𝓚𝓪𝓹𝓲𝓽𝓮𝓵 11
POV: Talion
Ich ging ganz tief in mich und spürte nur noch den Zorn. Ich musste Rache nehmen. Mein Vater hatte es nicht verdient, zu sterben. Ich sah Roans Gesicht vor mir und ein wütender Schrei verließ meine Lippen.
Ich spürte, wie in mir etwas riss. Ich konnte nur noch an den Zorn denken. Meine innere Stimme flüsterte, ich solle mich beruhigen, doch ich schob sie beiseite. Mein Vater war tot und ich der König. Es war meine Pflicht, diesen Krieg zu beenden!
Plötzlich hatte ich entsetzliche Schmerzen. Mein Körper bebte und ich brach auf die Knie. Ein Wimmern verließ meinen Mund und ich schloss die Augen. Es fühlte sich an, als ramme mir jemand ein brennendes Schwert in die Brust.
Dann war alles vorbei. Von einem Moment auf den anderen. Ich richtete mich wieder auf. Auf einmal fühlte ich mich unbesiegbar. Ich schlug mit meinen Flügeln und hob vom Boden ab. Moment Mal, ich hatte Flügel? Ich sah an mir herunter und merkte erstaunt, dass mein Körper von grünen Schuppen übersäht war.
Ich hatte mich in einen Drachen verwandelt.
Mein neuer Körper war nicht sonderlich schwer zu lenken. Ich jagte über die Krieger hinweg und griff mir ab und zu einen aus der Menge. Sie hatten keine Chance. Ich ließ einen gigantischen Feuerstrahl auf die Krieger unter mir los. Dazu stieß ich ein lautes Brüllen aus.
Ich merkte, wie mir mein Bewusstsein immer weiter entglitt und schlussendlich wurde mein menschliches Gedächtnis komplett ausgeschaltet.
POV: Tias
Ich war mit meinem Pferd gerade auf den Rückweg zum Heerlager, als ich ein furchterregendes Brüllen hörte.
War das ein Drachen? Aber ... Vater war tot! Wer konnte es sonst sein? Etwa mein Bruder? Aber Talion hatte sich noch nie in einen Drachen verwandelt? Warum sollte es ausgerechnet jetzt passieren?
Als ich auch noch entsetzte Schreie hörte, drehte ich um. Ich musste einfach schauen, was dort vor sich ging. Wäre es wirklich mein Bruder, dann würde er, so wie ich ihn kannte, die Kontrolle verlieren. Und wenn das passierte, war niemand mehr vor ihm sicher.
Mit wehendem Haar erreichte ich das Schlachtfeld. Und tatsächlich – ein großer, grün glänzender Drache zog seine Kreise über den Kriegern. Er spie Feuer und griff sich ab und zu ein paar Männer aus der Masse. Entsetzen machte sich in mir breit. Hatte Talion die Kontrolle verloren?
Ich beschleunigte mein Pferd und jagte in die Menge hinein. Mir würde er nichts tun, da war ich mir mehr als sicher. Ich stieg von meinem Pferd und schickte es weg. Viele der Männer um mich herum nahmen Reißaus. Der Krieg war egal, es zählte nur noch, von diesem wildgewordenen Drachen wegzukommen.
Ich zuckte zusammen, als Talion sich einen der Krieger neben mir schnappte. Für einen kurzen Moment sah ich den Zorn in seinen Augen und war mir sicher – mein Bruder hatte die Kontrolle verloren.
„Los, lauft weg von hier, bringt euch in Sicherheit!", schrie ich der Menge zu. Das ließen sich die Männer nicht zwei Mal sagen. Sie flüchteten wie die Mäuse vor dem Adler.
Auf einmal tauchte Rûk neben mir auf. Es war viele Jahre her, dass ich ihn zuletzt gesehen hatte, aber ich erkannte ihn auf Anhieb wieder.
„Tias! Was machst du denn hier?", fragte er verwundert und musterte mich.
„Talion hat die Kontrolle verloren. Ich muss es irgendwie schaffen, dass er wieder klar im Kopf wird. Hilfst du mir dabei?" Kurz erwartete ich, dass Rûk ablehnen würde, doch zu meiner Überraschung nickte er.
„Dein Bruder ist ein guter Kerl. Er würde wollen, dass wir ihn hindern, andere Menschen zu töten." Ich nickte. Das würde Talion wirklich.
„Schaff die Krieger hier weg, ich lenke ihn ab!", schrie ich Rûk zu, ehe ich davonrannte.
„Talion! Talion!", rief ich immer wieder. Im Laufen hatte ich mir ein Schwert und einen Schild geschnappt, auf dem ich jetzt herumtrommelte. „Talion!"
Ich spürte einen Luftzug in meinem Rücken und wusste, dass ich seine Aufmerksamkeit auf mich gezogen hatte. Ich ließ das Schwert und das Schild fallen und rannte, als wäre der Teufel persönlich hinter mir her.
Plötzlich stolperte ich über einen scharfkantigen Stein und fiel zu Boden. Zitternd wartete ich ab.
Ein Schatten schob sich über die Sonne und als ich aufblickte, sah ich Talions Maul direkt über mir. Ich unterdrückte einen Schrei.
„Bruder, ich weiß, dass du da drinnen bist. Du bist kein Drache, der Menschen tötet, du bist ein König. Und als König musst du dein Volk beschützen. Vater hätte es so gewollt." Ich schloss die Augen. Innerlich dankte ich Gott dafür, einen Bruder wie ihn gehabt zu haben. Ich schloss mit meinem Leben ab und wartete darauf, dass Talion mich zerfleischen würde.
Ich hörte ein Wimmern und spürte, wie der Schatten über mir verschwand. „Tias, oh Tias.", schluchzte mein Bruder und umarmte mich.
Ich hatte es geschafft. Mein Bruder war wieder er selbst.
807 Wörter
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