Die Welt wird Liebende immer willkommen heißen

,,Also, was jetzt?", fragte Dean sanft. Er wollte sich nicht von Cas lösen, dessen Arme ihm wie eine Zuflucht waren.

Cas wischte mit dem Daumen ein paar Tränen von seiner Wange. ,,Du weinst immer noch", murmelte er.

,,Du auch." Dean lächelte und erwiderte den Gefallen.

,,Nun, ich schätze, wir sollten reden? Ich weiß nicht. Ich habe nicht erwartet, dich wiederzusehen."

,,Cas, es tut mir so leid. Wirklich, ich s-schwöre." Seine Stimme brach, als mehr Tränen flossen.

,,Schh, das ist nicht alles deine Schuld. Ist es nicht. Bitte versuch nicht für alles den Kopf hinzuhalten." Er wischte mehr Tränen von Deans Gesicht. ,,Alles okay? Du kannst nicht aufhören zu weinen."

Dean schniefte. ,,Passiert. Ich, äh, ich weine diese Tage irgendwie schnell."

,,Es ist kalt hier draußen. Lass uns ins Warme gehen. Komm mit zur Wohnung zurück und ich mache dir Abendessen. Und wir können reden. Okay?"

,,Okay." Er schniefte erneut und wischte die Tränen auf seinen Wangen weg. ,,Wir sollten Gabe und Sam-" Dean sah sich um. ,,Egal." Lächelnd sah er den beiden zu, wie sie mit verschränkten Händen in ein Taxi drängten. ,,Ich denke, ihnen geht's gut."

Cas folgte seinem Blick und schüttelte den Kopf. ,,Es ist verdammt nochmal Zeit." Er schlang seine Hand fest um Deans. ,,Komm schon. Lass uns auch ein Taxi besorgen."

Dean ließ sich von Cas zurück auf die Straße führen, wo er ein Taxi rief und die Tür öffnete, ohne jemals Deans Hand loszulassen. In fließendem Französisch gab er dem Fahrer Anweisungen und lehnte sich dann im Sitz zurück.

Auf der Fahrt zur Wohnung waren sie beide sehr still, doch hielten die ganze Zeit die Hand des anderen fest. Nach zwanzig Minuten erreichten sie das Gebäude. Cas führte ihn drei Treppen hoch und in einen engen Flur.

Die Wohnung an sich war recht klein, doch luftig und sauber, abgesehen von der ziemlich vielsagenden Anzahl von leeren Weinflaschen, die nebeneinander auf der Theke standen. Dean verlor kein Wort über die Flaschen. Es hatte eine Zeit gegeben, als seine bevorzugte Methode des Vermeidens von Problemen daraus bestand, sein Gehirn in Alkohol zu ertränken. Wer war er, darüber urteilen zu dürfen, wie Cas den Schmerz auslöschte? Allerdings traf ihn die Erkenntnis schwer, dass er der Grund für die lange Reihe von Leergut war.

Ohne weiteres strömten die Tränen wieder, doch er drehte sein Gesicht von Cas weg, der in der Küche herumhantierte und Sachen für ihr Abendessen zusammentat.

Er fühlte sich so klein; so klein und so eingeschüchtert. Angst drückte gegen seinen Hals und machte das Atmen schwer. Was, wenn Cas ihn nicht wollte? Was, wenn er nur freundlich war, bis er ihn wieder wegschicken konnte?

,,Badezimmer?", fragte er heiser.

,,Einfach den Flur lang. Alles okay?"

,,Ja, mir geht's gut, ich muss-"

Cas war bei ihm und zog ihn in seine Arme. ,,Du bist durcheinander. Was ist los?"

Dean schüttelte den Kopf und versuchte Cas wegzuschieben, doch der ließ ihn nicht los.

,,Der einzige Weg, wie das hier funktionieren kann, besteht daraus, dass wir miteinander reden. Was ist los? Warum bist du wieder so durcheinander?"

,,Bin ich nicht, alles gut", murmelte er und starrte auf den Boden hinab, während er versuchte von Cas loszukommen, doch der andere Mann verstärkte nur seinen Griff.

,,Dean, du musst mit mir reden. Du bist nicht den ganzen Weg hierhergekommen, nur um so zu tun, als ginge es dir gut, wenn das offensichtlich nicht der Fall ist."

,,Du musst mich hassen", sagte Dean leise. Er schämte sich für die neue Flut von Tränen und die Art, wie seine Stimme brach.

Cas nahm Deans Kinn in seine Handfläche und hob seinen Kopf. ,,Ich könnte dich niemals hassen", sagte er sanft. Seine Augen blickten traurig drein. ,,Wie kommst du auf solch einen Gedanken? Ich könnte dich niemals hassen."

Dean gab ein schrecklich peinliches Geräusch von sich, eine mutierte Mischung aus einem Schluchzer und einem Wimmern. Die Tränen flossen schneller und trübten seine Sicht. Cas zog ihn auf die Couch hinab, hielt ihn fest und fuhr mit den Fingern durch Deans Haare.

,,Schon okay. Weine, wenn dir danach ist. Ich werde dadurch nicht weniger von dir halten. Glaub mir."

,,Ich bin so abgefuckt, Cas", schniefte Dean.

,,Wir sind alle abgefuckt. Wir alle." Er küsste Dean auf den Kopf. ,,Ich sagte dir bereits, dass ich dich wieder kennenlernen wolle. Das meinte ich ernst. Ich möchte alles von dir wissen. Kannst du bleiben? Oder musst du zurück nach Hause?"

,,Genau genommen habe ich jetzt für lange Zeit Urlaub. Anna und ich hatten beide viele Urlaubstage. In den fünf Jahren, in denen ich schon unterrichte, habe ich mir nie einen Tag freigenommen, also steht mir jetzt ein Monat zur Verfügung. Ich kann bis zum 20. bleiben." Er schniefte erneut, und Cas reichte ihm ein Taschentuch. ,,Außerdem hat mir Gabe seine American Express Card gegeben und mir gesagt, ich könne damit tun, was auch immer ich wolle."

Cas schmunzelte. ,,Wow. Er muss dich wirklich mögen."

,,Ganz ehrlich? Ich denke, es war nur dazu, Sam zu beeindrucken und sich an ihn ranmachen zu können." Dean lächelte und wischte sich das Gesicht mit dem Tuch ab.

,,Scheint zu funktionieren." Cas grinste. ,,Also haben wir Zeit und Geld. Das ist gut. Wobei ich denke, dass wir dich heute Abend füttern und ins Bett bringen sollten. Wo wohnst du?"

,,The George V."

,,Heilige Scheiße. Gabe scheut keine Kosten."

,,Ja, naja, wie schon gesagt: Ich denke, dass er hauptsächlich Sam beeindrucken wollte." Dean lachte und wischte sich die letzten Tränenreste von seinen Augen. ,,Ich habe nicht viel mitgebracht. Nur ein paar Klamotten." Sein Magen grummelte laut, und sie grinsten beide.

