Fünf Minuten Leiche

Die Nacht von New York war wie immer mit einer kalten Brise geschmückt. Menschen waren kaum auf den Füßen, was für New York nicht wirklich üblich war. Vielleicht war es die Angst, man könnte einem Punkeranhänger begegnen, welches Thema Rob am Morgen leicht angeschnitten hatte.

"Mike, oder?", fragte eine Stimme leicht verwirrt und sich selbst nicht wirklich sicher, ob der Name zur Person an der Tür passte. Das dumpfe Licht vom Flur schien Shinoda entgegen und blendete ihn etwas. Kein anderer als der Bruder von Rob stand in der Tür und wartete immer noch auf eine Antwort von Mike.

"Ist Rob da?", fragte er vorsichtig und zerbrechlich klingend. Er war sich selbst noch nicht sicher, ob es sinnvoll war, dies nun zu tun; einen Besuch den Punkeranhänger abzustatten. Doch bestand darin seine einzige Hoffnung.

"Komm rein", schritt Bourdon zur Seite und stelle sich kurz als Dave vor. Er führte Mike in die Küche, die ihm nur ungemein bekannt war. Dort scheint alles still zu liegen und nur noch etwas Fleisch in einer Pfanne brutzelte über kleinen Gasflammen einsam am Herd.
"Rob ist bei denen, du weißt wen ich meine. Sie haben Chester rausgeholt und nun ist große Versammlung vom Rat", hastete er schnell zur Pfanne und drehte die Stücke mit einer Gabel um, während Mike langsam auf ihn zukam, "dir kann ich das ja erzählen. Rob scheint dir zu vertrauen."

"Dave, richtig?", begann nun Mike und fuhr auf das Nicken fort, "es ist wirklich wichtig für mich und schätze euer Vertrauen sehr. Ich muss zu Rob."

"Warum so dringend?", stemmte der Koch die Hände in die Hüfte und musterte Shinoda leicht. "Hast du morgen keine Zeit mehr?"

"Wo Rob ist, da ist auch Chester, hab ich recht?", begann Mike leicht nervös und ungeduldig zu werden, "Ich muss zu Chester."

Dave lachte kurz, als wäre es ein guter Witz gewesen, was Mike ihm erzählt hatte und drehte sich wieder zum Herd: "Es wird doch nicht um Leben oder Tod gehen."

"Geht es aber", kam es kräftig von Mike und er sah, wie Dave leicht zusammenzuckte. Ohne ein weiteres Wort, nur ein einziger Blick blieb übrig, deutete er Shinoda zum Kühlraum. Dieser war sich zuerst etwas unsicher, ob er ihn betreten sollte, tat es aber schlussendlich.

"Bei der ersten Abzweigung links und dann immer gerade aus", murmelte Dave noch und verschwand danach. So betrat Mike das eisige Kühlhaus, welches er zu glauben meinte, immer noch gleich wie bei seinem letzten Besuch aussah, was die Lebensmittel betrafen. Er kannte sich kaum aus, wie die ganzen Türsysteme funktionierten, schlug sich aber dennoch wacker durch und wandelte nun den stockfinsteren Gang entlang. Als kleine Lichtquelle diente sein Smartphone. Der kühle Wind zog ihm einen Schauer über den Rücken.

Fast wäre er an die Tür gelaufen, die mehrere Meter nach der besagten Abzweigung im linken Tunnel erschien. Sie trug kein Schloss, weder eine Türklinke noch ein Schlüsselloch. So stand Mike nun davor und versuchte krampfhaft herauszufinden, wie er sie öffnen konnte; vernahm er doch Stimmen dahinter hervor.

Mit einem Ruck war diese aufgerissen und eine vermummte Person hielt ihn einen Lauf einer Pistole vor die Nase. Schwarze Haare fielen ihr über die Schultern und ihr rechter Arm war von der Schulter bis zum Ellbogen mit Tattoos übersät. Sie trug ein schwarzes, ärmelloses Shirt, welche Kapuze sie sich übergezogen hatte. Vor ihren Mund, bis zur Nasenspitze hinauf, hatte sie sich ein schwarzen Halstuch mit dem weiß verblasten Aufdruck eines Skelettkiefers gezogen, um ihre Identität zu verschleiern, während ein paar dunkle Augen Mike gefährlich entgegenblitzten.

"Hände hoch und keine falschen Bewegungen", murmelte sie in den Stoff und machte ein paar Schritte von Mike weg, damit dieser aus dem Untergrundtunnel kommen konnte.

