uns.“
„Klasse!“
Cas half Dean aus dem Wagen und war erfreut, dass er normal laufen konnte. Das war ein großer Schritt in die richtige Richtung, dass er diesen Ausflug genießen konnte.
„Hey, Jungs!“ Charlie stürmte aus der Vordertür. „Die Kinder sind so gespannt, euch heute kennenzulernen.“ Sie nahm Deans Arm. „Ich kann immer noch nicht glauben, dass es das erste Mal ist, dass du hier bist, um es dir endlich anzusehen.“
„Naja, weißt du, das war schon schwierig für mich. Hab die meiste Zeit meines Lebens hier verbracht“, sagte Dean und blickte an dem Gebäude hoch. „War das einzig wahre Zuhause, das ich je hatte.“
„Ich weiß.“ Sie lächelte und tätschelte seine Hand. „Komm schon.“ Sie stieß die Tür auf und führte sie in den Raum, der früher Deans Studio gewesen war.
Dean und Cas blieben abrupt stehen und starrten.
Farben explodierten auf jeder Oberfläche. Girlanden und Lichterketten hingen von der Decke herab. Es roch nach Farbe, Popcorn und diesem bestimmten Geruch, der kleinen Kindern anzuhängen schien. Ein großes Banner war von einer Seite des Raumes zur anderen gespannt worden, auf dem in großen, leicht verschmierten roten Buchstaben ,Danke, Dean & Cas‘ stand, verziert mit unterschiedlich großen Handabdrücken in sämtlichen Farben des Regenbogens.
„Wow…“, sagte Dean leise.
„Was hast du erwartet? Du hast diesen Ort quasi gespendet.“
„Nein, wir haben ihn verkauft.“
„Ja, für einen Viertel des geschätzten Gesamtbetrags. Bitte. Komm schon, ich will, dass du Nancy kennenlernst.“ Charlie nahm Deans Hand und führte ihn zu einer Tür in der Wand, die dort vorher noch nicht gewesen war. „Da so viele Kinder gehbehindert sind, haben wir einen Fahrstuhl eingebaut. Ich schätze, der wäre auch für dich besser. Okay?“
„Wow, cool! Cas, warum haben wir keinen Fahrstuhl einbauen lassen? Ich hätte hier bleiben können!“
„Aber dann hätten die Kinder das nicht haben können“, erinnerte Cas ihn sanft.
„Oh, ja.“
Die Fahrstuhltüren öffneten sich auf der zweiten Etage. Cas sah Deans Unterkiefer hinabfallen.
Farben. Überall Farben.
Die Kinder schienen ihre Ankunft nicht zu bemerken. Eine junge Frau in der Nähe des Zimmers, das einmal Sams gewesen war, half zwei Mädchen in Rollstühlen, ihre Handabdrücke auf Papier zu bringen.
„Das ist Nancy Fitzgerald. Sie ist für den Lehrplan verantwortlich.“ Charlie zeigte auf eine dunkelhaarige Frau auf der anderen Seite des Raumes. „Und ich bin sicher, dass du dich an-“
„Krissy Chambers. Heilige Scheiße“, murmelte Dean.
„Jap. Sobald sie hörte, was wir taten, war sie dabei.“
In dem Moment sah Krissy hoch. Ihre Augen leuchteten auf, als sie Dean in der Küche stehen sah. „Mr. Winchester!“, rief sie. Dutzende Augenpaare drehten sich zu ihnen um. Cas konnte Deans Verlegenheit spüren.
„An alle“, richtete Charlie sich an die Schüler, „das sind Cas und Dean. Ihnen hat die Feuerwache einmal gehört.“
Die Kinder applaudierten alle, einige jubelten, während Krissy sich den Weg zu ihnen bahnte. „Kann ich Sie umarmen, Mr. Winchester?“
„Nur, wenn du mich Dean nennst, okay?“
Krissys Gesicht erstrahlte, als sie sich in Deans Arme warf. „Ich freue mich so, dass du endlich hier bist, um es dir anzusehen. Nancy und ich haben so hart gearbeitet, und selbst Kevin kommt vorbei, um zu helfen.“
„Sind du und Kevin noch befreundet?“
Sie errötete und sah auf ihre Hand hinab. „Wir werden heiraten.“ Sie lächelte.
„Nun, hat ja nur dreißig Jahre gedauert.“
„Halt die Klappe.“ Sie grinste und boxte ihm spielerisch gegen den Arm.
„Ich bin stolz auf dich.“ Dean lächelte, wackelte aber leicht.
„Ok, lass uns mal einen Stuhl für dich besorgen“, sagte Cas und zog ihm zu einem freien Platz. Dean blickte sich immer noch um, doch beschwerte oder wehrte sich nicht, als Cas ihn zum Sitzen zwang. Es war ein kleiner Gewinn, aber den würde er trotzdem wertschätzen.
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Fröhlich presste Dean seine farbbedeckte Hand auf das Papier und drehte sich zu dem Kind neben ihm, um mit ihm zu lachen. Sein Name war Ben, er war dreizehn und hatte Zerebralparese. Schränkte ihn nicht im Geringsten ein.
Der Junge klatschte in die Hände. „Nochmal!“, rief er, also beschmierte Dean seine Hand dieses Mal mit Grün und drückte sie auf das Papier.