,,Lass mich uns etwas zu essen holen. Und dann reden wir. Okay?"

,,Ja. Zuerst werde ich aber das Bad benutzen."

Cas nickte und machte sich daran, Dinge aus den Schränken zu ziehen.

Das Badezimmer war genauso klein wie der Rest der Wohnung. Es beinhaltete eine uralte Badewanne mit Klauenfüßen und altes Inventar, aber es war urig und sauber. Dean bemerkte, dass er den Luxus des Hotels, in dem er die letzten zwei Tage verbracht hatte, nicht vermisste. Er war dort verrückt geworden, während Gabe verzweifelt versucht hatte Castiel zu finden. Die Suite, die Gabe ihnen besorgt hatte, war so groß wie die Feuerwache, doch für Dean hatte sie sich so einengend angefühlt, da er sowieso schon angespannt gewesen war. Obwohl er diese beiden Tage damit verbracht hatte, den Song auf dem Keyboard zu üben, das Gabe irgendwie aufgetrieben hatte, war das Warten pure Folter gewesen. Dean hatte Angst gehabt, dass Gabe Cas nicht finden und er wieder umdrehen und nach Hause fliegen müsste.

Dean spürte, wie seine Gedanken erneut außer Kontrolle zu drohen gerieten, fühlte die Angst in sich aufsteigen und unterdrückte sie.

Cas würde ihn nicht rausschmeißen. Cas wollte reden. Cas schien glücklich zu sein, dass er hier war.

Er holte tief Luft, hielt sie, atmete aus und wiederholte das Ganze. Fünf Atemzüge später war er ruhiger. Dean befeuchtete einen Waschlappen und drückte die Kühle gegen seine geschwollenen Augenlider. Dann wusch er sich das Gesicht und seine Hände.

Dean runzelte bei seiner Erscheinung im Spiegel die Stirn. Seine Augen und seine Nase waren rot, seine Lider angeschwollen, die Haut war fleckig. Er war ein Wrack.

Es klopfte an der Tür. ,,Bist du okay?", fragte Cas.

Dean öffnete die Tür und nickte. ,,Ja, mir geht's gut."

,,Okay. Ich habe uns Abendessen gemacht. Es ist nicht viel. Seit ich hier bin, habe ich nie wirklich viel gegessen, aber ich habe ein wenig kalten Lachs, Früchte, Käse und Brot da. Und Wein. Eine Menge Wein."

,,Klingt gut. Allerdings bin ich nicht so hungrig, um ehrlich zu sein."

,,Ich auch nicht. Aber das steht trotzdem alles zur Verfügung. Komm." Er griff nach Deans Hand. ,,Setz dich zu mir und lass uns ein Glas Wein trinken. Okay?"

,,Okay."

Cas führte Dean zurück zur Couch und reichte ihm ein Glas Wein. ,,Merlot. Geht das in Ordnung?"

,,Klar, Cas, so wählerisch bin ich nicht", sagte er und nahm den Wein. Sie füllten beide ihre Teller und aßen schweigend. Dean ging eine Menge im Kopf herum. Es gab so viele Sachen, die er sagen wollte, doch die Stille gewann.

,,Bleibst du heute Nacht hier oder brauchst du jemanden, der dich zum Hotel zurückfährt?"

,,Ähm, keine Ahnung. Mein ganzes Zeug ist dort, aber ehrlich gesagt bin ich mir nicht sicher, ob ich sehen will, wie weit Gabe und Sam eventuell gegangen sind."

,,Da ist wirklich was dran", sagte Cas mit einem Grinsen. ,,Du kannst hierbleiben."

,,Ja, ähm, ich weiß nicht, ich meine, das ist erst-"

,,Ich rede nicht über Sex, Dean. Keiner von uns ist schon bereit dazu. Wir müssen einander erst wieder kennenlernen, und ich denke, Sex würde die Dinge nur verwirren und verkomplizieren."

Eine riesige Welle von Erleichterung ergriff Dean. ,,Du hast recht."

,,Ich werde dann die Couch nehmen."

,,Nein, das ist deine Wohnung. Ich nehme die Couch."

,,Dean, du bist zu groß für diese Couch. Ich nehme sie."

,,Cas-"

,,Werden wir wirklich darüber diskutieren? Wer die Couch nimmt? Das ist kein toller Weg, diese Sache anzufangen, oder?"

Dean schüttelte den Kopf und grinste. ,,Ja, das war ziemlich dumm von mir."

,,Schon okay." Cas tätschelte seine Hand. ,,Nun geh schon. Jogginghosen und der ganze Kram sind in der obersten Schublade. Ich weiß, dass du erschöpft bist. Schlaf dich aus."

,,Okay." Dean stand auf und streckte sich. ,,Gute Nacht, Cas."

,,Gute Nacht. Bis morgen früh." Er lächelte Dean an und streckte den Arm aus, um seine Hand zu drücken. ,,Schlaf gut."

,,Du auch."

Sie starrten sich für einen Moment länger an. Dean musste sich leibhaftig schütteln und seine Füße dazu zwingen, ihn ins Schlafzimmer zu bringen, wo er die Tür hinter sich schloss. Er ließ sich aufs Bett sinken und starrte aus dem Fenster in den sternenklaren Himmel hinaus.

_____

Der nächste Tag brach hell und kalt an. Cas war auf, bevor Dean aufwachte, und holte mehr frisches Gebäck und Früchte. Er rief Gabe an, wurde jedoch direkt zur Mailbox weitergeleitet. Cas seufzte. Sie brauchten Deans Tasche, und er wollte seinen Bruder wegen seiner Kreditkarte fragen. Er war sich sicher, dass Gabe es ernst gemeint hatte, als er sagte, Dean könne sie für was auch immer verwenden. Cas brauchte nicht wirklich Geld, aber wenn sie fast einen Monat und grenzenlose Geldmittel hatten... Nun, dann hatte er ein paar sehr gute Ideen, wie Dean und er einander wieder kennenlernen konnten.

Dean schlief immer noch, als er zur Wohnung zurückkehrte. Er stellte seine Einkäufe auf der Theke ab und ging nach ihm sehen.

Sonnenlicht erfüllte das kleine Schlafzimmer. Dean lag auf dem Laken, auf dem Bauch ausgebreitet und die Arme unter das Kissen gesteckt. Er sah süß und so unschuldig aus. Cas stand da und betrachtete ihn, beobachtete sein Gesicht und die lustigen kleine Grimassen, die er während des Schlafens zog.

Wieder einmal betrauerte Cas all die verlorenen Jahre, all die verlorenen Tage und Stunde ohne diesen Mann an seiner Seite.

Nein, sagte er nachdrücklich zu sich selbst, jetzt ist er hier. Es ist an der Zeit, neue Erinnerungen zu machen.

