Dinge, die wir nicht in der Schule lernten

September, 2000

Oh Gott, er war wieder ohne Shirt.

Cas sah zu, wie Dean seinen Arm zum oberen Ende von Lucifers Leinwand streckte. Die eintätowierten Federn auf seinem Rücken flatterten mit der Bewegung seiner Muskeln. Die Jeans, die er anhatte, rutschte weiter herunter, gefährlich nahe dran, noch mehr zur Schau zu stellen als Castiel mit fertig werden konnte.

Led Zeppelins House of the Holy echote durch die Fahrzeughalle, gerade so laut, dass seine Ohren ein wenig wehtaten.

Dean hatte ein farbbeflecktes Basecap der Baltimore Ravens verkehrt herum auf und war schweißgebadet. Sorgfältig befestigte er Glasscherben an dem Bereich über Lucifers Kopf. Das Glas wölbte sich über dem Engel und formte so etwas wie einen Heiligenschein.

Er bemerkte Cas' Anwesenheit überhaupt nicht, der dort mit seinem Fahrrad und seiner Schultasche stand und von den Bewegungen des Mannes auf dem Gerüst gebannt war.

,,Stör ihn nicht. Dann wird er wütend."

Die Stimme kam von hinter ihm. Er drehte sich um und sah Jo dort stehen, ein wehmütiger Ausdruck auf ihrem Gesicht.

,,Ich dachte, du wärst sauer auf ihn."

,,Bin ich auch, doch Mom hat mich mit Mittag für ihn hergeschickt, da er sonst nichts isst. Er ist ein wenig lächerlich, wenn er so nahe an der der Fertigstellung seines Gemäldes dran ist. Jedenfalls...", sie überreichte ihm eine Tüte, ,,...sind da zwei Käse-Bacon-Burger, Pommes und ein Stück Apfelkuchen drin. Stell es einfach hier hin, vielleicht findet er es." Sie wandte sich zum Gehen.

,,Jo?"

,,Ja?", fragte sie und drehte sich um, wobei ihre blonden Haare flogen.

,,Warum bist du sauer auf ihn?"

Ein hitziger Ausdruck legte sich auf ihr Gesicht. ,,Das geht dich rein gar nichts an. Sagen wir nur mal, dass dieser Typ 'ihn' nicht in seiner Hose behalten kann." Sie stürmte aus der Fahrzeughalle und blickte nicht zurück.

Cas seufzte und legte die Tüte auf einer der umgestülpten Kisten ab. Er lehnte sein Fahrrad gegen die autoförmige Fläche von hellbraunem Tuch und rutschte aus den Trägern seiner Schultasche heraus, die er neben das Fahrrad stellte. Dann schnappte er sich erneut die Tüte und begann die peinliche, einhändige Kletterei das Gerüst hoch.

Dean bemerkte ihn nicht. Kein bisschen. Er war tief in das Befestigen des Glases und Mitsingen zu Robert Plant versunken.

,,Dean", sagte Cas leise, da er ihn nicht erschrecken wollte. Dean zuckte trotzdem ein wenig zusammen und drehte sich dann mit einem finsteren Blick um. Der angepisste Ausdruck verwandelte sich allerdings in ein Grinsen, als er Cas sah.

,,Essen?", fragt er und lächelte zu der Tüte herunter.

,,,Ja."

,,Perfekt!" Dean wischte sich die Hände an einem Lappen ab und bedeutete Cas dann, die Tüte abzustellen. Er tat es und wandte sich zum Gehen. ,,Alter, bleib. Hast du Hunger? Ich garantiere dir, dass Ellen mir zwei Burger und haufenweise Pommes geschickt hat. Setz dich hin und iss mit mir."

,,Okay. Ich werde zuerst ein paar Bier holen."

,,Hört sich gut an. Bring auch den Ketchup mit."

Cas nickte und kletterte dann das Gerüst wieder herunter. Im Obergeschoss schnappte er sich die Biere und den Ketchup. Er war bereits auf seinem Weg die Treppe herunter, als er die Rutschstange erspähte.

Er wohnte seit fast zwei Wochen in der Feuerwache und war immer noch nicht mutig genug gewesen, sie auszuprobieren.

Ein wagemutiger Schauer schwemmte durch ihn hindurch. Er verstaute die Bierdosen in den Taschen seiner abgenutzten Cargohose und schob den Ketchup in seine Gesäßtasche. Cas holte tief Luft und ergriff die Stange.

