Dieser merkwürdige, kleine Funken
Das Roadhouse roch so wie immer; Kaffee, Speck, leicht abgestandenes Bier und der Gestank von alter Schmiere. Castiel stieß die Tür auf und die kleine Glocke klingelte. Er zog seine Handschuhe aus und blinzelte, als er die Helligkeit der Remington Avenue hinter sich ließ.
Der Fernseher in der Ecke war gedämpft, WJZs Nachmittagsnachrichten liefen, während Johnny Cash über den Men in Black sang. Eine vertraute Gestalt mit Truckermütze stand hinter dem Tresen und wendete Sandwiches auf dem alten Grill. Das gesprungene Bild des ehemaligen (und verstorbenen) Gouverneurs William Donald Schaefer hing noch immer über der Kasse. Die ganzen Sporterinnerungsstücke, die BPD und BFD Marken, das Natty Boh Schild – alles war noch so wie früher.
Nichts hatte sich verändert.
Eine starke Welle von Nostalgie durchfuhr ihn, während er an einem Dienstagnachmittag in dem Restaurant stand.
Er konnte alles vor seinem inneren Auge sehen – Benny an seinem Stammtisch, die schwarze Marinemütze keck auf seinem Kopf sitzend, grinsend bei einer Tasse Kaffee; Jo in hautengen Jeans und einer engen, karierten Bluse, wie sie Bestellungen von dem Tisch mit Polizisten aufnahm, die immer in der Nähe der Fenster saßen; Pamela und Tessa in einer Nische, beschwerten sich lautstark über Crowley, ihren schmierigen Vermieter; Rufus, immer in etwas Lilanem der Ravens oder Orangenem der Orioles, der sich stöhnend über seine beiden Lieblingsteams beschwerte; Ash und Andy, ständig irgendwie high und auf der Suche nach Kaffee, Pfannkuchen und Scrapple; und Ellen selbst, wunderschön und herzlich, für Dean mehr wie eine Mutter als eine Freundin.
,,Nun sieh mal an, wen haben wir denn da", sagte eine warme, weibliche Stimme. ,,Hätte nie gedacht, dass ich dich wieder hier drin sehen würde, Junge." Ellen Harvelle-Singer stand in all ihrer Pracht vor ihm, das graubraune Haar zu einem Pferdeschwanz zurückgebunden. ,,Sieh dich an. So erwachsen. Es ist schön, dich zu sehen, Schätzchen." Ihr Lächeln war aufrichtig und nur für ihn.
,,Ellen. Du siehst bezaubernd aus. Bist nicht einen Tag gealtert."
,,Und du bist immer noch so ein charmanter Lügner wie du es früher warst." Sie streckte die Hände nach ihm aus und zog ihn in eine Umarmung. Er sank gegen sie. Sie drückte ihn für eine ganze Weile und zog sich zurück, hielt ihn aber immer noch fest. ,,Lass mich dich ansehen. Immer noch so gutaussehend mit diesen schönen blauen Augen", murmelte sie mit einem Lächeln. ,,Also, bist du zum Mittag hier oder hast nur mal kurz vorbeigeschaut?"
,,Ich verhungere. Und hier drinnen riecht es großartig."
,,Nun, dann setz dich an den Tresen, der alte Mann..."
,,HEY!", rief Bobby empört.
,,...wird dir etwas zubereiten. Und du bist ein alter Mann, alter Mann."
Bobby brummelte vor sich hin und lächelte dann Castiel an. ,,Schön, dich wiederzusehen, Bursche. Wie ist es dir ergangen?"
,,Gut." Castiel lächelte und rutschte auf einen Barhocker. ,,Wie geht es den anderen so? Ich habe Tessas Laden leer stehen sehen..."
Ein dunkler Schatten glitt über Ellens Gesicht. ,,Tessa hat vor ungefähr drei Jahren Brustkrebs bekommen. Sie- Es ist schnell bergab mit ihr gegangen."