Cas zog die Tür wieder zu und ging in die Küche, um Kaffee zu machen. Er war bei seiner zweiten Tasse, als Dean endlich aufstand, gekleidet in einer von Cas' Jogginghosen und dem schwarzen T-Shirt, das er am Vorabend angehabt hatte. Sein Haar stand in tausend verschiedene Richtungen ab. Auf dem Weg in die Küche rieb er sich die Augen.

Dean nahm die Tasse Kaffee, die Cas ihm anbot, und lächelte dankbar, als er den ersten Schluck nahm. ,,Morgen", sagte er mit einem Grinsen. ,,Schätze, ich war ziemlich müde, was?"

,,Fast zehn Stunden würde ich sagen. Du musst immer noch unter dem Jetlag leiden. Wie viele Tage bist du schon hier?"

,,Zwei, nein, jetzt drei. Gabe konnte dich zuerst nicht finden."

,,Ich schätze, ich hätte an mein Handy gehen sollen."

Dean schnaubte. ,,Ja, es könnte sein, dass er dich während der letzten paar Tage mehrere Male ziemlich beschimpft hat."

,,Weißt du, was lustig ist? Ich dachte, ich hätte dich gestern gesehen. Auf dem Markt war ein Mann mit deiner Statur und deiner Frisur, der meiner Meinung nach die Jacke trug, die ich dir gekauft hatte."

,,Ähm, das war ich."

,,Ernsthaft?"

,,Ja. Ich habe dich auch gesehen, aber ich wollte nicht, dass du mich schon siehst. Nicht, bis ich die Sache mit dem Klavier durchziehen konnte."

,,Warum? Ich wäre genauso glücklich gewesen, dich einfach nur zu sehen", sagte Cas sanft. Dean errötete, pinke Kreise entstanden auf seinen Wangenknochen.

,,Naja, Gabe meinte, ich hätte es versaut und müsse etwas Großes veranstalten, um dich zurückzugewinnen."

Sofort spürte Cas Wut in sich aufsteigen. ,,Das ist nicht wahr. Du bist nicht der Einzige, der das vermasselt hat, und es hätte mir gereicht, dich gestern zu sehen, und- Gott, Dean, versteh mich nicht falsch, ich fand es unglaublich toll, dass du das Konzert gegeben und für mich gesungen hast, aber es war nicht notwendig."

,,Cas, diese ganze Situation ist meine Schuld", sagte Dean leise und kratzte an einem Fleck auf dem Tisch herum.

,,Nein, ist es nicht", erwiderte Cas nachdrücklich.

,,Doch. Ich bin derjenige, der sagte, ich würde dich nicht lieben. Ich bin derjenige, der dich weggeschickt hat. Ich bin dafür verantwortlich. Und da hat die ganze Sache nämlich angefangen. Ich bin derjenige, der hier um Vergebung bitten muss."

,,Dean, das ist so ein Haufen maßloser Scheiße, dass ich dir irgendwie in dein perfektes Gesicht schlagen möchte."

Dean sah mit Überraschung in seinen hübschen grünen Augen zu ihm hoch. ,,Das verstehe ich nicht."

,,Nein, ich verstehe es nicht. Ich verstehe nicht, warum du immer so schnell dabei bist, die Schuld auf dich zu nehmen. Ich verstehe nicht, warum du so gottverdammt hart zu dir bist. Können wir uns nicht einfach darauf einigen, dass wir es beide versaut haben und dass wir das beide wieder in Ordnung bringen müssen?" Er griff über den Tisch und nahm Deans Hand. ,,Glaub mir, ich habe es auch vermasselt. Es ist nicht alles deine Schuld. Es wird niemals alles deine Schuld sein."

Dean schien nicht zu wissen, wie er darauf antworten sollte. Er saß nur still da und starrte auf die Tischplatte hinab.

,,Ich werde duschen gehen. Gabe ist nicht an sein Handy gegangen, also werde ich dich, wenn ich fertig bin, zum Hotel bringen, um deine Tasche zu holen. Dann werden wir uns überlegen, was wir die nächsten paar Wochen machen wollen. Ich habe einige Ideen und hätte gern deine Meinung dazu." Cas stand auf, ging um den Tisch herum, beugte sich herab und platzierte einen sanften Kuss auf Deans Kopf. ,,Bitte hör auf dich selbst zu beschuldigen. Es ist kontraproduktiv für das, was wir hier versuchen. Okay?"

,,Okay", murmelte Dean.

_____

Mit einem breiten Grinsen und nur in einen Morgenrock gehüllt, öffnete Sam die Tür. Dean spürte seine Wangen heiß werden, als er ihn hineinließ, vor allem nachdem er sah, dass Gabe das Gleiche trug.

,,Gott, ich will es nicht einmal wissen. Hole nur mein Zeug." Schnell lief er durch die Suite in sein eigenes Zimmer, fand seine Tasche und packte seine Sachen. Als er wieder herauskam, stand Cas mit Gabe auf dem Balkon und schien tief in ein Gespräch mit ihm vertieft zu sein. Sam hatte sich eine Jeans und ein T-Shirt angezogen und saß auf der Couch.

,,Wie geht's dir?", fragte er.

,,Gut, Alles okay." Er sah zu Gabriel hinaus. ,,Also du und Gabe, was?"

,,Ja." Sam lächelte und errötete. ,,Ja. Alles klasse. Zwischen uns läuft's gut."

,,Cool. Ich, ähm, ich freue mich für dich."

,,Danke. Bei dir und Cas?"

,,Wir müssen über eine Menge reden, doch ich werde meinen eigenen Weg nach Hause finden. Ich bleibe hier bei ihm und wir werden reden. Vielleicht klären sich die Dinge. Ich weiß nicht, aber-" Er starrte auf den Balkon hinaus, wo Cas sich umdrehte, seinen Blick erwiderte und lächelte. Seine blauen Augen funkelten.

,,Aber?"

,,Aber ich bin hoffnungsvoll. Ich bin sehr hoffnungsvoll", sagte er sanft.

,,Wenn ihr könnt, solltet ihr in einige der Museen gehen, während ihr hier seid. Besonders in den Louvre."

,,Das wäre cool."

Sam erhob seine schlaksige Gestalt von der Couch und überraschte Dean, indem er ihn in eine ungestüme Umarmung zog. ,,Dean, lass zu, dass du glücklich bist. Lass zu, dass du das hast. Okay?"

Dean nickte an Sams Schulter und schöpfte Trost aus Sams Umarmung. Er war immer noch voller Zweifel, so unsicher, und Sam konnte ihn wie ein Buch lesen.

,,Werde ich. Versprochen. Ich möchte, dass das klappt."