Er kreischte, als er herunterrutschte. Der Rutsch war ein wenig schneller, als er erwartet hatte, und er kam hart aber triumphierend auf.

,,Ha! Ich habe mich schon gefragt, wann du mutig genug wärst, das auszuprobieren", rief Dean von der obersten Ebene des Gerüstes herunter.

,,Das war...berauschend."

Dean lachte. ,,Komm hier hoch, Mann, diese Burger essen sich nicht von alleine auf."

Cas war immer noch schwindlig und er lachte, als er die Spitze des Gerüsts erreicht hatte. Dean saß im Schneidersitz und hatte die Schaumstoffbox-zum-Mitnehmen geöffnet. Die Inhalte waren säuberlich getrennt. ,,Ich weiß nicht, warum sie mir so viel Essen schickt. Ich meine, ich kann essen, aber zwei doppelte Cheeseburger? Sie wird mich früh ins Grab schicken!" Er nahm einen Burger aus der Box. ,,Iss auf, Mann."

Castiel ließ sich gegenüber von ihm nieder, öffnete sein Bier und holte seinen Burger aus der Box. Beim ersten Bissen von dem saftigen, käsigen Genuss und dem Geschmack nach Bacon stöhnte er zufrieden.

,,Du magst deine Burger ziemlich, was?"

Er nicke. ,,Die machen mich wirklich glücklich."

,,Ich merk schon."

,,Mhh. Meine Eltern, naja, meine Mutter, hält nicht viel von dieser Sorte von Essen. In meinem Erstsemester habe ich fast dreißig Pfund zugenommen. Burger und Pommes und Pizza und Chips und Muffins. Ich bin irgendwie ein wenig wahnsinnig geworden."

,,Kuchen?"

,,Oh Gott, ja, ich liebe Kuchen."

Deans Grinsen war blendend. ,,Ich auch. Kuchen ist mein Lieblingsessen."

Schweigend aßen sie für eine Weile. Dean starrte zu seiner Leinwand hoch und Castiel studierte das Tattoo unterhalb seiner linken Brusthälfte.

Es war eine wunderschöne Frau. Blonde Locken umrahmten ihr gütig lächelndes Gesicht, und ihre grünen Augen waren wie Deans geformt. Sie hatte einen Heiligenschein über ihrem Kopf und zarte, weiße Flügel breiteten sich hinter ihr aus. Entlang ihres unteren Kleidersaumes befand sich ein Banner mit den Initialen MW und den Daten 12-5-54 bis 11-2-83.

Er starrte so lange, dass er nicht bemerkte, dass Dean zu ihm zurückstarrte. ,,Das ist meine Mutter", sagte er leise. Cas zuckte zusammen, war auf seine Stimme nicht vorbereitet gewesen. ,,Sie starb, als ich klein war." Er sah auf das Tattoo hinab und fuhr geistesabwesend mit einer Hand darüber. ,,Sie war mein erster Engel", sagte er sanft. ,,Der Erste, den ich malte."

,,Sie ist wunderschön."

,,Das war sie. Sie war voller Wärme und Lebensfreude und Herzlichkeit." Deans Blick verlor sich in der Ferne, während er in die Fahrzeughalle hinausstarrte. ,,Ich erinnere mich, dass sie früh aufgestanden ist, Kuchen gemacht und gesungen und mich schwungvoll in den Arm genommen hat. Sie hat mir immer gesagt, dass Engel über mich wachen würden. Ich schätze, das ist hängengeblieben und deshalb male ich Engel."

,,Weißt du", sagte Cas nachdenklich, ,,ich bin seit zwei Wochen hier und weiß kaum etwas über dich."

,,Ich könnte dasselbe sagen." Dean räumte das Burgerchaos auf und schob die Verpackung zurück in die Tüte. Er öffnete den kleineren Behälter und gab ein freudiges Geräusch von sich, als er darin zwei Kuchenstücke vorfand. ,,Apfel! Mein Lieblingskuchen!" Er legte ein Stück auf den Deckel, den er dann von der unteren Hälfte trennte und Cas überreichte. ,,Also teilen wir uns das Abendessen", sagte er und spießte ein Stück des Kuchens mit einer Plastikgabel auf, ,,und können einander kennenlernen."

