Kapitel 3
Nachdem John mindestens drei Tassen Kaffee getrunken hatte, streifte er sich seine Jacke über, nahm Rotbart an die Leine und verließ die Wohnung.
Das kleine Haus bestand aus zwei Wohnungen. Die Größere mit Wohnzimmer, getrennter Küche und zwei Schlafzimmern, bewohnten Mike und John. In der Wohnung darüber lebte ein Irrer Anderson. So nannte ihn Mike zumindest. John war erst seit ein paar Wochen Mieter und war Anderson bis jetzt nur einmal begegnet. Und das war als er sich in der Stadt meldete, bei Greg Lestrade.
Greg war ohne Zweifel Andersons Chef und das schon seit geraumer Zeit, der Anzahl an Geschichten nach zu urteilen, die Mike ihm über Anderson erzählen könnte.
John gab Rotbart einen leichten Klaps und der Hund sprang hinaus in die kühle Morgenluft. Rotbart lenkte ihn durch die halbe Stadt, bis er in eine kleine Gasse einbog, die direkt zum Hafen führte.
John liebte das Meer, genau wie sein Hund.
Die Sonne schien matt über die Skyline der kleinen Handelsstadt. John atmete tief die Meeresluft ein. Er versuchte das Rauschen zu genießen, doch sofort war das Knistern des Feuers in seinen Ohren. Entspannen, dachte er bei sich uns schloss die Augen. Da tanzten die leuchtenden Punkte vor ihm hin und her, wechselten zwischen Blau und Grün, ...
Etwas weiches und warmes berührte seine Wange. Er sah in Rotbarts treue braune Augen. Da bemerkte er, dass er auf dem Boden saß. Verwirrt sah er sich um. Der Hafen war still und leblos. In einiger Entfernung werkelte jemand an einem Boot herum, er schien John nicht bemerkt zu haben. Zitternd erhob er sich. "Wir sollten lieber wieder nach Hause gehen." meinte John an Rotbart gewandt, der zustimmend bellte. Er drehte sich noch einmal zum Meer um. Er wurde das Gefühl nicht los, dass ihn jemand beobachtete.
Mike saß in der Morgendämmerung auf der Terrasse und kam John mit einem Teller Kekse entgegen. "Ich wette, du hast noch nichts gegessen!" lachte er aufmunternd.
Nach einem ausgiebigen Mittagsschlaf fühlte John sich um einiges besser. Seine Beine hielten ihn wieder und der Rücken tat kaum mehr weh. Als er ins Wohnzimmer schlurfte erwartete ihn sein Mitbewohner schon.
"Das Krankenhaus hat gerade angerufen." meinte Mike, abwartend, ob John ihm zuhörte. "Major Sholto, ist aus dem Koma aufgewacht, als du geschlafen hast. Jetzt sind alle Seemänner wieder wach und bei Bewusstsein!" Er hoffte, dass John erleichtert aufatmen und sich weiter ausruhen würde.
"Ich muss sofort ins Krankenhaus." stieß John aus. Mike hätte es wissen müssen. Er seufzte, zog sich ebenfalls seine Jacke an und versuchte noch in seine Schuhe zu schlüpfen bevor John aus dem Haus stürmte.
Nach mehreren Schwindelanfällen kam John mit Mike und dem kläffenden Rotbart im Schlepptau vor dem großen weißen Gebäude an.
John musste Rotbart draußen festbinden, Tiere waren im Krankenhaus nicht erlaubt. Mike übernahm das für John, damit er schon einmal an der Rezeption nach seinem Freund fragen konnte.
Mike sah gerade noch wie John in den linken Flügel einbog, als er durch die Eingangstüren kam. Er hatte keine Chance ihm zu folgen und beschloss deshalb zurück zu Rotbart zu trotten, der würde ihn wenigstens nicht einfach vergessen, murmelte Mike.
John stand nervös vor der Zimmertür Nummer 21B, im zweiten Stock. Er und James haben schon viel zusammen durchgestanden, sie waren Brüder geworden. John machte sich auf das Schlimmste gefasst und klopfte an die Tür.
Nach kurzer Zeit öffnete eine Krankenschwester. Sie war nicht besonders groß, nicht zu dünn, hatte große grün-braune Augen und ihre blonden Haare waren unter einer weißen Haube versteckt.