„Wow! Das sieht so cool aus! Man kann immer noch was von dem Rot sehen.“
„Wie ein blutender T-Rex!“, meinte Ben. „Wenn es getrocknet ist, können wir ein Paar wachsamer T-Rex-Augen hinzufügen.“
„Alter, da bin ich sowas von dafür.“
„Cool!“ Dann deutete Ben auf einen anderen Bereich auf dem Blatt, wo Dean sorgfältig vier Symbole hingezeichnet hatte. „Was ist das?“
„Oh, das ist für Led Zeppelin. Die Bandmitglieder dachten, dass es klasse wäre, für jeden ihrer Namen ein Symbol zu kreieren.“ Er zeigte auf das, was wie das Wort Zoso aussah. „Das ist für Robert Plant. Er war der Leadsänger. Niemand konnte so wehklagend singen wie er.“ Er zeigte auf Pages Symbol. „Jimmy Page. Wahrscheinlich einer der größten Gitarristen, den die Welt je kannte. John Paul Jones, ein bassistisches Ausnahmetalent. Und John Bonham, der beste Schlagzeuger des Universums; ist weit vor seiner Zeit gestorben.“
„Alter, du liebst sie ziemlich, oder?“
„Jap. Schau dir mal das an.“ Er schob den Ärmel seines Shirts hoch und enthüllte das Tattoo des Eremiten. „Die Figur befindet sich auf der mittleren Doppelseite von Zep IV. Und ich habe auch ein paar Songtexte auf meinen Körper tätowieren lassen.“
„Das ist so cool“, meinte Ben begeistert. „Ich mag AD/CD. Die höre ich von der alten Musik am liebsten.“
„Alte Musik, was?“
„Naja, die 1970er sind schon ewig her!“
„Ich bin in den 1970ern geboren…“
„Wow! Du bist echt alt!“
„Danke.“
„Ok, Ben, Zeit aufzuräumen. Deine Mutter kommt gleich.“
„Ach, jetzt schon? Ich will noch mit Dean abhängen. Er ist cool für so einen alten Mann.“
Krissy lachte. „Nicht nett, Ben. So alt ist er nicht.“
„Naja, du bist alt und er ist noch älter als du.“
„Mensch, Junge, du bist ja gerade gut drauf.“ Krissy warf Dean ein entschuldigendes Lächeln zu.
Nancy packte die Griffe von Bens Rollstuhl. „Ich fahre ihn“, sagte sie.
„Danke.“ Krissy nahm ein paar Papiertücher und reichte sie Dean. „Brauchst du Hilfe?“
„Ja, ich bin ein wenig vollgesaut.“
Grinsend ergriff sie seine Hand und wischte sanft so viel Farbe weg, wie möglich war. „Weißt du, ich glaube nicht, dass ich dir je gedankt habe“, sagte sie leise.
„Wofür?“
„Dass du an mich geglaubt hast.“
„Naja, ähm, weißt du, ich, ähm“, stotterte Dean.
„Mein Vater hat mich zwar immer unterstützt“, erzählte Krissy ihm und legte die Tücher beiseite, „aber du warst die erste Person, die mir wirklich gesagt hat, dass ich Talent habe. Und es hat mir so viel bedeutet, weil es von dir kam. Einige von uns, wie Kevin, Tracy und Josephine – wir wussten, wer du warst. Wir haben zu dir aufgesehen. Du warst ein ziemlich bekannter Künstler in den frühen 2000ern. Und dann warst du unser Lehrer. Auf jeden Fall-“, sagte sie und wehrte seinen Protest ab, „als Dean Winchester sich meine Arbeit ansah und meinte: ,Du hast Talent, du wirst weit kommen‘, hat das meine ganze Ansicht, meinen ganzen Karriereweg geändert. Ich hatte eine tolle Karriere als Grafikerin, und das alles deinetwegen. Also danke.“ Sie tätschelte seine Hand.
Dean schluckte. Tränen brannten in seinen Augen, doch er blinzelte sie zurück. „Ich, ähm, bin froh, dass sich die Dinge so gut für dich entwickelt haben“, murmelte er, überwältigt von ihren Worten.
Krissy grinste. „Das haben sie wirklich.“ Ihr Blick fokussierte sich auf jemanden hinter ihm. „Sie haben sich auch für dich ziemlich gut entwickelt“, sagte sie mit einem Zwinkern.
„Habt ihr Spaß?“ Cas setzte sich neben Dean und bewunderte die Handabdrücke. „Die sind sehr farbenfroh. Ben scheint talentiert zu sein.“
„Ja. Er ist ein klasse Bursche. Obwohl er denkt, dass ich uralt bin.“
„Warte – bist du nicht?“
Krissy und Cas lachten.
„Jaja, sehr witzig.“ Dean sah auf seine grüne Hand hinab. „Ich sollte mich mal waschen gehen.“ Er stand auf, und der Raum kippte und drehte sich. „Whoa.“
„Alles okay?“ Cas sprang sofort auf. Krissy und er griffen nach Dean, um ihn festzuhalten.