,,Dann lass nicht zu, dass du es wieder zerstörst. Sei offen, sei ehrlich, erzähl ihm alles. Er wird nicht davonlaufen. Wenn es eine Sache auf dieser Welt gibt, bei der ich mir sicher bin, dann, dass Cas dich mit jeder Zelle seines Körpers liebt. Du musst ihn nur reinlassen. Bitte. Tu dir einmal etwas Gutes. Okay?"

,,Okay", flüsterte Dean. Tränen brannten hinter seinen geschlossenen Lidern. ,,Ich versprech's."

_____

,,Wirst du mich schlagen? Du hast das Wütender-Cas Gesicht drauf."

Cas schloss die Balkontür, und ließ sich und Gabriel draußen in der eiskalten Luft von Paris. ,,Ich sollte dich schlagen. Warum zur Hölle hast du das zu ihm gesagt? Eine große Geste? Ernsthaft?"

Gabe hatte den Anstand, leicht beschämt dreinzublicken. ,,Naja, ich musste sicherstellen, dass es ihm ernst ist. Außerdem ist es irgendwie seine Schuld."

,,Es ist nicht seine Schuld! Nicht alles davon. Schuld kann gleichermaßen zwischen mir und Sam verteilt werden. Dean war dabei vollkommen unschuldig."

,,Unschuldig? Willst du mich verarschen? Dean ist der Grund, warum ich fünf Jahre lang nichts von meinem Bruder gesehen oder gehört habe!"

,,Das hältst du ihm vor? Was 2001 passiert ist?"

Gabe schnaubte, drehte sich von Cas weg und starrte auf die Stadt hinaus. Er verschränkte die Arme vor der Brust. ,,Ich wusste nicht, ob du tot oder lebendig warst, und habe währenddessen versucht, Sams Kopf über Wasser zu halten. Sie sagten ihm ständig, Dean würde sterben. Es war eins der schlimmsten Jahre meines Lebens, und es kommt alles auf Dean zurück."

,,Du gibst ihm die Schuld für alles? Was sein Vater ihm angetan hat? Gabe-"

,,Nein, ich beschuldige ihn nicht für Johns Taten. Aber ich beschuldige ihn dafür, dass du abgehauen bist."

,,Nun, ich musste nicht gehen. Ich hätte bleiben können. Ich hätte bis zum Morgen bleiben und mit ihm reden können. Aber ich bin weggerannt, ich habe alles hinter mir gelassen. Ich bin gerannt und habe nicht zurückgeblickt. Also sind selbst die Dinge, die damals passiert sind, zumindest auch teilweise meine Schuld."

,,Das ist Schwachsinn. Er hat dich betrogen. Er hat dich zum Gehen gebracht-"

,,Niemand hat mich zu irgendetwas gebracht." Cas seufzte und legte seine Hände auf das Balkongeländer. ,,Aber Dean zu sagen, er müsse etwas beweisen? Das war unnötig, Gabe. Du hättest das nicht tun müssen. Ich wäre absolut glücklich gewesen, dass er für mich in ein Flugzeug gestiegen ist. Mehr war nicht nötig."

,,Nun, ich musste wissen, ob es ihm ernst war."

,,Die Tatsache, dass er überhaupt nach deiner Hilfe gefragt hat, hätte ein Hinweis sein sollen."

Gabe hatte den Anstand, angemessen bestraft auszusehen.

,,War das meiste nicht sowieso dazu da, um Sam zu beeindrucken? Hat es funktioniert?"

Ein Lächeln umspielte die Mundwinkel seines Bruders, während er errötete. ,,Ähm, da keiner von uns letzte Nacht viel Schlaf bekommen hat, würde ich sagen, ja, es hat geklappt."

,,Nun, das ist auf jeden Fall positiv."

,,Ja. Er ist genauso großartig wie ich dachte. Ich bin verrückt nach dem Typen, Cas. Ich weiß nicht einmal, wie ich das in Worte packen soll."

Sie sahen beide zu, wie Sam aufstand und Dean in eine feste Umarmung zog.

,,Verstehe ich, glaub mir", sagt Cas sanft und beobachtete Dean, der sich nach einem Moment von Sam zurückzog, sich umdrehte und zu Cas rausstarrte. ,,Verstehe ich zu 100%."

,,Du bist immer noch verrückt nach ihm, nicht wahr?"

,,Ich liebe ihn, Gabe. Vor und seit ihm habe ich nie jemanden geliebt, es ist nur Dean. Es ist immer Dean gewesen. Er ist alles. Ich hätte Baltimore überhaupt erst nicht verlassen sollen."

,,Aber das hast du, und es hat ihn genug interessiert, dir zu folgen. Fangt neu an. Lernt euch wieder kennen und lasst die Vergangenheit ruhen."

,,Da fällt mir ein: Meintest du es ernst? Als du ihm deine Kreditkarte gegeben hast?"

Gabe nickte. ,,Ja. Er kann sie so nutzen, wie er möchte."

,,Würde es dir etwas ausmachen, wenn wir damit ein wenig reisen? Ich könnte mit ihm nach Irland und vielleicht Griechenland. Wenn das okay ist?"

,,Aber sicher. Geh. Verlieb dich wieder."

Cas lächelte und zog Gabriel in eine feste Umarmung. ,,Vielen Dank."

,,Du musst dich nicht bedanken. Ich würde alles für dich tun, Cassie. Das solltest du wissen."

Sie drückten sich kurz, stießen dann die Türen auf und gingen in die Suite zurück. Noch mehr Umarmungen wurden ausgetauscht. Danach sammelte Dean seine Sachen ein und sie ließen Sam und Gabe im George V zurück.

,,Mittag und dann der Louvre, okay?", fragte Cas ihn und verschränkte im Taxi ihre Finger.

,,Klingt gut."

,,Alles okay?"

Dean wandte sich ihm mit sanftem Blick zu. ,,Ja, Cas, mir geht's gut."

,,Prima", sagte Cas und drückte seine Hand.

Sie stellten Deans Tasche in der Wohnung ab, fanden zum Mittagessen ein bezauberndes kleines Bistro und dann nahm Cas Dean mit zum Louvre. Sie standen in der Schlange für die Mona Lisa, und Dean bemerkte, dass das Gemälde viel kleiner war als er gedacht hatte.

Tatsächlich schien er an den Skulpturen des Museums interessierter zu sein. Für eine lange Zeit stand er da und starrte auf Wings of Victory – seine Augen glitten über jede Kurve des Marmors, als ob er versuchte es sich einzuprägen.

Cas und Dean verbrachten den größten Teil des Tages im Museum. Dean war sehr still und selbstbeobachtend, gelegentlich überwältigt von der unbezahlbaren ausgestellten Kunst. Ihm schien eine Menge im Kopf umherzugehen, doch er schien den Louvre trotzdem zu genießen.

Zum Abendessen kehrten sie zur Wohnung zurück. Es dauerte nicht lange, bis Dean gähnte und ihm die Augen zufielen.

