Kapitel 14

Dafür, dass es nicht sein Plan war, war er ziemlich gut. Mycroft schluckte schwer. "Ihr könnt euch auf mich verlassen." 

Er konnte es selbst nicht glauben, dass er sich dazu überwunden hatte mit Menschen einen Kompromiss einzugehen, mit ihnen zusammen zu arbeiten, ihnen einen Gefallen zu tun!

"Dann haben wir keine Zeit zu verlieren." sagte die Frau und zog sanft an der Kleidung von diesem blonden Mann, von John. Sofort zuckte Mycrofts Blick zu den umschlungenen Händen von ihm und seinem Bruder, die John nun löste um mit Mary alles nötige vorzubereiten. Scharf sog er die Luft ein, um nicht von einer Abneigung überrollt zu werden.

Für Sherlock. Ich tue das für Sherlock.

So ruhig wie möglich entfuhr ihm der Sauerstoff durch den Mund. Sherlock musste sein Unbehagen spüren, denn sofort machte er sich an seine Aufgabe. Wenn er nicht so unglücklich wäre, sobald er von diesem Menschen entfernt war, hätte Mycroft sich niemals darauf eingelassen. Doch er wusste wie schlimm es enden konnte, wenn man ungewollt verbundene Energien trennte ... und das konnte der Ältere bei seinem kleinen Bruder nicht mit ansehen.

Nur noch Greg war da und sah den Herrscher des Meervolks abwartend an. Dieser hatte jedoch nicht die geringste Ahnung, was er von ihm wollte - und er würde auf keinen Fall die Gitter seines Verstands vor den Gefühlen entfernen um zu spüren, was der Mensch wollte.

... Er konnte es nicht.

Natürlich, dieser Mensch konnte nichts für den Mord an seinen Eltern, doch er konnte es nicht ändern gegen jedes dieser Wesen eine Abneigung zu hegen. Mycroft musste sich eingestehen, dass es doch äußerst amüsant war, wenn Greg wütend war, oder versuchte sich gegen ihn zu behaupten. Und er war so ... wunderbar einfach. 

Mit einem tiefem Atemzug verschloss er das Gitter zur Gefühlswelt noch ein weiteres Mal und setzte seinen erhabenen Blick auf. 

"In zwei Tagen, an Ort und Stelle." sagte er mit arrogantem Unterton. Doch das war nicht genug, er musste etwas provokantes hinterherschieben, dass den Menschen davon abhielt mit seinen Blicken an der Zelle seiner Emotionen zu rütteln. "Wir  werden unseren Teil erfüllen."

Damit tauchte er unter ohne Greg eine Möglichkeit zu geben etwas darauf zu erwidern. 


"Schatz" flüsterte es in Eurus Ohr. Sie spürte wie Moriartys Arme sie von hinten umschlangen. Das Mädchen legte den Kopf in den Nacken um das Lächeln ihres Geliebten auf der Wange zu spüren. Langsam strich sie mit ihren zarten Fingern über seine starken Arme. Moriarty hielt sie fester und grub sein Gesicht in ihre Schulter, wodurch ihr langes Haar um seinen Kopf wehte. Eurus ließ seine Arme sie umschlingen, ihre Knochen nachfahren, sie fühlen. 

Moriarty küsste liebevoll ihren Hals, woraufhin Eurus wohlig ihre Melodie summte, bis er es ihr entgegen hauchte. Kaum hörbar und doch zu deutlich.

"Es ist soweit."

Eurus schlug die Augen auf. Rache.


Die Zeit verging rasend schnell, genauso wie jede Sekunde sich wie Stunden anfühlte. John lag mit den Armen hinterm Kopf verschränkt in seinem Bett, dass nicht länger seines sein würde. Den ganzen Abend grübelte er schon, ob er Mike etwas sagen sollte. Schließlich waren sie gute Freunde geworden. Doch es war sicherer so wenig Leute wie möglich einzuweihen, da musste der Ex-Soldat Greg und Mycroft Recht geben. Er war so dankbar, dass Greg und Mary es als selbstverständlich ansahen, dass er einen Meermann liebte. Zumindest benahmen sie sich sehr tolerant, was ihn sehr überrascht hatte. Er selbst wäre wahrscheinlich vollkommen ausgerastet, gestand er sich ein. Auch jetzt war es noch so unglaublich über Sherlocks Schuppen zu streichen, anstatt über menschliche Haut.

