Buchladen

Vier Monate vorher

Wie sollte er erklären, warum er Bosch so sehr liebte – es sollte ein Buch darüber geben. Der Typ war legendär dafür, die detailreichsten Bilder der Geschichte zu malen, ganz zu schweigen von den Orgien… Hmm, dachte Dean, das sollte ich den Kindern vielleicht nicht zeigen.

Er schlürfte seinen Kaffee und wanderte durch den Barnes and Noble am Innenhafen. Währenddessen stöberte er durch den Schnickschnack der Popkultur, sah die Comics und Bilderromane durch, blätterte durch die CD-Abteilung und zögerte im Allgemeinen nur das Unausweichliche hinaus. Dean sollte sich um sechs Uhr mit seiner Verlobten zum Abendessen treffen, um ihre Hochzeitsvorbereitungen zu diskutieren, doch Deans Herz war einfach nicht bei der Sache. Es war dreiviertel sechs. Er sollte sich wirklich auf den Weg zum Restaurant machen, statt hier im Buchladen herumzualbern.

Es war immer noch ziemlich schwierig für Dean, sich an die Tatsache zu gewöhnen, dass er in fünf kurzen Monaten ein verheirateter Mann sein würde. Ironischerweise hatte er sich vor nicht allzu langer Zeit vorgestellt, mit jemand anderem verhei-

„Nein. Gar nicht erst daran denken“, murmelte er und zog sich direkt von der Überlegung zurück. Wenn er jedoch ehrlich mit sich selbst war – und das war er selten – hatte er in letzter Zeit zu oft daran gedacht. Definitiv zu oft für jemanden, der bald heiraten würde.

Während er an der Musikabteilung vorbeiging, fiel sein Blick auf ein weißes Taschenbuch. Renis Michael bedeckte fast das gesamte Cover, doch was Dean abrupt zum Stehen brachte, war der Name des Autors.

Das Herz hämmerte in seiner Brust, als er eine Ausgabe von Painted Angels von der Auslage nahm und sie umdrehte, um die Rückseite zu lesen. Strahlend blaue Augen blickten vom Foto des Autors zu ihm hoch.

Alles um ihn herum verschwand, während er das Foto anstarrte. Er sah noch so aus wie früher, immer noch wunderschön, seine Lippen so sanft und pink… Dean fuhr mit dem Finger über Deans Wange. Ein Klumpen bildete sich in seinem Hals.

Carver Edlund ist in seinem Abschlussjahr am College, als er in eine Baltimorer Feuerwache zu einem brillanten, exzentrischen Maler zieht. Sie werden sofort Freunde, und es dauert nicht lange, bis aus ihrer Freundschaft mehr wird. Durch den Druck ihrer Familien bekommt ihre Beziehung Risse, und Carver fragt sich, ob ihre Liebe stark genug sein wird, um den Sturm zu überstehen.“

Überwältigendes Debüt eines neuen Autors. Bestimmt dazu, nicht nur ein LBGTA-Klassiker zu werden, sondern ein Klassiker im Allgemeinen. – Booklist

Eine absolut wundervolle Geschichte. Fesselnd, aufbauend, herzzerreißend; das gesamte Programm. Novak ist ein Genie. – NY Times

Novaks Fähigkeit, eine Phrase auf neue und unübliche Weise zu vermitteln, ist nichts weniger als außergewöhnlich. Man kann jedes Bisschen von Carvers Schmerz fühlen. An manchen Stellen klingt es so glaubhaft, dass man sich fragt, ob Carver nicht für Novak selbst steht. – People

Autor.

Maler.

Baltimorer Feuerwache.

Dean fühlte sich, als müsse er sich übergeben. Cas würde ihm das nicht antun – oder? Cas würde ihre Geschichte nicht aufschreiben und als Fiktion verkaufen. Konnte er nicht – würde er nicht…

Deans Handy vibrierte in seiner Tasche. Ich bin im Restaurant. Wo bist du?

Er seufzte schwer und starrte einen Moment auf sein Handy, bevor er seine Antwort absendete. Zehn Minuten.

Er legte das Buch wieder auf die Auslage und zwang seine Füße zum Gehen, damit sie ihn aus dem Buchladen raus und über den Hafen zu The Cheesecake Factory trugen. Dean fand Anna recht schnell. Die nächsten zwei Stunden täuschte er Enthusiasmus vor, tat sein Bestes, um interessiert auszusehen, und gab Kommentare zu den Hochzeitsplänen ab.

„Du bist Millionen von Meilen fort“, sagte sie schließlich. „Ich habe dich gerade gefragt, ob du dir schon dein Kleid ausgesucht hast, und du hast es bejaht.“ Anna presste die Lippen aufeinander. „Was ist los mit dir?“

„Mir geht’s gut“, murmelte Dean. „Bin nur müde. Vielleicht hab ich mir etwas eingefangen.“

„Oh.“ Anna nahm die Rechnung vom Kellner und gab sie ihm mit ihrer gemeinsamen Visa-Karte zurück. „Du hast die letzten Tage tatsächlich etwas müde gewirkt.“

„Wirklich?“, fragte Dean überrascht. „Ist mir gar nicht aufgefallen.“

Lächelnd nahm Anna seine Hände in ihre. „Du bist so schlecht darin, auf dich Acht zu geben, Baby. Ich brauche dich gesund und glücklich. Sind die Sachen aus deiner Wohnung zusammengepackt?“