,,Oh. Oh, das ist- Das ist schrecklich."
,,Mhm", sagte Ellen mit einem kurzen Nicken. ,,Und Pamela, nun, sie hat das nicht besonders gut verkraftet. Sie hat den Laden an einen ihrer Tätowierer verkauft und ist verschwunden. Wir wissen nicht, wo sie hingegangen ist. Sie und Tessa, nun, sie sind mehr als nur Freunde geworden, nachdem du uns verlassen hast."
,,Wow. Ich hatte keine Ahnung. Es tut mir so leid, Ellen." Castiel starrte auf seine Hände hinab. ,,Ich hätte in Kontakt bleiben sollen."
,,Hättest mehr als das tun sollen, Bursche, aber das ist eine andere Geschichte." Sie schob eine Speisekarte auf den Tresen. ,,Finde heraus, was du essen möchtest, Schätzchen."
,,Ein BLT-Sandwich und Pommes wären schön." Castiel gab die Karte zurück, ohne einen Blick darauf zu werfen. Ellen nickte, und Bobby schmiss ein paar Stücke Speck auf den Grill. ,,Was ist mit Jo?"
Ellen lächelte. ,,Jo ist eine Krankenschwester im Hopkins. Sie trifft sich mit einem reizenden, jungen Mann, zwischen ihnen wird das ziemlich ernst."
,,Also ist sie dann endgültig über Dean hinweg?", fragte Cas mit einem schiefen Grinsen.
,,Ja, Gott sei Dank. Aber du könntest eine Menge damit zu tun haben." Ellen goss süßen Tee in ein Glas und stellte es ihm hin. ,,Benny ist mit der Bar immer noch nebenan, und Andy und Ash immer noch die Straße rüber."
,,Kommt Rufus noch her?"
,,Oh ja, allerdings hat er Arthritis in seiner Hüfte, also meckert er jetzt sogar noch mehr herum." Sie lachte. ,,Nicht, dass einem das auffallen würde. Er hat schon immer rumgezickt."
,,Das ist verdammt richtig", murmelte Bobby. ,,Verdammter Idiot."
Castiel spielte mit der Verpackung seines Strohhalms. ,,Die Feuerwache scheint dieselbe zu sein", sagte er leise.
,,Sie gehört noch Dean. Weiß nicht, warum er das verfluchte Gebäude nicht verkauft."
Bobby schob das fertige Sandwich und die Pommes auf den Tresen. ,,Vermutlich weil er ein störrischer Dummkopf ist."
,,Robert..."
,,Naja, ist er doch. Hätte das Gebäude vor Jahren verkaufen sollen. Er wird bald heiraten und sie haben ein Haus. Er malt nicht mehr. Warum sollte er daran festhalten?"
,,Geht dich nichts an", sagte Ellen nachdrücklich. Sie goss sich selbst ein Glas Tee ein. ,,Warum machst du nicht mal eine Pause, während hier gerade nichts los ist, Liebling?"
,,Weib, wenn du mich loswerden willst, hättest du es einfach nur sagen müssen." Er beugte sich vor und küsste ihre Wange, dann verschwand er die hintere Treppe hoch.
Cas holte tief Luft. ,,Ich bin dabei, in Schwierigkeiten zu geraten, stimmt's?"
,,Hmph. Solltest du auch. Hast den Burschen in einem Chaos zurückgelassen. Hat sich fast in Alkohol ertränkt." Ellen seufzte. Sie griff nach einem Lappen und wischte über einen unsichtbaren Fleck auf ihrem makellosen Tresen.
,,Er hat mir gesagt, er würde mich nicht lieben. Was war für mich danach noch übrig? Welche andere Wahl hatte ich denn?"
,,Ich sage nicht, dass du recht hattest. Aber ich sage auch nicht, dass du unrecht hattest. Und dann nach der Sache mit seinem Vater-"
,,Was hat John getan?", fragte Cas verwirrt.