"Wie kann ich ihnen helfen?" fragte die Schwester freundlich, während sie John musterte.
"Äh, ich, ich möchte James - Major Sholto, besuchen." Stotterte er.
Die Schwester schmunzelte und öffnete die Tür. "Sie müssen John Watson sein. James hat mir von ihnen erzählt." sagte sie auf das Bett am rechten Ende des Raumes deutend. John nickte dankend und schlich um die leeren Betten herum, die den Raum ausfüllten. Es waren vielleicht 10 Stück, von denen keine 4 besetzt waren. John kam neben seinem Kumpan an, der kurz zusammenzuckte, als er seine Schritte hörte und dann schwer die Augen öffnete.
"John!" hauchte er erfreut. Der Major versuchte sich aufzusetzen.
"Hallo, alter Freund." John lächelte.
"James, legen sie sich sofort wieder hin!" Die Krankenschwester kam um John herumgesaust und drückte den Patienten zurück in die Kissen. "Ist er immer so störrisch?" grummelte sie an John gewandt.
John musste lachen und klopfte seinem Freund auf die Schulter. James zuckte zusammen, aber lachte trotzdem, er versuchte sich nichts anmerken zu lassen. Doch John merkte es. Er hat es schon auf dem Schiff gemerkt. Irgendetwas war nicht in Ordnung mit ihm. "Mary ist immer so über fürsorglich." beschwerte sich James mit einem liebevollen Blick in Richtung seiner Krankenschwester.
"Dann lass ich dich mal wieder in Ruhe, du bist ja in bester Obhut. Ich wollte mich nur vergewissern dass du wohl auf bist." sagte John aufmunternd.
James lachte und hustete, drückte Johns Hand. "Wir haben es geschafft." flüsterte er rauchig.
Das sagten sie sich jedes Mal, wenn sie einen Tag im Krieg überlebt hatten; Und als sie aus dem Dienst entlassen wurden und seitdem gemeinsam auf Schiffen um die Welt reisten, sagten sie es jedes Mal wenn sie lebend den Hafen erreichten.
John wollte den Spruch erwidern, doch er konnte die Brandwunden, die hervorstehenden Knochen und die fale Haut seines Freundes nicht übersehen. Er nickte stattdessen und drückte James' Hand kurz bevor er sie losließ um das Zimmer zu verlassen.
Die Tür schlug hinter ihm ins Schloss und John lehnte sich an die kalte harte Wand.
James sah schlimm aus.
Tiefe rote Ringe hatten sich um seine Augen gebildet, die Furchen und Narben aus den Kriegsjahren waren tiefer und sein immer perfekt nach hinten geglättetes Haar lag strohig und verbleicht auf dem Kissen.
John schüttelte den Kopf. Das waren zu viele Bilder auf einmal.
Die Tür von 21B öffnete sich. Mary trat heraus und sah John neben dem Zimmer stehen. "Wie sieht es aus?" fragte John, die Augen geschlossen, den Kopf an die Wand gelehnt. "Er ist gerade erst aus dem Koma aufgewacht." sagte Mary ausweichend. John drehte sich zu ihr. "Wie sieht es aus?" fragte er mit Nachdruck und ernster Miene. Mary hielt seinem Blick stand. "Das kann man noch nicht - "
"Sagen sie mir verdammt nochmal, wie es um ihn steht!" unterbrach John sie aufgebracht.
"Das sehen sie doch!" blaffte sie zurück . "Er hat mir erzählt, sie waren Arzt, sie sehen doch wie es ihm geht!" Sie senkte die Stimme. "Außer das war auch eine seiner Träumereien, wie eure Zeit als ..." sie verstummte. "Es tut mir Leid. Ich ... normalerweise ... es tut mir leid." Mary ging an John vorbei, den Gang entlang und verschwand hinter der nächsten Tür.
John starrte versteinert durch das kleine Glasfenster in den Raum, in dem sein bester Freund im Sterben lag.
