Epilog (All diese Zeit)

Es schneite, als sie am Samstag nach Baltimore zurückkehrten, bevor Dean wieder arbeiten musste. Er reichte Cas die Schlüssel und sagte ihm, er solle schon mal die Feuerwache aufschließen, während er dem Limousinenfahrer half, die Taschen hineinzutragen.

Er stoppte und schoss ein Foto von Cas, der mit seiner marineblauen Strickmütze zum Himmel hochblickte und die Zunge rausstreckte, um Schneeflocken zu fangen. Dean fing das breite Grinsen ein, das er ihm zuwarf, nachdem er bemerkt hatte, dass Dean Fotos machte.

Danach trat Cas in die Feuerwache. Dean warf seine Tasche durch die Tür und nahm dann Cas' Kleiderhülle. Der Fahrer der Limousine trug Cas' anderen Koffer hinein und fuhr davon.

Dean stellte alles ab und schloss die Tür. Er ging zu Cas, der in der Mitte des Ateliers stand, und schlang die Arme um die Taille seines Ehemanns.

,,Was denkst du?", flüsterte er, die Lippen an Cas' Hals gepresst.

,,Du hast es fertiggestellt", stieß Cas aus und starrte zu dem Gemälde hinauf.

,,Jap. Weihnachten."

,,Es ist wunderschön. Du hast Azrael beendet."

,,Nö. Nicht Azrael. Castiel, Engel des Donnerstags. Mein Engel."

Cas drehte sich in seinen Armen um, griff nach Deans Händen und lachte leise, als ihre Ringe aneinanderklirrten. ,,Ich liebe dich. Ich liebe dich so sehr." Er streckte sich, küsste Dean und drückte lächelnd ihre Stirnen zusammen.

,,Ich dich auch, Cas", sagte Dean sanft. ,,Willkommen zu Hause."

_____

Achtzehn Monate später

,,Hör auf herumzuzappeln. Du siehst toll aus." Cas' Hände glätteten den Kragen von Deans Jackett. ,,Das wird schon werden."

,,Von dem hängt eine Menge ab. Ich versuche hier mit aller Kraft, nicht auszuflippen-"

Cas griff nach Deans Händen und zog sie an seine Brust. ,,Die Arbeiten sind exquisit, alles wird gut. Du wirst ein großer Erfolg sein."

,,Oder es wird ein gigantischer Reinfall, Leute lachen mich aus und ich kehre zum Unterrichten zurück. Und während mir der Lehrer-Teil nichts ausmachen würde, bin ich kein Fan von Menschen, die mich auslachen."

,,Niemand wird lachen."

,,Sie sind komplett anders als die, die ich vorher gemacht habe."

,,Aber es ist dreizehn, eigentlich vierzehn Jahre her, seit du eine Galerie ausgestellt hast. Im Grunde genommen bist du ein neuer Künstler."

,,Das soll mich jetzt aufmuntern?", murrte Dean.

Absätze klackerten auf dem Boden und näherten sich ihnen. ,,Ich weiß nicht, warum du nervös bist. Die Ausstellung ist ausverkauft." Bela Talbot warf ihre wallenden, honigbraunen Haare über ihre Schulter ,,Ich setze mich nicht für jeden so ein, weißt du."

Dean seufzte. ,,Ich weiß."

,,Wird Victor heute Abend hier sein?"

,,Keine Ahnung. Vielleicht?"

,,Hm." Sie lächelte wehmütig. ,,Naja, er ist ja schließlich derjenige, der gegangen ist. Wie auch immer, wir öffnen gleich. Bist du bereit?"

Deans Augen weiteten sich ein wenig und seine Hände zitterten leicht in Cas' Griff, der sie beruhigend drückte.

Dean holte tief Luft. ,,Ich bin bereit."

Cas kontrollierte ein letztes Mal Deans Outfit. Sein Ehemann sah in der schwarzen, engen Jeans, dem grauen Vintageshirt von Led Zeppelin und dem schwarzen Wollsakko unglaublich aus. ,,Auf geht's", sagte er und lächelte.