,,Dean hat es dir nicht erzählt?"
Cas nahm einen Schluck von seinem Tee. ,,Nein. Ich habe ihn nur kurz getroffen."
,,Oh. Nun, diese Geschichte sollte nicht ich dir erzählen, Bursche. Du wirst ihn danach fragen müssen."
,,Ellen, ich verstehe schon, ich hätte nicht gehen dürfen, aber..." Cas seufzte. ,,Er hat mir das Gefühl vermittelt, dass es für uns niemals eine Chance geben würde. Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Also bin ich weggelaufen. Ich bin weggelaufen und habe nicht zurückgeblickt."
,,Und jetzt bist du wieder hier?"
,,Und jetzt bin ich wieder hier."
,,Er ist verlobt. Sie werden am 28. heiraten. Du bist hergekommen, um sie auseinander zu bringen?"
,,Nein. Ich hatte nicht die Absicht, ihn zu treffen. Ich wollte, aber ich dachte, es wäre besser..." Cas kaute langsam eine Pommes. ,,Dann ist er bei meiner Buchsignierung aufgetaucht. Ich dachte, vielleicht..."
Ellen griff über den Tresen und tätschelte seine Hand. ,,Ich denke, du hast deine Chance verpasst, Schätzchen. Er hat weitergemacht. Wenn du früher zurückgekommen wärst? Wer weiß."
,,Hat er versucht- Hat er überhaupt versucht, mich zu finden?"
,,Nein. Wir reden hier von Dean. Er hat sich im Alkohol vergraben. Dann, naja, hat er sich zusammengerissen und ist aus Remington rausgezogen und seither nicht zurückgekehrt. Ab und zu ruft er an und manchmal begegne ich ihm zufällig in der Gegend. Aber er hat alles hinter sich gelassen."
,,Weil ich ihn zurückgelassen habe", sagte Cas traurig.
Ellen seufzte, griff nach ihrem Glas und füllte es wieder auf. ,,Ich weiß nicht. Sein Vater, naja, John ist ein Fall für sich. Und die Verantwortung, die er Dean auferlegte, als der noch ein kleines Kind war, verbunden mit den schrecklichen Dingen, die er zu dem Jungen immer sagte, über seine Gemälde, über seine Persönlichkeit... Ich weiß nicht. Was du getan hast, hat vermutlich nicht geholfen, aber du hast nicht das Durcheinander kreiert, das Dean ist. Nein, Schätzchen, ich denke nicht, dass du die ganze Schuld auf dich nehmen musst."
Cas nickte und aß noch ein paar Pommes.
,,Also, du bist zurück. Bleibst du? In Baltimore meine ich."
,,Würde ich gerne. Ich suche noch nach einer Unterkunft."
,,Und Dean?"
Er sah hoch und bemerkte zum ersten Mal den durchdringenden Ausdruck in ihren Augen.
,,Was ist mit ihm?"
,,Was bedeutet dein Zurücksein für ihn? Bist du immer noch in ihn verliebt?"
Sein Magen sank und er schob den Teller fort. ,,Vor vier Tagen? Da hätte ich Nein gesagt."
,,Und jetzt?"
Cas holte tief Luft und dachte an den Samstag zurück. Die Art, wie sein Herz gehämmert hatte, als er hochgeblickt und diese nur allzu vertrauten grünen Augen gesehen hatte, die zu ihm zurückstarrten. ,,Ja", sagte er leise. ,,Gott möge mir beistehen, ich liebe ihn immer noch."
,,Dann hast du ein Problem, Kleiner. Was wirst du deswegen tun?"
,,Nun, ich schätze, ich werde damit klarkommen müssen. Ich zerstöre keine Beziehungen.", sagte er mit einem bitteren Lachen.
,,Hmm."
,,Er ist glücklich, stimmt's?"