„Ja. Ich…bin glaube nur zu schnell aufgestanden.“ Er blinzelte und das Drehen stoppte. „Ja, ernsthaft, mir geht’s wieder gut. Ich glaube wirklich, dass ich zu schnell aufgestanden bin.“
„Na gut. Aber lass uns dich säubern und dann nach Hause fahren, okay?“
„Jap. Können wir bald wieder herkommen? Ich konnte dem hier wirklich einiges abgewinnen und die Kinder sind klasse.“
„Definitiv.“
„Nächstes Mal kannst du vielleicht einige deiner Arbeiten präsentieren.“ Krissy drückte seinen Arm. „Die Kinder würden es lieben.“
„Ja. Klingt nach einem Plan, Kleine.“
Sie lächelte. „Klasse.“
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Auf der Heimfahrt starrte Dean aus dem Fenster, während die Landschaft vorbeiflog. „Weißt du, ich dachte, es würde echt wehtun, das Gebäude wiederzusehen, nachdem ich so viele Jahre meines Lebens dort verbracht habe. Aber es ist so voller Energie, so voller Leben, und diese Kinder sind so glücklich.“ Er griff über den Sitz und nahm Cas‘ freie Hand. „Danke, dass du mich zum Umzug gedrängt hast. Das war es wirklich wert. Jedes bisschen.“
„Ich bin froh, dass du es genossen hast. Trotzdem mache ich mir wegen des Schwindelanfalls Sorgen. Bist du sicher, dass es dir gut geht?“
„Ja. Ich habe versprochen, nichts mehr vor dir geheim zu halten, und das habe ich auch so gemeint. Ich schätze, ich sollte langsamer von Stühlen aufstehen. Ich bin irgendwie wie ein Zwanzigjähriger vom Stuhl gesprungen und das kann ich einfach nicht mehr machen. Ich lerne, Cas. Ich weiß, dass ich Grenzen habe, die ich vorher nicht hatte. Es wird nur ein bisschen dauern, bis ich sie alle kenne. Sei einfach geduldig mit mir, okay?“
Cas drückte seine Hand und warf ihm sein wunderschönes Lächeln zu. Es ließ seinen Köper von Kopf bis Fuß warm werden.
„Ich werde ewig mit dir geduldig sein, mein Liebster.“
„Danke.“
„Du musst dich nicht bedanken.“
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Drei Tage später öffnete Dean den Kühlschrank und grummelte.
„Was?“ Cas sah von seinem Kreuzworträtsel hoch. „Was ist los?“
„Keine Milch. Wollte etwas Milch.“
„Ich gehe später zum Laden. Schreib es auf meine Liste.“
„Aber ich will sie jetzt.“
„Musst du dich so kindisch verhalten?“
„Ich bin nich‘ kindisch“, murrte Dean. „Wolltest du nicht ewig geduldig sein?“, murmelte er vor sich hin.
„Ich werde Milch holen, wenn ich zum Laden gehe, okay?“
„Wie auch immer.“ Er ließ sich in einen Stuhl sinken.
„Hey, Jungs“, rief Janne, während sie die Haustür aufschloss. „Ich hab ein paar Äpfel mitgebracht. Das sind die schönsten, die ich je gesehen habe.“ Sie wuschelte durch Deans Haare, als sie an ihm vorbeiging. „Ich werde dem nörgeligen, alten Mann einen Kuchen backen.“
„Hast du Milch mitgebracht?“
„Mann, verdammt nochmal, ich habe gesagt, dass ich Milch holen werde!“ Cas schmiss den Stift auf den Tisch.
„Na, Ärger im Paradies heute Morgen?“
„Nein. Ich gehe zum Laden. Bin gleich wieder da.“ Cas sammelte seine Sachen zusammen und schlug die Haustür hinter sich zu.
„Was hast du mit ihm gemacht?“, fragte Janne, die Hand in der Hüfte.
„Keine Ahnung. Ich wollte nur etwas Milch.“
„Hmph.“
„Ich gehe jetzt duschen“, murmelte Dean und gab sich geschlagen.
In ihrem Schlafzimmer zog er sich aus, warf die Boxershorts in den Wäschekorb, ging dann ins Badezimmer und beugte sich runter, um das Wasser anzudrehen. Während es warm wurde, kümmerte er sich um seine Angelegenheiten auf der Toilette und war froh, dass alles so funktionierte, wie es sollte. Es war ein guter Tag, wenn sein Darm und seine Blase ihren Job taten.
Er stand auf, und das Badezimmer neigte sich. Die Konturen verschwammen. „Whoa. Nicht schon wieder“, stöhnte er und stützte sich an der Wand ab. Dean stand da, atmete, und wartete, dass der Schwindelanfall vorüberging. „Das ist definitiv nicht witzig“, murrte er zu sich selbst.
Dean sah zur Badewanne und entschied, dass es wohl keine so gute Idee war, wenn Cas nicht dabei war. Nicht, wenn der Schwindel einfach nicht abklingen wollte.
Er bückte sich, um das Wasser auszudrehen, und sein Gleichgewicht gab nach.
Das letzte, was Dean sah, war der Badewannenrand, der ihm entgegenkam.
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Nicht schon wieder.
Nicht schon wieder.
Nicht, wenn er nicht… Nicht, wenn das letzte, das er zu Dean gesagt hatte, ein abfälliger Kommentar zu der verdammten Milch gewesen war.
„Oh Gott“, murmelte er und vergrub das Gesicht in den Händen.
„Wir sind fast da, Papa. Ich fahre so schnell ich kann.“
Janne war mit Dean im Krankenwagen mitgefahren. Sie hatten ihn zum Upper Chesapeake gebracht, aber die Sorge um seine Vitalfunktionen hatte sie dazu veranlasst, ihn mit dem Hubschrauber zum Johns Hopkins Hospital zu transportieren, wo Tiana wartete. Sie hatte Mei geschickt, um Cas abzuholen, da sie sich nicht sicher gewesen war, ob Cas in seiner Aufregung zum Fahren fähig gewesen wäre.
Tiana war eine sehr schlaue Frau.
Mei steuerte das Auto mit Leichtigkeit durch die Straßen der Innenstadt und fand schnell einen Platz im Parkhaus. Cas war ausgestiegen, bevor sie das Auto überhaupt zum Stillstand gebracht hatte.
„Papa, warte!“
Cas hörte nicht zu. Er rannte in die Richtung des Krankenhauses. Der einzige Gedanke in seinem Kopf war, Dean zu finden.
„Ich muss wissen, wo Dean Novak-Winchester ist“, verlangte er an der Rezeption.
„Ähm, einen Moment bitte“, antwortete die gestresste Empfangsdame, als sie zu tippen begann.
