32. Panic ꧂
꧁Jungkook꧂
Ich muss hier weg.
Als ich aus dem Raum stürme, Taehyung, Jimin, die anderen hinter mir lasse — mein Herz rast. Der Atem dieses Kerls hat meinen Hals gestreift. Er war so dicht hinter mir. Sein Geruch — bissig. Seine Stimme. Verzweifelt versuche ich die Tränen für mich zu behalten. Nach all der Zeit darf ich jetzt nicht einknicken. Jetzt, wann mir nicht einmal etwas passiert ist. Hyuk hat mich nicht berührt, nicht einmal wirklich beachtet.
Ich muss das Vergangene vergessen. Es ist nicht der Rede wert. Um so mehr ich darüber nachdenke, um so schneller kann es mich einholen und fangen. So lasse ich ihn und seine Taten in meinen Kopf.
Ich muss es einfach vergessen.
„Warum vergisst du es nicht!"
Meine geballten Fäuste treffen auf die kalte Keramik des Waschbeckens. Im Spiegele erkenne ich einen Jungen, dessen Augen rot und Haut blass geworden sind.
„Wie will ich vorankommen, wenn ich mich jedes Mal erinnere? Vergiss es doch einfach..." Erschöpft lasse ich den Kopf hängen. Mein Weg hat mich zuvor in ein abgelegenes Badezimmer geführt. Selbst die Musik ist kaum noch zu hören. Hier findet mich niemand.
Die Flecken auf meiner Haut sind allesamt verblasst. Mein Spiegelbild weist keine Makel und Zeichen mehr auf, als Hyuk und sein Gefolge mich das letzte Mal...
„Was rennst du denn einfach so weg?"
Die Fingernägel in den Waschbeckenrand krallend, vergesse ich alles, was zuvor in meinen Gedanken umherspukte. Leere. Mein Empfinden zerfällt.
„Ach Jungkook, was läufst du denn von uns davon? Die Party ging doch gerade erst los."
Mein Blick ist in den Spiegel gerichtet, doch erkennen kann ich nichts. Meine Sicht ist leer. Wie eine verlassene Hülle stehe ich da. Sie haben alle Macht über mich.
Ihre beider Körper stehen nun dicht hinter mir. Das Parfüm, was sie beide tragen, beißt in meiner Nase. Einer von ihnen streicht mit seiner Hand über meinen Nacken, sodass sich mir die Haare sträuben. Meine Knie werden weich.
„Hyuk war immer so viel gnädiger zu dir, weißt du das?"
Stärke Hände legen sich auf die meine und pressen sie auf dem Beckenrand fest. Mit ihren Körpern drücken sie mich ebenfalls an es heran, sodass ich mich nicht einen Millimeter rühren kann. Ausgeliefert.
Sie sind stark wie Goliath und strahlen beide eine so schreckliche Hitze aus. Mein ganzer Körper beginnt zu zittern.
„Er scheint dich zu mögen, weißt du das?"
Die Hand an meinem Nacken wandert zu meiner Kehle und Kinn, hält dieses weiter fest. Sehen kann ich noch immer nicht.
„Wer weiß, was er alles noch mit dir vorhatte, aber wir sind jetzt zuerst dran. Du bist uns lange genug auf der Nase herumgetanzt."
Verzweifelt möchte ich schreien, doch krallen sich die Töne an meinen Stimmbändern fest. Es brennt, sie lassen nicht los.
„Hätte dein kleiner Freund Woo damals einfach die Klappe gehalten. Man, was wir alles verpasst hätten, mit dir. Schade, dass er mittlerweile die Schule verlassen hat."
Einer von ihnen führt seine Hand rücksichtslos zu meinem Bauch, streicht sachte mit dem Daumen über die von Stoff bedeckte Haut. Ich ziehe ihn ein, um ihnen wenigstens wenige Zentimeter zu entkommen. Mit etwas mehr Druck streicht er nun über meine Rippen. Die verblassten Male tun weh.
„An dir ist ja kaum noch was dran... Willst du dich etwa umbringen?"
Ich weine. Stumm rennen die Tränen herab und stürzen Richtung Boden.
„Du machst dich ja wirklich kaputt, du armer", flüstert mir einer ins Ohr. Er ist jetzt noch näher an mir. Er dringt in meinen Verstand.
„Das ist doch unsere Aufgabe, Kleiner."
Ruckartig befreie ich meine Hände von unter den ihren und winde meinen Kopf aus dem Griff des einen. Sie scheinen nicht mit dieser Aktion gerechnet zu haben. Ich sacke auf die Knie und winde mich unter ihren Beinen wie ein flüchtender Feldhase hindurch — Richtung Tür. Dort angekommen, mein Herz rast und springt mir förmlich aus der Brust, reiße ich die Tür auf. Auf ihre wütenden Rufe höre ich nicht.