,,Willst du ins Bett gehen?", fragte Cas.

,,Ja, ich bin ziemlich müde."

,,Okay."

,,Dann Gute Nacht", sagte Dean leise und verschwand im Schlafzimmer.

Cas seufzte frustriert. Er hatte gehofft, dass sie vielleicht reden könnten und Dean sich öffnen würde, aber der andere Mann schien immer noch unsicher zu sein. Er musste einfach geduldig bleiben und darauf warten, dass Dean einlenkte, entschied Cas, als er sein Bett auf der Couch vorbereitete.

Irgendwann nach zehn schlief er ein, entschlossen, Dean am Morgen zum Reden zu bringen, doch er wurde gegen zwei von Dean geweckt, dessen Augen geweitet waren.

,,Was ist los?"

,,Besteht eine Chance? Verschwende ich hier meine Zeit? Du redest nicht mit mir, und ich fühle mich, als ob ich Wasser trete, aber nicht oben bleiben kann. Ich brauche hier eine Rettungsleine, Cas. Ich muss wissen, dass ich nicht für nichts um die halbe Welt geflogen bin. Bitte, etwas, irgendetwas. Das ist- Ich habe die ganze Zeit so Angst, und du redest nicht, obwohl du meintest, wir würden reden. Ich muss reden."

,,Okay, schon okay." Cas setzte sich auf und griff nach Deans Händen. Er war überrascht, sie zitternd vorzufinden. ,,Ich habe nie gesagt, dass ich nicht reden will; das tue ich. Mehr als alles andere. Aber du schienst Freiraum zu brauchen. Ich habe versucht, dir den zu geben."

,,Nein." Dean schüttelte vehement den Kopf. ,,Ich muss reden. Ich weiß nur nicht, wo ich anfangen soll. Ich weiß nicht, was ich sagen soll."

Cas zog Dean zu sich auf die Couch hinab. ,,Warum fängst du nicht damit an, warum du so Angst hast?"

,,Machst du Witze?"

,,Nein. Ich weiß, dass du meintest, du seist nicht mehr dieselbe Person wie vorher. Liegt es daran?"

,,Naja, ja. Ich meine, der Dean, den du kanntest? Er war ein okay-Typ. Ich? Ich bin abgefuckt."

,,Du bist nicht abgefuckt."

,,Doch, bin ich. Frag Sam. Ich bin anders. Ich verstehe die Witze nicht mehr, manchmal schalte ich gedanklich einfach komplett ab und starre Löcher in die Luft, ich vergesse Dinge, ich verliere Dinge, und, verdammt, ich weine beim kleinsten Anlass. Scheiße", schniefte er. ,,Jetzt weine ich."

,,Schon gut", sagte Cas. ,,Das ist keine große Sache, Dean."

,,Doch, ist es", erwiderte er nachdrücklich. ,,Der Dean, in den du dich verliebt hast, war unbeschwert. Ja, vielleicht hatte ich meine Dämonen, aber mit denen bin ich klargekommen. Ich habe Witze gerissen und Leute zum Lachen gebracht. Ich war lustig und entspannt und habe meine Scheiße größtenteils geregelt gekriegt. Jetzt bin ich nur- Ich bin verdammt kaputt, Cas. Ich bin kaputt."

,,Für mich siehst du nicht kaputt aus."

,,Weil du mich nicht mehr kennst!"

,,Aber ist es nicht das, worum es bei dem Ganzen gehen soll? Einander wieder kennenzulernen?"

Dean sah sehr unsicher aus.

,,Dean, wenn es keine Chance gäbe, wärst du jetzt nicht hier. Egal, was zwischen uns passiert ist, ich bin nicht so grausam, dich mit Hoffnung zurückzulassen, wenn es keine gäbe." Er zog Deans Hände an seine Lippen und küsste sie sanft. ,,Der Gedanke ist, dass wir diese Zeit zusammen verbringen, reden und einander wieder kennenlernen. Du bist nicht der Einzige, der anders ist. Du bist nicht der Einzige, der sich verändert hat. Ich würde dir keine Hoffnung geben, wenn eigentlich keine Chance bestehen würde. Würde ich nicht. Es gibt eine Chance. Es gibt eine sehr gute Chance, denn wenn du alles abstreifst, all die Jahre, die vergangen sind, wirst du herausfinden, dass ich immer noch der Mann bin, der dich liebt. Das hat sich von all den Dingen nicht geändert."

Deans Unterlippe bebte und ein paar mehr Tränen rollten seine Wangen hinunter, doch er nickte.

,,Du solltest ins Bett zurückgehen. Es ist spät, und du siehst immer noch erschöpft aus. Morgen früh reden wir weiter. Außerdem würde ich gerne Pläne mit dir besprechen, was den Rest unserer Zeit hier angeht. Okay?"

,,Okay", flüsterte Dean und stand widerwillig von der Couch auf. ,,Bis morgen früh. Oder zumindest später am Morgen. Nacht, Cas."

,,Gute Nacht, Dean."

_____

Am nächsten Morgen war Dean zuerst wach. Er nahm eine Dusche, putzte seine Zähne, zog sich an und machte Kaffee. Cas war auf, sobald er den roch, und stolperte mit zerzausten Haaren und Augenringen in die Küche. Er nahm die Tasse, die Dean ihm anbot, und ließ sich mit einem Stöhnen auf den nächstgelegenen Stuhl plumpsen.

,,Tut gut, was?", fragte Dean amüsiert.

,,Du bist in besserer Stimmung."

,,Ja, schätze schon."

Sie aßen zusammen Frühstück und führten belanglosen Small Talk über Gebäck und Kaffee. Es war erfrischend heimisch, dachte Dean, und fand es diesen Morgen leichter zu lächeln.

,,Also ich habe gestern mit Gabe gesprochen", sagte Cas, nachdem er die letzten Reste seiner zweiten Tasse getrunken hatte. ,,Er sagte, ja, die AmEx stehe uns zur Verfügung und er meinte es ernst, dass wir damit machen können, was wir wollen. Im Interesse unseres erneuten Kennenlernens: Was hältst du davon, ein paar der anderen Länder zu bereisen? Du warst noch nie in Europa, nicht wahr?"

,,Ich war nie außerhalb der Staaten."

,,Wie hast du so schnell einen Reisepass bekommen?"

Dean grinste. ,,Sam hat einen guten Freund im Außenministerium, der seine Verbindungen spielen lassen hat."

,,Wow."

,,Ja. Also, wohin dann als erstes?"

,,Ich dachte an Irland. Ich liebe Dublin."

,,Irland wäre irgendwie cool."

,,Aber, Dean, das ist nicht nur um der Sehenswürdigkeiten willen. Wir werden reden. Okay?"

,,Okay", sagte Dean sanft. ,,Das wäre schön."