"Talinda!", rief jemand und Mike zuckte zusammen, während sie langsam zur Seite sah und die Pistole senkte. Nun traute sich auch Mike, seinen Kopf leicht auf die rechte Seite zu neigen und er erkannte Rob. Wieder in schwarz gekleidet und diesmal mit zerfetztem Umhang, von welche er sich die Kapuze vom Kopf streifte.
"Jetzt sind Chester und ich nur einmal fünf Minuten aus dem Haus und du schleppst fast die nächste Leiche an", bemerkte er lachend und Talinda verzog ihr Gesicht zu einer fragenden Miene, bevor sie sich ihr Tuch unter das Kinn mit den in fingerlose Handschuhe gesteckten Händen zog.

Mike glaubte nun Talinda Bennington vor sich stehen zu haben. Wie auch bei Joe und Dave, war ihr Gesicht nur eine leicht verwaschene Erinnerung. Wobei Chester und Rob aussahen, wie sie auch in der echten Welt aussehen. Ganz normal und Mike sie auf Anhieb erkannt hatte.

"Was redest du, Rob", steckte sie schwungvoll die Waffe in ihren Halfter, den sie an einem etwas weiteren Gürtel um ihre Hüften befestigt hatte, "kennst du den Typen?"

Der missbillige Blick der Frau entging Mike kaum, worauf Rob ihm deutete, die leicht gehobenen Hände einmal abzunehmen; stand er doch nicht vor dem Exekutionskommando.
"Das ist Mike. Ein guter Freund von mir, aus einem anderen Universum."

Talinda lachte nur los: "Anderem Universum? Rob, ich kann mich selber auch auf den Arm nehmen."

"Dann eben nur guter Freund", verdrehte er kurz die Augen und drückte Talinda sowie auch Mike nur durch den leeren weiten Gang einer alten Fabrik. Anscheinend hat der Aufstand sich alles unter den Nagel gerissen, was nicht mehr bewohnt und noch gut als Quartier zu gebrauchen war.
"Mike hat die METEORA Mappe."

Wie auf ein Zeichen sträubte sich Talinda gegen den Willen von Rob und brachte damit ihn und Mike zum Stehen, da sie fest ihre Schuhsohlen in den Boden drückte. Danach sah sie verwundert, wenn nicht zugleich verblüfft zu Rob, bevor sie sich in einem ganz anderen Ton, als vorhin gebraucht, bei Mike vorstellte.

"Talinda Bennington, Aufstandsführerin."

"Mike Shinoda", reichte er ihr kurz die Hand und nun mischte Rob sich wieder ein, während er sie weiter Richtung Ausgang drängte. Auf der Suche nach einer Sitzgelegenheit. Und in weiterer Hinsicht auch Chester. Rob konnte sich gut zusammenreimen, warum Mike hier war.
"Mike ist aus dem zehnten Stockwerk gefallen, um sie zu bekommen", lächelte er schon fast stolz und Mike schüttelte den Kopf, während Talinda nur verwundert und erschrocken empört Zehn hauchte.

"Es war nur das neunte", stellte Mike die Aussage richtig und wurde von Bourdon auf das Sofa gebeten, auf welchen sich nun alle drei niederließen.

Rob lachte kurz: "Neun, zehn, elf. Ist doch ungefähr die gleiche Höhe."

"Ist es nicht Rob", erklang eine Stimme hallend durch den Raum, in dem sie nun saßen. Er war komplett leer, bis auf ein Sofa und mehrere leere Munitionshüllen lagen verstreut auf dem Boden. Die Person, welche diesen Satz von sich gegeben hatte, müsste links gestanden sein. So drückte sich Mike aus dem Sofa und machte ein paar Schritte nach vor in das Mondlicht, welches durch das große Dachfenster schien und verriet, wie lange er zum Versteck gebraucht hatte.

"Aber es ist schon mutig, dass du dich getraut hast, die Mappe zu klauen. Ich meine, nicht jeder vertraut den Racheengel, dass sie mit einem in das Weltarchiv einbrechen."
Mike kannte die Stimme. Nur allzu gut. Doch bekam er kein Gesicht zu sehen, hörte nur leise Schritte, die auf ihn zukamen und durch das Dunkel schlichen. Mike sah kurz zu Rob, von dem diese Information stammen müsste. Dieser zuckte nur mit den Schulter und schmunzelte leicht.

Als Mike nun Chester in die Augen sah, die nur dumpf schimmerten, fiel eine Last von ihm. Doch diese Last hing an einem Faden, der nicht wirklich durchgekappt war.

"Chester Bennington, Aufstandsführer."

"Mike Shinoda. Dein alter Freund."

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