„Papa!“ Tiana erschien aus dem Nichts, eilte auf ihn zu und ergriff seinen Arm. „Schon okay, Lydia, ich übernehme ab hier. Wo ist Mei?“
„Keine Ahnung. Wo ist Dean?“
„Er wird stabilisiert. Komm runter, es geht ihm gut. Er hat ihnen in Bel Air nur einen Schrecken eingejagt, deswegen haben sie ihn hierhin gebracht.“
„Welchen Schrecken?“
„Naja, er hat zuerst auf keinen Reiz reagiert, und wegen seiner schweren Kopfverletzung von 2001 wollten sie kein Risiko eingehen. Auf halbem Wege hierher ist er zu sich gekommen und hat mit den Sanis geredet. Daddy hat eine leichte Gehirnerschütterung und eine gebrochene Nase, ganz zu schweigen von den ganzen blauen Flecken, aber ansonsten geht es ihm gut.“
Cas stieß die angehaltene Luft aus, sein Körper gab nach.
„Papa, du zitterst. Lass uns eine Tasse Tee für dich holen.“
„Nein, mir geht’s gut. Lasst mich bitte zu ihm.“
Tiana runzelte die Stirn. „Lass die Schwestern ihn erst stabilisieren. Zuerst Tee, ok?“ Sie nahm seinen Arm und zog ihn sanft in Richtung der Cafeteria.
„Nein, ich will ihn- Ich muss ihn sehen. Zuerst Dean.“
„Papa!“ Meis Stimme war erhoben und irritiert. „Warum bist du so vor mir weggerannt?“ Sie kam vor ihm zum Stehen. Die schwarzen Haare waren zerzaust und ihr Gesicht gerötet. „Das war nicht cool!“
„Ich will euren Vater sehen! Warum lässt du mich nicht zu ihm?!“ Er wirbelte um die eigene Achse, um wieder Tiana anzusehen. „Bring mich sofort zu Dean!“
„Nein. Du musst dich beruhigen. Du bist hysterisch und ich bringe dich nicht da hoch, damit du auch noch Daddy in Aufruhe versetzt. Du zitterst und du bist durcheinander. Zuerst Tee. Dann Daddy.“
„Verdammt!“ Cas‘ Stimme hallte durch die Lobby. „Hör auf mich zu bevormunden!“
„Okay, das reicht.“ Tiana verstärkte ihren Griff um Cas‘ Arm und zog ihn den Flur entlang.
Die Leute starrten, einige tuschelten hinter vorgehaltenen Händen. Cas war es egal. Er wollte seinen Ehemann sehen und kämpfte gegen Tias überraschend festen Griff an. Sie schleifte ihn in ein leeres Büro und schlug die Tür hinter ihnen Dreien zu.
„Was ist los mit dir?“, fragte Tia, die Hände in die Hüften gestemmt.
„Ich will nur Dean sehen! Warum lässt du mich nicht zu ihm?!“
„Hast du dich mal gesehen? Du schwitzt und siehst total fertig aus. Daddy ist verletzt, aber es wird ihm wieder gut gehen, und im Moment schläft er und ist entspannt, und wenn ich dich jetzt so wie du aussiehst da hochbringe, wird er sich auch nur aufregen. Wenn es andersherum wäre, würde ich ihm das Gleiche sagen.“
„Setz dich, Papa“, ermutigte Mei ihn und zog einen Stuhl für ihn heran. „Ich gehe gleich in die Cafeteria und hole dir Tee. Setz dich bitte.“
„Aber ich will nicht-“
Tiana fuhr mit der Hand über seinen Arm. „Bitte. Nur für ein paar Minuten. Okay?“
„Ich bin zum Laden gegangen und habe nicht Ich liebe dich gesagt. Ich bin wütend weggegangen. Was, wenn- Was, wenn er-“ Cas‘ Stimme brach, und Tränen strömten seine Wangen hinab. „Warum passiert das immer wieder? Ich verstehe das nicht!“
„Oh, Papa.“ Tiana zog ihn zu sich heran und Tiana presste sich an seinen Rücken. „Du bist so stark. Du passt die ganze Zeit auf Daddy auf. Haben wir alle vergessen, auf dich aufzupassen?“
„Ich muss s-stark s-sein. Er b-braucht mich!“
„Ja, aber du brauchst auch jemanden, der dir hilft.“ Mei rieb mit kreisförmigen Bewegungen beruhigend über seinen Rücken. „Wir sind für dich da. Während du für Daddy stark bist, lass uns für dich stark sein. Okay?“
Cas konnte nur nicken. Er war vollständig ausgelaugt. Er erlaubte den Mädchen, ihn zur Couch zu führen.
„Ich hole Tee“, sagte Mei sanft.
Leise verließ sie das Zimmer, während Tiana neben Cas saß. Eine Taschentuchbox wurde in Cas‘ Schoß gelegt. Er nahm ein paar Tücher und wischte sich das Gesicht.
„Mir geht’s gut“, murmelte er.
