Kapitel 5

Thala, meine Süße, gehst du bitte Zähne putzen?", nachdem Annas - neben dem Baby - jüngste Tochter ihren Teller von sich schiebt. Eben gab es einen großen Streit um das Gemüse. Ein übliches Gespräch an diesem Tisch. Man könnte es fast zur Tagesordnung zählen. Sonst sind es zwar die beiden Großen, die sich über das gesunde Essen beschweren, aber heute hat es sich Thala zur Aufgabe gemacht, über das Gemüse zu streiten. Zu der Überraschung des gesamten Tisches steht sie ohne zu Murren auf, obwohl sie noch in der sogenannten Trotzphase ist. Øystein kam im Gegensatz zu seiner jüngeren Schwester in dieser schwierigen Phase des Wachsens einem Engel gleich, aber das macht Kinder so besonders. Jedes ist auf seine Weise unterschiedlich, ganz besonders.
Sie geht schnurstracks an dem Stuhl ihrer Mutter vorbei - ganz die hochnäsige Prinzessin im Trotzphasenalter - und bleibt an meinem stehen. Ihre knubbeligen Hände ziehen an meinem Kleid. „Bringst du mich ins Bett, ja, Gerdi?"
„Sofern du deine Zähne gründlich geputzt hast, komme ich dir Gute Nacht sagen."
Freudig hüpft das Mädchen aus dem Raum. Kris läuft ihr hinterher. Anna sieht geschafft aus. Sie fässt sich durch ihr Gesicht und lässt es schließlich in ihre Hände fallen. „So, habt ihr Ideen für Thalas Geburtstag? Ich bin für Vorschläge offen."
Stimmt ja. Thalas Geburtstag. Oh Mann. Ist der schon so bald? Es ist noch in etwa ein Monat, der uns für die Planung bleibt, doch sie ist eine Prinzessin, was heißt, die Feierlichkeiten müssen immer riesig sein. Meine Geburtstagsfeier hätte das auch werden können, aber ich habe darum gebeten, im kleinen Kreis feiern zu dürfen. Für Kay war das sehr blöd, denn wir haben am selben Tag Geburtstag, obwohl er zwei Jahre älter ist als ich. Trotzdem war die Feier nie im kleinen Kreis gewesen. Es kamen Könige aus den anderen Ländern zu unserem Geburtstag. Immerhin waren sie dabei nie so groß wie die von den anderen Adeligen.
„Ich kann wieder einen Kuchen backen", schlage ich vor. Natürlich muss selbst der Kuchen für die Feier pompös sein, aber zum Frühstück durfte ich ihr die letzten Jahre einen kleinen, nicht perfekten Kuchen backen.
„Gute Idee. Und ihr?"
Es tritt Stille ein. Ermüdet von dieser miserablen Geburtstagsplanung legt die Königin ihren Kopf auf dem Tisch ab. „Wenn du magst, übernehme ich die gesamte Planung. Wegen der Geldsache lasse ich mir von Mille helfen. Du kannst dir in der Zeit etwas Zeit für dich nehmen. Ich kümmere mich um die Kinder", biete ich mich als Nanny und Planerin an. Eine Geburtstagsfeier für eine Prinzessin wird wohl nicht so schwer sein.
„Vielleicht musst du das auch, wenn wir zu den südlichen Inseln reisen müssen", ihr Blick geht missbilligend in meine Richtung.
„Es tut mir leid", zerknirscht entschuldige ich mich zum fünftausendsten Mal.
„Du musst niemandem etwas beweisen. Außer anscheinend dir. Wir wollen dich nicht verlieren. Du bist unsere Mary Poppins und unsere beste Nichte, die wir uns je wünschen könnten, du gehörst zu unserer Familie."
Unweigerlich werden ihre Kinder mit in diese Unterhaltung gezogen. Entschuldigung sehe ich von einem zur anderen. Die sitzen ungeduldig auf ihren Stühlen und würden liebend gerne im Boden versinken. Ich auch, ich auch. „Ich schreibe eine Liste und es kann sein, dass ich dich um Hilfe bitten werde, Gerda."