Castiel nickte. ,,Was möchtest du wissen?"

,,Erzähl mir von deiner Familie. Hast du wirklich einen Bruder namens Lucifer?"

,,Ja." Castiel blickte mürrisch drein. ,,Er ist ein Arschloch. Denkt, ihm gehöre die Welt und der Rest von uns würde existieren, um ihm zu dienen. Er ist wirklich nicht so weit vom Original entfernt. Ich stehe meinen ältesten Brüdern am nächsten, Michael und Gabe. Wir sind immer gut miteinander klargekommen."

,,Ich stehe Sammy ziemlich nah. Er ist mein jüngerer Bruder. Vier Jahre jünger."

,,Ich habe auch einen jüngeren Bruder, Raphael. Er ist zehn Jahre jünger. Meine Mutter nennt ihn ihre Überraschung. Michael ist sechseinhalb Jahre älter als ich, Lucifer ist achtzehn Monate jünger als er, und Gabriel ist fast genau zwölf Monate älter als ich."

Dean lächelte. ,,Kommst du mit deinen Eltern zurecht?"

,,Meistens. Meine Mutter kann manchmal herrisch sein. Du?"

,,Naja, nicht so sehr. Mein Vater..." Dean schnaubte. ,,Er ist ein Fall für sich." Er stopfte den ganzen Müll in die Plastiktüte zurück, stand auf und wischte Krümel von seiner Jeans. ,,Ich habe ihm gesagt, dass ich auf eine Kunstschule gehen wolle und er meinte zu mir, er würde nicht für sein Kind bezahlen, damit es irgendein 'schwuler Kunstversager' werden könnte. Also habe ich mein Portfolio zusammengestellt und mich nebenbei an Schulen beworben. Mein Kunstlehrer an der High School hat mich seine Adresse für die Bewerbungen nutzen lassen. Maryland Institut bat mir ein Vollstipendium an und ich bin aus West Virginia abgehauen."

Er knotete die Mülltüte zu und ließ sie an der Seite des Gerüsts herunterfallen.

,,Du hast mehrere Gemälde verkauft, richtig? Also warum gibst du dich überhaupt mit Schule ab? Du bist bereits erfolgreich genug, um dieses Gebäude gekauft haben zu können."

,,Ich brauche diese Absicherung. Sicher, die Aufträge strömen jetzt herein. Ich bin der letzte Schrei, der Neue. Einer gewissen Menschenmenge mit frei verfügbarem Einkommen gefällt, was ich tue. Also verdiene ich Geld. Nächstes Jahr ist vielleicht jemand anders der letzte Schrei. Und wenn ich raus bin, was dann? Worauf greife ich zurück? Wenn ich das Diplom habe, könnte ich unterrichten. Ich wäre immer noch in der Lage, irgendwelche Einnahmen zu haben."

,,Ich verstehe. Aber du möchtest ein Maler sein, richtig?"

,,Idealerweise? Ja." Dean starrte zu Lucifer hoch. ,,Es gibt immer noch so viele Projekte, die ich machen will. Ich möchte eine modernisierte Version eines Werkes von Reni machen. Eine Punk-Version dieser gottverdammten Engelchen, die auf allem zu sehen sind, von Tassen bis hin zu Covern von Checkbüchern. Ich möchte eine Variante von Michelangelos Pietà machen, allerdings mit einer zeitgerechten Frau, die einen Soldaten in ihren Armen hält." Dean trank den Rest seines Biers in einem Zug. ,,Vor allem möchte ich meinem Vater das Gegenteil beweisen."

,,Wirst du. Du bist talentiert. Gemälde wie deine hab ich noch nie gesehen."

Der andere Mann drehte sich zu ihm, die grünen Augen strahlten. ,,Danke, Cas", sagte er sanft.

,,Gern geschehen."

Dean sah nicht weg, genauso wenig wie Cas. Sie starrten einander nur irgendwie an, während sich ihre Körper ungewollt aufeinander zubewegten.

Ein Auto zündete draußen fehl und beide zuckten zusammen. Cas war traurig, dass der Moment gebrochen war. Er konnte leicht einen Tag damit verbringen, in Deans Augen zu starren und jeden einzelnen Farbton von Gold und Grün zu katalogisieren. Er fragte sich, wann er so verdammt rührselig geworden war.