,,Ich weiß nicht. Ich schätze schon. Ehrlich gesagt, sehe und rede ich mehr mit Sam als mit Dean."
,,Ich habe ihn gefragt, warum er mit dem Malen aufgehört habe, und er meinte, weil ich gegangen sei. Ich hoffe, dass er glücklich ist. Das ist alles, was ich je wirklich für ihn wollte."
,,Nun, das ist gut. Denn das ist vermutlich alles, was du bekommen wirst."
Die Tür öffnete sich, die Glocke klingelte fröhlich. Ellen berührte sanft seine Hand, griff nach ein paar Speisekarten und ging um den Tresen herum, um sich um die neu angekommenen Kunden zu kümmern.
Castiel starrte auf seinen weggeschobenen Teller und wünschte sich nicht zum ersten Mal, dass er einige Dinge anders getan hätte.
_____
Oktober, 2000
Halloween, und die Feuerwache war mit Leuten vollgestopft. Dean starrte die Menschenmenge an, die seine Wohnung bevölkerte, und stöhnte innerlich. Das war überhaupt nichts für ihn. Nichts davon. Er bahnte sich seinen Weg die Etage entlang, versuchte sich durch das Durcheinander von Menschen zu schlängeln und zum hinteren Treppenhaus zu gelangen, das zum Dach führte. Er stieß in etwas Festes und erkannte Benny, der ihn mit falschen Vampirzähnen angrinste.
,,Hey, Kumpel!" Benny hatte einen Kasten Bier unter einem Arm und einen weiten, wogenden schwarzen Umhang um seinen Hals gebunden. Zusätzlich zu den Fangzähnen trug er einen rot-blauen Piratenhut.
,,Was zur Hölle sollst'n du darstelln?", lallte Dean. Scheiße. Er hatte nicht bemerkt, dass er schon so betrunken war.
,,Oh, Mist. Ich sehe, du brauchst nix von denen hier", murrte Benny und stellte das Bier außerhalb von Deans Reichweite ab. ,,Wie geht's dir, Bursche?"
,,Mir geht's gut." Dean ließ seinen Blick erneut über Bennys Outfit schweifen. ,,Also, Alter, was zum Teufel trägst'n da?"
,,Ich bin ein Vampir, du Spast. Dann hat jemand beschlossen, mir einen Piratenhut auf den Kopf zu packen. Schätze, dann bin ich jetzt ein Vampir-Pirat."
,,Vampir-Pirat", kicherte Dean. ,,Vampirat!"
Benny verdrehte die Augen. ,,Der ist schlecht, Dean. Himmel, wie betrunken bist du überhaupt?"
,,Sehr. Ich bin sehr betrunkn."
,,Warum?", fragte Benny beunruhigt.
,,Schien zu dem Zeitpunkt 'ne gute Idee zu sein..."
,,Gehst du rauf?"
,,Ja, Ben, hier isses...einfach viel zu voll. Ich will...einfach nich' hier sein."
Benny klopfte ihm auf den Rücken. ,,Dann geh. Hier ist jeder entweder betrunken oder high. Man wird dich nicht vermissen."
,,Ok." Dean trat ins Treppenhaus. ,,Danke, Ben."
,,Ja, geh weiter. Raus hier."
Als die Treppen hochstieg und auf das Dach gelangte, zitterte Dean leicht in der kühlen Luft und zog seine Jacke enger um sich herum. Er zog ein paar Lattenkisten weiter an die kleine Metallfeuerstelle und sammelte Holz auf, das er darin aufstapelte und entzündete. Es fing schnell Feuer, und er streckte seine Hände aus, um sie zu wärmen.
Halloween.
Es war unglaublich, wie sehr er es hasste, obwohl es vermutlich mehr mit dem Fakt zu tun hatte, dass Halloween bedeutete, dass der 2. November direkt vor der Tür stand. Und diesen Tag hasste er mehr als alles andere.