„Das ist kein Problem."
„Gut, so kann ich dich wenigstens im Auge behalten."
Sarijana schiebt ihren Stuhl vom Tisch weg und steht auf. Einer der Dienstboten will ihr dabei helfen, doch sie ist schneller und sieht ihn für seine Untat finster an. Dieser versteckt sich sicherheitshalber in einer dunklen Nische. Hätte ich an seiner Stelle genauso gemacht. Die Perfektion in Person kann im zickigen Zustand mehr als gruselig sein. „Gute Nacht, Gerda", sagt sie und gibt mir einen Kuss auf die Wange. Während die anderen mich Gerdi nennen, besteht sie auf meinen richtigen Namen, womit ich durchaus kein Problem habe. Wie gut, dass ich ihre Cousine bin und nicht ihre Angestellte. Da würde ich mir ja jeden Tag aufs Neue in die Hose machen vor Angst.
Die braunen Augen sehen mich an. „Gerda, kann ich dich etwas fragen?"
Mit einem Blick zu seiner Mutter sage ich: „Gerne. Was gibt es, Lieblingscousin?"
„Nenn mich bitte deinen Lieblingsprinzen", ahmt er seine Schwester nach mit einer passenden Gestik. Ich pruste, versuche mir jedoch das Lachen hinter meiner Hand zu verkneifen.
„Was kann ich für Euch tun, mein Lieblingsprinz?"
Er sieht zu seiner Mutter. Ein breites Grinsen liegt auf seinen Lippen. Die blonden verwuschelten Haare gehen in seiner Bewegung mit. „Mama, hältst du die bitte deine Ohren zu?"
Ratlos zuckt sie mit den Armen. Dann tut sie ihrem Sohn den Gefallen und hält sich die Ohren. Die Königin sieht an mir vorbei. Ich drehe mich um, da sehe ich den Vater des Jungen. Øystein steht auf und zeigt auf seine Mutter. „Verstehe", kommt es von meinem Onkel, der sich auf diese Bitte die Ohren zuhält.
„Jetzt bekomme ich Angst. Was ist denn?", möchte ich unbedingt wissen.
„Nichts Schlimmes. Doch. Vielleicht. Ich weiß es nicht. Ich mag ein Mädchen aus meiner Klasse", schüchtern sieht er zu Boden. Dazu knabbert mein Cousin an seinen Fingern. Wenn seine Mutter das sieht, ohoh...
„Ja...?", erwarte ich, dass er seine Aussage weiter ausführt.
„Ich... Wie sagt man es einem Mädchen? Kannst du mir da helfen? Bitte?", flehentlich erwartet er eine Antwort. Wie könnte ich diesen leuchtenden braunen Kinderaugen und diesen Sommersprossen widerstehen?
„Erstmal brauche ich mehr Input über dein gewisses Mädchen." Und dringend Alkohol. Wie kann es sein, dass er sich vor mir verliebt? Er ist acht. Acht süße Jahre alt. Wie um Himmels Willen ist das möglich? Na egal. Ich freue mich, dass er sich mir in diesen Dingen anvertraut, obwohl ich selbst wahrscheinlich keinerlei Erfahrungen habe. Ich wurde zu Hause unterrichtet, habe mit Kay im Wald gespielt und noch keinen Jungen getroffen. Also schon, aber naja egal. Ihr wisst schon. Nicht so. Nicht mit Küssen. Nicht die wahre Liebe. Kein Verliebtsein. Traurig, ich weiß. Kein normaler Mensch kann diese unglaubliche Beziehung wie die meiner Eltern führen. Keine Dorfleute wie ich und Kay. Das gibt es nur in einem Märchen, würden jene normalen Leute sagen. Doch ich lebe in einem Märchenwald, welche Ironie. Ich glaube, dass es wahre Liebe nur damals, als die Hans Christian Andersen und Konsorten ihre Geschichten nieder geschrieben haben, gegeben hat oder bloß zwischen Adligen möglich ist. „Wie heißt sie? Hat sie Märchenfiguren als Eltern?"