Ich bin frei.
Zunächst.
Mein Weg führt mich zurück in das Wohnzimmer. Die Lautstärke der Musik steigt wieder. Ich dränge mich an den Leuten vorbei. Sie bemerken mich nicht einmal. Ich möchte verschwinden. Am liebsten für immer. Außer Atem erreiche ich mein Ziel. Taehyung. Er sitzt mit den anderen noch immer zusammen. Sein Blick richtet sich immer mal wieder in die Menge, als würde er jemanden suchen. Als sich unsere Blicke kreuzen, beginnt er zu lächeln. Ich beginne fast wieder zu weinen.
„Jungkook, wo hast du gesteckt?", erkundigt er sich. Er riecht nach Alkohol.
„Lass uns gehen. Bitte, lass uns einfach gehen", flehe ich ihn an. Jins Ausdruck wird von Sorge verzogen. Er scheint im Gegensatz zu den anderen noch nüchtern. Namjoon lehnt an seiner Seite, die Augen geschlossen. Auch Hobi kämpft gegen den Alkohol in seinem Blut an. Von Jimin und Yoongi fehlt jede Spur.
Und von Hyuk Gott sei Dank ebenfalls.
„Ich möchte nach Hause. Du hast versprochen, dass wir gehen, wann immer—" Er unterbricht mich, indem er meine Hand nimmt.
„Ist schon in Ordnung. Nur, wo warst du denn die ganze Zeit? Ist dir was passiert?"
Ich schüttele den Kopf, doch ziehe ich an seiner Hand, damit wir endlich von hier verschwinden können.
„Bitte, komm einfach jetzt mit. Ich möchte nach Hause."
Sein Nicken lässt mich vor Erleichterung beinahe aufschreien. Wir verabschieden uns beide von allen, die noch anwesend und nicht bereits eingeschlafen sind.
Kaum wollen wir uns aber aus dem Wohnzimmer bewegen, an den unzähligen tanzenden und lachenden Gästen vorbei, betreten Hyuks Schatten den Raum durch den einzigen Weg nach draußen. Erschrocken quieke ich auf und suche panisch nach einem anderen Ausgang, rempele dabei beinahe ein verliebtes Paar um.
Taehyung scheint zuerst nicht ganz zu verstehen. Er mustert mich. Als er aber sieht, wie mir die Tränen die Wangen herab laufen—
„Sie haben dir weh getan, nicht wahr?"
Er legt seine Hand an meine Wange, den Blick auf die sich langsam dunkelrot färbenden Abdrücke an meinem Hals gerichtet.
„Lass uns gehen, bitte", schluchze ich. Die Panik in mir beginnt langsam zu siegen.
„Es tut mir leid", entgegnet er mir leise. Ich schüttele erneut den Kopf. Eine Entscheidung wird uns nicht hier rausbringen.
„Ihr wollt schon gehen?" Hyuk.
Von seinen Schatten ist weit und breit keine Spur mehr übrig. Seine Anwesenheit reicht allerdings, um das Fass zum Überlaufen zu bringen.
Ich werde panisch, meine Tränen sind nicht mehr zu halten. Alle Leute können sie nun sehen. Das ist so demütigend.
„Liebend gerne, aber das möchte ich lieber." Mit diesen Worten holt Taehyung weit aus und trifft den Schulschläger direkt auf die Nase. Trotz der Musik, die in meinen Ohren dröhnt, hört man ein Brechen. Getroffen fällt der Junge einfach um.
„Nimm meine Hand."
Wir rennen. Wir rennen so schnell uns unsere Beine tragen ins Freie und in die Nacht. Was hinter uns zurückbleibt, kümmert Taehyung nicht. Wir stürmen den Gehweg entlang. Ich weine noch immer. Erst als ich vor lauter Schluchzen kaum noch Luft zum Atmen habe, kommt der Ältere zum Stehen. Ich renne unbeabsichtigt in seine Arme. Anstatt mich von ihm zu stoßen, erwidert er die Umarmung und drückt mich fest an sich.
„Ich hätte dir nachgehen müssen. Es tut mir so leid."
Mein Weinen wird nicht besser. Ich bekomme mich nicht mehr ein.
„Es tut mir so unendlich leid, Jungkook", flüstert er in mein Ohr und streicht mir beruhigend mit der Hand über den Hinterkopf.
„Das ist alles meine Schuld." Er lehnt seine Stirn an die meine. Anschließend küsst er mich.
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