Er seufzte und starrte zu den Sternen hoch, änderte gewaltsam seinen Gedankengang. Stattdessen fokussierte er sich auf die Raphael-Leinwand, die noch immer leer war und unten auf ihn wartete. Während er sie sich in Gedanken vorstellte, fügte er einen Spritzer von leuchtendem Blau zum Hintergrund hinzu, schrittweise in den Anzug der Frau und ihr wildes, wütendes Starren eingearbeitet. Er dachte über das Eisblau nach, welches er ihren Augen beifügen würde, damit sie aussah, als ob sie gleich jemanden zerschmettern würde.
Das Nachdenken über eisblaue Augen ließ ihn über tiefblaue Augen nachdenken, die ihn zu sexy zerzausten, dunkelbraunen Haaren und rosafarbige Lippen führten, und ohne weiteres dachte er erneut über Castiel nach.
Das war mehr und mehr passiert, besonders seit neulich Nacht, als Cas mit ihm aufgeblieben war und warm an seinem Oberschenkel auf der Klavierbank gesessen hatte, während diese verdammten blauen Augen im reflektierten Licht der Straßenlaternen gefunkelt hatten.
Dean hatte ihn küssen wollen. Er war gerade soweit gewesen, als Vic über das Klavier meckernd aus seinem Zimmer gekommen war.
Das war Neuland für Dean Winchester. Er war sich dem Reiz beider Geschlechter immer ziemlich bewusst gewesen, aber hatte es einfach auf seine künstlerische Natur geschoben. Über die Jahre hatte er sich zu einer Menge Frauen hingezogen gefühlt und er hatte offen ein paar Männer bewundert, doch...
Doch jetzt – nun, jetzt fand er sich unglaublich zu einem anderen Mann hingezogen. Und er ertappte sich dabei, wie er die ganze verdammte Zeit über diesen einen Mann nachdachte.
Und er hatte keine Ahnung, was er deswegen tun sollte.
_____
Castiel sah sich lange im Hauptbereich seiner Wohnung um und richtete das lächerliche Paar fluffiger, weißer Flügel, das er gewählt hatte.
Vics Clique und Deans Kunstfreunde waren in der verrücktesten Gruppe von zukünftigen Exekutivmitgliedern und Künstlern vereinigt, die Cas je gesehen hatte.
Da waren ein paar sehr attraktive Studentinnen als Krankenschwestern verkleidet, die an einem Ende der Couch saßen und mit einem großen, schwarzen Mann, der einen Cowboyhut mit farbbespritzten Dreads bis zur Mitte seines Rückens trug, Dostoevsky diskutierten.
Benny war in der Küche und bewarf Jo, die als Pirat verkleidet war, fröhlich mit Weintrauben. Benny schien auch ein Pirat zu sein, allerdings mit Vampirzähnen.
Er erblickte Castiel und winkte. Jo funkelte ihn an.
Victor residierte auf der Klavierbank, als schicker Gangster gekleidet. Eine wunderschöne Frau in einem roten Flapperkleid hatte sich auf seinem Schoß niedergelassen.
,,Cas! Schicke Flügel, Kumpel! Komm her und lern mein Mädchen kennen!"
Castiel lächelte und ging durch die chaotische Menschenmenge. ,,Hallo", sagte er und streckte seine Hand aus.
Sie nahm sie. Ihre Hand war blass und glatt, mit perfekt manikürten roten Nägeln. Die Frau warf ihr honigbraunes Haar nach hinten und lächelte zu ihm hoch. ,,Bela Talbot", verkündete sie mit klarem britischen Akzent. ,,Freut mich, dich kennenzulernen, Castiel – und deine Flügel sind entzückend."
,,Danke. Ich freue mich auch, dich kennenzulernen. Mir gefällt dein Akzent."
Bela lächelte, eindeutig erfreut. ,,Danke, Liebling."