„Es ist Ylvie. Sie ist die Tochter von Rotkäppchen und dem Bösen Wolf."
„Vent - warte. Rotkäppchen und der Böse Wolf haben ein Kind? Oh mein Gott. Was habe ich verpasst? Das stand nicht in der Hansianer." Hansianer ist eine Zeitschrift über die neusten News in und um Arendelle. Quasi die dänische Variante, die sich auf den besten Märchenautor bezieht. So habe ich wenigstens ein bisschen das Gefühl, etwas von der Außenwelt mitzubekommen. Aber scheinbar weiß ich doch nicht alles, wobei ich mich gerade daran erinnere etwas über einen Sohn von Rotkäppchen gelesen zu haben. Wurde der nicht mit dieser rothaarigen Prinzessin im Bett erwischt? Nackt? Natürlich nackt, wenn sie im Bett zusammen lagen. Was sollten Jugendliche in meinem Alter sonst tun? Angezogen herum schmusen? Sicherlich nicht. Ich werde aus diesen hochrangigen Leuten einfach nicht schlau. Sie wollen Publicity und im nächsten Moment wieder nicht. Sie halten sich für was besseres und müssen im Rampenlicht stehen. Soweit ich mich erinner, stand ich nie in einer Zeitschrift. Nur ein einziges Mal. Da habe ich meinem Opa bei einem Entenrennen geholfen. Da war ich aber auch noch um einiges kleiner. Letzten Endes habe ich nur ein paar Quitscheenten in einen Bach gekippt.
„Ich glaube, sie hat noch einen großen Bruder."
„Oh ja, weiter im Text. Warum magst du sie?", lenke ich meine Aufmerksamkeit wieder auf das viel wichtigere Thema. Der Prinz alias mein Cousin, der sich verliebt hat. Wahrscheinlich liegt dieses, dass sich Adlige andauernd verlieben, an ihrem Charme und vielleicht ebenso ihrem Geld, doch bei meinem Cousin spielt der Charme die Hauptrolle. Er braucht kein Geld, um ein Mädchen zu beeindrucken.
„Ich weiß es nicht. Ich mag sie halt. Sie ist lustig und freundlich und stark. Nicht stark, sondern mutig. Ylvie war krank und kann darüber reden, als wäre es unwichtig, als würde es ihr nicht wehtun, doch ich habe gesehen, dass der Gedanke sie daran schmerzt. Sie ist auch sehr hübsch. Leider findet sie die Drillinge viel besser als mich. Es ist zwecklos, oder? Sie wird mich nicht mögen."
„Sag sowas nicht. Du bist ein Kämpfer, kein Aufgeber." Ich halte ihm aufmunternd die Faust hin, wo er mit seiner gegen schlägt. „Wer sind denn die Drillinge? Mit deinem Charme kannst du sie schlagen. Aber warte, schlag sie nicht wirklich. Sonst bekomme ich Ärger von deiner Mutter."
„Das mache ich nicht. Die Drillinge schlagen meine ich, das wäre nicht ich. Ich möchte etwas besonderes. Ylv vielleicht fragen, ob sie mit mir essen geht. Was meinst du? Wie stellt man das an?"
„Langsam, immer langsam. Frag sie nach einer Spielverabredung. Ihr seid noch jung. Ich denke da ist die Variante besser."
„Ja, das glaube ich auch. Dann muss ich sie nicht küssen, oder?"
Gut, dass ich seinem Vorschlag mit dem Essengehen nicht zugestimmt hatte, ansonsten hätte mich Anna wahrscheinlich wirklich umgebracht. Wieviel Fantasie kann dieser Junge haben? Einen Kuss? Jetzt schon? Das wär wohl echt etwas übertrieben zu früh. „Nein, musst du nicht. Ein Spieldate. Du kannst ihr aber sagen, dass du sie magst."