,,Ich werde duschen gehen und dann packen. Warum fängst du damit nicht schon einmal an und dann machen wir uns auf den Weg. Wenn es irgendetwas gibt, wo du hinwillst-"

,,Die Sixtinische Kapelle", sagte Dean sofort. Er wollte dort schon fast sein ganzes Erwachsenenleben hin.

Cas lächelte. ,,Dann also Rom?"

,,Ja. Und Marokko. Ich möchte Marrakesch sehen."

,,Okay. Ich will nach Santorin."

,,Griechenland?"

,,Ja."

,,Oh scheiße, das bedeutet Flugzeuge, stimmt's?" Deans Magen gluckerte unruhig.

,,Wir werden so oft wie möglich den Zug nehmen. Jetzt mach dich fertig. Ich werde duschen und dann René anrufen, um ihn wissen zu lassen, dass wir die Wohnung nicht mehr brauchen."

Er stand auf, streckte sich und ging Richtung Bad.

,,Cas?"

,,Ja?", fragte er und drehte sich um.

,,Danke."

Cas lächelte und verschwand im Badezimmer. Dean ging seine Sachen packen.

In Dublin mieteten sie sich ein kleines Zimmer bei einer süßen, alten Dame, die Deans sommersprossige Wangen kniff und nicht davon überzeugt werden konnte, dass der grünäugige Mann mit dem eindeutig amerikanischen Akzent kein gebürtiger Ire war. Es half nicht, dass Cas ihm einen elfenbeinfarbenen Fischerspullover mit Zopfmuster gekauft hatte, als Dean sich über die Kälte beschwerte.

Er ließ ihn wie einen Einheimischen aussehen.

Das Zimmer hatte nur ein Bett, doch sie stimmten überein, dass sie zusammen schlafen konnten, ohne dass etwas passierte, das sie nicht wollten.

Abendessen war lustig; sie bestellten Fish and Chips in einem klassisch irischen Pub, vervollständigt mit Guinness-Bieren, Trinkliedern und Dean, der den abscheulichen Pullover trug. Seine Augen leuchteten in dem gedämpften Licht der Bar. Er sang zusammen mit den Ortsansässigen, obwohl Cas bemerkte, dass er nicht viel getrunken hatte.

Müde gingen sie zu ihrem Zimmer zurück und zogen sich Jogginghosen und T-Shirts an. Ursprünglich lagen sie auf getrennten Seiten des Bettes, doch als Cas am Morgen aufwachte, war Deans Arm um seine Taille geschlungen und sein Kopf ruhte auf seiner Schulter. Das kurze, stachelige Haar kitzelte ihn am Kinn.

Er bewegte sich nicht, sondern lag nur still da und genoss das Gefühl von Deans Wärme gegen seine Haut. Langsam schlief er wieder ein.

Als er das nächste Mal wieder aufwachte, saß Dean am Fenster und starrte in den nebligen Wintermorgen hinaus.

,,Dean? Alles okay?"

Er hatte die Knie an seine Brust gezogen und sagte zuerst nichts.

,,Sam meint, ich habe damals nach dir gefragt. Sobald ich wieder angefangen hatte zu reden. Ich erinnere mich nicht. Alles von September bis Januar ist in meinem Kopf irgendwie durcheinander. Ich erinnere mich, mich gefühlt zu haben, als würde ich etwas vermissen. Ich erinnere mich, dass Sam viel geweint hat. Es war schwer wieder zu lernen, wie man funktioniert. Sobald ich zurück nach Hause kam und selber wieder Dinge tun konnte, wusste ich, dass ich nicht wollte, dass Sam dich findet. Ich wollte nicht, dass du mich so siehst."

Cas sagte nichts, da er Dean nicht unterbrechen wollte, sondern setzte sich nur im Bett auf.

,,Ich habe mich nie mehr gehasst als in den Tagen, nachdem du gegangen bist. Ich habe in meinem Leben nie eine schlimmere Lüge erzählt als die, die ich an diesem Abend zu dir gesagt habe. Als ich meinte, ich würde dich nicht lieben – das meinte ich nicht ernst. Ich liebte dich so sehr, dass es wehtat. Ich wollte den Rest meines Lebens mit dir verbringen. Aber dann ist Vic mit seinem auseinanderfallenden Leben aufgetaucht. Und danach ist mein Dad gekommen und hat mir gesagt, meine Mutter würde hassen, was aus mir geworden ist, sie würde hassen, was wir hatten." Dean schniefte. Cas sah zu, wie er sich das Gesicht wischte. ,,Irgendwo in meinem Unterbewusstsein wusste ich, dass das nicht stimmte. Ich wusste, sie würde einfach glücklich sein, dass ich es war. Aber ich habe seinen Schwachsinn geglaubt. Und ich habe dich verletzt. Ich bin fremdgegangen und habe dich verletzt."

Er erschauderte und schniefte, doch er wandte sich immer noch nicht vom Fenster ab.

,,Ich habe die beste Sache weggeworfen, die ich je hatte, und ich-" Er beugte den Kopf und versuchte seine Schluchzer zu dämpfen. Cas glitt aus dem Bett und setzte sich neben ihn auf die Fensterbank.

Dean fiel in seine offenen Arme, presste sein Gesicht in Cas' Brust und weinte für eine lange Zeit.

_____

Am Blarney Stone in Cork küssten sie sich. Es regnete und es war schrecklich kalt, doch Dean war entschlossen, es zu tun. Cas hielt ihn fest, während er sich rückwärts nach hinten beugte. Der Regen strömte seinen Hals und seine Schultern hinab, doch seine Lippen berührten den eiskalten Stein für wenige Sekunden. Dean lachte sich kaputt, als Cas ihn wieder hochzog.

Seine blauen Augen funkelten, weshalb Dean nicht anders konnte. Er zog Cas zu sich heran und küsste ihn sanft. Seine Wangen brannten danach, und er fühlte sich wieder wie in Teenager.

Für den Rest des Tages hielten sie Händchen.

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In Rom waren Deans Augen geweitet und ehrfurchtsvoll, während er die Gemälde an der Decke der Sixtinischen Kirche studierte. Er schien nicht ausdrücken zu können, wie sehr ihn dieses Erlebnis bewegte, doch Cas hielt einfach seine Hand und ließ ihn sich sattsehen. Worte waren unwichtig. Alles, was für Cas in diesem Moment wichtig war, war der Ausdruck von Bewunderung auf Deans Gesicht.

Danach gingen sie weiter zum Petersdom. Dean verbrachte eine ganze Weile bei Michelangelos Pietà. Alle Kunstobjekte im Dom waren außergewöhnlich, aber Dean schien besonders von einem Mosaikbild angezogen zu werden – Renis Michael.

Das außerordentlich detaillierte Glasmosaik des berühmten Gemäldes fesselte Deans Aufmerksamkeit fast eine Stunde lang.

