Kapitel 7

Yoongi

"Nun sei doch nicht so aufgeregt."

Yoona folgte mir mit ihren Blicken, während sie mit einer Feile ihre Nägel bearbeitete.

"Wäre ich in der Lage, mich zu beruhigen, würde ich es tun", grummelte ich, was sie zum Lachen brachte.

"Der Junge steht auf dich und er vertraut dir genug, um dir seine Nummer zu geben. Außerdem macht er dich glücklich."

"Woher willst du das wissen?"

Sie schaute mich mit hochgezogener Augenbraue an und grinste überlegen. "Du hast ihm was vorgespielt. Und ihm dabei zugezwinkert. Und du hast seit Ewigkeiten nicht so viel gelächelt."

Sie hatte Recht.

"Er hatte bei euch beiden sofort den richtigen Eindruck."

Sie begann zu lächeln und ihre Wangen wurden von einer leichten Röte eingenommen. Taeyeon und Yoona hatten mir heute noch gebeichtet, was tatsächlich vorgefallen war, im ersten Moment war ich verdammt wütend auf meine Schwester gewesen. Aber da Jimin gestern Abend noch so ruhig und entspannt gewesen war und es scheinbar gut wegstecken konnte, konnte ich mich auch wieder beruhigen.

"Frag ihn einfach, ob du früher kommen kannst, dieses rumrennen hält doch keiner aus", meinte sie beiläufig und wendete sich wieder ihren Fingern zu.

Sie hatte schon wieder Recht. Also schrieb ich Jimin eine Nachricht und wartete gespannt, den Blick auf mein Display gerichtet. Die Antwort war seltsam.

'Nein, ich bin noch nicht fertig. Bis nachher, freue mich schon! <3'

"Was ist?"

Ich schaute Yoona an und brauchte einen Moment, um meine Stimme wiederzufinden.

"Er sagt, er ist noch nicht fertig, freut sich aber schon. Und er hat ein Herz geschickt."

Ungläubig sah sie mich an, ich konnte ihren Blick verstehen und zeigte ihr die Nachricht.

"Vielleicht ist er genauso aufgeregt wie du und weiß nicht, was er sonst schreiben soll." Sie klang nicht überzeugt. Er hätte mir nie ein Herz geschickt, dafür war er meiner Einschätzung nach zu vorsichtig.

"Ich werde sofort losfahren", murmelte ich vor mich hin und sah aus dem Augenwinkel Yoonas Nicken.

'okay, dann bis später', antwortete ich seiner Nachricht kurz angebunden und stieg nur eine Minute darauf in mein Auto.

Die zehn Minuten Fahrtweg schaffte ich in sieben und stand schließlich vor der Tür von Jimins Wohnblock. Ich rüttelte an der Tür, doch sie war verschlossen, also wandte ich mich den Klingelschildern zu. Park stand nicht dabei, aber ich erkannte den Nachnamen des Zuhälters und drückte ohne länger nachzudenken darauf. Das Sirren verriet mir, dass der Ton weitergeleitet wurde und ich wurde immer nervöser, bis ich den Knopf losließ und ihn dann mehrfach kurz betätigte und dann wieder lange gedrückt hielt.

Es ging niemand dran.

Plötzlich wurde die Tür aufgerissen und ein schmieriger Typ mit fettigen Haaren stieß mich zur Seite. Ich sah nicht zurück und nutzte die offene Tür, um hinein zu schlüpfen. Mit klopfendem Herzen nahm ich die ersten Treppenstufen und versuchte mich zu erinnern, auf welcher Höhe die Klingel gewesen war. Im vierten Stock rannte ich den Gang entlang und erstarrte, als ich eine Tür einen Spalt offen stehen sah.

Ich klopfte deutlich und rief ein Hallo, dann horchte ich. Ein leises Geräusch, ein Keuchen, drang an mein Ohr und ich zögerte nicht länger. Ich betrat die karg eingerichtete Wohnung und spürte eine Gänsehaut, als ich auf dem Boden ein paar Tropfen Blut erkennen konnte.

"Jimin?" Angst stieg in mir hoch und ich setzte langsam einen Schritt vor den anderen, um nicht von irgendwem überrascht zu werden. Diesmal hörte ich ein schmerzvolles Stöhnen und ging an dem offen stehenden Badezimmer vorbei. Auf der anderen Seite war eine Tür geschlossen, zur Sicherheit warf ich einen Blick hinein, doch es war nur eine ziemlich kleine Küche. Also ging ich weiter geradeaus, ich konnte einen Tisch und zwei Stühle erkennen. Der Anblick, der mich erwartete, als ich um die Ecke schaute, ließ sich meinen Magen unangenehm zusammenziehen.