,,Komm schon, Mann", sagte Dean. ,,Lass uns zu Benny's gehen. Ich kaufe dir ein Bier und du kannst mir mehr darüber erzählen, was für ein Idiot Lucifer ist. Und berichte mir von deinen ganzen Brüdern. Immerhin male ich sie ja."

,,Okay."

Castiel sah zu, wie Dean vom Gerüst sprang, die Stange ergriff und den restlichen Weg hinunterrutschte. Er drehte sich und sah zu Castiel hoch. ,,Mach schon", grinste er, Herausforderung in seiner Stimme.

Cas zögerte. Das Gerüst war ganze vier Fuß von der Stange entfernt.

Dean räusperte sich laut, während er immer noch dämlich grinste.

Castiel atmete tief ein, schlug alle Bedenken in den Wind und sprang von der Plattform. Er erwischte die Stange und rutschte hinab. Er landete zwar nicht so elegant wie Dean, doch ansonsten genauso solide.

,,Schön!" Dean jubelte.

,,Das war lustig!"

Dean grinste ihn an, aber dann verdunkelte sich sein Blick, als er über Cas' Schulter blickte. ,,Alter. Das hast du nicht getan."

,,Was?" Cas' Augen folgten Deans dorthin, wo der andere Mann sein Fahrrad anstarrte.

,,Du hast dein Fahrrad nicht ernsthaft gegen mein Baby gelehnt hast, Alter."

,,Ähm."

,,Beweg es. Bitte. Du wusstest es nicht, aber ich schwöre..."

Castiel schob sein Fahrrad zur Seite, weit weg von dem mit einem Laken bedeckten Auto.

,,Willst du sie sehen? Sie ist perfekt."

,,Sicher."

Dean grinste, packte ein Ende des Tuches und zog kräftig. Der Stoff glitt davon und enthüllte schwarz glänzendes Metall und funkelnden Chrom. Darunter war tatsächlich ein Auto. Ein umwerfendes, Sex-auf-vier-Rädern Auto.

,,Das ist mein Baby. Ein 1967er Chevrolet Impala mit einem 327 und Vierfachvergaser. Ich habe sie in der Nacht von meinem Vater gestohlen, als ich zur Schule abgehauen bin. Er hat mich verdammt überrascht, da er den Besitzanspruch eine Woche später geschickt hat."

,,Sie ist wunderschön", murmelte Cas. Deans Grinsen wurde noch breiter.

,,Verdammt richtig. Liebt man mich, liebt man mein Auto. Leider verbringt sie viel Zeit unter der Abdeckung. Baltimores Verkehr macht es ein bisschen umständlich mit ihr herumzufahren." Dean drehte und ging auf die Treppe zu. ,,Okay, Dusche, dann Bier. Wie klingt das?"

,,Klingt nach einem Plan."

,,Hey, Cas?", rief Dean aus dem Treppenhaus.

,,Ja, Dean?"

Er steckte den Kopf wieder heraus. Das Lächeln auf seinem Gesicht war herzlich und leicht schüchtern.

,,Ich bin froh, dass du eingezogen bist."

Dann war er fort, die Treppe hoch, bevor Cas auch nur ein Wort sagen konnte.

_____

Jetzt

Am Montag nach der Buchsignierung parkte Castiel den Prius, den er sich ausgeliehen hatte, zwei Plätze von Deans Baby entfernt. Er nahm das Paket, das er mitgebracht hatte, verließ das Auto und verschloss die Türen hinter sich. Der Impala sah genauso aus wie immer. Dieselbe herrlich glänzende Farbe und dasselbe funkelnde Chrom. Sie stand wie eine Königin zwischen den neueren, modernen Autos auf dem Parkplatz der Parkville High School.

Er trat auf den Bürgersteig, der zur Vorderseite der Schule führte. Eine Handvoll Schüler schwirrte herum, die auf die Busse nach Hause warteten oder mit in die Autos ihrer Freunde einstiegen. Ein paar starrten ihn an, als ob sie ihn erkannten, was nicht weiter verwunderlich wäre.

Am Ende des Buches war ein großes Bild von ihm, und das Buch war bei der jugendlichen Leserschaft sehr beliebt gewesen. Klar, er war nicht John Green, aber er war sich sicher, dass einige der Schüler, die ihn mit großen Augen anstarrten, genau wussten, wer er war. Normalerweise würde er liebend gerne anhalten und reden, aber er war auf einer Mission und wollte Dean erwischen, bevor er Feierabend machte.

