𝓚𝓪𝓹𝓲𝓽𝓮𝓵 10
POV Talion
Ich sah, wie Roan meinen Vater durchbohrt hatte. Er war in seiner Drachengestalt und hatte vielen seiner Feinde das Leben geraubt. Er schien unbesiegbar zu sein. Und nun hatte die mächtige Klaue von Roans Wolfsgestalt ihn einfach durchbohrt. Etwas unterhalb des Halses, genau dort, wo seine empfindlichste Stelle war.
Meine Beine setzten sich in Bewegung und ich rannte, wie ich noch nie zuvor gerannt war. Ich musste zu meinem Vater!
Ich war fast bei ihm angekommen, als sich eine zweite Gestalt neben ihn kniete. Tias! Was machte er denn hier? Schlitternd kam ich neben ihm zum Stehen. Die Krieger meines Vaters hielten die Feinde von uns fern und so war ihr König in einer sicheren Blase.
„Tias.", sagte ich außer Atem und kniete mich neben unseren Vater.
Tias Augen wanderten ungläubig an mir herunter. „Talion, du blutest.", stellte er fest und Schrecken schlich sich in seine Stimme.
„Beruhige dich, das ist nicht mein Blut. Es ist nur das meiner Feinde."
Tias sah mich aus seinen dunklen Augen besorgt an. „Aber-"
Ich unterbrach ihn etwas unsanft. „Lebt Vater?"
Tias nickte leicht. „Noch. Aber seine Wunden sind schwer und ich befürchte ..." Er brachte den Satz nicht zu Ende.
„Talion, Tias. Hört euch an, was ich zu sagen habe. Hört die letzten Worte von Taurus an, König der Drachenwandler."
„Aber ... aber Vater! Du kannst doch nicht einfach so aufgeben!"
„Tias." Vorsichtig streckte mein Vater seine blutige Hand aus und berührte damit Tias' Wange. „Es ist in Ordnung. Meine Zeit ist gekommen."
Tias brach in Tränen aus. Ich konnte nur stumm daneben sitzen und das Ganze beobachten. In mir befand sich nur Leere. Ich fühlte, wie ein paar Tränen meine Wange hinunterflossen, aber in mir spürte ich keinen Schmerz.
„Talion." Ich blickte auf und drückte Vaters Hand. „Du wirst ein großartiger König sein, daran habe ich keine Zweifel. Du wirst unser Reich retten und diesen Krieg beenden. Und Tias, mein Sohn, du wirst deinen Bruder bestimmt dabei unterstützen. Ihr seid meine Söhne und ich bin sehr stolz auf euch beide. Zusammen werdet ihr es schaffen."
Tias und ich hielten je eine Hand, als unser Vater die Augen schloss. Ein zufriedener Seufzer verließ seine Lippen. „So habe ich es mir immer gewünscht ... Ich spüre ... die warme Hand ... eurer Mutter ... Sie wird mich nun ... mitnehmen ..." Vater verstummte und Tias schrie verzweifelt auf.
Ich ließ Vaters Hand los und umarmte meinen jüngeren Bruder, wollte ihm Trost schenken. Tias klammerte sich an mich wie ein Ertrinkender an ein Stück Holz. Er schluchzte in meine Rüstung. Ich hielt mich ebenfalls an ihm fest und genoss die Wärme, die von ihm ausging.
Viel zu schnell war dieser besondere Moment vorbei. Ich löste mich von Tias und sah ihn ernst an. „Bitte verschwinde von hier. Dieser Ort ist nichts für dich." Tias sah mich an. Immer noch flossen Tränen über seine Wangen und er konnte nur mühsam ein Schluchzen unterdrücken. „Aber ... was wird dann aus dir?"
„Mach dir keine Sorgen, ich komme klar. Schließlich muss ich diesen Krieg beenden."
Ich pfiff nach Tias' Pferd und half ihm, aufzusteigen.
„Ich will aber nicht. Bitte, lass mich hierbleiben!", flehte Tias und klammerte sich an mir fest.
„Es ist zu gefährlich, Bruder." Ich schenkte ihm ein Lächeln.
„Trotzdem!" Tias' Willen war eisern wie noch nie.
„Reite und dreh dich nicht um. Das ist ein Befehl." Meine Stimme klang so streng und herrisch, dass Tias zusammenzuckte. Er widersprach allerdings auch nicht mehr. Ich gab seinem Pferd einen Klaps auf das Hinterteil und wartete, bis mein jüngerer Bruder aus meinem Sichtfeld verschwunden war, ehe ich mich wieder umdrehte.
In mir brodelte Zorn. So unendlich tiefer Zorn, wie ich ihn noch nie gespürt hatte. Ich zitterte unterdrückt. Wir mussten diesen Krieg gewinnen. Ich musste die letzten Worte meines Vaters ehren und kämpfen!
650 Wörter
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