„Worüber freuen sich Frauen? Über was würdest du dich freuen?", fragt er weiter. Ich überlege. Hm? Worüber würden sich normale Frauen freuen? Was würde mir Freude bereiten, wenn ich mich mit einem Jungen zum Spielen verabrede? Mir kommt da ein genialer Einfall, über den sich jede Frau im Normalfall freuen würde. „Darf ich dir eine Geschichte erzählen?"
Mein Cousin nickt. „Es war einmal eine Frau mit zwei Rosenbäumchen, das eine mit roten Rosen und das andere mit weißen. Sie hatte auch zwei Kinder, die diesen Rosenbäumchen glichen. Ihre eine Tochter hieß Schneeweißchen-"
Øystein unterbricht mich. „Ich kenne diese Geschichte, Gerdi. Was möchtest du mir damit sagen?"
„Lass mich bitte ausreden, kleiner Prinz, ja? Fein. Also: Die Mädchen wuchsen heran und wurden älter. Beide waren sehr liebe Mädchen und so nahmen sie einen Bären bei sich im Haus auf. Sie pflegten und umsorgten ihn über eine längere Zeit hinweg. In dem Märchen kam auch noch ein Zwerg vor. Jedenfalls verwandelt sich der Bär später in einen Prinzen, der das liebe Schneeweißchen heiratet, während sein Bruder mit Rosenrot vermählt ist. Und nun habe ich vergessen, was ich damit erklären wollte. Ach ja. Du kennst die Rosen, die ich um Milles Schloss herum hatte einpflanzen wollen, oder?"
„Ja, die hast du für dich und Kay machen wollen. Als ihr Kinder ward, gab es viele Rosen und sie wurden zu einer Verbindung zwischen euch. Deswegen liebst du Rosen und kannst Mille nicht leiden."
„So ungefähr. Das mit Mille stimmt nicht ganz. Ich habe sie akzeptiert und ihr teils das aus der Vergangenheit verziehen, aber das heißt nicht, dass ich sie an der Seite meines Bruders leiden kann. Was ich dir mit dem Märchen von Schneeweißchen und Rosenrot erzählen wollte, war, dass unser Opa früher sagte, die Rosen gäbe es in unserem Garten, weil seine beiden Töchter angeblich Schneeweißchen und Rosenrot waren. Und weißt du, was ich dabei glaube? Meine Mutter wurde von ihm adoptiert. Sie war somit die Schwester von Kays Mutter. Sie waren also diese beiden Mädchen. Beide heirateten einen Prinzen, doch die Prinzen, also Kays und meine Väter, wollten das Leben eines Adligen nicht länger ertragen, warum sie ihr Erbe ausschlugen."
Wieder unterbricht er mich: „Ja, ich kenne die Geschichte, Gerda. Du hast sie mir oft zum Einschlafen aufgesagt."
„Daran erinnerst du dich noch?"
„Ja?", fragend sieht er mich an. „Was hat das mit mir zu tun?"
„Ich würde mich über eine Rose freuen."
„Und du meinst Ylvie auch?"
Ich zucke mit den Schultern. „Ich weiß es nicht."
Niedergeschlagen und ein ganz bisschen genervt lässt er den Kopf hängen.
„Okay, ich weiß es nicht, aber ich könnte es mir vorstellen, dass sie sich über einen Strauß freuen würde."
„Oder eine Kette, das ist es! Danke, Gerda, du bist die Allerbeste!", er verdreht zwar meine Worte wie er sie braucht, aber er umarmt mich zumindest. Am besten erzähle ich seiner Mutter gleich davon. „God Nat. Jeg elsker dig." Gute Nacht. Ich habe dich lieb.
„God Nat."
Nun, wo Øystein seinen Eltern das Okay gegeben hat, wieder die Lauscher zu öffnen, um schlafen zu gehen, begebe ich mich zu Thala ans Bett. „Godnat, min søde - Gute Nacht, meine Süße. Was wünscht du dir eigentlich zu deinem Geburtstag? Einen bestimmten Kuchenwunsch? Ein Ehrengast? Irgendeine Vorstellung?"