,,Darauf habe ich mein gesamtes Leben gewartet", sagte Dean ehrfürchtig, während sein Blick auf dem Bild von Michael lag, der Lucifer unter seinen Füßen zerdrückte.

Sie verbrachten wortwörtlich Stunden im Dom. Obwohl Cas beeindruckt von den absolut unbezahlbaren Werken war, war er mehr von Dean und seinen aufgerissenen Augen fasziniert.

Dean war wunderschön.

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,,Ich war so lange unglaublich wütend", sagte Cas leise aus dem Nichts heraus.

Es war zwar kalt, doch sie waren in Venedig, weil Dean es sehen wollte. Cas hatte nachgegeben.

Als Cas sprach, stand Dean an der gläsernen Fenstertür, die zu einem Balkon hinausführte, von wo aus man den Kanal überblicken konnte. Er drehte sich langsam um und fand Cas im Schneidersitz in der Mitte ihres Bettes sitzen.

,,Ich wollte dich hassen. Ich wollte dich für das hassen, was du uns angetan hast. Ich war glücklich und verliebt, und du hast mir den Boden unter den Füßen weggezogen. Ich wollte dich so sehr hassen, doch ich konnte nie. Stattdessen wurde ich einfach wütend. Wütend auf alles."

Dean sank stumm auf einen Stuhl.

,,Meine Wut loderte so sehr, dass ich alles tat, um sie zu ersticken. Ich bin hierhergeflogen, also nach Paris, und habe sie weggetrunken. Ich habe mich pleite getrunken. Dann wurde ich wieder nüchtern, habe mich erinnert, wie wütend ich war, und habe erneut alles weggetrunken. Ich habe mehr als ein Jahrzehnt damit verbraucht, sauer auf dich, sauer auf mich zu sein. Selbst nachdem das Buch veröffentlich wurde. Da war ich dann wütend, dass du und ich nicht das glückliche Ende haben konnten, das ich Carver und David gegeben habe."

Er blickte auf, müde Augen begegneten Deans.

,,Ich habe es satt, wütend zu sein. Ich will nicht mehr wütend sein."

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Der alte Mann auf Santorin, dem das Ferienhaus gehörte, das sie gemietet hatten, adoptierte sie. Er alberte mit ihnen herum und fütterte sie andauernd: gefüllte Weinblätter, Spanakopita, Baklava, Mousakas und dutzende Ouzos. Sie tranken mit dem Mann und genossen seine Gesellschafft sehr, doch er sprach nur griechisch und sie verstanden kaum etwas von dem, was er sagte. Trotzdem war es ein großartiger Ort. Cas genoss es, im ersten Morgenlicht beim Aufwachen Dean an sich gepresst vorzufinden.

Das Haus war weiß gestrichen und hatte hellblaue Fensterläden. Es war kühl, aber nicht kalt, und sie verbrachten ihre Zeit damit, die Insel per Fahrrad zu erkunden und an der Küste entlangzulaufen. Die Sonnenuntergänge waren wunderschön.

Nachts lagen sie nahe beieinander, hielten Händchen, stahlen Küsse und diskutierten banale Dinge.

Sie blieben drei Tage auf der Insel. In der letzten Nacht, als sie im Bett lagen und Deans Kopf auf seiner Brust ruhte, fühlte Cas sich zufrieden. Ihm war komfortabel zumute. Dean war warm in seinen Armen.

Das war es, was er wollte, bemerkte er. Das war alles, was er je gewollt hatte. Alles begann und endete mit Dean.

In dieser Nacht schlief er gut.

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Marrakesch war warm. Es war beim besten Willen nicht heiß, sondern mild und angenehm

Sie fanden ein Hotel, in das Dean sich auf den ersten Blick verliebte. Es sah wie der Schauplatz eines Indiana Jones Films aus, so mit einer Shisha-Bar und einem Klavier in der Lobby. Er wartete nur darauf, dass Sallah hereinkam.

Sie besuchten die Koutoubia-Moschee, den Bahia-Palast und verirrten sich in dem Basar. Dean lachte, als sie es endlich zum Hotel zurückschafften, und sie setzten sich in die Bar und teilten eine Shisha. Sie redeten leise, bis Dean das Klavier sah. Er lächelte und stand auf.

,,Ich seh dir in die Augen, Kleines." Er grinste, tätschelte Cas' Kinn und setzte sich ans Klavier. Seine Finger spielten mit den Tasten. Cas kam der Song sofort bekannt vor.

,,Spiel den nochmal, Dean", feuerte er ihn an.

,,You must remember this, a kiss is still a kiss, a sigh is just a sigh. The fundamental things apply, as time goes by." Er lächelte Cas an.

,,And when two lovers woo, they still say: I love you, on that you can rely. No matter what the future brings, as time goes by. Moonlight and love songs - never out of date, hearts full of passion - jealousy and hate, woman needs man - and man must have his mate. That no one can deny. It's still the same old story, a fight for love and glory, a case of do or die. The world will always welcome lovers. As time goes by."

Von den Stammkunden der Bar gab es höflichen Applaus, während Dean an seinen Platz zurückkehrte, doch ihm fiel nur die Art auf, wie Cas ihn anlächelte. Als er sich setzte, reichte er ihm ein Glas Wein. Dean nahm einen Schluck, stellte es dann aber beiseite.

,,Ich trinke nicht mehr so viel", teilte er Cas mit. ,,Meinem Körper gefällt das nicht, also mach ich's einfach nicht. Und weißt du, was witzig ist? Ich vermisse es nicht wirklich."

,,Alkohol wird überbewertet." Cas lächelte über sein eigenes Glas Wein hinweg.

,,Ja." Er grinste zurück. ,,Übrigens, wo wir grad vom Alkohol sprechen: Ich habe an Weihnachten Dad besucht."

,,Ernsthaft?"

,,Mhm. Und wir hatten ein langes Gespräch. Er hat das Buch gelesen."

,,Wow."

,,Er hat mir gesagt, ich solle dich finden."

Cas schien das zu überraschen. ,,Wirklich?"

,,Ja. Er meinte, du wärst für mich das Gleiche wie meine Mutter für ihn war. Das ist aus John Winchesters Mund ein wirklich großes Kompliment, glaub mir."

,,Mach ich. Dir glauben, meine ich. Das ist also der Grund, warum du nach Paris gekommen bist?"

,,Einer von vielen", sagte Dean sanft, während seine Finger am Schlauch der Shisha herumfummelten. ,,Aber der Hauptgrund-" Er seufzte und starrte in die Ferne. ,,Der Hauptgrund war das Wissen, dass ich dich immer noch liebe. Und die Wahrheit ist, Cas, dass ich nicht glaube, dass ich damit je aufgehört habe. Ich denke, ich habe dich immer geliebt. Ich schätze, dass ich niemals in der Lage sein werde, mit jemand anderem zusammen zu sein. Versteh mich nicht falsch, ich war dabei, meinem Leben mit Anna alles zu geben, was ich hatte, aber selbst mit ihr, habe ich mich nie... Habe ich mich nie..." Dean hatte Mühe, seinen Gedanken zu beenden.