"John Watson?" John sah sich um. Ein Mann Ende 30 kam auf ihn zu. Er sah gehetzt aus, und kam schwer atmend vor John zum Stehen. Er musste kurz verschnaufe, dann streckte er John freundlich seine Hand entgegen. "Greg Lestrade." Sagte er immer noch außer Atem. "Der, bei dem sie sich angemeldet haben." John nickte und zwang sich zu einem Lächeln. Greg strich sich die Haare aus dem Gesicht und stütze sich dann an der Wand ab. "Bin ich froh, sie noch erwischt zu haben. Ich muss mit ihnen reden." Er machte eine Schnaufpause. "Ich sollte weniger Donuts essen." scherzte er, mehr zu sich selbst als zu John, der den durchtrainierten Mann unsicher ansah.
"Es geht um den Schiffbruch, es gibt noch ein paar Sachen zu regeln ... " Er merkte wie taktlos das gewesen ist. "Sie müssten nur etwas bestätigen und unterzeichnen. Ich muss den Papierkram abgeben, ich würde sie sonst nicht darauf ansprechen." Entschuldigte er sich. "Nein, ist schon in Ordnung, ich kann das verstehen." Sagte John abwinkend. So hatte er wenigstens einen Grund das Krankenhaus zu verlassen. Lestrade lächelte erleichtert. "Sie tun mir einen riesen Gefallen."
Es dauerte länger, als erwartet, doch das war John nur Recht. Wenn er nach Hause käme würde er gleich schlafen können.
"So, das war's." Sagte Greg Lestrade, als er John das letzte Papier unter der Nase wegzog. "Sie haben mir wirklich einen Gefallen getan, danke." Er schüttelte Johns Hand und verschwand mit dem Papierstapel in einem der vielen Räume der Polizeistation.
"Schhh!" zischte Moriarty grinsend, während er Eurus eine Hand auf den Mund legte.
Die Berührung kribbelte auf ihren Lippen. Sie dachte daran, ihn zu beißen, seine Haut zu spüren.
Moriarty nahm die Hand aus ihrem Gesicht, um sich an der Felswand hoch zu ziehen. Eurus unterdrückte ihr Kichern und folgte ihrem Verführer. Mit seinen vielen Tentakeln konnte er mühelos den Stein hochklettern. Sie bewunderte wie flink er war.
Eurus hatte ihre Schwierigkeiten, gegen den Sog anzukommen.
Doch sie schaffte es schließlich die Mauer zu erklimmen, die das Gebiet der Meerjungfrauen und - Männer von dem der anderen Wesen teilte. Nicht nur Moriartys Art war hier untergebracht. Alles was sich nicht an die Vorschriften hielt wurde in diese kahle Einöde verbannt. Nur wenige schafften es über die Mauer, in andere Gebiete. Sollten diese Ausbrecher dann etwas anstellen sah sich Mycroft gezwungen sie einzusperren. Eigentlich stand die Todesstrafe dafür auf dem Plan, doch Mycroft hatte noch nie jemanden getötet. Eurus ist sich sicher, dass er es einfach nicht kann.
Moriarty führte Eurus ungesehen durch dornige Büsche und zerfallene Pflanzen, bis hin zu einer kleinen Höhle, die, soweit Eurus das sehen konnte, eine Hülle aus Knochen hatte. Doch das störte sie nicht weiter, solange Moriarty ihre Hand hielt. Er zog sie durch ein maximal ein Meter breites Loch ins Innere der Höhle.
Für einen Moment war stockdunkel.
Dann blitze ein hellvioletter Strahl auf, und noch einer, und auf einmal funkelte alles um sie herum. Staunend drehte sie sich durch die funkelnden Lichter. Zu allen Seiten glitzerten Stein, Muscheln und Perlen im schönsten Lila und violett, rosa und gold, schwarz und silber.
Überwältigt fing sie an zu lachen, berührte die Funken in der Wand, überschlug sich, drehte sich und schwamm die ganze Höhle ab, bis sie jedes Schmuckstück berührt hatte.
So etwas wunderschönes hatte sie noch nie gesehen.
Sie drehte sich suchend nach Moriarty um. Schief grinsend, mit leuchtenden Augen sah er sie an. "Gefällt es dir?" fragte er leise, mit diesem verführerischen Unterton, der Eurus verrückt machte.