Nickend schenkte Dean ihm ein halbes Grinsen und ließ sich von Cas nach vorne führen.

Auf ihrem Weg glitt Cas' Blick über die vielen neuen Kunstwerke, die Dean für seine Wiederkehr in die Kunstwelt erschaffen hatte.

Sie waren anders, unglaublich anders als die riesigen Leinwände und Engel in Farbe, die Dean vorher gemalt hatte. Diese neuen Bilder waren jetzt eine Reflektion seines Lebens.

Auf einer großen, antiken Tür war eine Schwarzweißzeichnung des Eifelturms zu sehen. Ein abgebrochener Teil eines Gipskartons beinhaltete ein schroffes Bild der Kreidefelsen von Dover, England. Ein altes, verwittertes Stück Treibholz war mit einer Darstellung der Golden Gate Bridge bemalt worden. Die Kofferraumhaube eines ramponierten schwarzen Autos trug eine trostlose Zeichnung einer Straße in Baltimore.

Landschaften, Stadtansichten und Szenen aus aller Welt – gemalt auf abgenutzte und kaputte Fundobjekte, die von der Zeit zugerichtet worden waren. Aber was die Gemälde wirklich außergewöhnlich machte, war die einsame Gestalt in jedem einzelnen Teil.

Ein dunkelhaariger Engel – in einem Trenchcoat.

Dean hatte Cas in jedes seiner Bilder gemalt. In die Zeichnung vom Eiffelturm, wo der Engel unter einem der Bögen stand und den Kopf in den Nacken gelegt hatte, während er zu der Turmstruktur hochsah.

Auf den Felsen hockte er da und starrte aufs Wasser hinaus, den Kopf neugierig zur Seite geneigt.

Auf der Brücke stand er in der Mitte, während die Autos vorbeischossen. Schwarze Flügel wölbten sich über den blinden Fahrern.

Und in Baltimore stand er an der Tür einer alten Feuerwache, die Faust zum Klopfen erhoben.

Dean hatte die Reihe Donnerstage genannt. Es schien angemessen.

Am Eingang der Galerie hatte Bela die Türen geöffnet, und die Leute begannen hineinzuströmen. Cas sah viele vertraute Gesichter – ihre Freunde und Familie – und viele Leute, die er nicht kannte.

Smokingbekleidete Kellner bewegten sich mit kleinen Appetithäppchen und Champagner inmitten der Menge. Die ganze Veranstaltung war sehr elegant. Es war kein Wunder, dass Dean nach einer Stunde immer noch nervös war.

,,Willkommen bei Talbot-Galerien", verkündete Bela, ,,und unserer exklusiven Ausstellung mit Künstler Dean Winchester und seiner neuen Reihe Donnerstage. Dean?"

Es gab ziemlich großen enthusiastischen Applaus, und mehrere Kamerablitze erhellten den Raum. Für einen Moment drückte Dean fest Cas' Hand, bevor er das Podium überquerte und zu Bela ging.

Er lächelte die Menge an. Sichtbare Nervosität lag in seinen grünen Augen, doch er versteckte sie gut. Außerdem bemerkte nur Cas das wirklich.

,,Dean, erzähl uns doch bitte ein wenig von deinen Arbeiten." Bela lächelte, trat beiseite und ließ Dean damit alleine.

,,Ähm, die Gemälde... Sie, ähm, sie repräsentieren mein Leben. Und wie ich die Welt sehe. Alles war irgendwie kahl und schwarzweiß – düster – doch dann kam Cas." Er lächelte Cas an. ,,Er hat meinem Leben wieder Farbe gegeben. Er macht alles hell und wunderschön. Er ist meine Muse. Er ist mein Ein und Alles."

_____

,,Also, ähm, Gabe hat mich gefragt, ob ich ihn heiraten wolle", sagte Sam aus dem Nichts heraus, als sie unter einem von Deans Gemälden standen.

Dieses hier befand sich auf dem verzerrten und verformten Deckel eines Stutzflügels. Es war die Abbildung eines weißen Rettungsschwimmerstuhls vor dem stürmischen Meer in Ocean City, Maryland, und Cas ging am Wasser entlang.