Geschockt lief ich endlich mit schnellen Schritten auf den schwarzhaarigen Jungen zu, der vor dem Bett auf dem Boden lag. Um ihn herum war noch mehr Blut verteilt.

"Jimin", hauchte ich und rutschte an ihn heran, traute mich nicht, ihn zu berühren.

Er trug ein schwarzes Jackett und ein ehemals weißes Hemd, jetzt war es mit roten Flecken beschmiert und hing zerrissen an seinem Oberkörper. Die Hose und Unterhose waren bis zu den Knöcheln runtergezogen und dunkle Blutergüsse bildeten sich auf der hellen Haut an seinen Oberschenkeln und auf dem Oberkörper, seine Knie waren rot aufgeschürft. Ich musste die Übelkeit zurück drängen, als ich sofort mein eigenes Jackett auszog und über den geschundenen Körper legte. Mein Blick wanderte weiter zu seinem Gesicht.

Blut lief aus seiner Nase und an seinem Wangenknochen war die Haut aufgeplatzt und geschwollen, Tränenspuren waren zu erkennen.

"Jimin, wer war das?", fragte ich verzweifelt und zog mit zitternden Händen mein Telefon aus der Tasche, um den Notruf zu wählen. Langsam öffneten seine Augen sich etwas und er versuchte, mich zu fixieren.

"Du... verstanden", ein Husten schüttelte seinen Körper und seine Augenbrauen zogen sich schmerzvoll zusammen. Es tutete. Ich legte vorsichtig meine Hand auf seine Stirn, seine Haut war ganz warm.

"Ja, ich bin hier", hauchte ich und schloss für einen Moment meine Augen, als ich meinte Stirn auf seine Haare legte.

Eine Stimme meldete sich am Handy und ich gab die Adresse und die Meldung über einen Überfall mit möglicher Vergewaltigung durch. Ich sollte Jimins Puls für die Frau in der Zentrale messen und legte meine Finger vorsichtig an seinen Hals. Er zuckte heftig zusammen und wimmerte vor sich hin, was ich versuchte, durch beruhigende Worte wieder gut zu machen.

Laut Fremdeinschätzung war Jimin soweit stabil, der Krankenwagen würde in drei Minuten vor Ort sein. Ich bedankte mich und legte auf, um mich vollständig auf Jimin konzentrieren zu können.

Neue Tränen flossen über seine Schläfen, als er zu mir hoch schaute.
"Wer hat dir das angetan?", fragte ich mit brüchiger Stimme. Er wollte nicht antworten, wandte den Blick ab und tastete nur nach meiner Hand. Vorsichtig ergriff ich seine und beobachtete, wie seine Augen sich schlossen. Sein Atem wurde etwas ruhiger.

Dann holte er Luft und sah mich wieder an. "Lass mich nicht allein. Bitte." Er hatte langsam gesprochen, verzweifelt. Ich hob seine Hand an meine Lippen und nickte.

"Versprochen."

-

Der Krankenwagen kam, die Sanitäter kamen in die Wohnung und untersuchten Jimin, stellten Fragen zu seiner Gesundheit, desinfizierten und behandelten die offenen Wunden, dann trugen sie ihn mit einer Trage hinunter. Ich bestand darauf, mitzufahren und als Jimin begann, um sich zu schlagen und sich zu winden, wurde es mir erlaubt. Sobald ich seine Hand hielt und er mich sehen konnte, beruhigte er sich etwas.

Als wir ins Krankenhaus kamen, kam bereits ein Mann in weißem Kittel mit einem Klemmbrett auf uns zu, Jimin wurde von einem der Sanitäter geschoben.

Jimin antwortete auf alle Fragen zu seiner Person, verkrampfte aber, als es darum ging, wie er versichert war.

"Ich bin nicht krankenversichert."

Er senkte den Blick, als der Arzt missbilligend die Augenbrauen zusammenzog und dazu ansetzte, etwas zu sagen.