Er meldete sich im Hauptbüro an und erhielt Wegbeschreibungen zum Kunstflur. Er war von den vielen Kunstwerken beeindruckt, die an den Wänden vor Deans Klassenzimmer hingen, und amüsierte sich über das Mr. Winchester Plakat, das außen an der Tür klebte. Während er einfach nur davorstand, konnte er Deans tiefe Stimme hören, als er seinen Schülern Anweisungen gab.

,,...und eure einfarbigen Stillleben sind bis Freitag fällig. Ich freue mich darauf, die fertigen Projekte zu sehen. Ich weiß, wie hart ihr an ihnen gearbeitet habt. Ich bleibe morgen und Donnerstag länger, falls jemand abhängen und etwas Arbeit erledigen möchte. Ihr bringt die Fähigkeiten mit; ich Zep und das Popcorn. Ich bin übrigens wirklich zufrieden mit den Albumcovers, die ihr eingereicht habt. Beeindruckt wäre eine bessere Bezeichnung."

Die Klingel ertönte und eine Flut von Schülern füllte den Flur.

,,Habt einen schönen Nachmittag, Leute, ich sehe euch morgen!", rief Dean den Kindern zu, die aus seinem Raum strömten.

Ein paar Türen weiter wurde Cas von einer kleinen Rothaarigen in einem schwarzen Kleid und Gryffindor-Schal scharf beobachtet. Die Eindringlichkeit ihres Starrens war einschüchternd. Sie sah nur ein kleines bisschen zu alt aus, um eine Schülerin zu sein. Castiel ignorierte sie und schlüpfte in den Klassenraum.

Dean stand vorne, das Gesicht von ihm abgewandt, und befestigte ein Bild von verschiedenen Schüsseln und anderen Gegenständen, die alle in unterschiedlichen Blauschattierungen gemalt waren, an der Pinnwand. Er trug eine khakifarbene Hose und ein orangenes, zugeknöpftes Karohemd. Die Ärmel waren bis zu seinen Ellbogen hochgerollt. Cas' Mund wurde trocken, als er die tätowierten Federn erkannte, die an den Rückseiten von Deans Armen hinunterführten.

Gott, er wusste nicht, was er sagen sollte.

Er wollte so viele Dinge tun, vor allem Dean in seine Arme ziehen, ihn um Vergebung bitten und ihn dann albern küssen.

Aber er konnte nicht.

Dean würde bald heiraten. Er hatte seine Chance verpasst.

Verdammt.

Der Rotschopf von vorhin schlüpfte durch die andere Tür und setzte sich auf den ersten Tisch, an dem sie vorbeikam. Dean bemerkte auch sie nicht, tief in Gedanken versunken, während er das blaue Gemälde studierte.

,,Hey, Winchester", sagte sie schließlich.

Er zuckte zusammen. ,,Mensch, Charlie..." Er verstummte allmählich, als er sich umdrehte und Cas im hinteren Teil des Raumes erblickte.

Deans Gesicht wurde weiß.

,,Hallo, Dean", sagte Cas leise.

_____

Oh Scheiße.

Er konnte nicht hier sein, nicht hier, nicht bei der Arbeit, nicht in dieser Stadt, nicht hier, Punkt. Und Charlie saß einfach nur da und grinste ihn an.

Scheiße.

,,Äh...ja", murmelte er sehr intelligent.

Charlie schnaubte und er starrte sie wütend an.

,,Äh... Hey, Cas."

,,Cas? Cas wie Castiel? Wie der Castiel, der Painted Angels geschrieben hat? Du weißt schon, das Buch, das von dir handelt, aber nicht von dir handelt, zumindest sagst du das immer, aber es handelt auf jeden Fall von dir, stimmt's?", sagte sie, ohne einmal Luft zu holen. Dean spürte, wie seine Wangen heiß wurden.

Cas schritt den Gang zwischen den Tischen entlang. In der Jeans, dem schwarzen Rollkragenpullover und dem schwarzen Ledermantel sah er fantastisch aus. Himmel, er war immer noch so unverschämt heiß.

,,Castiel Novak." Er lächelte und streckte seine Hand aus.