„Ich weiß. Das tut es immer. Du bist so stark, Papa. Ich glaube, deshalb vergisst der Rest von uns das manchmal. Dass du auch jemanden brauchst, der dich stützt, so wie du es für Daddy machst. Ich fühle mich wirklich, als hätten wir drei dich im Stich gelassen.“
„Ihr seid alle beschäftigt-“
„Das ist keine Entschuldigung. Du und Daddy hattet immer Zeit für uns. Wir sollten uns alle Zeit für dich nehmen.“ Tiana nahm seine Hand und fuhr beruhigend über seine Finger. „Es geht ihm gut. Wir werden noch ein paar Tests mit ihm durchführen, um sicherzugehen, dass es nichts Ernstes ist. Ich glaube nicht, dass das der Fall ist. Er hatte vorher schon Schwindelanfälle und Gleichgewichtsstörungen. Er schwört, dass er dir davon erzählt hat.“
„Hat er; seinem Versprechen ist er treu geblieben.“
„Gut. Auf jeden Fall erinnert er sich an nicht viel, was passiert ist, aber er meinte, dass er baden wollte. Ihm war schwindlig und er entschied, dass er es vermutlich sein lassen sollte, wenn du nicht dabei bist. Das ist das letzte, an das er sich erinnert. Daddy ist gefallen und hat sich den Kopf am Badewannenrand angeschlagen. Die linke Seite seines Gesichts ist ziemlich blau und seine Nase ist gebrochen. Trotzdem geht es ihm gut. Er ist in guter Stimmung. Okay? Es geht ihm gut.“
„Ok“, murmelte Cas.
Mei kam zurück ins Zimmer und hielt eine dampfende Tasse in ihrer Hand. „Bitte, Papa.“
„Danke, mein Schatz.“
Sie saßen still da, während Cas seinen Tee trank. Ab und zu redeten die Mädchen über belanglose Themen, bei denen Cas einfach nur stumm zuhörte.
„Erinnert ihr euch, als Oma Ellen gestorben ist?“, unterbrach Cas sie leise. „Und Opa Bobby so vollkommen verloren schien? Als ob er nicht wüsste, was er noch mit seinem Leben anfangen sollte?“
Beide Mädchen nickten.
„So ginge es mir auch… Wenn Dean etwas zustoßen würde…“ Cas unterdrückte ein Schluchzen. „Ich denke nicht, dass ich- Ich denke nicht, dass ich funktionieren könnte.“
„Oh, Papa. Daddy hat noch ein schönes langes Leben vor sich. Er wird nicht-“
„Aber er könnte! Wenn er aus einem anderen Winkel aufgekommen wäre – oder seinen Kopf stärker aufgeschlagen hätte… Ich hätte ihn verlieren können. Ich hätte- Ich hätte ihn verlieren können!“ Den nächsten oder übernächsten Schluchzer konnte er nicht mehr zurückhalten.
Die Mädchen rutschten auf der Couch näher an ihn heran und schlangen fest die Arme um ihn.
„Ich kann ihn nicht verlieren. Kann ich nicht. Wir sind zu jung. Wir haben noch so viel vor.“
„Und ihr werdet das alles machen können“, murmelte Tiana und fuhr mit den Fingern durch seine Haare. „Es geht ihm gut. Dir geht es gut. Ich glaube, die Geschehnisse stürzen gerade einfach nur alle auf einmal auf dich ein. Komm schon, beruhige dich. Alles ist gut.“
„Wir lieben dich beide so sehr, Papa. Lass uns helfen. Bitte.“
Er nickte. „Ok. Okay.“
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Deans Augen waren geschlossen, als Cas schließlich zu ihm hoch ging. Seine Nase war verbunden und mit weißen Tapes beklebt. Eine Linie hässlicher Blutergüsse bedeckte seine linke Wange bis zu seinem Haaransatz hoch. Sein linkes Auge war so geschwollen, dass er es vermutlich nicht öffnen konnte. Er sah sehr friedlich aus, seine Brust hob und senkte sich langsam. Tiana hatte gesagt, dass sie ihn über Nacht hierbehalten würden, um noch ein paar Tests durchzuführen und sicherzugehen, dass er keine bleibenden Schäden von der Gehirnerschütterung haben würde.
Vorsichtig bewegte Cas einen Stuhl näher zu seinem Bett und setzte sich erschöpft darauf. Er griff nach Deans Hand, zog seine dann aber wieder zurück, weil er ihn nicht stören wollte.
„Du kannst meine Hand ruhig halten, Dummerchen“, sagte Dean und ließ ihn zusammenzucken. Seine Stimme war rau und kratzig.
„Ich dachte, du schläfst.“
„Nein. Das Licht tut nur irgendwie meinen Augen weh.“ Er drehte seinen Kopf leicht zur Seite und öffnete sein rechtes Auge ein wenig. „Schöner wäre es, wenn du herkommen und ein Nickerchen mit mir halten würdest. Ich bin müde und du siehst ziemlich scheiße aus.“
„Danke.“
Dean schmunzelte und schloss wieder sein Auge. Er rutschte an den Rand des Bettes und machte Platz für ihn. „Komm schon. Pack deinen perfekten Arsch hier rauf.“
Cas grinste, zog seine Schuhe aus und krabbelte glücklich unter die Decke, die Dean für ihn hochhielt. Er legte seinen Kopf auf Deans Schulter und schlang den Arm um die Taille seines Ehemanns.
„Geht’s dir gut?“ Lippen pressten sich auf seine Stirn.
„Sollte ich nicht dich das fragen?“
„Mir geht’s gut. Bin benommen, schwebe auf einer entspannten Wolke Schmerzmittel.“ Erneut küsste Dean seine Stirn. „Du jedoch siehst ziemlich gestresst aus.“
„Ich bin ein bisschen… Ich bin das ganze so leid, Dean.“
„Ich weiß. Es tut mir leid.“
„Das ist nicht deine Schuld.“ Cas seufzte, vergrub das Gesicht in Deans Halsbeuge und schloss die Augen. „Ich bin plötzlich so müde.“
„Dann schlaf. Ich kann sowieso nicht länger gegen die Drogen ankämpfen. Mach ein Nickerchen mit mir.“
„Okay.“
Dean fing sanft zu summen an, was in leisen Gesang umschlug, und Cas ließ sich treiben.
„There are places I remember…“
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Ein heller Lichtblitz schrecke ihn aus dem Schlaf hoch und er blinzelte ein paar Mal, um zu sehen, was es war.
