Kapitel 9

Yoongi

Ich hatte meine Wut rausgelassen. Und nun musste ich mich beruhigen. Für Jimin. Gewissermaßen hatte er sogar Recht gehabt, ich hätte ihm sagen müssen, dass ich für ihn bezahlt hatte, auch wenn wir uns nicht getroffen hatten. Aber ich wollte, dass er ruhiger leben konnte, dass er nicht sonst welche Demütigungen von wildfremden Männern ertragen musste.

Ich stand wieder vor seinem Zimmer und zögerte noch. Vielleicht wollte er mich noch nicht sehen. Vielleicht wollte er mich überhaupt nicht mehr sehen. Das könnte ich nicht ertragen. Wir hatten uns nicht oft getroffen, aber die wenigen Stunden hatten mir gereicht. Ich wollte ihn näher kennen lernen. Ich wollte, dass er sicher war, dass er frei lächeln konnte und mit mir reden, ohne den Hintergedanken, dass ich für ihn zahlte, dass ich ihn in seinen Augen nur für den Geschlechtsakt rumkriegen wollte.

Ich musste ihn sehen.

Leise klopfte ich an und wartete einen Moment, bevor ich vorsichtig die Tür öffnete. Ein braunhaariger Junge saß an Jimins Bett und hielt seine Hand. Ein unschönes Ziehen breitete sich in meinem Bauch aus, doch ich zwang mich, ruhig zu bleiben. Er sah mich an und winkte mich mit einem leichten Lächeln näher, bevor er seinen Zeigefinger an seine Lippen legte.

Ich nickte, schloss die Tür und stellte mir dann, wieder möglichst leise, einen zweiten Stuhl neben Jimins Bett. Er schlief seelenruhig und wirkte zum ersten Mal, während ich ihn sah, völlig entspannt.

Ich musterte ihn, die Wunden in seinem Gesicht sahen schmerzhaft aus, doch er war trotzdem unheimlich hübsch in meinen Augen. Die weiße Decke war bis zu seinem Kinn hochgezogen, nur seine Hand schaute darunter vor und hielt die Hand des Jungen neben mir fest.

Diesen sah ich mir nun auch genauer an und stellte fest, dass er meinen Blick erwiderte.

"Danke für deinen Anruf." Er war also Jungkook. Seine Stimme klang, wie am Telefon auch schon, sehr melodisch und seine großen Augen waren ernst. Ich nickte und beobachtete dann wieder meinen Jimin.

"Soll ich euch allein lassen?"

Ich schüttelte den Kopf, obwohl ich nichts lieber gehabt hätte.

"Ich will nicht, dass er sich wieder aufregt, wenn er mich sieht."

"Er wird eher erleichtert sein. Er hatte Angst, dass du nicht mehr kommen würdest, nach dem, was er dir an den Kopf geworfen hat."

"Du weißt, was er gesagt hat?" Diesmal schüttelte er den Kopf und ich war froh. Ich wusste selbst nicht, warum. Jimin hatte nicht so falsch gelegen.

Ich starrte auf ihre verschränkten Hände. Es war vermutlich das einzige, was meinen Jimin beruhigen konnte, aber es gefiel mir nicht.

"Willst du seine Hand halten?"

Ja. Nein. Seit wann war ich so unentschlossen?

"Ich will ihn nicht bedrängen."

"Yoongi." Es war nur ein Hauch, doch sofort begann mein Herz schneller zu schlagen und ich schaute in die leicht geöffneten, noch verschlafenen Augen Jimins.

"Okay, ich komm dann später nochmal", sprach der andere Junge und drückte knapp Jimins Hand, bevor er ging.

Jimin hatte nur mich angeschaut.

"Es tut mir Leid. Ich hätte es dir sagen sollen, aber ich wollte nicht, dass du dich mir gegenüber noch mehr verpflichtet fühlst, als so schon", versuchte ich zu erklären und beugte mich näher zu ihm. Seine Augenbrauen zogen sich etwas zusammen, bevor er sich etwas umständlich aufrichtete und mir weiter in die Augen schaute.

"Mir tut Leid, was ich gesagt habe, du hast mir beigestanden und mich gerettet und ich mach dir Vorwürfe." Er senkte seinen Blick auf seinen Schoß und ich griff instinktiv nach seinen Händen.

"Schon gut, du warst aufgebracht."

"Was ist mit deinen Händen passiert?", fragte er und strich leicht über die aufgerissenen Fingerknöchel, das Blut hatte ich so gut wie möglich abgewaschen.

"Ich war auch aufgebracht und hab mich mit deinem Boss getroffen." Seine Augen wurden größer und beobachteten mein Gesicht besorgt, als suche er nach versteckten Wunden.

"Mir geht's gut. Und dir wird es auch bald wieder gut gehen. Du bist jetzt frei. Und er schuldet dir noch etwas Geld."

Unglauben spiegelte sich in seinem Gesicht.

"Bitte frag nicht, wie es dazu kam." Er schien zu zögern, doch er nickte und verzog seine schönen Lippen zu einem zarten Lächeln.

Er sollte nicht wissen, dass sein Zuhälter diesem Verbrecher Jimins Adresse gegeben hatte und dafür auch noch Geld kassiert hatte. Ich hatte mich um die Probleme gekümmert, sie würden meinem Kleinen nicht noch einmal zu nahe kommen.

"Danke."

Überrascht schaute ich den Jungen an.

"Ohne dich, wäre ich verloren gewesen."

"Ich bin froh, dass du jetzt sicher bist", gab ich zu und wandte den Blick leicht ab. Mit gefühlsgeladenen Situationen konnte ich manchmal nicht so gut umgehen.

"Yoongi?" Ich schaute ihn wieder an und erstarrte einen Moment, als er weiter sprach. "Nimmst du mich in den Arm?" Er senkte nicht den Blick, wandte sich nicht von mir ab, sondern beobachtete ruhig meine Reaktion. Ich setzte mich vorsichtig neben seine Beine und breitete dann meine Arme etwas aus. Er zog mich langsam an sich und ich hielt ihn, nicht zu stark, aber sicher in meinen Armen.

Ich konnte seinen Herzschlag spüren, er war viel aufgeregter, als ich gedacht hatte, doch mir ging es nicht anders. Seine Nähe war angenehm. Ich wollte ihn nicht mehr loslassen.

"Jimin, du bist eine wundervolle Person. Jeder, dem du dein Vertrauen schenkst, sollte sich glücklich schätzen."

Ich spürte, wie er sein Gesicht drehte und in meiner Halsbeuge verbarg, der Stoff meines Hemdes wurde etwas feucht und ich strich ihm beruhigend über seinen Rücken.

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So, ihr Lieben, die Geschichte ist fast vollständig hochgeladen. Nacher veröffentliche ich das letzte Kapitel.

Weil ich es aus unerfindlichen Gründen einfach nicht hinbekommen habe, die Kapitel in dieser Story halbwegs gleich lang zu schreiben, mache ich die Danksagung hier bereits. Das letzte Kapitel wird nämlich mehr als doppelt so lang wie dieses...

Also, ohne viel Geschwafel: Vielen Dank, dass ihr bis hierher durchgehalten habt, ich hoffe, euch hat die Geschichte ein wenig gefallen.
Ich selbst hatte Spaß daran, sie zu schreiben, auch wenn das Thema ziemlich heftig war.
Insgesamt bin ich recht zufrieden und hoffe, dass ihr das auch seid.

Ich wünsche euch allen eine schöne Woche!

LG SerenaTopas

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