,,Kann nicht sagen, dass ich überrascht bin." Dean lächelte.

,,Naja, da ist noch mehr, Wir, ähm, naja, ich-"

,,Spuck es aus, Sammy."

,,Ich ziehe mit ihm nach L.A."

Dean grinste. ,,Ja, auch das habe ich kommen gesehen."

,,Was, bist du jetzt Hellseher?"

,,Nein, ich kenne dich einfach."

Sam schmunzelte. ,,Ja, ich schätze, das tust du."

,,Ich freue mich für dich. Das wollte ich für dich: dein eigenes Leben zu haben, dein eigenes Ding durchzuziehen. Das ist schön, Sam. Und es gibt diese tolle Sache namens moderne Kommunikation, und Internet, und so etwas wie Flugzeuge?"

,,Du hasst es zu fliegen."

,,Einige Dinge – einige Menschen – machen es die Mühe wert."

,,Genau, okay, ich verstehe." Er schabte mit seinem Schuh auf dem Boden und steckte seine Hände in die Taschen. Für einen Moment blickte Dean nicht auf seinen Mitte dreißigjährigen Bruder, sondern auf diesen übergroßen Teenager, der vor vierzehn Jahren auf seiner Türschwelle aufgetaucht war.

,,Bist du mein Trauzeuge?"

,,Klar."

Sam grinste breit. ,,Cool, cool." Er klopfte Dean auf die Schulter, entfernte sich, fand Gabe in der Menschenmenge und verschränkte ihre Hände.

Überall waren vertraute Gesichter, und ihre Anwesenheit beruhigte ihn.

Benny nippte am Champagner und redete mit Amelia und Jimmy Novak. Charlie und Dorothy hielten Händchen, während sie das Eifelturm-Werk bewunderten. Jo und ihr Verlobter Inias sprachen mit Cas' jüngstem Bruder Raffy. Rufus lehnte schwer auf seinem Gehstock und verdrehte wegen Andy und Ash die Augen. Victor und seine Frau Tamara quatschten mit Bela. Er musste darüber schmunzeln, wie unbehaglich sie sich zu fühlen schien.

Selbst mehrere seiner ehemaligen Schüler waren gekommen; er hatte Krissy Chambers und Kevin Tran bei dem Baltimore-Gemälde gesehen, welches er auf der alten Kofferraumhaube des Impalas angefertigt hatte.

Cas, der mit Ellen und Bobby redete, begegnete Deans Blick und lächelte ihn an.

,,Bobby im Anzug", murmelte Dean vor sich hin. ,,Jetzt habe ich alles gesehen."

,,Hi, Dean", sagte eine leise Stimme hinter ihm. Er drehte sich um und fand Anna vor. Ihre roten Haare leuchteten genau wie früher. Sie lächelte ihn sanft an. ,,Das ist unglaublich. Es ist wunderschön. Herzlichen Glückwunsch."

,,Danke. Ich habe nicht erwartet, dich hier zu sehen."

,,Hätte es um nichts in der Welt verpasst."

,,Du siehst gut aus."

,,Nein, du siehst gut aus. Glücklich. Darüber bin ich so froh. Und ich kann erkennen, wie sehr du ihn liebst. Jeder, der auf diese Gemälde schaut, weiß es." Ihr Lächeln war herzlich und aufrichtig, keine Spur von Eifersucht oder Wut.

,,Danke", sagte er erneut.

Jemand stieß gegen seinen Rücken.

,,Aua, was zur Hölle?" Er wandte sich um und entdeckte Michael Novak hinter sich. ,,Alter, pass auf, Mann", lachte er.

,,Oh, sorry, ich war-" Michael erblickte Anna und seine blauen Augen weiteten sich. ,,Oh, hi, tut mir leid- Ich hab euch nicht unterbrochen, oder?"

,,Nein." Anna lächelte.

Oh.

,,Ähm, Anna Milton, das ist Michael Novak, Cas' Bruder." Er sah Annas Augen aufleuchten.

