E
Joe war im Bahnhof.
Er sass auf einer nassen Bank, die grüne Farbe auf dem alten Metall war trübe, sie hatte jeglichen Volume verloren. Trübe. Aus irgendeinem frustrierenden Grund her, konnte Joe dieses Wort nicht richtig deuten. Trübe. Er hatte keine Lust länger danach zu graben.
Alles war so seltsam verschleiert.
Der unaufhaltsame Regen, dass auf ihn niederprasselte, Mark und Knochen durchnässte, die schwere Dunkelheit zu flüssiger Last verarbeitete, war Nebensache. Unzählige Tropfen die im Sekundentakt von seiner Nasenspitze fielen und ihn erschaudern liessen. Unzählige Gedanken, die er nicht zuordnen konnte, Gedanken die von dem einen zum anderen Moment jeglichen Sinn verloren hatten.
Joe war müde.
Das Nichts in ihm überdeckte den nagenden Schmerz, verbreitete sich blitzschnell in seinen Adern, vermischte sich mit seinem Blut.
Joe war müde.
Müde vom Kämpfen.
Müde vom Nichts.
Müde vor seiner Mutter.
Müde von sich selbst.
Müde vom Leben.
"Kein Sinn. Was habe ich getan, Mama? Warum ist meine Spiegelung so grau?"
Das Nichts vergrösserte sich in seinem Körper, er fühlte sich seltsam leer, eingeengt von sich selber.
Währenddessen, gingen schweigend Menschen an ihm vorbei.
Joe schnaubte auf.
Wie schwarze Gestalten, umgeben von Monotonie und Farblosigkeit.
Schirme wurden aufgeklappt, die Masse bildete eine riesige Fläche aus aufgeklappten Schirmen.
Aufgeklappte Schirme.
Schirme.
Das Nichts in seinen Adern beschleunigte sich, kochte den stummen Vulkan in ihm bis zum unumgänglichen Ausbruch.
Wozu Schirme?
Joe verstand es nicht.
Wozu Schirme, wenn man nass werden könnte?
Regen war etwas beruhigendes.
Er spülte alle Sorgen weg, alle Probleme hinunter in das Ungewisse. Zurückgeblieben, war einzig und allein das regelmässige Geräusch von prasselnden Regentropfen, der frische Geruch des Lebens und eine gebrochene Seele, er selbst. Und wenn die Tropfen des Regens verstummten, war das ein neuer Anfang, eine neue Chance.
Wozu Schirme wenn man nass werden könnte?
Weshalb wollen die Leute trocken bleiben?
Joe schrie.
Er kreischte, ihm reichte der Regen nicht. Sein Spiegelbild blieb gleich, egal wie oft es regnete.
Joe weinte.
Die schwarzen Gestalten drehten sich mit erschrockenen Blicken zu ihm um.
Er wimmerte, hatte keine Kraft mehr. Der Regen wurde heftiger, für einen Augenblick wurde die gesamte Umgebung heller, bis es donnerte.
Joe gab auf.
"Es hätte dich treffen sollen, Joe!"
Er keuchte auf.
"Geht es ihnen gut, junger Mann?"
Joe holte tief Luft, atmete aus und nickte schwer.
Er schien sich zu beruhigen.
Der alte Herr mit einer grünen Jacke und schwarzen Hose musterte ihn eindringlich. Seine meerblauen, unendlich Tiefen Augen ähnelten einem glitzernden Ozean.
Joe musste lächeln.
Ehe der alte Mann reagieren konnte, war es auch schon zu spät.
Die Bierflasche in seiner Hand fiel zu Boden, Joe schluckte die Tabletten hinunter, zusammen mit den Träumen, den Wünschen und seinem Schmerz.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top