"Ich werde die Kosten tragen", mischte ich mich ein und legte Jimin beruhigend eine Hand auf die Schulter, bevor ich meinen Namen nannte. Es war beinahe lächerlich, als der Mann im Kittel sich leicht verbeugte, diese plötzliche Höflichkeit verärgerte mich.

"Werden Sie die Untersuchung durchführen?", fragte ich und spürte, dass Jimin den Atem anhielt. Glücklicherweise schüttelte der Typ den Kopf und verwies uns an einen Kollegen.

-

Schließlich lag Jimin in einem der Krankenhausbetten und starrte an die Decke. Er hatte in den letzten Stunden nicht viel gesagt, nur grob hatte er die Fragen zu seinen Verletzungen beantwortet.

Ich war nicht von seiner Seite gewichen, hatte die Arbeit des Arztes genau beobachtet und Jimins Hand festgehalten, als es für ihn wirklich unangenehm geworden war. Obwohl er dagegen angekämpft hatte, waren ihm wieder Tränen in die Augen gestiegen.

Den Jungen so zu sehen hatte mir weh getan und Wut hatte sich in meinem Bauch angestaut. Der, der ihm das angetan hatte, sollte bezahlen. Aber als zwei Polizisten gekommen waren, um eine Aussage aufzunehmen, hatte Jimin sie weggeschickt. Er wollte keine Anzeige erstatten und dabei war er völlig entschlossen gewesen.

Seit diesem Moment hatte er gar nichts mehr gesagt, das war jetzt knapp eine Stunde her.

Ich hörte auf, im Raum umher zu laufen, nahm mir einen Stuhl und setzte mich an sein Bett.

"Jimin, bitte, sag mir, wer Schuld an dem ist, was mit dir passiert ist."

Er lachte für einen Moment bitter auf und mein Herz zog sich zusammen. Dann schaute er mich an, zugleich verletzt, wie wütend.

"Du bist Schuld, Suga." Die Art, wie er den Namen betonte, mit dem ich mich ihm anfangs vorgestellt hatte, klang verachtend. "Wie meinst du das?", fragte ich ruhig nach.

Seine Augenbrauen zogen sich leicht zusammen und ein verletzter Ausdruck zeichnete sein Gesicht, was durch die rötlich-blaue Wange noch verstärkt wurde.

"Du hast ihm für mich Geld gezahlt, auch, wenn wir uns gar nicht getroffen haben, damit mich keine anderen Kunden mehr anfassen. Einer von denen hatte aber wohl noch eine Rechnung mit mir offen und wegen dir-", er wurde aufgebrachter und richtete sich auf, sodass er mit mir auf Augenhöhe war, '-hat sich die Wut und die Vorfreude in ihm über zwei Wochen angestaut!"

Seine Vorwürfe schmerzten und meine eigene Wut wurde immer größer. Bei jedem anderen hätte ich wohl die Anschuldigungen in derselben Lautstärke zurück geworfen.

"Du hättest mich vorwarnen können, du hättest mir sagen können, dass du mich reservierst, dass ich dir noch zu schmutzig bin!" Er schrie mich beinahe an und sein Atem ging rasselnd, als er mich verzweifelt anschaute und seine Wut raus ließ. Neue Tränen flossen über seine Wangen und er versuchte, das Schluchzen zu unterdrücken.

Er erstarrte, als ich aufstand und mich zu ihm beugte, sah mich ängstlich an. Vorsichtig legte ich meine Hände an seine Wangen, achtete darauf, dass ich die Wunden nicht berührte. Sein Körper war voller Anspannung, ich tat ihm gerade nicht gut. Sanft legte ich meine Lippen für einen Moment auf seine Stirn und schaute ihm dann in die Augen.

Ich lächelte nicht, aber ich war auch nicht wütend auf ihn.

Ohne etwas zu sagen, löste ich mich langsam von ihm und ging. Als ich die Tür schloss, hörte ich sein herzzerreißendes Schluchzen. Was auch immer ich hätte sagen können, es wäre das Falsche gewesen.

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So, ihr Lieben, da ich unglaublich nachlässig mit hochladen bin, kommt hier das zweite Kapitel für heute. Außerdem konnte ich das letzte nicht einfach so stehen lassen.

Das hier ist das erste Kapitel aus Yoongis Sicht und ich bin eigentlich ganz zufrieden.

Ich hoffe auch, es stört euch nicht, dass die Länge der Kapitel echt krass schwankt.

Ich wünsche eine schöne Woche.

LG SerenaTopas

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