Victor beugte sich vor und küsste ihren Hals. ,,Sie gehört mir, Cas, such dir eine eigene."
,,Sehr witzig." Er sah sich erneut in dem lauten Raum um. ,,Hast du Dean gesehen?"
,,Mh." Vic sah sich um. ,,Keine Ahnung, Mann. Er mag Halloween nicht. Könnte sich auf dem Dach verstecken."
,,Wenn er Halloween nicht mag, warum zur Hölle schmeißt er dann eine Party?"
,,Himmel, wenn ich das wüsste, Alter."
Cas seufzte. ,,Okay. Sehr erfreut, Bela. Ich werde nach ihm sehen."
Bela nickte, ihre Aufmerksamkeit bereits wieder bei Vic, und Cas drehte sich weg. Er zwängte sich durch die Menge von Studenten, alle in verschiedenen Stadien der Betrunkenheit, und lief zum Treppenhaus im hinteren Teil des Gemeinschaftsraumes.
Er öffnete die Tür zum Dach und starrte zum Vollmond und zum Himmel voller Sterne hoch.
Er roch Holzrauch in der kühlen Luft und wusste, dass er Dean gefunden hatte. Seine Vermutung wurde bestätigt, als er seine gekrümmte Gestalt vor ihrer kleinen Metallfeuerstelle erblickte.
,,Hallo, Dean", sagte er, wollte ihn nicht erschrecken.
,,Hey, Cas, komm rüber." Dean deutete auf ein paar Lattenkisten, die in der Nähe des Feuers standen. ,,Bestn Unterkünfte im Haus direkt hier."
Castiel runzelte bei dem Lallen in Deans Stimme die Stirn. Er hatte offensichtlich bereits ziemlich viel getrunken. ,,Bist du okay?"
,,Geht gut, Mann, verdammt, mir geht's super!" Der Ausdruck auf seinem Gesicht stand im Gegensatz zu seinen Worten. Deans Blick war verschleiert und er sah definitiv nicht glücklich aus. ,,Mir geht's wirklich super, alles is' perfekt und einfach..."
Er ließ sich mit einem Plumps auf einer der Lattenkisten nieder. ,,Hasse scheiß Halloween", murmelte er.
,,Warum schmeißt du dann eine Party?"
,,Weil's jeder von mir wollte." Dean zog eine kleine Flasche Jack Daniels aus der Innentasche seiner grünen Jacke, drehte den Deckel ab und trank die letzten fünf Zentimeter. Er schluckte und sah die Flasche an, enttäuscht, sie leer vorzufinden. Er schnaubte und schleuderte sie über die Rückwand der Feuerwache. Mit einem Klirren landete sie irgendwo in der Gasse unter ihnen.
,,Okay, Cal Ripken, wahrscheinlich keine gute Idee, Glasflaschen vom Dach zu werden."
Aus irgendeinem Grund fand Dean das urkomisch und er lachte laut.
,,Das ist nicht so lustig."
Das ließ Dean heftiger lachen. Sein Gesicht war rot, als er den Kopf zurückwarf und sein Lachen in keuchenden Atemzügen kam. ,,Doch- Doch is-isses!", stieß er hervor.
Cas lächelte ihn an, kicherte noch immer wie ein Idiot, zog eine Kiste heran und ließ sich neben ihm nieder. ,,Also warum hasst du Halloween?"
Dean schnaubte. ,,Dämonen und Teufel und Vampire... Einfach...nich' mein Fall, Alter." Er musterte Castiel genauer und entdeckte schließlich die weißen, fluffigen Flügel. ,,Na das is' ja ma' schick, Mr. Engel des Donnerstags."
,,Halt die Klappe. Das ist alles, was der Kostümshop noch übrig hatte."
,,Niemand hat gesagt, dass du dich verkleidn sollst. Hättst einfach deine normaln Klamottn tragn und als einer meiner Engel komm' könn'."
