𝓚𝓪𝓹𝓲𝓽𝓮𝓵 2
POV: Talion
Nach meinen letzten Worten herrschte Stille.
„Vater hat eine Kriegsnachricht erhalten?!", echote Tias, der meine Worte noch nicht begriffen hatte. „Von wem?", fügte er beinahe tonlos hinzu.
Genau aus diesem Grund hatte ich es ihm nicht sagen wollen. Er war zwei Jahre jünger als ich und diese zwei Jahre machten alles aus. Mit seinen sechzehn Jahren war er zu jung. Er war noch ein Kind, verdammt. Er sollte das Leid eines Krieges nicht erleben müssen. Er sollte nicht erleben, wie Menschen schrien und um Hilfe riefen. Er sollte nicht erleben müssen, wie sie tot vor ihm zu Boden fielen.
Er war das Einzige, was mir seit dem Tod unserer Mutter geblieben war. Er war mein Leben. Ich würde alles für ihn tun, wirklich alles. Ich liebte ihn, wie ich noch nie jemanden geliebt hatte.
Ich beschützte ihn vor der wirklichen Welt, versuchte zu verhindern, dass er ging, um sie zu entdecken. Ich wollte immer, dass er bei mir blieb und das aus dem Grund, dass ich ohne ihn nichts war.
Tias machte sich schon jetzt Sorgen um den Ausgang des Krieges, und das, obwohl noch so gut wie gar nichts passiert war. Mein Bruder war der bessere Thronerbe und das bekam ich immer und überall zu hören. Es war der Grund, weshalb ich den Hof hasste, die Menschen hasste. Alle im Land hatten schon von meiner Kälte gehört. Es hieß, ich hätte ein Herz aus Eis, welches kein Mitleid kennen würde. Es war jener Teil meines Wesens, welchen ich der Öffentlichkeit präsentierte.
Ich wollte nicht, dass alle Menschen wussten, was für ein schlechter Kronprinz ich doch war. Trotzdem, alle, die mich näher kannten, wussten es und das war der Grund, weshalb ich den Hof nie verließ, auch, wenn ich es hasste, hier zu sein. Ich wollte nicht, dass die Welt erfuhr, wie schrecklich ich wirklich war.
Das Volk würde anfangen, meinen Vater in Frage zu stellen. Unsere Herrschaft in Frage zu stellen. Ich hasste diesen täglichen Druck, mir keinen Fehltritt zu erlauben, doch jeder Fehltritt war einer zu viel. Ich musste dafür sorgen, dass unsere Familie im besten Licht zu sehen war und niemand die tiefen Schluchten zwischen uns sah.
Ich hasste selbst meinen Vater. Dafür, dass er nicht einfach die Gesetze änderte und meinen Bruder zum Kronprinz machte, anstatt mich immer mit demselben Blick anzuschauen. Er sagte es zwar niemals, aber ich wusste auch so, wie sehr ich ihn enttäuscht hatte.
Es hatte nach dem Tod unserer Mutter angefangen. Nacht für Nacht lag ich da und lauschte dem Schlagen meines Herzens. Ich spürte, wie mir Hass durch die Adern floss. Anfangs versuchte ich, den Hass zu unterdrücken, doch es gelang mir nicht. Ich wurde kälter, schweigsamer. Ich zog mich immer mehr zurück und bald war von meinem alten Wesen nicht mehr viel übrig.
Ich hasste meine Diener, meinen Vater, ja, sogar unsere tote Mutter begann ich zu hassen. Dafür, dass sie uns im Stich ließ, als wir sie am dringendsten gebraucht hatten. Ich lernte, dass Hassen ein angenehmer Weg war. Ich genoss den angsterfüllten Blick, den die Diener mir zuwarfen. Ich genoss es, den armen Mädchen ins Gesicht zu sehen, während sie versuchten, sich vor mir zu verstecken. Ich sperrte meine Gefühle hinter eisigen Toren weg und sorgte dafür, dass nur der Hass nach außen hin sichtbar war.
Nur eine Person konnte ich niemals hassen. Ich versuchte es, ich versuchte es so sehr, aber es klappte nicht. Meinen Bruder. Tias hatte das Lächeln meiner Mutter und das Wesen unseres Vaters. Er war der einzige, bei dem meine ganzen Gefühle ans Licht kamen. Ich hatte schon mehrmals versucht, sie zu verstecken, doch bei Tias gelang es mir nicht. Er war klüger als ich und überall beliebt. Die Mädchen schwärmten von ihm, während sie mich mit Abscheu ansahen. Er war alles, was ich nicht war. Er hatte alles, was ich nicht hatte. Kurzum, er war der perfekte Herrscher.
„Talion?" Die fragende Stimme meines Bruders riss mich aus meinen Gedanken.
„Ja?", fragte ich ungewöhnlich ruhig. Ich versuchte, sorglos auszusehen, doch bei Tias gelang es mir nicht.
„Wer hat Vater diese Nachricht geschickt?"
„Sie kam von den Eiswölfen." Tias sog scharf die Luft ein. „Von den Eiswölfen also ..."
Die Eiswölfe waren ein gefährliches Volk, welches hoch oben im Norden lebte. Sie hatten die Fähigkeit, sich in große Wölfe zu verwandeln.
Ich muss erwähnen, dass die Eiswölfe eigentlich ein sehr friedliches Volk sind. Sie sind nicht dafür bekannt, mit anderen Ländern Krieg zu führen und so hatte die Nachricht uns alle überrascht.
Sie hatten eigentlich keinen Grund für Krieg, aber was wusste ich schon? In unserer Kindheit waren wir mit ihnen befreundet gewesen und hatten uns häufiger mit ihnen getroffen. Wir hatten in Frieden miteinander gelebt. Diese Zeiten schienen nun vorbei zu sein.
Wir mussten uns auf einen Krieg vorbereiten. Unsere Heere waren nicht schwach und trotzdem fragte ich mich, wie wir gegen die Eiswölfe ankommen sollten. Sie konnten sich verwandeln.
Es war nicht so, dass wir es nicht konnten. Auch wir besaßen eine mächtige Fähigkeit:
Wir konnten uns in Drachen verwandeln. In riesige, feuerspeiende Drachen.
843 Wörter
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