„Sorry, Pops. Ihr zwei saht so süß aus und ich wollte es den Mädels zeigen.“ David lächelte entschuldigend.
„Was tust du hier? Ich dachte, du hättest diese Woche Wahlkämpfe?“
„Habe ich. Aber ihr seid wichtiger.“ David setzte sich auf den Stuhl neben dem Bett und fuhr sich mit den Fingern durch sein dichtes rotes Haar. Diese Geste würde Cas immer an Sam erinnern, und er lächelte.
„Ich bin froh, dich zu sehen.“
„Freut mich auch. Ich fange an mich zu fragen, worauf ich mich nur eingelassen habe.“
Cas schaffte es, vorsichtig aus dem Bett zu steigen, ohne Dean zu wecken. „Was meinst du?“, fragte er und setzte sich auf den Stuhl neben David.
„Mir wird eine Menge Schwachsinn an den Kopf geworfen. Es ist sogar noch schlimmer als zu der Zeit während meiner Kandidatur für den Senat. Einer meiner Gegner, von dem ich tatsächlich dachte, er wäre mein Freund, verwendet meine Adoption gegen mich, denn scheinbar ist ein adoptierter Sohn nicht geeignet, ein Land zu regieren.“
„Das ist lächerlich.“
„Ich weiß. Ich bin entschlossen, mich davon nicht einschüchtern zu lassen. Ich wäre ein vernünftiger Präsident, denke ich.“
„Ich weiß, dass du das wärst.“ Cas streckte den Arm aus und tätschelte seine Hand. „Dad und ich sind so stolz auf dich.“
David lächelte. „Da bin ich mir sicher. Ich kann mir nicht im Ansatz vorstellen, wo ich heute wäre, wenn es euch zwei nicht gäbe. Ich habe verdammtes Glück, euch zu haben.“
„Nein, wir sind die Glücklichen. Wir wollten so sehr Kinder, und Dad war entschlossen, dass wir welche haben würden, die Hilfe brauchten. Wir sind so dankbar, dass du dazugekommen bist.“
David wischte sich die Augen und grinste. „Freut mich, dass ich helfen konnte.“ Für einen Moment saßen sie still da. „Wie geht es ihm?“, fragte David. „Ist er okay? Was ist passiert?“
„Wir sind uns nicht ganz sicher. Er muss sich noch einigen Tests unterziehen, um zu versuchen herauszufinden, wo der Schwindel und die Gleichgewichtsstörungen herkommen. Er macht sich so gut, mir zu sagen, wenn etwas nicht stimmt – auf jeden Fall werden wir weiterhin ein Auge darauf haben.“
„Ich mache mir Sorgen um euch zwei, dass ihr so ganz alleine da draußen auf dem Lande wohnt. Du weißt, dass ich irgendwann einen Bodyguard auf euch abstellen muss, besonders wenn ich die Vorwahlen gewinne.“
„Ich weiß. Wir haben ein freies Zimmer, das jemand in solch einem Fall nutzen könnte. Außerdem sind Dean und ich im Moment bereits dabei, ein Sicherheitssystem installieren zu lassen.“
„Und einen Sichtschutzzaun. Ich muss euch in Sicherheit wissen. Wenn dir und Dad meinetwegen etwas zustößt, werde ich mir das niemals verzeihen.“
„Wir kriegen das schon hin.“
Dean bewegte sich, murmelte etwas von ,blöde Bienen‘ und drehte sich auf die Seite. Scheinbar schlief er immer noch tief und fest.
„Hast du Hunger? Ich könnte dir etwas holen. Ich weiß, dass du hier nicht weg willst.“
„Das wäre toll. Ein Sandwich reicht völlig.“ Cas sah sich um. „Warte, bist du alleine hier?“
„Nein, Jack steht draußen vor der Tür und Brian ist unten im Empfangsbereich. Pops - Ich kandidiere für die Präsidentschaft. Ich bin niemals alleine.“
„Ah. Gut.“
„Ich bin gleich wieder da.“ David stand auf und klopfte Cas auf die Schulter, bevor er den Raum verließ. Dean schniefte im Schlaf, als die Tür geschlossen wurde. Nur seine abstehenden grauen Haare schauten unter der Decke hervor.
„Du jagst mir Angst ein, weißt du das?“, fragte Cas Deans schlafende Gestalt. „Ich bin nicht bereit, ohne dich zu leben. MS oder nicht – wag es ja nicht, dir einfallen zu lassen, früh zu gehen.“ Er rutschte mit dem Stuhl näher zu ihm heran, streckte den Arm aus und fuhr mit den Fingern über Deans faltigen Handrücken. „Ich bin nicht bereit. Bleib. Bitte“, flüsterte er.
„Papa?“ Tiana betrat den Raum, ein Diagramm in der Hand. „Alles okay?“ Sie legte ihre Hand auf seine Schulter.