,,Nun, hallo."

,,Ihnen auch Hallo." Michael lächelte zurück.

Grinsend verschwand Dean wieder in der Menge und ließ Michael und Anna alleine.

Er wanderte durch die Galerie und sah sich die Werke an, die er ausgestellt hatte.

Nachdem sie von Paris nach Hause gekommen waren, hatte Dean noch das Schuljahr beendet, bevor er längeren Urlaub genommen und sich Hals über Kopf ins Malen gestürzt hatte, während Cas an seinem nächsten Buch arbeitete.

Donnerstage war das Ergebnis gewesen. Dreizehn Monate Arbeit, ein Kunstwerk pro Monat.

Während er durch die Galerie lief, sah er nicht auf die Preisschilder, die Bela auf die Stücke geklebt hatte; er wollte es nicht wissen.

Dean fand sich am Fuße des großen Castiel-Gemäldes wieder. Eigentlich hatte er es nicht zum Verkauf anbieten wollen, doch Cas hatte ihn dazu ermutigt. Es war das einzige Gemälde, welches aus der Reihe fiel.

Er starrte hoch; sein Blick glitt über den Trenchcoat, die zerknitterte, verdrehte Krawatte und den Ausdruck von Feuer in Cas' Augen.

,,Wie viel?"

,,Was?" Dean drehte sich um und erblickte Dick Roman mit Bela hinter sich stehen.

,,Die Preisforderung liegt bei 25.000 Dollar, Mr. Roman", sagte Bela gelassen.

,,Exzellent. Susan?"

Seine Assistentin trat vor und hielt ihm ein Scheckbuch entgegen. Roman nahm den Stift von ihr, schrieb etwas in das Heft, riss eine Seite heraus und reichte diese Bela.

,,Ähm, Mr. Roman, das ist dreimal-"

,,Darauf haben wir uns geeinigt, korrekt, Dean? 75.000 Dollar? Obwohl ich nicht erwartet habe, dreizehn Jahre darauf warten zu müssen." Er beugte sich vor und las das Schild. ,,Und es ist Castiel, nicht Azrael. Schätze also, ich werde dich mit Azrael beauftragen?"

,,Ähm", sagte Dean verblüfft.

,,Oder vielleicht eins der neuen? Aus der Donnerstags-Reihe? Es spielt keine Rolle. Castiel wird meine Lobby genauso gut vervollständigen wie Azrael es getan hätte. Ich kenne mich mit Kunst nicht aus, aber ich weiß, was ich mag. Ich mag dich, Dean. Ich werde mich melden. Ms. Talbot, lassen Sie das hier zu Roman Enterprises liefern. Ich nehme an, Ihre Galerie wird die Kosten decken?"

,,Absolut, Mr. Roman", versicherte Bela ihm.

,,Exzellent. Schließ deinen Mund, Dean, du siehst aus wie ein Fisch. Susan? Ich bin fertig."

Er war genauso schnell weg, wie er gekommen war. Dean stand immer noch da und starrte ihm nach.

,,Nun, das war unerwartet!", gluckste Bella und blätterte durch das Lederfolio in ihrer Hand.

Cas gesellte sich zu ihnen und nahm Deans Hand in seine. ,,Und, wie hat er sich geschlagen?"

,,Jedes Werk verkauft. Dean, du hast heute Abend ein Vermögen gemacht, und ich habe von den Kritikern nichts als Lob gehört. Du solltest sehr stolz sein." Sie lächelte und drückte seinen Arm, bevor sie davonging.

Cas lächelte zu ihm hoch. ,,Du hast es geschafft. Du hast es geschafft, Baby. Ich wusste, dass du es kannst." Er zog Dean für einen Kuss hinab, während viele Kameras blitzten und Applaus zu hören war.

,,Ich bin zurück", stieß Dean aus. ,,Ich bin zurück."

,,Verdammt richtig, du bist zurück."

,,Ich liebe dich, Cas", flüsterte Dean, überwältigt von dem Moment.

,,Ich liebe dich auch. Habe es immer und werde es immer."

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