,,Charlie Bradbury. Ich unterrichte Informatik. Und ich bin seine beste Freundin", plapperte sie fröhlich drauflos. ,,Außerdem liebe ich Ihr Buch. Ich bin lesbisch, und wissen Sie, wie schwer es ist, qualitative Geschichten über gleichgeschlechtliche Paare zu finden? Ich meine, das ist fast unmöglich, oder es ist nur ein Porno und ohne Handlung und keiner mag das, zumindest nicht außerhalb von Fanfictions, oder, ich weiß nicht, vielleicht doch, aber oh mein Gott, ich liebe Ihr Buch!"

,,Danke..."

,,...aber dann habe ich herausgefunden, dass es von Dean handelt, ich kann nur nicht verstehen, warum er mit jemandem so tolles wie..."

,,Charlie!"

Sie zuckte zusammen. ,,Sorry."

,,Brauchst du etwas?", fragte Dean und war sich des kalten Tons in seiner Stimme bewusst.

,,Ja. Ich brauchte... ich brauchte... Ich muss zu meinem Klassenzimmer zurückgehen. Tschau. Ich bin weg." Sie flitzte aus der Tür.

,,Tut mir leid."

,,Das ist nicht deine Schuld. Warum bist du hier?"

Cas trat nervös auf der Stelle hin und her. Er legte ein in braunes Papier gepacktes Paket auf Deans Tisch. ,,Das hast du vergessen. Ich wollte es zurückgeben. Es ist dein Buch."

,,Oh."

,,Ja."

Dean wand sich, nicht sicher, was er sagen sollte.

,,Also ich... Ich habe den Impala auf dem Parkplatz gesehen. Sie sieht immer noch gut aus."

,,Danke", sagte Dean leise.

,,Nun... Ich schätze, ich sollte... Ich schätze, ich sollte gehen."

,,Ja."

Castiel drehte sich, die Schultern in sich zusammengesackt.

,,Cas?"

,,Ja?"

,,Danke, dass du mir das Buch gebracht hast. Du hättest das nicht tun müssen."

Der andere Mann drehte sich langsam um. ,,Doch. Es war offensichtlich eins deiner Favoriten. Ich dachte einfach... Ich dachte einfach, du würdest es gerne wiederhaben."

,,Ja. Danke. Ich weiß das zu würdigen."

Cas nickte. ,,Dean, lass mich dich zum Essen einladen. Nur als Freunde. Wir können Neuigkeiten austauschen – ich möchte von der alten Gruppe hören und was Sam und Victor machen. Nur ein Abendessen. Nur als Freunde. Bitte?"

,,Ich glaube nicht..."

,,Du kannst deine Verlobte mitbringen. Bitte. Ich schulde dir etwas. Lass uns ehrlich sein, dieses Buch würde nicht so erfolgreich sein, wenn es nicht für dich wäre."

Dean ließ sich mit einem Seufzen auf seinen Schreibtischstuhl sinken. Er spielte mit ein paar Büroklammern, die über der Tischplatte verstreut waren, mied Castiels Augen und seinen ernsten Ausdruck. Das war kein Weg, den er wieder zurückwollte, und todsicher eine Tür zu einem anderen Leben war. Er musste diese Tür weiterhin geschlossen halten, seinem eigenen Verstand zuliebe.

Wie sollte es anders kommen; als er den Mund öffnete, um Cas Nein zu sagen, glitt stattdessen das Wort Ja heraus.

,,Super! Warum treffen wir uns nicht am Sotto Sopra in Mount Vernon? Freitag um acht?"

,,Okay."

,,Ich kann es kaum erwarten, deine Verlobte kennenzulernen. Wir sehen uns dann." Cas wühlte für einen Moment in seiner Tasche herum und zog dann ein zerknittertes Stück Papier heraus. ,,Dort wohne ich derzeit und das ist meine Handynummer. Ich wollte da eigentlich raus, wenn du nicht hier gewesen wärst."

Dean nahm das Papier und nur für einen kurzen Moment streiften sich ihre Finger.

Er riss seine Hand zurück, als ob er sich verbrannt hätte. Cas sah ihn mit einem seltsamen Gesichtsausdruck an und legte schweigend das Papier hin.

,,Wir sehen und dann Freitag", sagte er leise und ging, bevor Dean ihm antworten konnte.

Wenigstens schaffte er es zu warten, bis Cas weg war, um das Gesicht in seinen Händen zu vergraben.

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