John rollte sich vom Bett, schlüpfte in die alten braunen Schuhe am Boden und schnappte sich den Schlüssel von Nachtkästchen. Vorsichtig, um weder Mike noch Rotbart zu wecken, stahl er sich aus dem Haus.

Bei Nacht war der Weg durch den kleinen Waldabschnitt nicht zu finden. Schon nach den ersten Metern stieß sich John die Stirn an einem schiefen Baum, der queer von der Seite seine Äste umherschwang. Da fiel John etwas ein. Er schloss die Augen. 

Da spürte er es, wie als wäre es ein langes Band, dessen Ende nach ihm rief.

Als würde er einen Faden aufwickeln, folgte er der immer stärker werdenden Gegenwart des leuchtenden Punktes in seinem Herzen. Nach einer gefühlten Ewigkeit von peitschenden Ästen im Gesicht und spitzen Steinen unter, über oder vor den Füßenen klatschten ihm endlich die Blätter von Frau Hudsons Baum ins Gesicht. Erleichtert auflachend öffnete der junge Matrose seine Augen. Kaum erkennbar war vor ihm die Höhle, die zu ihrem geheimen Platz führte.

Am Ende des imaginierten Bandes wartete schon jemand auf ihn. Den Kopf auf den verschränkten Armen, mit halbem Oberkörper aus dem Wasser, lag Sherlock auf den glatten Steinen. John schlich zu ihm, da er anscheinend schlief - so gleichmäßig wie sich sein nackter Rücken hob und senkte. Langsam vergrub er seine Hände in der dunklen Lockenmähne.

Als er begann vorsichtig Sherlocks Kopf zu kraulen, gab dieser schnurrende Geräusche von sich, die John vorher noch nie gehört hatte. Es klang so niedlich, dass er sich beherrschen musste nicht zu lachen. Kühl glitten die unteren noch nassen Locken über seine Fingern und er musste an Morgen denken. Da hob der Meermann den Kopf und blickte John mit einer Mischung aus Freude und Besorgnis an. "John ..." flüsterte er während seine langen Finger über die kleinen Schnittwunden in Johns Gesicht strichen. Der Mann hielt Sherlocks Hand an seine Wange und schloss erneut die Augen. "Ich habe Angst." 

Ein leiser Schmerzenslaut kam von Sherlock, dann spürte John wie er seine Hand nahm und etwas hinein legte. Er betrachtete verwundert die kleine blaue Herzmuschel. Als er genauer hinsah entdeckte er etwas grünlich schimmerndes darin liegen, das aussah wie ...

"So trägst du immer ein Stück von mir bei dir. Sie gibt dir Kraft. Du brauchst keine Angst zu haben. Ich werde da sein." Damit riss sich der Meermann eine dünne lange Locke aus und band sie um die Muschel, damit die Schuppe nicht herausfallen konnte. John hielt Sherlocks Hände fest, mit der Hand, die nicht schon von seinen umschlossen war. Er spürte wie die Muschel in ihrer beiden Hände pulsierte. 

Ein wenig lächelnd hob John seine Arme und zog somit auch Sherlocks nach oben, bis ihre Fäuste zwischen ihren Stirnen lagen und er die aufsteigende Hitze auf seiner Haut spüren konnte. "Du solltest dich ausruhen." sagte Sherlock leise, obwohl John genau hören konnte, dass er ihn lieber bei sich haben wollte. "Ich will aber bei dir bleiben." murmelte John zurück. Wie bestätigend grinste Sherlock, was John ebenfalls zum Grinsen brachte. Dann löste sich sein Freund aus der gemeinsamen Position und sah John ernst an. "Du möchtest deine letzte Nacht als offiziell lebender Mensch doch nicht in einer alten Grotte verbringen." 

Das brachte John zum Lachen, denn trotz der ernsten Situation versuchte Sherlock ihn aufzumuntern. "Lass mich nicht sterben." entgegnete der Blondschopf, doch es machte ihn traurig, als die bleichen Finger von seinen abrutschten. Das Einzige, was ihn beruhigte war der Gedanke das er sie bald wieder spüren würde. Wenn alles klappte. Wenn

Sherlock sah ihn nachdenklich an, dann senkte er den Blick. "John, ... ich habe auch ein ungutes Gefühl. Als würde irgendetwas ... passieren."