„Ähm, ja. Sammy hilft mir nächstes Wochenende. Ich muss noch einiges an Kram zur Feuerwache bringen, bis ich weiß, was ich damit machen will.“

„Ich weiß nicht, warum du so an diesem Gebäude festhältst. Du benutzt es eh nur als Ablageort.“

„Ich bin einfach nicht bereit, meine ganzen Sachen durchzugehen. Außerdem kostet es mich doch nichts, es zu behalten. Ich- Ich kann mich mit diesem Ort noch nicht auseinandersetzen.“

Anna drückte seine Hand. „Dean, ich weiß, dass es schwer ist, mit allem, was dir dein Vater angetan hat, aber-“

„Nein. Nicht. Ich kann nicht- Ich will nicht daran denken.“ Denn daran zu denken, erinnerte ihn an Cas, und er wollte nicht an Cas denken. Oder dieses Buch, das seinen Namen rief, ihn anflehte, zum Buchladen zurückzukommen und eine Ausgabe zu kaufen. „Macht es dir etwas aus, wenn ich heute Abend zu Sam gehe?“

„Nein“, sagte Anna und runzelte leicht die Stirn.

„Es ist nur schon ein paar Wochen her-“

„Ich weiß. Ist okay.“

Der Kellner brachte die Rechnung und die Kreditkarte zurück und Anna unterschrieb und gab etwas Trinkgeld. „Vielleicht treffe ich mich noch mit ein paar meiner Brautjungfern. Ich glaube, dass sie sowieso bessere Hochzeitshelfer sind.“ Sie lächelte, doch Dean spürte den Stachel ihrer Worte trotzdem. Er war sich ziemlich sicher, dass Anna wusste, dass er im Moment nicht mit ganzem Herzen dabei war. Sie war zu klug, um es nicht zu bemerken, und die Art, wie sie über den Tisch griff, um sein Handgelenk zu streicheln, sollte beruhigend wirken.

Anna war wirklich zu gut für ihn.

Sie küssten sich zum Abschied draußen am Hafen, und Dean wandte sich um, um zu seinem Auto zu gehen. Irgendwie landete er jedoch in der Kassenschlange von Barnes and Noble mit zwei Ausgaben von Painted Angels in seinen schwitzigen Händen. Eine davon drückte er peinlich berührt Sam an die Brust, als sein Bruder die Tür öffnete.

„Was zur Hölle?“

„Ich werde mich auf die Couch pflanzen, um das hier zu lesen. Du wirst es auch lesen, denn ich werde nicht in der Lage sein, das alleine zu verarbeiten.“

Sam drehte das Buch in seinen Händen um und las die Beschreibung. „Heilige Scheiße“, stieß er aus.

„Jap.“

Dean war kurz nach Mitternacht fertig. Sam war schon vor einer Stunde fertig geworden und hatte für sie Chinesisch bestellt. Nun stand das Essen kalt und vergessen auf dem Kaffeetisch. Deans Augen brannten von so viel lesen in so kurzer Zeit, aber auch vom Kampf, die Tränen zurückzuhalten.

„Alles okay?“, fragte Sam sanft.

„Nein“, antwortete er leise. Seine Stimme brach.

„Willst du darüber reden?“

Dean schüttelte den Kopf, zog eine Fleecedecke von Sams Couchende, wickelte sich darin ein und vergrub das Gesicht in den Polstern. „Wie konnte er mir das antun?“, murmelte er.

„Was?“

„Wie konnte er das tun?“, fragte Dean, diesmal lauter. „Ich weiß, dass ich ihn verletzt habe, aber... Scheiße. Verdammte Scheiße. Wie konnte er das tun? Er hat alles veröffentlicht. Alle wissen davon. Jeder, der uns damals kannte, wird wissen, dass das Buch von mir handelt, wie ich es versaut und unsere Leben zerstört habe. Und weißt du, was das schlimmste ist, Sammy? Ich habe dieses Ende nicht bekommen. Ich habe nicht das Ende bekommen, das er ihnen gegeben hat. Ich habe Cas nicht gefunden und wir sind nicht zusammen in den Sonnenuntergang geritten. Nein. Ich habe diese Chance nie erhalten. Dad hat sie mir verdammt nochmal genommen.“ Die Tränen, gegen die er so sehr angekämpft hatte, tropften auf seine Nase hinab und in die Decke.

Er spürte, wie das Polster zusammengedrückt wurde, als Sam sich neben ihn auf die Couch setzte und eine Hand auf Deans Kopf legte. „Ich weiß. Es ist nicht fair. Und ich weiß nicht, was ich dir sagen soll oder dagegen tun kann.“

„Ich auch nicht.“

Sie saßen still da. Sam ignorierte netterweise das Schluchzen, das von unter der Decke hervordrang.

„Er muss mich hassen“, sagte Dean nach einer Weile.

„Das bezweifle ich. Diesen Eindruck habe ich vom Buch nicht. Wenn überhaupt klingt es so, als würde er dich vermissen. Dass er das Ende will, das er geschrieben hat.“ Sam holte tief Luft. „Vielleicht solltest du versuchen, ihn zu kontaktieren.“

„Nein. Definitiv nicht. Ich werde heiraten. Was könnte das schon bringen?“, schnauzte Dean.

„Himmel, Dean, das war nur ein Vorschlag.“

„Ich bin müde.“

„Ja“, seufzte Sam. „Ich auch.“ Er stand auf, und einen Moment später fiel seine Schlafzimmertür zu.

Dean lag lange wach.

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