„Mir, ähm, mir geht’s gut.“
„Okay. Dr. Bradley und ich haben uns gerade Daddys Daten angesehen und wir sind uns beide sicher, dass der Schwindel nur von der MS herrührt. Das ist ein übliches Symptom.“
„Ist es auch üblich, dass er der Grund für den Gleichgewichtsverlust ist?“
„Möglicherweise. Ich denke, dass es eine gute Idee wäre, behindertengerechte Stangen im Badezimmer anbringen zu lassen. Dann hat er wenigstens etwas zum Festhalten.“
„Großer Gott, weißt du, wie sehr er rummeckern wird, wenn ich das tue?“
„Nicht so sehr. Das ist eine gute Idee. Ich will nicht noch einmal stürzen.“
„Hi, Daddy. Wie fühlst du dich?“
Dean rieb sich die Augen und verzog das Gesicht. „Au. Das hätte ich nicht tun sollen.“
„Brauchst du etwas Schmerzmittel?“
„Vielleicht. Keine Ahnung. Wie wäre es nur mit etwas Eis? Ich will wirklich nicht wieder wegen der Schmerzmittel wegtreten.“
„Ich schätze, das lässt sich einrichten. Wir werden dich trotzdem über Nacht hierbehalten. Mein Chef will noch einen MRT- und CT-Scan machen lassen, ok?“
„Jap. Kommandier deinen alten Man ruhig herum, Kleine.“
Tiana grinste. „Nicht so alt.“
„Jaja.“
„Ich bin gleich mit dem Eis zurück“, teilte sie ihnen mit, als sie ging.
Cas lächelte Dean an. „Hast du Hunger?“
„Ein bisschen. Hab ich das Mittagessen verpasst?“
„Ich glaube schon. David holt mir gerade etwas von der Cafeteria. Soll ich ihn fragen, ob er dir auch etwas mitbringen soll?“
„Ja. Frag, ob sie Kuchen haben.“
„Schon längst dabei.“ Cas grinste, während er David schrieb.
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Dean seufzte, drehte seinen Kopf in Cas‘ Richtung und atmete seinen Geruch ein. Er fuhr mit den Fingern durch Cas‘ fluffige, weiße Haare und fühlte sich angenehm schläfrig in dem schwach beleuchteten Krankenhauszimmer. Cas war warm in seinen Armen, das Gesicht in Deans Halsbeuge gepresst.
„Tut mir leid, dass ich dir Angst einjage“, sagte er leise.
„Du hättest das nicht hören sollen. Ich dachte, du hättest geschlafen.“ Er kuschelte sich näher an ihn, die Atemstöße warm an Deans Hals. „Aber du jagst mir wirklich Angst ein. Ich bin nicht bereit, dich zu verlieren, und heute… Ich konnte einzig und allein daran denken, dass ich das Haus verlassen habe, ohne dir zu sagen, dass ich dich liebe. Was für ein schrecklicher- Wenn du-“ Cas schluckte. Einen Moment später durchdrang Nässe Deans Shirt.
„Ich gehe nirgendwo hin.“
„Das kannst du nicht versprechen.“
„Nun, weißt du was? Das kannst du auch nicht. Glaubst du, ich bin bereit, ohne dich zu leben? Fuck, ich wäre genau wie Bobby in dem Jahr, nachdem Ellen gestorben ist. Verloren, unglücklich-“
„Das habe ich den Mädchen auch von mir gesagt.“
„Ok, das reicht. Wir sterben zusammen.“
„Wie in Wie ein einziger Tag? Oder Thelma und Louise?“
„Wirst du meine Hand halten und diese Klippe mit mir runterstürzen, Cas?“
„Nehmen wir den Impala?“
Dean lachte. „Bestimmt nicht. Sie ist zu gut, um sie so zu verschwenden. Wir stehlen ein Auto. Das ist lustiger.“
„Weißt du, wie man ein Auto stiehlt?“
„Wenn wir irgendwo ein altes finden können.“
„Wir sind seit dreißig Jahren verheiratet und es gibt immer noch Dinge, die ich nicht über dich weiß.“ Cas schmunzelte und küsste Deans Hals. „Ich liebe dich so sehr“, flüsterte er. „Ich bin nicht bereit.“
„Schon okay. Ich habe nicht vor, irgendwo hinzugehen. Noch nicht. Es gibt noch so viel, was ich mit dir machen möchte. Okay?“
„Ja.“
Für eine Weile lagen sie still da, während Dean auf Cas‘ Arm, den er um seine Taille geschlungen hatte, Muster nachfuhr.
„Wir brauchen beide eine Beschäftigung“, murmelte Dean. „Und vielleicht etwas mehr Hilfe im Haus? Wir haben das Geld.“
„Was für eine Art von Hilfe?“
„Ich weiß nicht. Janne ist ziemlich klasse…“
„David will einen Bodyguard anheuern.“
„Wir sollten ihn lassen.“
„Hmm.“
Erneut Stille. Dean wurde ziemlich schläfrig. Er hatte mit den ganzen Tests, die sie ihm unterzogen hatten, einen anstrengenden Tag gehabt. Er war mit relativ guter Gesundheit prognostiziert worden und durfte am Morgen wieder nach Hause.
