widersprüchliches Wiedersehen
"Ist die Ampel warm?", war das was sie sagte, als sie ihn mal wieder so faszinierte.
Sie streckte ihre Hand nach dem grünen Licht aus, stellte sich auf die Zehenspitzen und hielt ihre Fingerspitzen daran, im Abendwind rauschten Autos an ihr vorbei und niemand erkannte wahrscheinlich so sehr, was für eine wunderschöne weltliebende Person sie war, nur er erkannte es so sehr, es wurde ihm jeden Tag klarer und doch trübte irgendetwas seine Sicht darauf und die Freude darüber.
Der Moment war auhch schonwieder vorbei. "Nein", stellte sie fest, und sich selbst wieder mit den Fersen auf den Boden. "Grün!", rief sie, und lief gleich los. Er blieb zurück. Beobachtete wie sie zwischen leichten Lichtern die blaugraue Fahrbahn überquerte, als hätte sich das Meer geteilt.
Eigentlich schaut doch niemand durch Windschutzscheiben, wer da gerade für einen angehalten hat. Sie manchmal schon. Und lief dabei über die Straße, als wäre sie die erste, die das tut. "Oh look at us, look how we shine, look how we celebrate our time." sang sie manchmal, und: "When the city sleeps, it dreams of us.". Auf einmal wusste er genau was sie damit meinte.
"Time. Is such a hungry beast. It swallows - all my Memories.", sang sie auch manchmal. "Boy" war ihre Lieblingsband. Sie war noch nie auf einem Konzert. Kannte die Namen der zwei Sängerinnen nicht. Und die eine der zwei CD's die sie besaß, war bloß gebrannt und hatte einen Wiederholungsfehler. Und doch mochte sie diese Band am meisten.
Denn etwas zu lieben, weil es einem so nahe und wertschätzend und gut für einen ist, ist leicht. Aber von etwas so zuerst geliebt zu werden an sich, ist noch nicht fertiges Glück. Zu lieben. das ist es. Oder? Kann es sein, dass man wenn man alles genau durchdacht hat, am Ende doch wieder bei Schlagertexten und den Sprüchen von der Oma rauskommt? "Zu lieben und geliebt zu werden, das ist das höchste Gut auf Erden."
"Kommst du?", sie drehte sich zu ihm um. Sie drehte sich um. Drehte sich um. Zu ihm. "Nein ich gehe.", flüsterte er.
"Wo bleibst du denn?" rief sie jetzt und blieb auf der mehrspurigen Straße stehen. "Zurück. Ich bleib zurück. Auf der Strecke. Ich bleib fern.". Jetzt sagte er es sogar halblaut.
Es wurde rot. Sie stand genau in der Mitte, auf der halben Strecke, da stand sie, als wäre es nicht rot.
Und er würde nie erfahren in welche Richtung sie dann gegangen ist, auf die andere Seite oder zurück zu ihm. Denn er rannte jetzt vor beidem weg. Mitten in der Stadt, irgendwann an einem doch eigentlich ganz schönen Abend, entschloss er sich nun wegzurennen. Sich umzudrehen. Von ihr weg.
Er dachte daran wie sie immer Abstand gehalten hatten. Wie sie alleine gewandert und geschwommen sind und gewartet haben. Aber immer irgendwie immer zueinander. Immer mit Zuneigung. Bewusster Zuneigung. Keiner unkontrollierten Angezogenheit.
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"Oh, du hast dich im Bad umgezogen. Okay. Ja das war schlauer.", hatte sie gesagt.
Peinliche aber niedliche Stille. Sie meinte das wirklich so wie sie es sagte. Es war keine Taktik von ihr. Genausowenig wie ihre Schüchternheit. Sie war ehrlich. Das wusste er.
"Kein Problem, ich dreh mich um.", hatte er gemurmelt. Sie lachte, aber man merkte dass es ihr auch unangenehm war. "Aber bitte wirklich, und lange genug."
"Jaja", nuschelte er. "Hm naja okay.", es klang etwas provozierend aber auch unsicher. "Willst du jetzt eigentlich ...nicht mal in dein Hotelzimmer gehen?"
"Hm?" Das war doch seins. 212. Oder? Ach, scheiss Zahlen. Sein Kopf brummte, genauso wie früher in der Schule. Nur dass das hier gerade das Gegenteil von Schule war. "Naja du bist in meinem Zimmer. Kannst jetzt noch rausgehen, noch zieh ich mich nicht um."
"Hm." Nein das war sein Zimmer. War die dumm oder so. Wahrscheinlich war sie noch nicht auf dem spirituellen Level wie er. Oh, Pilze waren was Schönes. Aber ...es. waren ja keine Pflanzen. Viel ihm gerade ein. Fuck. Er war doch Veganer. Fuuuuck.
Er weinte. Er weinte ziemlich intensiv und plötzlich. Aber Cannabis waren doch Pflanzen? Und Alkohol auch! "Oh Scheisse, ist alles in Ordnung?" sie setzte sich zu ihm. Und sorgte sich um ihn. Sie war ehrlich. Wirklich.
"Aber alles Wichtige ist doch aus Pflanzen!!", verzweifelt warf er den Kopf in den Nacken. "Oh Gohohottt...". Er hielt inne und drehte sich ruckartig und komisch mit dem Gesicht zu ihr, den Kopf immernoch nach hinten übergestreckt.
"Was redest.. nein warte, was heulst du denn da?" sie schmunzelte. So nüchtern und glücklich. Sie lächelte wie die erste Sonnenstahlrefelktion im Nachbarhaus am Morgen. Und auf einmal merkte er, dass nur sie ihm helfen konnte.
"Ich habe etwas nicht Veganes gegessen!", mit aufgerissenen Augen packte er sie an den Schultern und schüttelte sie durch. Dann hielt er inne und starrte sie nur so an und sie guckte schulterzuckend zurück. "Oh. Ist nicht schlimm. Jeder.. macht mal Fehler."
Er liess sie los und glotzte intensiv ins Leere. Eine Träne rollte ihm immernoch aus dem Auge. Ob links oder rechts wusste er nicht, er wusste gerade gar nichts. Nur dass jeder mal Fehler macht, und sie aus einem sonnenstrahligen Grund die einzige war, die ihm helfen konnte.
Oh ja, sie hatte keine Ahnung was er da betrunken redete, er war aber so traurig, also tröstete sie ihn. Sie tröstete ihn ziemlich gut. So gut wie eine attraktive Frau einen unter Trauer und Drogen stehenden Typen trösten kann. Sie hatte ja auch keine Ahnung. Nur schien es in dem Moment gut so. Er wollte das doch, oder? Sie wusste es nicht. Sie war nüchtern und ein bisschen müde, aber sie war für ihn da.
Er wuschelte vor dem Einschlafen nochmal durch ihren 2cm Pony, als wäre es das letzte was er in seinem Leben tun will, ehe er wegdriftete. Und am nächsten Morgen humpelte und stolperte er aus dem Hotelzimmer mit der 211 und drehte sich nicht um, als das Mädchen mit der komischen Frisur fragend flüsternd hinter ihm her rief, ob alles okay ist.
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Und jetzt drehte er sich auch nicht zu ihr um. Zu ihr. Sie, die wirklich sie war. Nicht irgendein verrücktes Mädchen mit irgendeiner verunglückten Frisur. Er rannte und rannte und rannte. Und fühlte sich, als ob er sie nie kannte.
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