John war sich sicher, dass der Meermann 'irgendetwas Schlimmes' sagen wollte. 

Sie schwiegen sich noch eine Weile an, bis John endlich aufstand. Seine Stimme klang leise trotz der langen Stille, die nur vom Rauschen des kleinen Wasserfalls überlagert wurde. "Gute Nacht Sherlock, ich liebe dich, egal was morgen passiert." 

Sherlock sah zu ihm auf und eine warme wohltuende Welle von positiven Gefühlen durchströmte ihn.

Wie man solche Energieströme schickte musste John noch lernen, das hatte er sich fest vorgenommen, wenn morgen alles nach Plan laufen würde. Dann hätte er genug Zeit, wenn nicht, dann ... verdammt! Warum dachte er ständig darüber nach, dass etwa schief gehen würde? Verschwieg Sherlock ihm etwas? John wusste wovor er selbst Angst hatte, doch Sherlock wirkte auf ihn zu verwirrt, als dass sie die Gleiche Befürchtung haben konnten. 

Trotzdem drehte sich der Mensch um und verließ die Grotte, ohne Sherlock zur Rede zu stellen. 

John lag wieder in seinem Bett und beobachtete die Decke. Dort hatte er zum ersten Mal seinen Meermensch gesehen, nach dem Schiffbruch. Er hatte das Gefühl, es würde gerade alles in Rückwärtsschleife nochmal ablaufen.

Mit ozeanblauen Augen an der Decke fiel er schließlich in einen unruhigen Schlaf.


Wie Kristalle leuchteten seine Augen in der Dunkelheit. Greg bemühte sich, doch es war unmöglich nicht hinein zu sehen. Er stand mitten in der Nacht am Hafen und wusste nicht wie er hierhergekommen war, geschweige denn wieso überhaupt. Und jetzt schwamm Mycroft zwei Meter unter ihm zwischen den Boden und funkelte ihn an. Er wusste nicht, was er sagen sollte. "Das Schiff wird morgen nach Sonnenaufgang ablegen." sagte Greg, doch das hatte er dem Meermenschen schon dreimal am Tag zuvor erzählt. Dieser nickte zustimmend, doch wand den Blick plötzlich ab. Es war, als würde Greg an etwas abrutschen, oder gegen eine Wand rennen. Es war, als würde in Mycroft etwas sein, dass er wollte, doch etwas hinderte ihn daran, es zu erreichen ... Wenn er nur wüsste was!

Was war es nur, was da zwischen ihnen war? War da überhaupt etwas? 

Offensichtlich wollte der Meermann nicht mit ihm reden, aber wieso schwamm er dann vor ihm im Wasser und tat nicht etwas Sinnvolleres? War er nicht immer so beschäftigt? Lestrades Gedanken kreisten wild durch den Kopf. Am liebsten würde er einfach alles vergessen und gehen, doch jetzt war es zu spät. Er wollte endlich Klarheit.

"Wie ist das mit Meermenschen und Menschen, hat das eine andere Auswirkung, ich meine, habt ihr irgendwelche Kräfte oder etwas das ... also womit man ... wo Menschen dann ..." Wie zur Hölle sollte er das formulieren?

Jetzt strahlten ihn die blauen Augen wieder an. Es sah aus, als wollte etwas aus ihnen herausbrechen. "Nicht direkt." antwortete Mycroft knapp.

Als Greg ihn skeptisch fragend ansah schien er jedoch nachzudenken. "Wir können ... " Mycroft schien sehr mit sich zu hadern. Immer wieder blickte er umher und strich sich nervös über die Haare. "... Kuchen, sehr lecker." stieß er aus und auf einmal war er verschwunden.

Verdattert sah Greg auf die Stelle, wo der Meermann untergetaucht war.

Was?

Nun war er vollkommen verwirrt. Mehr als das. Kopfschüttelnd lief er nach Hause. Viel Schlaf bekam er jedoch nicht, solange ihm blau leuchtende Kuchen vor den Augen schwammen.


John sah den Rucksack  skeptisch an. Rotbart schien auch nicht viel  davon zu halten. Der Hund rümpfte die Nase und knurrte unfreundlich. 