Ruhig bleiben ist nicht meine Stärke. Einen königlichen Geburtstag muss man rechtzeitig im Voraus planen, das sehe ich nun ein. „Eine Piratenprinzessin."
„Was muss ich mir darunter vorstellen?"
„Eine Piratin mit einem rosanen Rock und einem piratenmäßigen Oberteil und schwarzen Stiefeln und einem Schwert wie deinem", erklärt dieses süße kleine Mädchen träumerisch. Sie hat wohl eine genaue Vorstellung, doch ob das ihrer Mutter und ihrer Schwester gefallen wird, wage ich zu bezweifeln. „Sie wäre eine Heldin, die für ihr Leben, ihre Familie kämpft. Sie müsste nicht zur Schule gehen."
„Wie heißt denn diese Piratin? Und woher kennst du sie?"
Das Mädchen spielt mit ihrem Plüschtier Schneemann. Als ihre Mutter noch kleiner war, hatte sie ihn für Elsa gebastelt, die ihn später an dire Nichte verschenkt hatte. „Aus meinem Traum. Dort hat sie mich nämlich besucht. Sie hat mir auch ihren Namen verraten: Leja. Auf ihrem pinken Schiff mit dem Namen ROSENRØD PIRAT hat sie mir ihre Freunde vorgestellt."
„Meinst du ihre Crew?", rate ich.
„Nein, ihre Freunde", eingeschnappt, weil ich ihre Erzählung unterbrochen habe, kreuzt sie ihre Arme. „Da gab es den einäugigen Piraten Yall, der war gruselig, dann Villads - den Küchenjungen - und Kimm."
„Kennst du Kimm nicht gut?"
„Doch, ich kenne ihn sehr gut. Wir sind beste Freunde. Er wird mich heute besuchen, das hat er mir versprochen und dann fliegen wir auf einem Drachen umher und sehen auf euch alle runter. Er möchte aus Spaß auf euch spucken, aber ich werde es ihm verbieten, vor allem dich soll er in Ruhe lassen."
„Weißt du noch wie meine Mutter heißt?", denke ich angeregt darüber nach, ob ich ihr auch schon von der Geschichte um meine verstorbene Familie erzählt habe. Ihrem Bruder habe ich ja scheinbar bereits davon erzählt, was ich jedoch vergessen hatte.
„Nå ja - ach ja! Rosenrød. Und Kays moder heißt Snehvid. Wie Schneeweißchen und Rosenrot. Du bist also eine Prinzessin. Das habe ich meinen neuen Freunden erzählt. Die haben sich sehr gefreut, denn sie sind ein großer Fan von deiner Mutter."
„Wirklich? Ich bin auch ein großer Fan meiner Mutter", lächelnd küsse ich ihre Stirn. „Godnat. Träum süß und ich drücke dir die Daumen, dass das mit dem Drachen klappt. Grüße deine Freunde von mir."
„Das mache ich. Hab dich lieb", sagt sie mit ihrer winzigen Zahnlücke, die fast Nachtzug sehen ist, aber ich weiß, dass sie existiert.
„Ich habe dich lieb von hier bis... zur Erde", entsinne ich mich an unser übliches Ritual. Sonst fängt sie damit an, mir zu sagen, wie sehr sie mich lieb hat und irgendwie ist das fast zu einer Art Ritual geworden.
„Bis zur Erde? Wir sind auf der Erde."
Mit der flachen Hand schlage ich mir gegen die Stirn. Ich bin echt ein Schussel. Wirklich. Einmal wollte ich meiner richtigen Mutter, also mit höchster Wahrscheinlichkeit Rosenrot, zum Geburtstag eine Überraschung machen, da bin ich gegen die Tür gelaufen, aber so richtig. Danach hatte ich eine verdammt große Beule. Und Kay? Der hat gelacht. Danach war ich wegen einem Austausch in dem französischen Dörfchen von Belle und ihrem Biest gewesen, wo es eine ganz besondere Tradition zum Tag der Heiligen Drei Könige gab. Nämlich den sogenannten Königskuchen oder in der originalen Sprache Galette de rois. Als ich den Kuchen zu Hause nach backen wollte, hatte ich das Wichtigste vergessen - die kleine Porzellanfigur, die dafür sorgt, dass der, der sie findet, zum König für einen Tag ernannt wird und zusätzlich seine Königin erwählt, die er im Anschluss küsst.