,,Stimmt, hätte ich. Das hätte mir 25 Dollar erspart."
Dean grinste und streckte dann den Arm aus, um seine Finger durch die Federn der Flügel gleiten zu lassen. ,,Sin' schön. Weich. Ich mag sie."
,,Sie sind irgendwie lustig", gab Castiel zu.
,,Cas, ich bin wirklich, wirklich, wirklich verdammt betrunkn."
,,Schon klar."
,,Ich bin so betrunkn."
,,Ich weiß."
,,Also jetz'... Weil wir allein unso sin', kann ich's dir jetz' sagn." Dean runzelte die Stirn. ,,Weiß aber nich', ob ich sollte." Er sah komplett verwirrt aus.
,,Mir was sagen, Dean?" Cas lehnte sich leicht vor, rutschte unbewusst näher zu Dean heran.
,,Ich bin so verdammt verwirrt, Cas."
,,Weshalb? Du kannst mir alles sagen, Dean, das weißt du."
Grüne Augen starrten zu ihm zurück, in dem flackernden Schein des Feuers fast schwarz.
,,Was ist?", murmelte Cas. ,,Du siehst...verängstigt aus."
Dean zappelte herum, seine Finger spielten mit dem Reißverschluss seiner Jacke. Er sah erneut hoch, sein Blick traf auf Cas', und Gott, da war er. Dieser merkwürdige, kleine Funken, dieses seltsame Bisschen Elektrizität, das er vor ein paar Nächten gespürt hatte, als er neben Dean auf der Klavierbank gesessen, den Arm des anderen Mannen um sich gehabt und zugesehen hatte, wie er mit geschlossenen Augen näher gekommen war. Cas war sich so sicher gewesen, dass Dean ihn gleich küssen würde.
,,Weißte noch, neulich Nacht? Oder Morgn? War Morgn, glaube..." Dean sah immer noch verwirrt aus, sein Blick war trübe.
,,Du meinst den Morgen, als du die Cookies gemacht und für mich Klavier gespielt hast?"
,,Ja!", rief Dean und schnippte mit den Fingern. ,,Die Nacht. Alter, ich war... Mann, das war 'ne schlimme Nacht." Er hatte definitiv einige Schwierigkeiten, seinen Blick weiterhin fokussiert zu halten, und seine Augenlider sahen sehr schwer aus. ,,Dad rief an. Hat mir... Hat mir 'ne Menge Scheiß erzählt."
,,Was hat er zu dir gesagt? Ich weiß, dass du ziemlich mitgenommen warst. Willst du darüber reden?"
,,Nein! Nein, nein, nein, überhaupt nich'. Werd' nich'... Will nich' über diesn Scheiß redn, weil's dumm is' und mein Vater is' dumm und... Wollt' das...nur sagn. Weißte, du bis' mit mir aufgebliebn. Und das war so nett. Und du bis' so nett..." Deans Gesichtsausdruck war sanft, und er lächelte Castiel an. ,,Mag dich wirklich, Cas. Du bis' verdammt großartig."
,,Du bist auch ziemlich großartig, Dean."
Dean lächelte, schien dann die Fähigkeit zu verlieren, sich aufrecht zu halten, und sackte gegen Castiels Schulter. Schnell setzte der sich in eine stabilere Position und schlang einen Arm um Dean, um ihn davon abzuhalten, von der Kiste zu rutschen.
Der andere Mann vergrub das Gesicht in ihm, und etwas in Cas schmolz dahin. Dean war so nahe, so warm und entspannt in seinen Armen. Er versuchte nicht zu viel in die Art hineinzuinterpretieren, wie Dean sich fast an ihm festklammerte, und zwang sich dazu, dem Feuer zuzusehen und Dean einfach nur festzuhalten. Das schien er zu brauchen, und Castiel war mehr als glücklich, ihm das geben zu können.