,,Du hast dich gefühlt, als würde etwas fehlen?", fragte Cas sanft und griff nach Deans Hand.

,,Ja. Du. Du hast gefehlt."

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In dieser Nacht in Marokko wurden ihre Küsse hitziger.

,,Hör nicht auf", flüsterte Dean. ,,Bitte hör nicht auf. Ich brauche dich, Cas."

Er streifte Dean das Shirt ab und zog ihn wieder aufs Bett hinunter. Dean zerrte an seinen Boxershorts und Cas hob seine Hüften, sodass Dean sie ihm ausziehen konnte. Dean zog seine eigene Boxer aus und presste sie beide gegeneinander, Haut auf Haut. Funken sprühten, als ihre Erektionen aneinander rieben.

,,Scheiße, Cas", stieß Dean aus, die Lippen an Cas' Hals. ,,Will dich. Will dich so sehr."

,,Ich bin hier. Ich bin hier, Dean. Was willst du? Sag mir, was du willst."

Dean stöhnte. ,,Fick mich, Cas. Du musst mich ficken."

,,Haben wir alles?"

Deans grüne Augen leuchteten, als er breit grinste. ,,Ich bin wie ein Pfadfinder, Cas", schmunzelte er und kroch lange genug aus dem Bett, um das Gleitgel und die Kondome aus seiner Reisetasche zu holen. ,,Gehe nie ohne die beiden Dinge von Zuhause weg."

Cas lächelte und zog Dean wieder zu sich heran. Er schlang seine Hand um Deans Nacken und brachte ihre Lippen zusammen. Dean schmeckte so vertraut, er fühlte sich so vertraut an; ihre Körper fügten sich zusammen, erinnerten sich, sich als ein gemeinsamer zu bewegen.

,,Ich brauche dich, Cas", flüsterte Dean heiser.

,,Du hast mich. Du hast mich, Dean." Cas öffnete das Gel und beschichtete seine Finger damit. Er beanspruchte Deans Lippen, als er seinen Zeigefinger in seinen Körper gleiten ließ. Cas bereitete ihn mit seinem Mund und seinen Fingern langsam und mühelos vor, bis Dean ein wimmerndes Wrack war. Seine Hüften stießen ins Nichts und seine Hände umklammerten das Laken so stark, dass es zu reißen drohte.

,,Cas, bitte", flehte Dean. ,,Ich halte es nicht mehr aus. Ich brauche dich. Brauche dich."

Cas platzierte langsam eine Reihe von Küssen Deans Oberkörper hoch, ließ dann seine Hüften auf Deans ruhen, brachte sich in Stellung und stieß vorsichtig hinein. Deans Rücken wölbte sich über dem Bett. Mit beiden Händen packte er Cas' Gesicht und zog ihn für einen harten Kuss hinab.

Deans Hüften waren auf jeden Stoß vorbereitet. Seine Hände glitten über Cas' Rücken, zogen an seinem Haar, hielten seine Taille fest – Deans Hände waren überall.

Er drückte Cas hoch, bewegte sich schnell und tauschte ihre Positionen, so dass Cas auf seinem Rücken landete und Dean auf ihn kletterte. Sein Gesicht errötete, als er auf Cas hinabsank und seine Hüften rollte, um ihn noch tiefer in sich aufzunehmen.

Der Ausdruck von Ekstase auf Deans Gesicht war hypnotisierend, genau wie das Spiel seiner Muskeln unter funkelnder, tätowierter Haut, als er sich hoch und runter bewegte, Cas' Schwanz ritt und sich währenddessen mit den Händen auf seiner Brust abstützte. Cas streckte den Arm aus, schlang seine Hand um Deans Glied und stimmte seine Bewegungen auf den Rhythmus von Deans Körper ab.

,,So wunderschön, Dean, so umwerfend, so großartig. Ich habe dich vermisst. Ich habe dich so sehr vermisst", stieß Cas aus.

Dean lächelte mit verschleiertem Blick und geweiteten Pupillen zu ihm hinab. ,,Hab dich auch vermisst. Scheiße, Cas", keuchte er. Seine Hüften bebten. ,,Ich liebe dich. Ich liebe dich. Ich liebe dich, ich habe nie damit aufgehört. Ich habe- A-ah, nie damit aufgehört."

,,Ich liebe dich auch", flüsterte Cas. Er war so nah dran. Er griff nach Deans Arm und schlang seine Finger um das Tattoo seines Handabdrucks. ,,Ich werde nie aufhören dich zu lieben."

Dean stöhnte. Sein Rücken wölbte sich, sein Kopf fiel zurück, als er kam, und er bespritze Cas' Brust mit seinem Sperma. Er beobachtete ihn, sah zu, wie er sich in Ekstase krümmte, Schönheit und Anmut. Gott, er liebte ihn so sehr. Er liebte Dean mit jeder Zelle seines Körpers. Cas' Hüften erhoben sich vom Bett, als er in Dean kam. Sterne explodierten in seinem Blickfeld.

Schwer atmend lächelte Dean ihn an, und Cas zog ihn für einen Kuss hinab. Er hielt Dean nahe bei sich und murmelte ,,Ich liebe dich" in seine verschwitzten Haare.

,,Ich dich auch", sagte Dean sanft.

_____

Warm, erschöpft und ineinander verschlungen schliefen sie in einem großen, weichen Bett umgeben von weißen Vorhängen ein. Die Fenster waren offen und eine sanfte Brise liebkoste nackte Haut. Das Sonnenlicht der Morgendämmerung füllte langsam das Zimmer, als Dean blinzelnd aufwachte und sah, dass Cas sein Kissen teilte. Sein wunderschönes Gesicht war nur Zentimeter von seinem eigenen entfernt.

Er starrte ihn für eine Weile mit einem sanften Lächeln auf den Lippen an, bis Cas seine Augen öffnete.

,,Heirate mich", flüsterte Dean.

,,Okay", antwortete Cas.

In der Wärme und dem Sonnenlicht schliefen sie wieder ein.

Cas und Dean schlossen sich in Paris wieder mit Sam und Gabe zusammen.

Bei Cartier kaufte Cas für Dean einen Platinring, und Sam hatte den Ring mitgebracht, den Dean für Cas vor all den Jahren erworben hatte.

Es war eine kleine standesamliche Trauung, der nur ihre Brüder beiwohnten, doch das reichte ihnen. Es war der Höhepunkt von zwölf Jahren, drei Kontinenten und einer Liebe, die sich weigerte zu sterben. Sie vergossen beide Tränen, als sie Ringe austauschten.

Der Kreis hatte sich geschlossen.

Sie waren endlich zu Hause angekommen.

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