„Ich meinte natürlich, dass ich dich von hier bis zum Mond liebe", korrigiere ich mich schleunigst. Annas Kinder sind für ihr Alter viel zu intelligent. Könnte daran liegen, dass sie schon in frühen Jahren mit dem Unterricht begonnen hatten. Vor ein paar Jahren wurden Øystein und Sarijana auch noch zu Hause unterrichtet, doch dann haben sich Anna und Kristoff für die Grundschule mit anderen Kindern entschieden. Lennja wird den gleichen Weg gehen, nur wird sie gleich mit dem Erreichen des sechsten Lebensjahres in eine Grundschule gesteckt, obwohl sie ebenfalls bereits zu Hause unterrichtet wurde. Die beiden Großen gehen zusammen in eine Klasse, damit keiner von beiden sich alleine am Internat des Grauens zurecht finden muss. Eigentlich heißt das Internat nicht Internat des Grauens, aber die meisten geben diesem Internat zum Spaß irgendwelche doofen Namen, weil es keine besonders tolle Schule ist. Zumindest finden das die Adligen, die wegen den alten Regeln von ihren nicht adligen Freunden getrennt sind. Allmählich werden diese Regeln gelockert. Einige normale, nicht adlige Schüler durften die Schule schon besuchen.
„Und ich liebe dich von hier bis zum Mars und zurück."
„Hm... ha! Ich hab's. Meine Liebe zu dir reicht von hier bis zur Sonne", erwidere ich lächelnd in ihre Richtung.
„Und meine von hier bis zur Sonne und wieder zurück und nochmal hin."
Kann man das noch topen? Oh ja, das kann man. Wenn es nach ihrer Nase gehen würde, könnte sie das noch stundenlang tun. Das vierjährige Mädchen ist wirklich, wirklich sehr, sehr intelligent. Bald ist sie intelligenter als ihre älteren Geschwister. Na gut, zugegeben, das ist wohl eher mehr als übertrieben, aber sie ist auf dem besten Weg dahin. Das ist jedenfalls mein Empfinden. Was Anna zu ihrer Strebertochter denkt, weiß ich nicht, aber bestimmt nicht unbedingt etwas anderes. Außer wenn sie gerade bei ihrem Baby ist, da sind ihre Gedanken immer ganz woanders - nämlich bei Lennja.
„Okay, okay, noch gebe ich mich nicht geschlagen. Ich liebe dieses kleine, entzückende, absolut bezaubernde, süße Mädchen von der Erde bis zum Ende der Galaxie." Das ist aber auch glaube ich der letzte Hab-dich-lieb-Beweis für heute Abend, sonst geht mir die Königin ernsthaft an die Gurgel, sofern ihr Kind deshalb nicht ausgeschlafen ist und es mit der Trotzphase direkt am frühen Morgen weiter geht.
„Ich liebe dich, Gerdi, von hier bis zum Ende der nächsten Galaxie und zurück."
„Na schön, du hast mich. Ich gebe auf, Schätzchen", in Gedanken füge ich noch hinzu Und für nächstes Mal suche ich nach neuen Orten oder wie man es nennen mag im Internet, sofern das WLAN funktioniert. „Ich liebe dich viel zu sehr, um es dir zu sagen. Denn es ist sehr schwer zu erklären, wieso und wie doll man jemanden lieb hat."
„Ich könnte das noch viel lääänger machen", behauptet sie mit einem müden Lächeln. Oh natürlich kann sie das.
„Ich weiß, aber ich nicht. Also gute Nacht."

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