Für lange Zeit saßen sie da und beobachteten das Feuer. Der Krach von unten ebbte langsam ab. Als das Feuer herabgebrannt war, schlief Dean bereits in seinen Armen.
Castiel starrte zu den Sternen hoch und versuchte seine Gefühle zu ordnen.
Er mochte Dean. Sehr. Und er war sich ziemlich sicher, dass seine Gefühle mehr als freundschaftlich waren. Aber er wusste nicht, ob Dean das wollte oder ob er überhaupt an Männern interessiert war. Er bewegte sich auf einem beängstigenden Grat, ohne zu wissen, welche Überquerung das bedeuten würde.
Das Einzige, was er sicher wusste, war, dass er Dean äußerst gern hatte.
Dean, der leise in sein Shirt schnarchte und sabberte. Castiel stupste ihn an.
,,Dean?"
,,Mmm?"
,,Lass uns dich ins Bett bringen."
,,Ok", murmelte Dean. Er ließ zu, dass Cas ihn auf die Füße zog und ihn ins Treppenhaus führte.
Das Erdgeschoss war leer bis auf Benny, der bewusstlos auf der Couch lag, und Jo, die tief und fest am anderen Ende schlief.
Cas geleitete Dean auf sein Zimmer, zog die Laken und Decken zurück, drückte ihn auf das Bett und lächelte, als er direkt in die Mitte plumpste. Er zog Deans Stiefel, Jeans und Jacke aus, ließ ihn nur in Boxers und einem T-Shirt. Dann manövrierte er ihn vorsichtig zu einer Seite des Bettes und legte seinen Kopf auf die Kissen.
Castiel wandte sich gerade zum Gehen, als sich eine Hand ausstreckte und sein Handgelenk ergriff.
,,Bleib. Will nich' allein sein."
Cas' Herz schlug ihm bis zum Hals. Er drehte sich um und starrte Dean an. Dessen Augen waren geschlossen und er hielt immer noch sein Handgelenk fest. ,,Will nich' allein sein", murmelte er erneut. ,,Bleib einfach. Bleib einfach bei mir."
,,Okay", sagte Cas leise, streifte die Engelsflügel und seine Jacke ab, bis er nur noch dieselben Sachen trug, die Dean anhatte. Er schloss die Tür, machte das Licht aus und kroch dann ins Bett.
Dean drehte sich um, schlang seinen Arm um Cas' Taille und legte seinen Kopf auf seine Schulter.
,,Danke, Engel", flüsterte er und schlief ein.
Die unerwartete Wärme auf seiner Schulter machte ihn leicht nervös. Er wusste nicht, wie er darüber denken sollte. Castiel war sich vollkommen bewusst, dass er Dean attraktiv fand und er zu einem seiner besten Freunde wurde, die er je hatte. Doch als Cas ihn für einen Moment beobachtete, machte sein Herz beim Ansehen dieses süßen, friedlichen Gesichts ein paar ziemlich verrückte Sachen. Er spürte, wie die warmen Gefühle in ihm brodelten.
Es war bereits klar, dass dies für ihn mehr als Freundschaft war, dass das, was er für Dean empfand, mehr war, so viel mehr, und auf so vielen Ebenen. Es war erschreckend und aufregend zur selben Zeit. Er hatte nicht die geringste Ahnung, ob Dean irgendetwas in die Richtung derselben Menge von Anziehung verspürte, aber wenn es eine Sache gab, die Castiel sicher wusste, und Geld darauf verwetten würde, dann die, dass Dean ihn hatte küssen wollen.
Er hatte seine Augen geschlossen und sich auf dieser Bank näher herangelehnt. Wenn der verdammte Victor nicht gestört hätte, hätte Dean ihn geküsst.
Da war er sich sicher.
Genauso wie er sich über die Tatsache bewusst war, dass er vollständig und komplett am Arsch war – weil er Dean Winchester eindeutig verfiel.
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