Er saß auf einem großen Silber schimmernden Stein, der von dunkelroten Blumen überwuchert war. Er glitt von dem Stein, an der Wand entlang, fuhr zaghaft über die vielen kleinen Edelsteine. Bei jeder seiner Bewegungen streifte ihn ein Lichtstrahl, der durch die Höhlendecke fiel und brachte seine helle Haut zum Glänzen. Eurus vergaß für einen Moment zu atmen. Seine Beine schimmerten in jedem Strahl hell- und dunkelviolett, spiegelten die Sonne und glitzerten genauso wie die Sterne an der Wand um sie herum.
Er verharrte und drehte seinen Kopf langsam zu Eurus. Seine Augen blitzen auf und Eurus schnappte nach Atem.
Eindringlich sah er ihr in die Augen. Eurus konnte es nicht mehr aushalten, sie musste ihn berühren, er war so wunderschön.
Sie kam mit einem Flossenschwung auf Moriarty zu, streckte ihren Arm aus, sah, wie er den Blick an ihre Hand heftete, die sich langsam seiner Schulter näherte. Eurus berührte ihn mit einer Fingerspitze. Ein Kribbeln durchfuhr sie. Sie ließ ihre Finger über seine Schulter gleiten, über seine Schlüsselbeinknochen, bis zu der kleinen goldenen Kette, die um seinen Hals hing. Sie folgte der Kette bis zu dem verzierten matt-goldenen Schlüssel, der ruhig auf seiner Brust lag.
Moriarty löste mit einer Hand Eurus' Finger vom Schlüssel, mit der anderen griff er sich in den Nacken und zog sich die Kette über den Kopf. Neugierig funkelten Eurus' Augen. Er ließ von ihr ab und glitt zu dem silbernen Stein zurück, um etwas dahinter hervor zu holen und brachte es Eurus. Er legte ihr den kleinen Schlüssel in die Hand.
"Öffne mein Herz." hauchte er sanft und eindringlich.
Eurus bekam Gänsehaut. Sie erkannte ein kleines Schloss in der Schatulle, die Moriarty in seinen Händen hielt. Vorsichtig steckte sie den Schlüssel hinein. Sie drehte ihn. Klack.
Der schwarze, zerkratze Deckel der Schatulle sprang einen Spalt weit auf. Feine helle Töne sprangen aus der Box und bildeten eine wunderschöne Melodie. Eurus berührte die Schachtel zaghaft und versuchte vorsichtig sie weiter zu öffnen. Sie klappte den Deckel nach hinten, bis er auf Moriartys Handgelenken lag. Ihr verschlug es die Sprache.
Eingebettet in hunderte von winzigen schwarzen Kristallen lag eine Perle, so groß und schön, wie Eurus es sich nicht hätte träumen lassen.
Jeder schwarze glitzernde Stein spiegelte sich im tiefen Violett der makellosen Kugel wieder. Weiße Schlieren, die wie Nebel in der Perle gefangen waren, ließen sie lebendig wirken. Langsam kreisten Schwarz und Mitternachtsblau mit Violetttönen jenseits aller Vorstellungskraft durch die matt glänzende Perle.
Sie war perfekt.
Langsam klappte Moriarty die Schatulle zu, verschloss sie und versteckte sie wieder hinter dem mit Blumen bewachsenen Stein. Den Schlüssel ließ er um seine Hände gleiten, bis er wieder vor Eurus stand. Er sah ihr tief in die blau-braunen Augen, berührte sie leicht an der Schulter, um sie zu drehen. Eurus spürte, wie Moriarty ihr die Kette über den Kopf streifte, und wie der kleine goldene Anhänger auf den weißen Schuppen ihrer Brust Platz nahm. Moriarty befreite ihre langen dunklen Haare aus der Kette. Der Anhänger rutschte ein Stück nach unten. Er war schwerer als sie vermutet hatte. Moriarty vergrub sein Gesicht in ihren langen schwarzen Locken, legte seine Hände auf ihre Schultern, strich mit den Daumen sanft über ihren Hals.
Eurus legte die Hände um den Schlüssel. Nie wieder wollte sie ihn loslassen.
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Kapitel 3 Ende
Was Mycroft wohl von Eurus Romanze hält ...?
Ich liebe Fanart, und irgendwie passt John als Arzt/Soldat zum Kapitel, darum das Bild ^^
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