"Ich möchte das doch auch nicht mein Freund." John seufzte und setzt sich zu seinem Haustier auf dem Boden. Sofort hüpfte Rotbart auf ihn zu. Abwesend strubbelte John ihm durchs Fell, bis er die feuchte Zunge im Gesicht spürte. Lachend versprach er seinem alten Freund etwas. "Wir sehen uns bald wieder." Damit stand er auf, schulterte den Rucksack, überprüfte noch einmal den Raum und ging ins Wohnzimmer, wo Mike auf ihn wartete.

Zusammen mit Rotbart an der Leine liefen sie zum Hafen wo Greg sie abfing und zum Schiff führte, das, dass John über den halben Ozean an einen fernen Hafen weit weg bringen sollte. Dort würde er einen gut bezahlten Beruf ausüben und den Rest seiner Tage an Land in einer Großstadt verbringen. Davon ging zumindest Mike aus.

Nach einigen Minuten kam Mary mit Frau Hudson zu den drei Männer mit dem Hund. Sie flüsterte Greg etwas zu, was John ihren Blicken zufolge als Bestätigung sah, dass alles nach Plan lief. Bis jetzt.

Sie redeten und Scherzten während das Schiff beladen wurde und immer mehr Menschen aus der Stadt den Hafen erreichten. Die letzten Straßenlaternen gingen aus, als die Sonne hoch genug am Himmel stand um das Tageslicht zu nutzen. Während Mike sich vor Freude für seinen nun ehemaligen Mitbewohner kaum halten konnte herrschte zwischen den drei anderen und sogar Frau Hudson Anspannung.

Schließlich unterbrach Greg die gestellte Unterhaltung. "Ich muss dann wieder an die Arbeit." Er reichte John die Hand und drückte sie zuversichtlich. "Viel Erfolg."

"Danke, Greg. Für alles." Der Polizist lächelte zurück, dann verließ er die kleine Gruppe.

"Mir steht auch noch etwas auf dem Herd, ich wünsche ihnen alles Gute, mein Lieber." verabschiedete sich auch Frau Hudson. Sie hielt Johns Hände. "Meine besten Wünsche" sagte sie mit einem wissenden und zu gleich mitleidigen Lächeln. Nun waren sie nur noch zu dritt - mit Rotbart natürlich zu viert.

Dann war es soweit.

Die ersten Männer mit Gepäck ließen sich auf dem Handelsschiff nieder. "Ich werde dann wohl auch mal ... " John brachte seinen Satz nicht zu Ende. Stattdessen reichte er Mike die Hand. Der zog ihn allerdings lachend in eine freundschaftliche Umarmung und klopfte aufmunternd auf seinen Rücken. John lächelte gestellt und drehte sich Mary zu, die ihn ebenfalls umarmte, aber so, dass Mike nicht sehen konnte, wie sie John beruhigend zuflüsterte. "Die Jungs haben alles im Griff, genieße deine letzten Minuten." scherzhaft lächelte auch sie und übernahm Rotbarts Leine. Der braune Wuschel fiepte entsetzt hinter seinem Herrchen her, der langsam auf die Planke zuging. 

Das Holz knarzte vertraut und doch so fremd unter jedem von Johns Schritten. Er grüßte den Kapitän und einige Besatzungsmitglieder, doch tat sich nicht sehr gesprächig. Er hatte keinen Grund dazu, zudem war der junge Matrose viel zu nervös wegen dem, was ihm bevorstand.

Rufe ertönten und Taue wurden geworfen, dann endlich legte das Handelsschiff ab. Unter kläglichem Johlen Rotbarts und Glückwünschen, verweinten und glücklichen Gesichtern, winkenden Familien und Freunden, entfernten sie sich immer weiter vom Ufer.

Der Wind blies salzig in Johns Gesicht, ließ ihn tief einatmen und fast hätte er es genossen wieder auf See zu sein. Doch die Angst kribbelte langsam aber sicher seine Arme hoch. Wann würde es passieren? Jeden Moment musste es soweit sein ... John lehnte sich über die Reling um in das tiefe vorbeirauschende Wasser zu sehen. Für den Bruchteil einer Sekunde meinte er etwas grünlich aufblitzen zu sehen; dann krachte es.

-

Ende Kapitel 14  ;)

Was denkt ihr war der Plan? Und was wird passieren? 

Scheibt mir eure Ideen!


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