„Ich vermisse das Schreiben.“
„Hmm?“
„Ich vermisse das Schreiben. Ich vermisse es, Worte auf eine Seite zu packen und mir Geschichten auszudenken. Ich vermisse es, Welten und Charaktere zu kreieren und ständig von dem überrascht zu sein, was sie tun, wer sie sind. Ich vermisse das.“
„Halte ich dich vom Schreiben ab, wenn du dich um mich kümmerst?“
„Nein – nicht wirklich. Ich weiß nicht. Ich bin andauernd müde.“
„Wirklich?“
„Ja. Mich um dich zu kümmern, ist nicht anstrengend, aber es ist auch nicht immer leicht. Ich fühle mich besser, seit Janne bei uns ist. Es hilft mir sehr, dass sie kocht und mich bei den Hausarbeiten unterstützt. Aber ich muss zugeben, dass ich überlegt habe, noch eine Person einzustellen, die hauptsächlich das tägliche Putzen und Reinigen übernimmt, damit Janne und ich das nicht machen müssen. Ich weiß nicht. Ist es zu übertrieben, jemanden einzustellen, die theoretisch eine Hausangestellte wäre?“
„Nein.“
„Hmm.“ Cas schob seine Hand unter Deans Shirt. „Wenn ich also wieder zu schreiben anfangen würde, wäre das meine Beschäftigung. Aber was ist mit dir? Was wirst du tun?“
„Ich werde es wie mein kleiner Kumpel Ben machen.“
„Ben?“
„Ja. Der Junge, den wir neulich kennengelernt haben. Der mit Zerebralparese an den Rollstuhl gebunden ist? Krissy hat mir gesagt, dass er den ganzen Tag malt, jeden Tag. Er kann keinen Pinsel halten, weil die CP seine Hand einschränkt. Also malt er mit den Fingern. Sie hat mir ein paar seiner Werke gezeigt. Sie sind unglaublich detailliert für einen Jungen seines Alters, und das, obwohl er niemals einen Pinsel nutzt. Also habe ich mir gedacht, dass ich mir etwas Fingerfarbe und ein paar riesengroße Leinwände holen könnte. Wenn meine Hände zittern, ist das völlig egal. Es wäre einfach nur Teil der Arbeit.“
„Du hast sowieso nicht so oft Pinsel benutzt.“
„Genau.“
Cas küsste Deans Hals entlang. „Wenn es dich glücklich macht, werde ich sicherstellen, dass du alle Leinwände und Farbe hast, die du möglicherweise brauchen könntest.“
„Klasse.“ Dean drehte den Kopf und fing Cas‘ Lippen ein. Sie küssten sich langsam, während beide immer schläfriger wurden. „Du weißt, dass ich dich liebe, oder?“, fragte Dean leise. Seine Augen fielen langsam zu.
„Und ich dich“, bestätigte Cas und endete den Satz mit einem Gähnen.
„Schlaf ein, Engel“, flüsterte Dean, doch Cas tat es bereits.
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There are places I remember, all my life, though some have changed.
Im nördlichen Maryland, direkt bei der Abfahrt von Route 165, teilen sich zwei alte Männer ein modernes Farmhaus. Es ist zartblau gestrichen, und Stiefmütterchen und Petunien reihen sich am Weg zum Haus. Ein unglaublich altes Auto steht in der Einfahrt und sieht doch recht neu aus, obwohl sie knapp achtzig sein muss. Es gibt keine Treppen. Keiner der beiden Männer mag Treppen. Bäume füllen den Hinterhof und schirmen einen Sommergarten von der heißen Nachmittagssonne ab. Es gibt Bienenstöcke, einen Gemüsegarten und noch mehr Blumen.
Some forever, not for better, some are gone, and some remain.
Der eine Mann ist ein Maler und vor langer Zeit sehr bekannt gewesen. Er ist immer noch populär, auch wenn er lautstark anderes behauptet. Ein Gemälde, das er einmal vom Engel des Donnerstags malte, wurde kürzlich für das Dreifache des Anfangspreises verkauft. Seine Hände zittern inzwischen manchmal, doch er füllt die Leinwände immer noch mit Engeln. Seine alten, knotigen Finger finden ihre Gesichter in der Farbe, die er mit seinen Händen verschmiert.
All these places have their moments, with lovers and friends I still can recall.
Der andere Mann ist ein Autor, und er verbringt seine Tage damit, nach dem Maler zu sehen. Zwischendurch vertraut er den Seiten Wörter an und kümmert sich um seine Bienen. Er erzählt ihnen Geschichten aus ihrem Leben und von den Leuten, die darin vorkommen, Die Gärten sind sein Werk, auch wenn der Maler so gut hilft wie er kann.
Some are dead, and some are living. In my life, I’ve loved them all.
Der Maler und der Autor machen gerne Spaziergänge um ihr Grundstück, wenn es die Gesundheit erlaubt und das Wetter gut ist. Sie halten Händchen, lächeln einander an und diskutieren leise ihre sehr langen Leben zusammen. Manchmal schiebt der Autor den Maler in einem Rollstuhl. An solchen Tagen schaffen sie es trotzdem zu lächeln. Es gibt das Gerücht, dass diese beiden etwas Besonderes haben. Ein Buch war einmal über sie geschrieben worden.
But of all these friends and lovers, there is no one compares with you.
Ihr Sohn ist der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika. Ihre älteste Tochter ist die jüngste Leiterin der Neurologie in Hopkins Geschichte. Ihre jüngste Tochter hatte gerade ihre erste, vielgepriesene Ausstellung in der New York Gallery.
And these memories lose their meaning, when I think of love as something new.
Ihre Brüder kommen oft zu Besuch. Die Vier bleiben dann lange auf, reden über alte Zeiten, Familie und Freunde, und über die Personen in ihren Leben, die sie von ganzem Herzen vermissen. Der Maler wird seinen viel größeren kleinen Bruder auf den Rücken schlagen und ihn bei seinem Spitznamen aus seiner Kindheit nennen, und der Autor wird versuchen, seinen Bruder davon abzuhalten, zu viele Süßigkeiten zu essen. Sie lachen, sie weinen und sie werden es wiederholen.
Though I know I’ll never lose affection, for people and things that went before.
Doch die Momente, die der Maler und der Autor am meisten schätzen, sind die, wenn sie alleine sind, sich in der Hängematte oder im Bett aneinander kuscheln, langsame und bedächtige Küsse austauschen und sich nahe an den anderen drücken. Dann sind ihre Seelen bloßgelegt, sicher in der sanften Hand des jeweils anderen. In solchen Momenten ist alles okay mit der Welt, die Krankheit und schmerzenden Knie werden zurückgelassen und von der Intensität einer Liebe beiseitegeschoben, die fast nicht stattgefunden hätte.
I know I’ll often stop and think about them. In my life, I love you more.
Das ist der Ort, den sie ihr Zuhause nennen.
In my life, I love you more.
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